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Medienanalysen zum Thema Islam in Deutschland und den Niederlan- Niederlan-den – ein systematischer Überblick Niederlan-den – ein systematischer Überblick

Im Dokument Rettungsszenarien im Widerstreit- (Seite 28-33)

3. Länder- und Materialauswahl

4.1 Medienanalysen zum Thema Islam in Deutschland und den Niederlan- Niederlan-den – ein systematischer Überblick Niederlan-den – ein systematischer Überblick

In auffälliger Weise strukturiert sich die Erforschung massenmedialer Konstruktionen des Islam und von MuslimInnen in Deutschland zeitlich entlang relevanter diskursiver

15 Die Charakterisierung und Kontextualisierung der ausgewählten Zeitschriften erfolgt im Abschnitt V 2. der vorliegenden Arbeit.

Ereignisse: Nach vereinzelten frühen Medienanalysen aus den 1980er Jahren, die über-wiegend auf den medialen Umgang mit MigrantInnen türkischen Hintergrunds bzw. auf die Wahrnehmung von ‚AusländerInnen‘ fokussierten (vgl. z.B. Geiger 1985),16 war in Reaktion auf die Medienberichterstattung zum Zweiten Golfkrieg (1990/1991) eine ers-te starke Zunahme kritischer Forschungstätigkeiers-ten zur Konstruktion des Islam in deut-schen Medien zu verzeichnen. Diesbezügliche Veröffentlichungen setzten sich vielfach aus kulturalismuskritischer Perspektive diskursanalytisch mit den (Re-)Produktionen eines an historisch verankerte, orientalistische Diskurse anknüpfenden Feindbildes Is-lam auseinander (vgl. Lueg 1993; Lueg 2002; Rotter 1993; Gerhard/Link 1992; Link 1994).17 Breiten Raum nahm in dieser Phase auch die Kritik an so genannten ‚Islam-ExpertInnen‘ wie Peter Scholl-Latour und Gerhard Konzelmann ein, die zur Zeit des Golfkrieges vielfach in Printmedien und Fernsehen präsent waren (vgl. Geiger 1992;

Klemm/Hörner 1992; Rotter 1992). In den Folgejahren wurden – ebenfalls meist aus o-rientalismus- und feindbildkritischer Perspektive – die Berichterstattung zum Aufstieg der Front Islamique du Salut (FIS) in Algerien und die umstrittene Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel kritisch begleitet sowie die Veröffentlichung der Thesen Samuel Hunting-tons zum so genannten Clash of Civilizations mit Blick auf die Konstruktion eines Ge-gensatzes zwischen Islam und Westen diskutiert (vgl. Hafez 1996a; Hafez 1996b;

Geiger 1994; Geiger 1998; Hoffmann 2004).18 In den 2000er Jahren wurden schließlich mehrere systematische Medienanalysen vorgelegt: Häufig orientiert am medialen Um-gang verschiedener Massenmedien mit islambezogenen, diskursiven Ereignissen fokus-sieren diese meist zeitlich eng umgrenzte Zeiträume oder einzelne Zeitungs- und

16 Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt konstatierte Geiger im Rahmen einer Diskursanalyse von Artikeln aus lokalen und überregionalen Tages- und Wochenzeitungen zum Thema ‚AusländerInnen‘ die Her-ausbildung eines kulturell begründeten Rassismus. Leider wurde die Kritik Geigers, die insbesondere auf die mediale Wahrnehmung von MigrantInnen türkischen Hintergrunds zielte, zu diesem Zeitpunkt – also bevor die Thesen Etienne Balibars zur Modifikation rassistischer Diskurse im Rahmen der deutschen Sozialwissenschaften rezipiert wurden – kaum beachtet.

17 Viele der kritischen Analysen des so genannten Feindbildes Islam beruhten bereits zu Beginn der 1990er Jahre auf den diskursanalytischen, meist rassismuskritischen Arbeiten aus dem Umfeld des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Die Feststellung von Kai Hafez, die is-lambildkritische Forschung sei bis gegen Ende der 1990er Jahre überwiegend nicht in der klassischen Rassismusforschung, sondern eher im Rahmen der Islam- und Religionswissenschaften oder der auf den Orient spezialisierten Politikwissenschaften verortet, muss in Anbetracht dieser Arbeiten in Frage gestellt werden. Auch seine Aussage, die medienorientierte Rassismusforschung stelle sich erst lang-sam auf die Erforschung spezifischer ethnisch-religiöser Feindbilder ein und konzentriere sich bis zum Ende der 1990er Jahre vorrangig auf Kollektive wie ‚AusländerInnen‘ und ‚Fremde‘ (vgl. Hafez 2000a: 123) ist für die Arbeiten des DISS nicht zutreffend.

18 Für einen Vergleich islamfeindlicher und antisemitischer Bilder vgl. Hafez 2000a, vergleichend zur Berichterstattung über den Islam in westlichen Medien mit derjenigen über den Westen in islamischen Medien vgl. Hafez 2000b.

schriftentitel.19 Schiffer untersucht in ihrer breiter angelegten Langzeitanalyse den Um-gang mit dem Thema Islam in verschiedenen überregionalen Qualitätszeitungen, legt dabei allerdings einen starken Fokus auf die Analyse medialer Darstellungstechniken (vgl. Schiffer 2005). Elisabeth Klaus und Susanne Kassel analysieren schließlich am Beispiel von Artikeln aus den Wochenzeitschriften Der Spiegel und Focus mediale Strategien zur Legitimation des Afghanistan-Krieges – und fokussieren dabei als einzi-ge der bisher einzi-genannten Analysen auch auf die einzi-geschlechtsspezifische Konstruktion von Islambildern (vgl. Klaus/Kassel 2005; Kassel 2004).

Untersuchungen der Bedeutung der Strukturkategorie Geschlecht für die mediale Kon-struktion des Islam und von MuslimInnen sind ebenfalls erst seit Anfang der 1990er Jahre zu finden.20 Anlass dafür bot z.B. die Veröffentlichung des Romans Nicht ohne meine Tochter von Betty Mahmoody in deutscher Übersetzung (vgl. Mysorekar 1991).

Im Verlauf der 1990er Jahre wurde im Rahmen dieser Untersuchungen auch der Um-gang der Zeitschrift Emma bzw. ihrer Chefredakteurin und Herausgeberin Alice Schwarzer mit dem Thema Islam immer wieder kritisch beleuchtet. Diesbezügliche Analysen fokussieren z.T. ebenfalls die Konstruktion der ‚fremden Frau‘ (vgl.

Pinn/Wehner 1995; Farrokhzad 2006; Farrokzhad 2002) bzw. die des ‚islamischen Pat-riarchats‘ (vgl. Jäger 1996) oder beleuchten aus feindbildkritischer Perspektive die so genannte Kopftuchdebatte in Deutschland (vgl. Derichs 2002; Rommelspacher 2002) oder sind im Kontext von Reflexionen zum Rassismus in der deutschen Frauenbewe-gung und Frauenforschung verortet (vgl. Lutz 1993; Lutz 1992). Anlässlich der Veröf-fentlichung des ‚Dossiers Fundamentalismus‘ im Emma-Heft Juli/August 1993 (vgl.

Marx 2001; Kreile 1993; Toker 1993a) sowie in den 2000er Jahren im Kontext des Af-ghanistan-Krieges (vgl. Marx 2002) und des Mordes an dem niederländischen Regis-seur Theo van Gogh (vgl. Marx 2006) wird die Islamberichterstattung der Zeitschrift Emma schließlich explizites Ziel (rassismus-)kritischer, feministischer Auseinanderset-zungen.

19 Für eine Inhaltsanalyse von Artikeln der Wochenzeitung Der Spiegel (1950-1989) zum Thema Islam vgl. Thofern 1998; für eine Analyse von Artikeln aus Der Spiegel und der Westdeutschen Allgemei-nen Zeitung (WAZ) (2000 und 2004) zu den Auswirkungen der medialen Wahrnehmung von Musli-mInnen auf deren Möglichkeiten soziokultureller Teilhabe vgl. Halm/Liakova/Yetik 2007; für eine Analyse der Islamberichterstattung deutscher Tages- und Wochenzeitungen im direkten zeitlichen Umfeld des 11. September 2001 vgl. Deutsch-Islamisches Institut für wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit e.V. 2002 und Massarat 2002; für eine Analyse der Fernsehberichterstattung zum Thema Islam während dieses Zeitraums vgl. Cichowitz 2002.

20 Mit der Konstruktion ‚fremder Frauenwelten‘ befassen sich Röben und Wilß (vgl. Röben/Wilß 1997);

Pinn wirft einen feindbildkritisch orientierten Blick auf die Konstruktion muslimischer Frauen (vgl.

Pinn 1997), Gernsheim dagegen fokussiert auf die Konstruktion ‚türkischer‘ Frauen (vgl. Beck-Gernsheim 2006).

Keine der genannten Analysen befasst sich jedoch in umfassender, systematischer und über eine feindbildorientierte Perspektive hinausgehender Weise mit der Konstruktion von Islam und MuslimInnen in feministischen Medien.

In den Niederlanden sind deutlich weniger umfangreiche und weniger kontinuierliche Forschungs- und Publikationstätigkeiten in Bezug auf die Analyse medialer Konstruk-tionen des Islam und von MuslimInnen zu verzeichnen.

Sehr eindrücklich zeigt sich dies am Beispiel der im Auftrag des Integrationsministeri-ums durchgeführten Studie von Karen Phalet und Jessica ter Wal, die als Teil einer breiter angelegten Studie zu ‚MuslimInnen in den Niederlanden‘ zum Ziel hat, die öf-fentliche Diskussion im zeitlichen Umfeld der Anschläge vom 11. September 2001 an-hand einer systematischen Untersuchung von Artikeln der Tageszeitungen de Volkskrant (1998-2002) zu skizzieren. Ihr einleitender Verweis auf Studien zum media-len Konstruktion des Islam umfasst nicht mehr als fünf Angaben – drei davon beziehen sich jedoch eher auf einen internationalen als auf den niederländischen Kontext (vgl.

Phalet/ter Wal 2004a: 1).

Anders als in Deutschland unterliegt der (massen-)mediale Umgang mit dem Thema Is-lam – bis auf vereinzelte Ausnahmen anlässlich des Zweiten Golfkrieges (vgl.

Lahaise/Kross/Joseph 1991) bzw. der Debatten um die Fatwa gegen Salman Rushdie und den Machtzuwachs islamistischer Fundamentalisten in Algerien (vgl. Rath/Sunier 1993) – erst in den 2000er Jahren der kritischen Beobachtung. Überwiegend decken diese Mediananalysen jedoch eng begrenzte Zeiträume ab und fokussieren eher auf ein-zelne relevante Tages- und Wochenzeitungen: So beobachtet van den Bos z.B. die Be-richterstattung der Zeitungen de Volkskrant und Telegraaf in der Woche nach dem 11.

September 2001 (vgl. van den Bos 2002), Fennema untersucht die niederländische Ta-ges- und Wochenpresse in den ersten vier Wochen nach den Anschlägen (vgl. Fennema 2002), d’Haenens und Bink beziehen sich in ihrer aktuelleren systematischen Analyse zwar auf einen längeren Zeitraum (1998 bis 2004), werten jedoch nur Artikel des Al-gemeen Dagblad aus (vgl. d’Haenens/Bink 2006). Ebenfalls anlässlich der Anschläge des 11. September 2001 bietet Top einen eher unsystematisch angelegten, essayistisch anmutenden Einblick in die Entwicklung von Mediendebatten über den Islam von den späten 1970er bis in die 2000er Jahre (vgl. Top 2002). In einem aktuellen Beitrag un-terzieht van Stokkom so genannte Hassäußerungen im Internet einer kritischen Betrach-tung (vgl. van Stokkom 2007). Keine der bisher genannten, meist wenig umfangreichen

Untersuchungen bettet jedoch die aktuelle Analyse in einen größeren, historisch herge-leiteten – orientalismus- oder auch feindbildkritischen – Zusammenhang ein. Auch ver-folgt keine dieser Medienanalysen dezidiert ein diskursanalytisches Vorgehen.

Dagegen nimmt van der Valk mit ihrer Betrachtung der medialen Reaktionen auf den Mord an Theo van Gogh, im Rahmen derer sie Artikel aus der Zeitung de Volkskrant aus den Jahren 1998/1999 und 2002 inhaltsanalytisch auswertet, explizit eine orienta-lismus- und feindbildkritische Perspektive ein, fokussiert jedoch ebenfalls hauptsäch-lich Ereignisse und Debatten der 2000er Jahre (vgl. van der Valk 2006). Auch Baukje Prins wirft in verschiedenen Veröffentlichungen einen umfassenden, theoretisch fun-dierten und kritisch-reflektierenden Blick auf Multikulturalismus- und Islamdebatten in den Niederlanden, verfolgt jedoch nicht das Anliegen einer systematischen Medienana-lyse (vgl. Prins 2000; Prins 1997). Sehr unsystematisch, da eher kursorisch und wenig fundiert, aber aus explizit feindbildkritischer Perspektive, gibt Shadid einen Überblick über europäische Beiträge zur Konstruktion des Islam; die niederländische Forschung nimmt jedoch auch im Rahmen dieses Beitrages wenig Raum ein (vgl. Shadid 2005).

Mit Ausnahme von Baukje Prins, die auf die Instrumentalisierung scheinbar feministi-scher Argumentationen im Rahmen der so genannten minderhedendebat in den Nieder-landen fokussiert (vgl. Prins 1997), nimmt keiner der genannten Beiträge die Bedeu-tung der Strukturkategorie Geschlecht für die Konstruktion des Islam in den Blick. Me-dien- und debattenkritische Beiträge zur Konstruktion der ‚fremden Frau‘ bzw. ‚der Muslimin‘ werden in den Niederlanden vorrangig von Helma Lutz – die nach einem längeren Aufenthalt in den Niederlanden inzwischen in Deutschland lehrt und forscht – eingebracht und ähneln in Bezug auf ihre Ausrichtung stark ihren o.g. Beiträgen zur Forschung in Deutschland (vgl. Lutz 1996; Lutz 1991; Lutz 1989).

Anders als in Deutschland ist die Analyse feministischer Medien in Bezug auf Kon-struktionen des Islam in den Niederlanden bisher fast ohne jegliche Relevanz: Nur Gar-jan Sterk widmet Musliminnen in ihrem kurzen Beitrag zur Repräsentation von Schwarzen, migrantischen und Flüchtlings-Frauen (zmv-vrouwen21) in der feministi-schen Zeitschrift Opzij am Rande Aufmerksamkeit (vgl. Sterk 1997).

Für die niederländische Forschung zu medialen Konstruktionen des Islam und von MuslimInnen ist insgesamt eine auffällige ‚Theorielosigkeit‘ festzustellen: Bis auf we-nige Ausnahmen werden die Ansätze der bestehenden Arbeiten nicht theoretisch

21 Anmerkungen zur zmv-Frauenbewegung in den Niederlanden finden sich im Abschnitt V 2. dieser Ar-beit.

gründet und fundiert. Es ist zu vermuten, dass für die genannten Arbeiten zutrifft, was der niederländische Migrationsforscher Jan Rath in Bezug auf die niederländische Migrationsforschung kritisch anmerkt:

„(...) the academic output has been mainly descriptive, not particularly high in quality and has led to hardly any accumulation of knowledge. There is little connection to theoretical writings in other countries and in so far as researchers have dared to enter the territory of international comparative studies they have made no real contributions to the advancement of theory.“

(Rath 2001: 138)

Die Gründe für diesen „academic provincialism“ (van Doorn 1985:75, zitiert nach Rath 2001: 138) sind nach Rath in der niederländischen politischen Kultur zu suchen, in de-ren Rahmen SozialwissenschaftlerInnen eine ‚domestizierte‘, eher politikberatende als kritisch intervenierende Rolle einnehmen (vgl. Rath 2001: 150ff.). Auch wenn diese kritische Einschätzung hier nicht weiter verfolgt werden kann, verweist sie doch auf ei-nen strukturellen Rahmen, innerhalb dessen sich die niederländische Migrationsfor-schung – und so scheinbar auch die mediananalytische ForMigrationsfor-schung zum Thema Islam – bewegt und der ihre Vorgehensweise und Zielsetzung zu prägen scheint.

Angesichts des skizzierten Forschungsstandes bleibt festzuhalten, dass die vorliegende Arbeit mit ihrer diskurstheoretisch inspirierten, diskursanalytischen sowie länderver-gleichenden Anlage und ihrem Fokus auf die systematische, kontextsensible Analyse feministischer Medien Neuland betritt. Sie begreift sich als Beitrag zu einer systemati-schen Erforschung hegemonialer, medial vermittelter Islambilder. Ergebnisse vorhan-dener Arbeiten – die sich, wie bereits erwähnt, ganz überwiegend nicht mit der Analyse feministischer Medien befassen – sollen im folgenden Abschnitt kurz skizziert werden.

4.2 Grundzüge hegemonialer, medial vermittelter Islambilder22 – ein

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