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5. Fallstudien

5.9 Mannheim, Schönau-Mitte 1

Abbildung 5.9-2. Rot umrandet: die gesamte Siedlung Schönau. Rot eingefärbt: Schönau-Mitte. Das Untersu-chungsgebiet wurde hauptsächlich in der Nachkriegszeit aufgesiedelt. Nördlich davon befinden sich auch Gebäude aus den 80-er Jahren, südlich Gebäude aus der Vorkriegszeit. Übersichtsplan, genordet, ohne Maßstab, Basisdaten:

Stadtgrundkarte der Stadt Mannheim, Fachbereich Geoinformation und Vermessung

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Abbildung 5.9-3. Lageplan Schönau-Mitte, M 1:6.000, Basisdaten: Stadtgrundkarte der Stadt Mannheim, Fachbe-reich Geoinformation und Vermessung

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Abbildung 5.9-4. Zeitliche Abfolge der geplanten Modernisierungs- und Abbruchmaßnahmen in Schönau-Mitte bis 2013. Datenquelle: Stadtverwaltung Mannheim

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Stadt

Die Stadt Mannheim liegt am Zusammenfluss von Rhein und Neckar im Norden Baden-Württembergs. Mit 310.000 Einwohnern ist sie nach Stuttgart die zweitgrößte Stadt im Land.

Mannheim wird aufgrund der Zerschneidung der Stadt durch die beiden Flüsse auch „Stadt der Stadtteile“ genannt. Durch die Zerschneidung ergeben sich Wohnungsteilmärkte, die bei städte-baulichen Maßnahmen beachtet werden müssen. Mannheim grenzt im Westen direkt an die Stadt Ludwigshafen am Rhein. Die Zusammenarbeit mit Ludwigshafen soll in den nächsten Jahren unter dem Namen Rhein-Neckar-Dreieck verstärkt werden.

Entwicklung des Wohnungsmarktes der Stadt2

Im Vergleich zu den anderen Untersuchungsstädten in Baden-Württemberg gehört Mannheim neben Pforzheim und Stuttgart hinsichtlich der Wohnungsnachfrage- und Bevölkerungsentwick-lung zu den Städten mit der geringsten Wachstumsdynamik.

Laut Prognose des Statistischen Landesamtes wird Mannheims Bevölkerungszahl nur noch bis etwa 2010 leicht wachsen und danach stagnieren. Mannheim besitzt bereits seit 1990 ein Gebur-tendefizit, welches allmählich anwächst. Zusätzlich wird die Bevölkerung Mannheims altern. Im Jahr 2020 werden die über 65-Jährigen ca. 20 % der Bevölkerung stellen, das sind vier Prozent-punkte mehr als 1990. Des Weiteren nimmt auch die Bedeutung der 40- bis 65-Jährigen in glei-cher Größenordnung zu. Hinsichtlich der Altersstruktur wird sich Mannheim noch im Mittelfeld der untersuchten Städte befinden.

Zwischen den Jahren 2001 und 2020 wird die Anzahl der Privathaushalte um ca. +9.000 (5 %) zunehmen. Eine Nachfrage nach Wohnungen wird es damit insgesamt weiter geben. Mit einer Zahl der Baufertigstellung auf heutigem Niveau kann eine rein quantitativ ausgerichtete Woh-nungsversorgung der Haushalte erreicht werden. Für eine bessere Anpassung der Wohnungen an die aktuellen Wohnwünsche der Haushalte wären weitere Neubau-, Umbau- und Modernisie-rungsmaßnahmen erstrebenswert.

Da sich die älteren Haushalte eher passiv auf dem Wohnungsmarkt verhalten, ist für die Ausprä-gung der Wohnungsmarktdynamik die Entwicklung bei den jüngeren Haushaltstypen entschei-dend, weil diese die neuen Haushalte bilden und zusätzlich Wohnungen nachfragen werden. Die Zahl der jüngeren Ein- und Zwei-Personenhaushalte wird sich bis zum Jahr 2015 relativ stark verringern und die Zahl der Familienhaushalte wird bis 2007 nur noch sehr gering ansteigen.

Von diesen beiden Nachfragergruppen sind demnach eher geringe Impulse auf dem Mannheimer Wohnungsmarkt zu erwarten.

2 Für eine ausführliche Darstellung der demographischen Entwicklung und der Entwicklung des Wohnungsmarktes bis 2020 siehe Anlagenband des IÖR, Dresden.

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Hinsichtlich des Wohnungsbestandes nehmen die Wohnungen der 1950er und 1960er Jahre in Mannheim einen hohen Stellenwert ein. Der Wohnungsmarkt in Mannheim wird von diesen Wohnungen nahezu dominiert. Mannheim besitzt den höchsten Anteil von Wohnungen dieser Baualtersklasse unter allen Fallbeispielstädten. Neu gebaute Wohnungen bilden mit Abstand die kleinste Baualtersklasse. Dadurch wird vor allem auch in den Wohnungsbeständen der 1950er und 1960er Jahre ein hoher Anteil älterer Haushalte leben. Die Übergabe der Mannheimer Woh-nungen durch Verkauf oder Vererbung an die nächste Generation wird durch das verringerte Potenzial an jungen Haushalten und Familienhaushalten mit Schwierigkeiten behaftet sein. Ent-spricht das vorhandene Wohnungsangebot nicht mehr den Anforderungen dieser aktiven Nach-frager, so ist zukünftig bei einem an die Nachfrage angepassten Wohnungsneubau sogar auch mit lokalen Leerständen zu rechnen. Gestiegene Wohnflächenansprüche, höhere Gebäudequali-täten und ein ansprechendes Wohnumfeld sind nur ein kleiner Ausschnitt der Wohnanforderun-gen heutiger Nutzergruppen.

Lage

Die Siedlung Schönau liegt zirka acht Kilometer nördlich des Mannheimer Stadtzentrums. Sie wird im Süden durch die B 44, im Norden durch die A 6 begrenzt. Die Siedlung ist dementspre-chend gut an diese Verkehrswege angeschlossen. Im Osten stößt Schönau an die Bahnlinie Mannheim – Groß-Gerau. Im Westen trennt ein Gewerbegebiet den Stadtteil Schönau vom Stadtteil Sandhofen. Zwei Buslinien und eine Straßenbahnlinie verbinden Schönau mit dem Mannheimer Stadtzentrum und der Umgebung.

Struktur

Schönau wurde seit 1926 in verschiedenen Zeitabschnitten aufgesiedelt. Das Alter der Gebäude wird mit zunehmendem räumlichem Abstand zum Zentrum, also nach Norden hin, jünger. Die ersten Bewohner von Schönau waren sogenannte „wilde Siedler“, Menschen, die ohne Bauge-nehmigung, ohne Plan und ohne Erschließung bauten. Der südliche Teil von Schönau besteht deshalb heute noch aus eher engeren Strukturen, Reihenhauszeilen und Doppelhäusern. Ein Großteil der Gebäude – vor allem Gebäude in der räumlichen Mitte der Siedlung (Schönau-Mitte) – stammt aus der Nachkriegszeit: Mit einem ersten Bauprogramm (Marshall-Plan) wurden 1948 20 Häuser errichtet; im Jahr 1950 folgte der Bau von über 700 Wohneinheiten. Es entstan-den die für die Nachkriegszeit typischen Geschosswohnungszeilen nach entstan-den Prinzipien der ge-gliederten und aufgelockerten Stadt. Die Wohnungen waren für dringend benötigte Facharbeiter, Flüchtlingsumsiedler und andere Notfälle vorgesehen.3 Das Gebiet nordöstlich von Schönau-Mitte bis zur Autobahn war eine Konversion und wurde erst in den 90-er Jahren bebaut. Es han-delt sich dabei um eine Mischung von Geschossbauten, Reihen- und freistehenden

Einfamilien-3 Nach: Popp, Christoph: Die Schönau – ein Standbein der GBG, in: 75 Jahre GBG – Mannheimer Wohnbaugesell-schaft mbH 1926 – 2001, Festschrift, Mannheim, 2001, S. 168ff.

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häusern. Dieses Gebiet besteht hauptsächlich aus einer Blockrandbebauung, bei welcher in der Planung wieder auf städtebauliche Sichtbezüge und Platzsituationen Wert gelegt wurde. Schö-nau-Mitte weist wie alle Nachkriegssiedlungen sehr gut durchgrünte Außenräume auf.

Soziale Infrastruktur/Soziales Leben

Durch die Größe der gesamten Siedlung Schönau ist das soziale und kulturelle Angebot vielfälti-ger als in den anderen untersuchten Gebieten und deshalb mit diesen nicht vergleichbar.

Die ersten sogenannten „wilden“ Siedler in Schönau trugen zu einer besonderen Identifikation mit dem Ort und der Siedlung bei. Auch die Bauten der Nachkriegszeit, die hauptsächlich für Flüchtlinge errichtet wurden, prägten den Ruf der Siedlung. 1953 wurde Schönau als eigenstän-diger Vorort anerkannt und erhielt ein eigenes Gemeindesekretariat. Die Siedlung Schönau hat also seit jeher einen recht eigenständigen Charakter.

In Schönau wohnen heute nach Einschätzung der Stadtverwaltung relativ viele Kinder. Es gibt dort insgesamt fünf kirchliche und acht freie Kindergärten, darunter auch ein Angebot an Früh-gruppen, Tagesstätten und eine Säuglingstagesstätte. Außerdem gibt es sechs Schulen in Schö-nau; alle Schularten sind vertreten. Auch andere Initiativen, von Krabbelgruppen über ein Jobca-fe im Jugendhaus bis zu HausaufgabenhilJobca-fen, sind gegeben. Im Norden der Siedlung befindet sich der Sportverein TSV Mannheim-Schönau 47. Seit 1956 besteht der Verein Kultur- und Inte-ressengemeinschaft Mannheim-Schönau. Die Gemeinschaft tritt für die Belange des Stadtteils ein und organisiert z. B. Stadtteilfeste. Ein sehr gutes Beispiel für das Engagement des Vereins ist ein in Schönau-Mitte befindlicher Bunker aus dem 2. Weltkrieg, der mit Hilfe des Vereins in ein Museum verwandelt wurde, das im Frühjahr 2005 eingeweiht werden konnte.

Beurteilung der Siedlung aus Sicht der befragten Wohnungsbaugesellschaften

Angeschrieben wurden zwei Wohnungsbaugesellschaften, die beide einen ausgefüllten Fragebo-gen zurücksandten. Die beiden Gesellschaften besitzen 4 bzw. 44 Geschossbauten mit insgesamt 150 bzw. 1154 Wohneinheiten in Schönau. Beide beurteilen ihren Bestand und die Siedlung ins-gesamt recht ähnlich und ihre Aussagen stimmen gut mit denen der Stadtverwaltung und unseren eigenen Beobachtungen überein.

Die zwei Gesellschaften haben in den letzten 10 Jahren deutlich weniger in die Modernisierung ihres Gebäudebestands investiert als die Mehrzahl der übrigen befragten Wohnungsbaugesell-schaften. Nur zum Teil wurden die Elektroinstallation, die Böden, die Sanitäranlagen, die Fassa-de und das Dach erneuert. Dementsprechend stufen beiFassa-de Fassa-den Anteil an „typischen 50-er Jahre Wohnungen“ als Hoch und die Zahl der Wohnungen, die man als modernen Standards entspre-chend bezeichnen könnte, als Gering bzw. (Praktisch) nicht vorhanden ein. Auf der anderen Seite sehen sie aber den Zustand ihrer Wohnungen nicht als so schlecht an, dass die Bauten in

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ihrer Mehrzahl abgerissen werden sollten. Gleichzeitig ist aber die Zahl derer, die „abgewohnt“

werden, d. h. für die sich nach Meinung der Gesellschaften Anpassungsinvestitionen nicht mehr lohnen, nicht unbeträchtlich.

Beide Gesellschaften berichten von einer eher hohen Fluktuation in ihren Wohnungen und einer Geringen bis (Praktisch) nicht vorhandenen Nachfrage nach diesem einfachen Wohnraum, wo-bei die Mietpreise noch als im Mittleren Bereich des Mietspiegels liegend bezeichnet werden.

Die Zahl der Mieter ausländischer Herkunft wird von beiden Gesellschaften als eher über dem Bevölkerungsdurchschnitt liegend eingeschätzt. Noch höher ist aber der Anteil an Mietern aus unteren Einkommensschichten/Sozialhilfeempfängern. Alles zusammen – hoher Ausländeranteil, große Zahl einkommensschwacher Mieter, überwiegend einfacher Wohnraum - dürfte ein we-sentlicher Grund dafür sein, dass beide Gesellschaften das Image von Schönau als Eher schlecht bezeichnen.

Von daher sehen die beiden Gesellschaften in nächster Zeit nicht unerhebliche Probleme hin-sichtlich der Mieterstruktur und des sozialen Umfelds der Siedlung auf sich zukommen. Dazu gehört vor allem die Befürchtung, dass sich der Anteil an problematischen Bewohnern (Auslän-dern und einkommensschwache Mietern) noch weiter erhöhen könnte und die Siedlung sich so-gar zu einem „sozialen Brennpunkt“ entwickeln könnte. Eine Gesellschaft schreibt dazu: „Es besteht ein erhöhter sozialer Betreuungsbedarf für die Bewohner. Nach unserer Ansicht sind in-tegrierte Handlungskonzepte analog dem Quartiersmanagement notwendig.“

Außerdem bestehen erhebliche Bedenken baulicher und wirtschaftlicher Art. Dazu gehört vor allem die Befürchtung, dass einfacher Wohnraum dieser Art in Zukunft nicht mehr vermietbar sein könnte, dass das Hochrüsten der Wohnungen auf moderne Standards auf längere Sicht zu teuer werden könnte bzw. dass nach einer möglichen Sanierung die Wohnungen für die in Frage kommende Klientel zu teuer sein dürften. Dennoch werden die Zukunftschancen der Nach-kriegssiedlung nicht völlig negativ gesehen. Beide Gesellschaften sehen noch ein gewisses Ent-wicklungspotential, wenn die Kommune sich für diese Siedlung engagiert, vor allem mit Förder-programmen für junge Familien, die in der Siedlung unterrepräsentiert sind und mit Unterstüt-zung für eine bessere Versorgung der Bewohner mit Waren und Dienstleistungen. Das Pro-gramm „Soziale Stadt“ scheint ihnen für ihre Vorstellungen von der Weiterentwicklung der Siedlung ausreichend, weitere staatliche Förderprogramme zum Thema „Nachkriegssiedlung“

halten sie nicht für notwendig. Allerdings wünschen sie sich von gesetzgeberischer Seite Ände-rungen des Planungs- und Bauordnungsrechts, aber vor allem eine Lockerung der baurechtlichen Vorschriften. Auch sind sie der Meinung, dass das Sanierungsrecht besser an die Erfordernisse der Nachkriegssiedlungen angepaßt werden sollte.

Abbildung 5.9-5-6. Jugendhaus und Kulturzentrum in Schönau-Mitte

Abbildung 5.9-7-8. Eingangssituationen im Geschosswohnungsbau, Fotos: Stadtverwaltung Mannheim

Abbildung 5.9-9-10. Geschossbauten in Schönau-Mitte, Fotos: Stadtverwaltung Mannheim

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Probleme und Schlussfolgerungen

Förderungen

Teilgebiete der gesamten Siedlung Schönau wurden schon durch Förderprogramme unter-stützt: 1983 wurde die Sanierung von Gebäuden im Förderprogramm des Bundes „Städtebau-liche Lösungen für die Nachbesserung der Großsiedlungen der 50-er bis 70-er Jahre“, 1987 – 1990 wurde Schönau durch das Landesprogramm „Städtebauliche Erneuerung“ unterstützt.

Für 2006 wird die Aufnahme des Gebiets Schönau-Mitte in das Programm „Soziale Stadt“

beantragt.

Sanierungsbedarf

Die mit Hilfe des Landessanierungsprogramms sanierten Häuser sehen äußerlich zwar sehr gut aus, die Bausubstanz bedarf jedoch weiterer Verbesserungsmaßnahmen: „... der Gesamt-eindruck der Wohnsiedlung [wird] durch teilweise großzügige Rasenflächen geschönt. Auch das äußere Erscheinungsbild vieler Gebäude lässt die Sanierungs- und Modernisierungsbe-dürftigkeit auf den ersten Blick nicht immer erkennen. Diese ergibt sich oftmals erst bei ei-nem Blick ins Innere der Gebäude.

Bedingt durch die Wohnungsnot der Nachkriegszeit wurden alle Wohnungen nur in einfachs-ter Bauweise ohne Zentralheizung errichtet. Die Warmwasseraufbereitung erfolgt weitge-hend noch über Kohlebadeofen oder Gas- und Elektrodurchlauferhitzer. Die heute gültigen Normen für Wärmeisolierung oder Schallschutz werden z. B. durch die noch einfach verglas-ten Holzfenster und die fehlende Wärmeisolierung nicht mehr eingehalverglas-ten. Aufgrund der Verwendung einfacher Baumaterialien nach dem Zweiten Weltkrieg und des Alters der Ge-bäude weisen viele Anwesen eine hohe Abnutzung und einen starken Verschleiß auf.“ 4 Die Abwägung zwischen Abriss und Sanierung ist durch die Vorbereitende Untersuchung zur Aufnahme ins Programm „Soziale Stadt“ bereits beendet (siehe Lageplan).

Wohnungsgemenge/Wohnungsgrößen

„In den Geschosswohnbauten befinden sich ausschließlich nicht mehr marktgerechte Ein- und Zweizimmerwohnungen unter 50 qm, die aufgrund des schlechten Zustandes und der mangelhaften Ausstattung nur noch von einem sozial schwachen und problembehafteten Per-sonenkreis angemietet werden. Die Zahl der Leerstände ist in den letzten Jahren stetig ange-stiegen.“5

Demographische Entwicklung und Nachfrageentwicklung

Betrachtet man die demographische Entwicklung Mannheims, muss festgestellt werden, dass die Anzahl der mobilen und besonders aktiven Nachfragergruppen für Wohnraum nicht mehr

4 Stadt Mannheim, Dezernat II und Fachbereich Wohnen und Stadterneuerung: Stadterneuerung in Mannheim – Informationen zu den aktuellen Städtebauförderungsmaßnahmen in Mannheim, 2004, S. 31.

5 Ebd.