/ür /i. Cre.ss/y, Z^rpedi/ion Ziern a.
Doch zweifle ich dass
mir
jemand schreiben wird. Keine Nachrichtwird
mir für gute gelten. Doch geht die Post regel-mässig in 14-15 Tagen ein bis zweimal in den hohen Norden nach Tromsce und Hammerfest von Hamburg per Dampfschiff oder über Kopenhagen und Christiania per Afo/üfeund Thröndh-jem zu Lande. Der Telegraphfolgte
uns auf allen Stationen.—Was das
Volk
betrifft, so scheint es sehr gutmüthig, in den meisten Dingen aber sehr zurück und ärmlich, natürlich beson-ders in den Bergbezirken, wo es kaum etwas zu beissen und zu nagen giebt und das Vieh wenig anders als elendes Wildheu gemengt mit Moos und Flechten, Birken, und Weidenlaubu. s. f. erhält, und Rind und Schaafe sich
oft
(im Winter)mit
Pferdemist (etwasKleie und Salz und Heu beigemengt) begnil-gen muss. Das FVadftröd wie Knieplätze ausgedehntes Hafer, Gerste und Wickebrod, ohne Salz abervoll
Glimmer,Sand und Kleie war uns allenvöllig
ungeniessbar. DerTeig
ist eineArt
braungelber Ofenlehm, ebenso der steinharte Käse ohne Blasen und das an derLuft
gedörrte Ochsen und Schaffleisch, das man hobeln, sägen und raspeln muss und roh geniesst'wollte
uns wenig munden. Die Butter ist übersalzen und meist ranzig.Die
Milch
aber gut, ebenso das Bier meist vorzüglich.Wir
begnügten uns dahermit
Eiern, Milch, Thee, Kafee, und Moldebeerenmuss, sehr angenehm säuerlich, Rhabarbercom-poten ähnlich, besonders aber versöhnten uns die herrlichen Forellen und Lachse, und einiges Federwild. Rennthierfleisch geniessenwir
zweimal und darf sich auf allen Tafeln sehen lassen. — Viele Gegenden wimmeln von allerlei FederwildBirk-
und Schneehühnern, Drosseln, Auerhähnen, auch Hasen und viele Füchse, selbst Wölfe, doch Bären fast so selten als in der Schweiz. Jagdhunde besonders auf Federwild scheinen selten, und so bleibt Norwegen noch lange der Tümmelplatz einer Zahl jagdsüchtiger Engländer. Wir trefen deren mehrere, theils in den reissenden Strömen stehend oder an den sumpfi-gen Seenin
Schnackenwolken lungernd, um zu angeln, oder auf der Jagd. Doch das Glück war ihnen seltenhold
genug, meist kamen sie leer oder blosmit
einigen Fischen und Vögeln zurück, die nicht der Mühe werth waren, und all der Entbehr-ungen, die sie apathisch ertrugen. Stolz sind die Norweger auf ihre nicht sonderlichen wenigen Städte aus Holz, ihre zwar ungeheuren aber meist dünnbesetzten Wälder, die keine Pfelge erhalten, und bald selbst Mangel an Bauholz befürchten lassen.Bios Trondhjems Landschaften können als schön und gut bebaut gelten, sonst ist fast alles reine unfruchtbare Wüste.
Grüsse an alle Verwandte, und Bekannten in Solothurn und in Ölten, auch zu Hause meinem Vater und Verwandten.
Frankfurt am Main den 7. Nov. 1861.
Mein
lieber
Schmidlin,Wie Du schon länger erfahren haben wirst,
ist
unsere Nord-landfahrt mit Ende Oktobers geschlossen worden. Gerade am gleichen Monatstage, an demwir
Hamburg den 29. Maiver-Hessen, verliess ich wieder den 29. Okt. Hamburg, um das Festland und die Heimat zu gewinnen. Mein Leben hängt nicht mehr von dem schwanken Planken eines Schiffes ab, doch noch von den
oft
ebenso gefährlichen Schienen der Eisenbahn, die mich heimwärts befördern soll, sobald ich hier die Samm-lungen etwas geordnet undvor
weiterm Verderben gesichert haben werde, was sichwohl
in einer oder zwei Wochen thun lassen wird, nebst einigen geologischen Untersuchungen, auf einem und dem andern Gehöfte Hrn. ßer/ra's, dessen gross-müthigem Sinnefür
die Wissenschaftwir
die weite Nordland-reise zu verdanken haben.Wie es uns ergangen, hast Du aus den Mittheilungen des
„Bundes" aus meinen Briefen von
Zeit
zuZeit
erfahren, die aberweit
zudürftig
undflüchtig,
vielleicht selbst hie und da etwasunrichtig
sein müssen, da ich keineswegs daran dachte, Skizzen zur Veröffentlichung zu liefern, nur blosse Personal-nachrichten, woraus einige Worte zur Beruhigung meiner nä-hern und ferneren Verwandten und Bekannten zur Oeffentlich-keit gelangensollten').
Was mehr, geschah ohne mein Zuthun. Dass aber doch in jeder Beziehung uns das Glück nicht verliess, magst Du daraus zur Genüge ersehen haben, und ich dachteoft
an Dich bei ruhig spiegeln der See, wie im wüthenden Sturme, wie Du in Deinem letzten Briefe uns in Dein Gebet einschlössest, und ich muss glauben, es drang in den Himmelfür
unsern glücklichen Erfolg. Bald werde ichDir
mündlich danken undwir
werden wieder schöne Augenblicke mit einander zu verleben haben.Leider werde ich
Dir
fürjetzt
so viel wie nichts von meiner Reise mitbringen können zum Andenken, da die nicht über-mässig reiche Ausbeute naturgemäss zurDisposition
Hrn.Bernas steht ; unterdessen werde ich viele geistige Schätze
M A. GRESSLY : Briefe aus dem Norden, Der Bund N° 246-284 1861.
mitbringen können und
Dich
durch meine Gebirgs- und Meer-esskizzen unterhalten. Später werde ichDil wohl
vieles inte-ressante an Muscheln u. s. f. aus dem Norden mittheilen kön-nen, da ich mich überall mit den etwaigen Naturalisten und Museen in Verbindung setzte, und von ihnen mittelst Austausch alles, waswir
wünschen mögen, zu erhalten ist, und zwar besser als auf unsererEilfahrt
in den hohen Nordenwir
eserhalten und bewahren konnten.
Ich habe mich auch mit den Aquarien von Hamburg und Frankfurt tn Beziehung gesetzt um lebende Meerthiere zu erhalten. Basel
will
eines durch mich herstellen lassen und so ists möglich, dass ich einigeZeit dort
in Deiner Nähe weilen werde und Dich dann öfter und länger geniessen kann. Ich habe aus der Elbe bei Hamburg eine Menge schöner 77cAogü-n/crt (Süsswasser-Mytilus), grosse Cyc/as,Pafodma w'wparû
u. s. f. gefischt, die ich in unsere Schweiz übersiedeln
will,
dasie derselben noch fehlen.
Du kannst mir einige Zeilen schreiben, um mich über die Begebenheiten des Vaterlandes und Deines engeren Kreises zu belehren, und wie es auch in Rheinfelden unterdessen her-gieng. Wie wurden z. B. dieBundesnachrichten oder Auszüge aus meinen Briefen aufgenommen
Meine bessten Grüsse an Dich und alle unsere Freunde.
Gehabe Dich
wohl.
Dein steter Freund
A. GRESSLY,
//o/e/
de ßraxe/ZesFrankfurt am Main.
Adr. d/e/rn
•u/o/j/e/jrzfMrde«
T/arr«r
z/z
6« P//£7jVF£XD£N (Äa/d. Arga«)
(: per Basel :) vScAwzz.
Frankfurt am Main d. 2 Dec. 1861.
Mein
lieber
Schmidlin,Dein liebwerthes Briefchen vom 13 Nov. habe ich
richtig
erhalten und es freut mich, inDir
einen solch getreuen alten Freund bewahrt zu haben. Dankfür
Deine freundlichen Nach-richten über die Aufnahme der nordischen Briefe im„Bund".
Ich hatte selbe nicht
für
das Publikum bestimmt, sondern nurfür
den engeren Kreis meiner Freunde in der Schweiz. Sie wa-ren desshalb blos der Ausdruck meiner jeweiligen Eindrücke und Stimmung, die meisten flössen aus der Feder, ohne wie-dergelesen undkorrigirt
zu werden, oft so unleserlich, dass viele nicht aus meinem Gekritzel gekommen sind. Das magvielleicht mit
ein Grund gewesen sein, selbe meist„telles
quelles" drucken zu lassen, um meinen Freunden die Entziffe-rung meiner Hyeroglyphen zu ersparen.Du wirst Dich wundern, dass ich noch nicht den Fuss be-wegt, um heim zu kommen. Nun hatte ich aber die ganze Last des Auftrags, das gesammelte zu ordnen und wenigst dem sichern Verderben zu entziehen, und das nahm den letzten Monat weg, und es kann noch über 14 Tage dauern, ohnedass ich
mit
allemfertig
werde.Zu dem hatte ich letztvergangene Woche in Büdesheim auf den Ländereien Hrn. Berna's zuzubringen, um das bis
jetzt
fehlende laufende Brunnwasser aufzusuchen ; ich hoffe zuver-sichtlich, meine Forschungen werden einen sehr günstigenErfolg
haben, doch muss ich vorerst einige Schächte und Stollen treiben lassen, was eben nicht in einem Tag geschehen kann. Daher könnte noch der Dezember vorbeigehen, ehe ich an einedefinitive
Rückkehr ins liebe Vaterland denken kann.Das
wird
aber mein Schaden nicht sein, da Hr. Berna sich aufs Freundlichste gegen mich benimmt und mir die glänzendsten Vorschlägefür
dieZukunft
macht. Ich bin überhaupt hier sehrwohl
gelitten und kann auf jede mögliche Unterstützungfür
meine wissenschaftlichen Zwecke rechnen. Von Hermannvon
Meyer an bis auf den bekannten Afrikareisenden Rüppel er-zeigte mir alles die lebhafteste Theilnahme.—
Nun kann ich
Dir
sagen, dass Du nicht leer bei derTheilung
der gesammelten Nordischen Schätze ausgehen wirst. Ich hoffegenug davon zu erhalten, um guten Freunden mittheilen zu können, auch sonst hier noch manches aus dem Museumu.s.f.
zu bekommen, was interessant
für
Dich und mich seinwird.
Mein nordisches Gärtchen (Island, Jan-Mayen) gedeiht trefflich, ebenso meine Süsswasserthiere aus der Alster (Tichogonia, Cyclas, Paludina).
In Büdesheim habe ich schon ein kleines marines Aquarium
mit
Austern angelegt und dazu in künstlichem sehr leicht herzu-stellendem Wasser,worin
selbst die schwierigen Anneliden sich sehr gut befinden.Hier
ist Übrigends auch ein marines Aqua-rium im zoologischen Garten seit kurzem angelegt,worin
sehr schöne Acklinien, Schnecken, Muscheln und Fische in natür-lichem Seewasser leben. Deine Nachricht wegen der Austern-zucht bei Basel hat nichts so übernatürliches ; doch las ich schonvor
einem Jahre etwas davon, doch ohne nähere Angabe derLokalität
und Behandlung. Bleibe ich länger hier, so lässt mich Hr. Berna nach meinem Belieben Aquarien einrichten und so meine längsten Wünsche inErfüllung
gehen. Ich hoffe, Duwirst
mir baldmöglichst
schreiben.Stets Dein ergebenster A. GRESSLY.
Grüsse mir alle Freunde und Bekannten in Rheinfelden,
Möhlin,
u. s. f.Frankfurt am Main 2' Dec. 1861.
Mein
lieber
Lang,Du
wirst
bald vermuthen, ich sei statt im hohen Norden, nun in der gemässigten Zone eingefroren,weil
ich weder heim komme noch etwas von mir hören lasse. Nun muss ichDir
sagen, dass ich seither bis letzte Woche
vollauf
mit der Anord-nung und Sicherung der mitgebrachten Sammlungen zu thun hatte, undwohl
noch 14Tage dazu verwenden muss. Nebenbei brachte ich letzte Woche auf Herrn Bema's Herrschaft zu Büdesheim zu, um ihm das fehlende laufende Brunnwasser auf-zusuchen. Ich hoffe von dieser Untersuchung einen sehr gün-stigen Erfolg,was Hrn. Bernawie mir sehr angenehm seinwird.
/
Mit
dem Leben hier kann ich Übrigends recht zufrieden sein, und Hr. Berna macht mir die glänzendsten Vorschlägefür
dieZukunft. Er will
vorerst eine spezielle geologische Statistik seiner vielen und weiten Gütercomplexe in Bezug auf land-wirthschaftliche Anwendung ; dannwill
er gleichfalls ein spe-zielles Studium der hiessigen Braun- und Steinkohlenforma-tionen sowie entfernterer Bezirke am Rhein hinunter und sonst noch derartige Arbeiten ; überhaupt wünscht er mich in seiner Nähe zu behalten und bietet mir desshalb alles erdenkliche an.Wenn ich nun auch mich
für
nichts verbindlich gemacht habe, so habe ich doch die Gewissheit, hier stets die besste Auf-nähme zu finden, und frei handeln und wirken zu können. Ich werde bei meiner Rückkehrmit Dir
noch darüber berathen und hoffe ohne meiner Schweizerheimat untreu zu werden, die Sache in's besste Geleise zu bringen.Von den gesammelten Schätzen des Nordens werde auch ich manches schätzenwerthe erhalten, und wenn nicht gleich mitbringen, doch später nach erfolgter Bestimmung in meine Hände bekommen.
Ich hoffe diese paar Zeilen werden Dich und alle zu Hause im bessten Befinden treffen.
Ich grüsse Tante und Verwandte und alleSolothurnerfreunde, sowie die in Ölten besstens, bis auf ein möglichst baldiges Wiedersehen.
Diese Zeilen mögen
Dir
nur sagen wo ich mich befinde und hoffe baldigAntwort.
A. GRESSLY,