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5. Fallstudien

5.6 Esslingen, Zollberg

Abbildung 5.6-2. Lageplan Zollberg, M 1:6.000

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Stadt

Mit ca. 92.000 Einwohnern besitzt die Stadt Esslingen den Status einer mittleren Großstadt. Die Stadt liegt ca. 10 km südöstlich des Stuttgarter Zentrums, befindet sich demnach im näheren Umland der Landeshauptstadt und ist über eine S-Bahn-Linie direkt an das Stuttgarter Zentrum angebunden. Ungefähr 35 % der Wohnungen Esslingens stammen aus der Nachkriegszeit.

Entwicklung des Wohnungsmarktes der Stadt1

Hinsichtlich der Wohnungsnachfrage- und Bevölkerungsentwicklung gehört Esslingen von den elf Fallstudienstädten zu den weniger dynamischen Städten.

Die Bevölkerung in den 1990er Jahren ging sogar leicht zurück. Nach der Prognose des Statisti-schen Landesamtes wird Esslingens Bevölkerung bis etwa 2010 deutlich und danach langsamer wachsen. Esslingen konnte in der jüngeren Vergangenheit weder Wachstumsgewinne noch Ge-burtenüberschüsse verzeichnen. Die Alterung der Bevölkerung Esslingens wird in der Größen-ordnung des Landesdurchschnitts stattfinden. Der Anteil der Altersklasse der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung wird von 16 % im Jahr 1990 auf 20 % im Jahr 2020 steigen. Gleich-zeitig wird der Anteil der 40- bis unter 65-Jährigen um rund zwei Prozentpunkte zunehmen. Der Anteil der jüngeren Personen ist entsprechend rückläufig.

Bis zum Jahr 2020 werden gegenüber 2001 in Esslingen rund 3.300 Haushalte zusätzlich mit Wohnraum zu versorgen sein, so dass eine zusätzliche Nachfrage nach Wohnungen entsteht. Der entstehende Wohnungsbedarf wird sowohl durch Wohnungsumbau und Wohnungsausbau im Bestand als auch durch Neubau realisiert werden müssen. Die Zahl der Baufertigstellungen aus den letzten Jahren ohne Berücksichtigung der Wohnungsabgänge wird zukünftig nicht ausrei-chen, um die Versorgung der Haushalte mit Wohnraum zu sichern.

Da sich die älteren Haushalte auf dem Wohnungsmarkt eher passiv verhalten, ist für die Ein-schätzung der Wohnungsmarktdynamik die Entwicklung der jüngeren Haushaltstypen entschei-dend, weil diese insbesondere zusätzliche Wohnungen nachfragen. Für Esslingen zeigt sich, dass die Anzahl der Familienhaushalte mit Kindern bis 2009 noch leicht ansteigt. Die Zahl der „jün-geren Ein- und Zwei-Personenhaushalte“ wird bis zum Jahr 2015 abnehmen und danach konstant bleiben. Aus dieser Entwicklung heraus resultiert die zukünftige Abschwächung der Nachfrage-entwicklung auf dem Wohnungsmarkt

1 Für eine ausführliche Darstellung der demographischen Entwicklung und der Entwicklung des Wohnungsmarktes bis 2020 siehe Anlagenband des IÖR, Dresden.

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Hinsichtlich des Wohnungsbestandes bilden die Wohnungen der 1950er und 1960er Jahre in Esslingen mit ca. 35 % die größte Baualtersklasse. Der Anteil der nach 1987 gebauten Wohnun-gen ist mit rund 11 % sehr gering.

Komplikationen können bei der Übergabe der Wohnungen an die nächste Generation durch den geringer werdenden Nachfragedruck junger Haushalte und Familienhaushalte entstehen. Infolge der weniger starken Zunahmen der „älteren Ein- und Zwei-Personen-Haushalte“ sind jedoch auch weniger Haushaltsauflösungen zu erwarten als in anderen Fallstudienstädten. Entscheidend ist daher eine Ausrichtung der Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen an die veränderten Wohnansprüche der Wohnungssuchenden. Gleichzeit sollten auch die Bedürfnisse der älteren Generation stärker berücksichtigt werden, um die Verbleibedauer dieser Haushalte zu verlän-gern.

Lage

Das Wohngebiet Zollberg liegt im Süden Esslingens, drei Kilometer vom Zentrum entfernt an einem Nordhang mit teilweise sehr schönem Blick über das Neckartal und die Stadt Esslingen.

Die Siedlung ist sehr gut angebunden über die Zollbergstraße (K 1268) an die B 10 (Stuttgart – Göppingen) und auch an die A 8. Zudem gibt es sehr gute Verbindungen mit vier verschiedenen Buslinien zur Esslinger Innenstadt, zum Hauptbahnhof und in die nahe Umgebung nach Berk-heim, Nellingen/Denkendorf, Scharnhausen, Neuhausen und Wolfschlugen. 1978 wurde die Stadtbahnverbindung, die „Filderbahnlinie“, aufgegeben.

Struktur

Zollberg liegt auf einer Hangkuppe südlich zum Neckartal und zum Zentrum Esslingens und wird durch die von Norden nach Süden verlaufende Zollbergstraße in einen westlichen und einen östlichen Teil getrennt. Am nördlichen Siedlungsrand befindet sich eine Kette mit freistehenden Einfamilienhäusern. Der östliche Teil wurde hauptsächlich mit Geschossbauten aufgesiedelt, während im Westen Reihenhausstrukturen überwiegen. Die Reihenhauszeilen treppen sich meist senkrecht zum Hang ab. Es befindet sich jeweils ein zentraler Platz in den Siedlungsteilen: der Zollernplatz im Osten und der Michel-Stifel-Platz im Westen der Siedlung. Ein sehr schöner, inzwischen ausgewachsener Baumbestand prägt wie auch in anderen Nachkriegssiedlungen den Stadtteil.

Infrastruktur/Soziales Leben

Der Zollernplatz im Osten der Siedlung beherbergt heute eine Bäckerei, einen Gemischtwarenla-den (Zollberg Markt) mit frischen Lebensmitteln, zwei Bankfilialen und einen BlumenlaGemischtwarenla-den. Es sind aber auch Leerstände zu verzeichnen. Das Versorgungsangebot wird mit wöchentlichen Verkaufswagen ergänzt; die Nachfrage ist demnach nicht mehr so groß, um einen Laden (zum

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Beispiel eine Metzgerei) aufrecht zu erhalten; ein wöchentlicher Verkaufswagen scheint aber noch rentabel zu sein. Am Michel-Stifel-Platz im westlichen Siedlungsteil haben sich heute hauptsächlich Dienstleister niedergelassen, z. B. eine Praxis für Physiotherapie, medizinische Fußpflege und eine Praxis für Logopädie. Aber auch hier stehen Geschäftsflächen leer. Eine Versorgung mit frischen Lebensmitteln ist in diesem Teil der Siedlung nicht mehr vorhanden. Im gesamten Siedlungsgebiet ist das Angebot an Kindergärten, Schulen und Sportanlagen als aus-reichend und gut zu bezeichnen. Es existiert auch ein Jugendhaus, die Jugendherberge ist derzeit geschlossen. Mit einem Gebäudekomplex des Württembergischen Landestheaters beherbergt die Siedlung einen besonderen Stadtbaustein. Es existiert ein Bürgerverein Zollberg.

Beurteilung der Siedlung aus Sicht der befragten Wohnungsbaugesellschaften

Angeschrieben wurden vier Wohnungsbaugesellschaften, zwei von ihnen sandten einen ausge-füllten Fragebogen zurück. Die beiden Gesellschaften besitzen in Zollberg 36 bzw. 6 Geschoss-bauten mit insgesamt 253 bzw. 48 Wohneinheiten.

Beide Gesellschaften haben in den letzten 10 Jahren ihren Gebäudebestand recht umfangreich modernisiert, vor allem im Bereich der Wärmedämmung, Heizungs- und Sanitäranlagen, Elekt-roinstallation und Erneuerung der Fassade und des Daches. Den Anteil an „typischen 50-er Jahre Wohnungen“ stufen beide daher als Gering oder (Praktisch) null ein. Entsprechend wird die Zahl der Wohnungen, die saniert wurden und modernen Wohnstandards entsprechen, als Hoch bezeichnet. Auch in allen übrigen Punkten wird die Siedlung recht positiv beurteilt: Die Fluktua-tion wird als Gering, die Nachfrage nach den Wohnungen als Hoch bezeichnet und die Mietprei-se liegen im Mittleren oder sogar im Oberen Bereich des Mietspiegels. Der Anteil an über 65-jährigen Mietern wird von einer Gesellschaft als dem Durchschnitt entsprechend, von der ande-ren als Überdurchschnittlich hoch eingeschätzt. Die Zahl ihrer Mieter aus unteande-ren Einkommens-schichten/Sozialhilfeempfänger bezeichnet die Gesellschaft mit dem größeren Bestand als dem Durchschnitt entsprechend, die mit dem kleineren Bestand als Überdurchschnittlich hoch. Dies mag mit ein Grund dafür sein, dass erstere das Image der Siedlung als Gut, letztere als nicht ganz so gut, aber immerhin noch als Eher gut beurteilt.

Auch wenn die befragten Gesellschaften in nächster Zeit hinsichtlich der Mieterstruktur und des sozialen Umfelds der Siedlung keine Probleme sehen, bestehen gewisse Bedenken wirtschaftli-cher und bauliwirtschaftli-cher Art. Dazu gehört die Befürchtung, dass einfawirtschaftli-cher Wohnraum dieser Art in Zukunft nicht mehr vermietbar sein könnte bzw. dass das Hochrüsten der Wohnungen auf mo-derne Standards zu teuer werden könnte. Dennoch werden diese Probleme als nicht allzu gravie-rend angesehen, denn beide Gesellschaften sehen die Zukunftschancen dieser Nachkriegssied-lung durchaus positiv und erwarten eher eine Zunahme der Nachfrage nach diesen Wohnungen als eine Abnahme.

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Trotz gewisser Bedenken hinsichtlich der Kostenentwicklung fordern beide Wohnungsbauge-sellschaften eine Änderung des Bebauungsplanes, um verstärkt bauliche Ergänzungen an ihren Gebäuden vornehmen zu können. Dazu zählt die Zulassung von Nebenanlagen auf dem Grund-stück, die Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung und vor allem die Zulassung des Dach-ausbaus bzw. von Dachaufbauten. Desgleichen wünschen sie sich von gesetzgeberischer Seite eine Änderung des Planungs- und Bauordnungsrechts, eine Lockerung der baurechtlichen Vor-schriften und eine Anpassung des Sanierungsrechtes an die Erfordernisse der Nachkriegssied-lungen.

Hinsichtlich der Forderung nach mehr kommunalem Engagement für die Nachkriegssiedlungen sind beide Gesellschaften unterschiedlicher Meinung. Während die eine es befürwortet, äußert sich die andere eher unentschieden. Beide sind sich aber einig in ihrem Wunsch nach verstärkter staatlicher Förderung der Nachkriegssiedlungen, vor allem für ältere Bewohner (seniorengerech-te Umgestaltung des Wohnumfeldes) und junge Familien.

Abbildung 5.6-3-4. Luftfoto der Siedlung Zollberg; Straßenraum im östlichen Siedlungsteil.

Abbildung 5.6-5-6. Senkrecht zum Hang abgetreppte Reihenhäuser sind vor allem im westlichen Siedlungsteil zu finden; Geschosswohnungsbauten im östlichen Teil.

Abbildung 5.6-7-8. Der Zollernplatz: Leerstände und wöchentliche Verkaufswagen. Es existieren Überlegungen zur Neugestaltung des Platzes.

Abbildung 5.6-9-10. Situation des ruhenden Verkehrs.

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5 - 65 Probleme und Schlussfolgerungen

Demographische Entwicklung und Nachfrageentwicklung

Es läßt sich feststellen, dass der Anteil an ausländischen und einkommensschwachen Haus-halten, vor allem aber der an Senioren, zugenommen hat. Der Prozentsatz der über 65-jährigen Bewohner in Zollberg ist auffällig: Er liegt in Zollberg bei ca. 26 %, in Esslingen insgesamt im Jahre 2004 bei ca. 18,7 %. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die ge-samtstädtische demographische Prognose für Esslingen (Städtesteckbrief des IÖR: „Insge-samt wird die Bedeutung der älteren Single- und Double-Haushalte für den Wohnungsmarkt in Esslingen zunehmen“. „Diese Altersklasse wird bis 2020 im Vergleich zu 1990 um insge-samt 30 % anwachsen), erscheint eine Fokussierung der planerischen Aufmerksamkeit auf Bedürfnisse der älteren Generation gerechtfertigt und notwendig. Schon 1989 wurde die Al-tersstruktur in Zollberg beklagt und über den Bau altengerechter Wohnungen nachgedacht.

Das Problem des richtigen Umgangs mit der zunehmend älteren Bevölkerung des Stadtteils ist bis heute nicht gelöst. Die Zukunftschancen der Siedlung Zollberg werden sowohl von Stadtverwaltung als auch von den Wohnungsbaugesellschaften aber positiv eingeschätzt.

Leerstände bewegen sich bisher in einem normalen Bereich zwischen 3 bis 5 %, das Image der Siedlung ist gut, die Fluktuation der Mieter wird als gering eingestuft und die Nachfrage nach Wohnraum in Zollberg, vor allem im Bereich der Reihen- und freistehenden Ein- und Zweifamilienhäuser ist hoch.

Situation des (ruhenden) Verkehrs

Die Teilung der Siedlung durch die stark befahrene Zollbergstraße ist ein Problem. Die Zoll-bergstraße ist Barriere und Immissionsquelle. Auch die Immissionen durch den Verkehr in der Mutzenreisstraße und in der Hohenheimer Straße sind problematisch. Schließlich ist auch der Fluglärm eine kritische Störquelle.

Die Situation des ruhenden Verkehrs ist unzureichend. Eine Umgestaltung der Straßen wird vor allem bezüglich der unzureichenden Parkierungsflächen und eines Ausbaus der Rad- und Fußwege erwogen. Die Verjüngung der Bevölkerung vor allem im Gebiet Zollgasse ist mit den derzeitigen Stellplatzangeboten nicht zu bewältigen.

Versorgung

Die Stadtverwaltung ist bestrebt, den Zollernplatz attraktiver zu gestalten und die Versor-gung zu sichern.

Umbau

Anpassungsinvestitionen werden als lohnenswert betrachtet, es gab bislang keine Abbrüche von Gebäuden. Die üblichen Sanierungsmaßnahmen bei Geschossbauten wie Fassade, Hei-zungs-, Sanitär- und Elektroanlagen wurden bereits weitgehend durchgeführt.

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Flächengewinne

Laut Stadtverwaltung gäbe es in Zollberg sehr wohl die Möglichkeit zur Nachverdichtung und baulichen Ergänzung. Auch die befragten Wohnbaugesellschaften äußern sich in diesem Sinne. Dies ist jedoch im aktuellen Bebauungsplan unzulässig und stößt außerdem auf hefti-gen Widerstand der Bewohner. Dennoch gibt es sowohl im Einzeleihefti-gentum als auch im Ge-schossbau ganz erhebliche Potenziale.

Maßnahme: Umbau barrierefreie Wohnformen

Sowohl Stadtverwaltung als auch Wohnungsbaugesellschaften betonen, dass die seniorenge-rechte Umgestaltung einiger Gebäude und des Wohnumfelds sowie der Bau von Altenein-richtungen und ein entsprechendes Angebot an Dienstleistungen für Senioren in Zollberg zu-künftig Priorität haben sollen. Bislang wurden diese Belange bei Umbauten und Sanierungen jedoch kaum berücksichtigt.

Erfahrungsgemäß sind die älteren Bürger der Nachkriegssiedlungen häufig die Eigentümer der Wohnung/des Hauses, das sie bewohnen (siehe zur Vertiefung des demographischen Teils die Siedelung Orschel-Hagen, Reutlingen). Im Fall Zollberg werden höhere Senioren-anteile im Westen der Siedlung mit seinem hohen Anteil an Reihenhäusern festgestellt. Hier scheinen Dienstleistungen und Einrichtungen für Senioren besonders gerechtfertigt. Eine bisher fehlende Förderung für seniorengerechte Um- und Neubauten könnte unterstützend zu einer Realisierung beitragen.

Maßnahme: Sicherung Versorgung/Ansiedlung junge Familien

Ein sehr wichtiges Thema ist es, junge Familien mit Kindern innerhalb des Stadtgebietes an-zusiedeln bzw. zu halten. Weiterer Handlungsbedarf in Zollberg wird deshalb in den Themen Kinderbetreuung, Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche und in einer Sicherung der Nahversorgung gesehen. In diesem Zusammenhang steht bei Stadtverwaltung und Bür-gern vor allem die Umgestaltung des Zollernplatzes als Versorgungszentrum, Treffpunkt und Siedlungsmitte zur Diskussion.

Maßnahme: Programm „Soziale Stadt“

In den Gesprächen mit dem Refarat Städtebauliche Erneuerung wird für Nachkriegssiedlun-gen das Programm „Soziale Stadt“ als effizient und der heutiNachkriegssiedlun-gen Ausrichtung angemessen erachtet. Nicht nur „soziale Brennpunkte“ werden in das Programm aufgenommen sondern auch zunehmend Gebiete mit komplexen Problemstellungen nachhaltiger Entwicklung, wie sie die Siedlung Zollberg aufweist. Daher wäre aus unserer Sicht die Aufnahme des Gebiets Zollberg ins Programm „Soziale Stadt“ zweckmäßig.