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Islam und/oder Islamismus als weltpolitische Bedrohung – Verstär- Verstär-kung innerniederländischer islamkritischer Debatten Verstär-kung innerniederländischer islamkritischer Debatten

Im Dokument Rettungsszenarien im Widerstreit- (Seite 190-193)

IV Diskursereignisse zum Thema Islam in deutschen und niederländischen Massenmedien

2. Diskursereignisse Niederlande

2.2 Islam und/oder Islamismus als weltpolitische Bedrohung – Verstär- Verstär-kung innerniederländischer islamkritischer Debatten Verstär-kung innerniederländischer islamkritischer Debatten

Die erste große, in Verbindung mit dem politischen Islam stehende internationale Krise – die islamische Revolution im Iran – wurde von den niederländischen anders als von den deutschen Medien nur mit Abstand verfolgt. Erst mit dem Ausspruch der Fatwa, durch die der iranische Staatsführer Ayatollah Khomeini den Autor der Satanischen Verse, Salman Rushdie, am 14. Februar 1989 zum Tode verurteilte, und darauf folgen-der heftiger Reaktionen in folgen-der niefolgen-derländischen Öffentlichkeit wurde folgen-der Islam zu ei-nem zentralen Gegenstand politischer Debatten der beginnenden 1990er Jahre in den Niederlanden (vgl. Shadid/van Koningsveld 1997: 11; Rath/Sunier/Meyer 1999: 77).

Nachdem Wortführer niederländischer MuslimInnen sich zwar von der Fatwa distan-zierten, jedoch gleichzeitig ein Verbot der Satanischen Verse forderten, setzten in der niederländischen Öffentlichkeit erste Debatten über das Verhältnis des Islam zur Mei-nungsfreiheit und zu ‚westlichen Werten‘ im Allgemeinen ein. Im Anschluss an eine wenige Wochen später stattfindende ‚Pro-Khomeini-Demonstration‘ einiger hundert PakistanerInnen hielten schließlich Bedrohungsszenarien Einzug in die

niederländi-schen Medien und die Ereignisse wurden erstmals als Symptome eines vollkommenen Scheiterns des multikulturellen Politikansatzes interpretiert (vgl. Komrij 1989). Binnen weniger Wochen veränderte sich das Islambild in den niederländischen Medien deut-lich. Die Wahrnehmung muslimischer MigrantInnen als ‚Opfer‘ wich derjenigen als Verkörperung ideologisch rückständiger Bedrohung des niederländischen Zusammenle-bens:

„We hebben ze als stakkers verwend, en wij krijgen ze als wolven terug“291 (Komrij 1989: o.S.;

vgl. auch Rath/Sunier/Meyer 1999: 77; Top 2002: 4).

Erstmals ist damit in niederländischen Massenmedien die Konstruktion einer Differenz zwischen ‚Wir‘ (NiederländerInnen) und ‚Sie‘ (MuslimInnen) zu verzeichnen, die bis zu diesem Zeitpunkt rechtsextremen Kreisen vorbehalten war (vgl. Top 2002: 3f.).

Vor dem Hintergrund der so geprägten öffentlichen Stimmung gegenüber ‚dem Islam‘

und den muslimischen BürgerInnen wurde dem zu Beginn des Jahres 1991 ausbrechen-den Golfkrieg direkt eine innenpolitische Dimension zugeschrieben. Bereits bestehende innenpolitische Spannungen wurden sichtbar: MigrantInnen mit marokkanischem Hin-tergrund, die sich in Interviews überwiegend dem Krieg ablehnend gegenüber äußerten, wurden aufgrund ihrer zu anderen Anlässen geäußerten Solidarität mit den Palästinense-rInnen der Unterstützung Saddam Husseins verdächtigt. Stereotypisierende, vorgeblich faktenorientierte Berichte, die blutige Bilder abgehackter Hände (Saudi-Arabien) und anderer ‚islamischer‘ Gräueltaten zeigten und so ein Bedrohungsszenario schufen, er-schienen in Illustrierten und dienten der Verstärkung von Angst- und Bedrohungsgefüh-len (vgl. Top 2002: 5).

Genauso wie die Rezeption der Ereignisse um den Golfkrieg, trug auch diejenige der Ereignisse in Algerien 1991 (Aufstieg der Islamischen Heilsfront FIS) dazu bei, dass zu Beginn der 1990er Jahre eine zunehmende ‚Islamisierung‘ der Wahrnehmung von MigrantInnen aus muslimischen Ländern in den Niederlanden festzustellen war:

„Alhoewel de positie van migranten het resultaat is van een complex samenspel van economi-sche, sociale, politieke en ideologische factoren, kwam de nadruk dus steeds meer te liggen op het vermeende bijzondere karakter van de islam als godsdienst als belangrijke verklaringsgrond voor de positie van moslims.“ (Rath/Sunier 1993: 56)292

291 „Wir haben sie als arme Teufel/arme Tiere verwöhnt, nun kriegen wir sie als Wölfe zurück.“ (Übers.

D.M.)

292 „Obwohl die Situation der MigrantInnen das Resultat eines komplexen Zusammenspiels von ökonomi-schen, sozialen, politischen und ideologischen Faktoren ist, wurde verstärkt der besondere Charakter des Islam als Religion zur Erklärung der Situation der MuslimInnen herangezogen.“ (Übers. D.M.)

Die ausführliche und stereotypisierende Berichterstattung über die genannten außenpo-litischen Ereignisse lag zeitlich parallel zur innerniederländischen Infragestellung der bisherigen Minderheitenpolitik und ihrer Ausrichtung auf die Stärkung ihrer ‚ethnisch-kulturellen Identität‘, die Ende der 1980er Jahre ihren bisherigen Höhepunkt erreichte.

Die genannten Ereignisse erhielten aufgrund dieser zeitlichen Koinzidenz Wirkmäch-tigkeit auf innenpolitischer Ebene und trugen massiv zur negativen Einfärbung des Bil-des von in den Niederlanden lebenden muslimischen MigrantInnen zu Beginn der 1990er Jahre bei.

Mitte der 1990er Jahre ist schließlich noch ein Ereignis zu verzeichnen, das eine sehr niederlandespezifische Rezeption erfuhr: Während des Bosnienkrieges wurden bei Srebrenica im Juli 1995 bei einem systematisch geplanten Massaker ca. 8.000 bosnische Muslime durch serbische bzw. mit Serbien verbündete Einheiten getötet. Srebrenica war zu diesem Zeitpunkt Teil einer von der UN eingerichtete Schutzzone und sollte haupt-sächlich von niederländischen Blauhelmsoldaten (‚Dutchbat‘) gesichert werden. Diesen gelang es jedoch nicht, den Abtransport von Frauen, Kindern und Alten sowie die Inhaf-tierung und Exekution fast aller männlicher Bosniaken zu verhindern. In den niederlän-dischen Medien sickerte 1995 nur ganz allmählich die Erkenntnis durch, dass nieder-ländische Blauhelm-Soldaten die massenhafte Tötung von Menschen zumindest beo-bachtet hatten. Von einer (Mit-)Verantwortung der Blauhelme war zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Rede; erste Anzeichen dafür, dass unter den niederländischen Soldaten „sehr starke antimuslimische Gefühle“ (Beelman 1995) verbreitet waren, fan-den jedoch ihren Weg in die niederländische Presse (vgl. gb 1995; Beelman 1995).293 Massive innenpolitische Bedeutung erlangten diese Ereignisse interessanterweise im April 2002, als das Niederländische Institut für Kriegsdokumentation (NIOD), das die Rolle der niederländischen Blauhelme bei diesem Massaker untersuchte, seine Ergeb-nisse bekannt gab (vgl. NIOD 2002): Direkt nach ihrer Veröffentlichung trat die gesam-te Regierung Kok am 16. April 2002 zurück und übernahm damit die politische Ver-antwortung für die von niederländischen Soldaten ausgeführte UN-Mission in Srebreni-ca, deren Ziel eigentlich im Schutz der dortigen Bevölkerung bestanden hatte Seit dem Bekanntwerden des Massakers wurde in den Niederlanden intensiv über die Rolle der niederländischen Blauhelmeinheiten und die Frage diskutiert, ob ihnen angesichts des Angriffs der serbischen Einheiten Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden

293 Die beiden hier zitierten Artikel sind zwar in der deutschen tageszeitung erschienen, verweisen jedoch auf Artikel in der niederländischen Presse. Diese waren im Original nicht zugänglich.

ten. Auch der Bericht des NIOD gab hierzu keine eindeutige Auskunft, stellte jedoch fest, dass unter den Dutchbat-Soldaten eine klare anti-islamische Stimmung geherrscht habe (vgl. NRC Handelsblad 2002).294

Insgesamt jedoch ist auffällig, dass die Kriege in den verschiedenen Teilen Ex-Jugoslawiens auch in niederländischen Medien eher als ethnisch motivierte Auseinan-dersetzungen denn als Konflikte mit religiösem Hintergrund zu Sprache kamen (vgl.

Shadid/van Koningsveld 1997: 11).

2.3 Islam und/oder Islamismus als Bedrohung des niederländischen

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