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M. bovis beeinflusst nicht die Transmigrationsrate der neutrophilen Granulozyten

Nachdem eine Beeinflussung der Expression des Transmigrations-assoziierten L-Selektins festgestellt wurde, wurde der Frage nachgegangen, ob M. bovis direkt oder indirekt den Extravasationsprozess der nPMN moduliert. Dafür wurde der Transmigrationsprozess zum einen, die Beeinflussung transmigrierter nPMN durch M. bovis zum anderen anhand von Transmigrationsraten sowie phänotypischer und funktioneller Parameter beurteilt. Zusätzlich erfolgte die Betrachtung der nPMN nach Migration entlang von M. bovis-induzierten Epithelzellüberständen. M. bovis zeigte keine direkte Hemmung der nPMN-Transmigration (Abbildung 15). Dies deckt sich mit der in vivo demonstrierten Akkumulation von nPMN im Läsionszentrum M. bovis-infizierter Lungen (ADEGBOYE et al. 1995). Dabei ist zu erwähnen, dass aufgrund der Verwendung von boCXCL-8 im Stimulationsansatz keine Aussage über eine mögliche direkte Steigerung der Transmigrationsrate getroffen werden kann, da boCXCL-8 eine nahezu hundertprozentige Transmigrationsrate verursachte. Als Ankerpunkt der Migration dienen den nPMN Liganden auf endothelialen Zellen (VESTWEBER 2002), jedoch gibt das in

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dieser Arbeit verwendete Chemotaxis-Assay aufgrund seines Aufbaus keinen Aufschluss über die Beeinflussung endothelialer oder geweblicher Strukturen. Aus der Literatur ist bekannt, dass ICAM-1 als Ligand von CD11b/CD18 nicht durch M. bovis moduliert wird, hingegen die boCXCL-8 Ausschüttung durch das Endothel gesteigert wird (LU u. ROSENBUSCH 2004).

Daraus schlussfolgerten Lu und Rosenbusch, dass M. bovis den CD11b/CD18-unabhängigen, boCXCL-8 gesteuerten transzellulären Migrationsweg fördert. Die nPMN-Extravasation basiert auf Adhäsionsmolekülen, Chemokinen und Zytokinen, die durch aktivierte Epithelzellen induziert werden (BAGGIOLINI 1998). Eine Migration entlang von LAMP- oder M. bovis-induzierten Epithelzellüberständen deutete jedoch nicht auf eine Modulation der nPMN-Transmigration hin (Abbildung 10). Folglich enthielten diese Überstände keine für neutrophile Granulozyten chemotaktischen Mediatoren. Dieses Ergebnis steht nicht in Übereinstimmung mit den Studien von Tahoun et al., nach denen EBL-Zellen auf bakterielle Reize wie E. coli CXCL-8 produzierten (TAHOUN et al. 2015). Da in dieser Arbeit die Bestandteile der stimulierten Epithelzellüberstände nicht weiter bestimmt wurden, bleibt offen, inwieweit die in vitro und in vivo häufig nachgewiesene Adhäsion und Invasion durch M. bovis (ADEGBOYE et al. 1995; SULEMAN et al. 2016) ein Erkennen des Erregers durch epitheliale Rezeptoren verhindert und so deren Chemokinproduktion verhindert. Dennoch zeigten Wang et al., dass LAMPs TLR2-vermittelt die Produktion des Zytokins IL-1 durch EBL-Zellen stimulierten (Y. WANG et al. 2016). Interessanterweise führten alle Epithelzellüberstände, darunter auch die von nicht stimulierten Zellen, zu Migrationsraten von 75-85 %. Dies konnte in weiteren Versuchen auf das im EBL-Medium enthaltende fetale Kälberserum zurückgeführt werden (Daten nicht gezeigt). Kälberserum enthält unter anderem verschiedene Wachstumsfaktoren und Hormone, wobei die Zusammensetzung variabel ist (JOCHEMS et al.

2002). Dies sollte bei Betrachtung der Ergebnisse berücksichtigt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass M. bovis weder direkt noch indirekt die In vitro-Transmigrationsrate neutrophiler Granulozyten beeinflusst.

M. bovis moduliert die CH138A-Zielstruktur auf neutrophilen Granulozyten im Verlauf der

Transmigration

Weder im Verlauf noch im Anschluss an die Transmigration hatte M. bovis einen signifikanten Effekt auf die Expression von CD62L (Abbildung 11, A und Abbildung 12, A). Dies steht im

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Kontrast zu dem bisherigen Ergebnis, dass M. bovis direkt eine verminderte Expression von L-Selektin vermittelt (5.1) (JIMBO et al. 2017). Dennoch unterschieden sich transmigrierte signifikant gegenüber nicht-transmigrierten nPMN anhand einer Reduktion von L-Selektin.

Dies lässt sich durch das "mechanischen Abspaltens der Ektodomäne" erklären. Dabei wird L-Selektin als Folge des "Tethering" und "Rolling" unter In-vivo-Fließbedingungen, wie auch in vitro unter Scherspannungen zu Beginn des Transmigrationsprozesses physiologisch abgespalten (LEE et al. 2007; RZENIEWICZ et al. 2015). Daher sollte berücksichtig werden, dass bereits ein Abspalten zu Beginn des Prozesses erfolgt sein könnte, wodurch eine weitere Regulation durch M. bovis nicht mehr möglich war. Das Chemotaxis-Assay wurde mittels einer Polycarbonat-Porenmembran durchgeführt, welche nicht über die Eigenschaften oder Liganden des Endothels verfügt. Inwieweit ein Rollen durch CD62L in diesem In-vitro-Modell stattfindet und von Bedeutung ist, bleibt daher offen. Auch eine Transmigration entlang M. bovis- oder LAMP-induzierter-Epithelzellüberstände bewirkte keine Beeinflussung der L-Selektin-Expression (Abbildung 7, A). So zeigten mit Epithelzellüberständen stimulierte nPMN zwar keine signifikant gesteigerte Expression gegenüber einer Inkubation mit nicht stimulierten Überständen, wiesen aber dennoch eine Tendenz zur Steigerung der CD62L-Expression durch M. bovis-induzierte-Epithelzellüberstände auf (vgl. 5.1). Der Aktivierungsprozess der nPMN im Zuge der Transmigration wird nicht nur durch das Abspalten der Ektodomäne von L-Selektin charakterisiert, sondern auch durch die sich anschließende Mobilisation von Integrinen wie der α-Untereinheit CD11b an die Zelloberfläche (IVETIC 2018). So zeigten neutrophile Granulozyten in beiden Stimulationsansätzen (im Verlauf sowie nach einer Transmigration) eine gesteigerte Expression durch den Transmigrationsprozess selbst (Abbildung 11, B und Abbildung 12, B). In diesem Zusammenhang zeigte sich keine Beeinflussung von CD11b durch M. bovis. Dies steht im Gegensatz zu Studien bei denen Bakterien wie E. coli oder Streptococcus uberis eine Steigerung der CD11b-Expression auf nPMN mit nachfolgender gesteigerter CD11b-basierter Adhärenz und transendothelialer Migration vermittelten (DOSOGNE et al. 1997; SMITS et al. 1998). Auch bei Betrachtung der Migration entlang von M. bovis-induzierten Epithelzellüberständen konnte keine Modulation dieses Oberflächenmoleküls festgestellt werden (Abbildung 7, B). M. bovis beeinflusst folglich weder direkt noch indirekt den Transmigrationsprozess durch eine Modulation von CD11b im Zusammenhang mit der Extravasation. Da CD11b zusätzlich als Komplementrezeptor CR3

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fungiert, wird auch die so vermittelte Phagozytose opsonisierter Bakterien nicht durch M. bovis beeinflusst (LUKACSI et al. 2017). Studien zeigten eine starke Beeinflussung von bovinem CD62L und CD11b durch das bovine Chemokin CXCL-8 (D. MCCLENAHAN 2000;

EICKHOFF 2018). Folglich scheinen die vorliegenden Messergebnisse auf den Effekt des zur Chemotaxis verwendeten CXCL-8 zurückzuführen zu sein. Allerdings konnte Eickhoff nachweisen, dass eine CXCL-8-gesteuerte Transmigration eine noch stärkere Beeinflussung und Aktivierung der neutrophilen Granulozyten verursacht (EICKHOFF 2018). Damit ergänzen sich die vorliegenden Messergebnisse von CD62L und CD11b im Sinne einer L-Selektin-Reduktion durch das Abspalten der Ektodomäne mit nachfolgender CD11b-Steigerung durch Mobilisation an die Zelloberfläche und legen die Vermutung einer Zellaktivierung im Rahmen der Transmigration nahe. Für die CH138A-Zielstruktur konnte zunächst im Verlauf wie auch im Anschluss an die Transmigration eine Steigerung der Expression durch den Transmigrationsprozess beobachtet werden (Abbildung 11, C und Abbildung 12, C). Dies steht in Übereinstimmung mit den Daten von Eickhoff, wobei die Studien keinen Rückschluss auf den Auslöser der Modulation zulassen. So kann einerseits der Prozess der Migration, andererseits der Kontakt mit dem Chemokin CXCL-8 ursächlich sein (EICKHOFF 2018). Darüber hinaus verursachte M. bovis eine über den Transmigrations- oder Chemokineffekt hinausgehende signifikante Steigerung im Verlauf der Transmigration, nicht aber in transmigrierten nPMN oder durch M. bovis-induzierte Epithelzellüberstände (Abbildung 7, C, Abbildung 11, C und Abbildung 12, C). Dies steht im Gegensatz zu den Ergebnissen von Eickhoff, dass inflammatorische Stimuli wie E. coli oder S. aureus eine Reduktion der CH138A-Expression verursachten (EICKHOFF 2018). Folglich konnte in dieser Arbeit erstmalig die vermehrte Expression dieser Oberflächenstruktur durch einen bakteriellen Stimulus wie M. bovis gezeigt werden. Dabei trat diese Modulation ausschließlich abhängig von dem Transmigrationsprozess auf, da eine direkte Interaktion (vgl 5.1) keine Modulation von CH138A verursachte. So konnte auch für den Mykoplasmenstamm Mb1 bisher keine Beeinflussung der Oberflächenstruktur durch eine direkte Stimulation festgestellt werden (JIMBO et al. 2017). Dabei scheint die von CH138A erkannte Oberflächenstruktur keinen Einfluss auf die In-vitro-Chemotaxis der nPMN zu haben, da die Transmigrationsrate unter diesen Studienbedingungen unverändert war (5.2). Inwieweit eine Migrations-assoziierte Funktion von CH138A in vivo vorliegt, bleibt an dieser Stelle offen.

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Die im Verlauf der Transmigration oder im Anschluss an eine Migration mit M. bovis stimulierten nPMN unterschieden sich in ihrer Fähigkeit zur Produktion reaktiver Sauerstoffspezies gegenüber nicht stimulierten nPMN. So verursachte die Stimulation mit M.

bovis eine PMA-unabhängige verminderte ROS-Bildung im Verlauf der Transmigration wie auch in transmigrierten nPMN (Abbildung 13 und Abbildung 14). Dabei hatte der Transmigrationsprozess entlang von bovinen CXCL-8 selbst keinen Einfluss auf die ROS-Produktion. Dies legt die Vermutung nahe, dass die bereits in dieser Arbeit beobachtete und diskutierte direkte Beeinträchtigung der ROS-Bildung (vgl. 5.1) durch M. bovis unabhängig von dem Extravasationsprozess ist. Frank wies dagegen eine Verringerung der ROS-Bildung boviner nPMN im Zusammenhang mit der Transmigration entlang von rekombinanten humanen CXCL-8 nach (FRANK 2000). Während Studien mit Mäusen eine durch eine ROS-Reduktion induzierte Hemmung der nPMN-Endothel-Interaktion mit verminderter Transmigration nachwiesen (NUNES-SILVA et al. 2014), zeigte M. bovis in dieser Arbeit keinen Einfluss auf die Transmigrationsrate (5.2). Eine Transmigration entlang von LAMPs- oder M. bovis-induzierten Epithelzellüberständen führt unabhängig vom PMA-Zusatz nicht zu einer Modulation der ROS-Bildungsfähigkeit der nPMN (Abbildung 9). Auch dies unterstützt die bisherigen Ergebnisse, dass Epithelzellen als Reaktion auf M. bovis keine ROS-modulierenden Substanzen bilden (5.1).

Aus den vorliegenden Beobachtungen während oder nach der Transmigration lässt sich schlussfolgern, dass keine Beeinflussung von CD62L oder CD11b durch M. bovis über die physiologische Transmigrations-induzierte Zellaktivierung im Sinne eines mechanischen Abspaltens der L-Selektin-Ektodomäne und der nachfolgenden Integrin-Mobilisation hinaus stattfindet. M. bovis steigert im Verlauf der Transmigration die Expression eines unbekannten, vom Antikörper CH138A erkannten Oberflächenmoleküls. Diese Ergebnisse zeigen erstmalig eine bakteriell vermittelte, migrations-assoziierte Expressionssteigerung dieses Moleküls und liefern damit einen wichtigen Beitrag zur weiteren Charakterisierung dieses Zelloberflächenmoleküls. Das durch M. bovis induzierte Sekretom alveolärer Epithelzellen enthält auf Grundlage dieser Ergebnisse keine den Phänotyp oder die ROS-Bildung im Verlauf oder Anschluss der Migration beeinflussenden Mediatoren. Die vorliegenden Daten bestätigen die Hypothese, dass M. bovis die ROS-Bildung in bovinen nPMN hemmt und belegen eine Unabhängigkeit vom Extravasationsprozess.

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5.3 Die Eignung des APO-nPMN24-Protokolls zur Untersuchung der