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10.1 Übersicht

10.2.2 Lebensumstände, Lebensereignisse und subjektive Lebensqualität

Die Resultate der vorliegenden Untersuchung zeigen, dass Menschen mit einer Tätigkeit auf dem ers-ten Arbeitsmarkt ihre Lebensqualität höher einschätzen als Menschen in geschützers-ten Arbeitsverhält-nissen oder ohne Stelle. Dies bestätigt einerseits vielfach replizierte Befunde zum Zusammenhang von Arbeit und Wohlbefinden in der Allgemeinbevölkerung (Cook & Razzano, 2000; Tausig, 1999), ande-rerseits zum spezifischen Stellenwert, der Arbeit für Menschen mit psychischen Erkrankungen hat (vgl. Kap. 3.1). Die Aussagen aus den qualitativen Interviews erlauben eine Differenzierung des Be-fundes der quantitativen Analyse und dokumentieren die spezifischen Funktionen der Arbeit: im Vor-dergrund stehen das Kompetenzerleben, die sozialen Kontakte und die Strukturierungsfunktion, wel-che in Bezug auf die psychiswel-che Erkrankung als besonders wichtig empfunden wird. Diese Ergebnisse entsprechen weitgehend jenen der qualitativen Studie von van Dongen (1996). Obwohl auch geschütz-te oder freiwillige Arbeitstätigkeigeschütz-ten die genanngeschütz-ten Funktionen zu erfüllen vermögen, zeiggeschütz-ten solche Arbeitsverhältnisse in den quantitativen Analysen wie auch in anderen Studien (Bond et al., 2001;

Eklund et al., 2004; Mueser et al., 1997) keinen Einfluss auf die Lebensqualität. Die Befunde aus dem qualitativen Untersuchungsteil verweisen auf mögliche Gründe hierfür: die befragten Personen, die geschützt oder freiwillig tätig waren, zeigten sich mit diesem Umstand zwar zufrieden und beurteilten ihre Arbeitssituation insofern als positiv, als dass sie überhaupt arbeiten konnten. Die Tatsache, nicht mehr „draussen“ auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten zu können, wurde aber als belastend empfun-den. Dies einerseits deshalb, weil die ausgeführten Arbeiten nicht als den persönlichen Qualifikationen

und Interessen angemessen empfunden wurden, andrerseits ist zu vermuten, dass auch der geringere soziale Status und die Tatsache, einer sozialen Norm nicht zu entsprechen (vgl. Baer et al., 2003; Cor-ring & Cook, 2007; Hoffmann, 2004; Kennedy-Jones et al., 2005), „es nicht geschafft zu haben“, wie es eine der befragten Personen ausdrückte, den Selbstwert und das Wohlbefinden beeinträchtigte. Die-se Unterschiede zwischen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und geschützter Arbeit sind insofern bedenkenswert, als dass in der untersuchten Gruppe Personen, die zum wiederholten Mal hospitalisiert waren, nur noch zu etwa einem Drittel auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig waren und der Anteil der Personen, die in geschütztem Rahmen arbeiteten, im Lauf der Studie markant zu-nahm (vgl. 10.2.5). Während des ganzen Studienverlaufs waren etwa 30% der Teilnehmenden ohne Stelle. Bei erstmals hospitalisierten Personen blieb dieser Anteil konstant, während er bei schon mehr-fach hospitalisierten Personen eher zurückging. Ich gehe davon aus, dass die Gruppe der Personen ohne Stelle sich einerseits aus Personen zusammensetzt, die freiwillig nicht arbeiten (z.B. Frauen mit Kindern) und Personen, die berentet und nicht in einem geschützten Arbeitsverhältnis tätig sind. Es könnte sein, dass diese Bedingungen der Stellenlosigkeit sich bezüglich ihres Einflusses auf die sub-jektive Lebensqualität unterscheiden, und dass Personen, die freiwillig nicht arbeiten, ihre Lebensqua-lität höher einschätzen. Dies ist aber aus aufgrund der Operationalisierung der Erwerbstätigkeit und der Stichprobengrösse aus den Daten nicht eruierbar.

Unter dem Einkommen wurden im quantitativen Teil der Untersuchung Einkünfte sowohl aus Entlöh-nung, Unterstützung durch Eltern oder Partnerinnen und Partner, Leistungen der Arbeitslosen- oder Invaliditätsversicherung oder der Sozialhilfe zusammengefasst. Obwohl das Einkommen zum Zeit-punkt der dritten Befragung leicht höher war als bei den ersten beiden Befragungen, lag es immer noch weit unter dem Wert für die Allgemeinbevölkerung im Kanton Zürich. Zum Zeitpunkt der dritten Befragung erzielte die Hälfte der Personen ihr Haupteinkommen aus einer Invaliditätsrente. Diese Befunde lassen die Annahme zu, dass die ökonomische Situation eines beträchtlichen Anteils der be-fragten Personengruppe prekär ist, wobei auch jene Personen betroffen sind, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten (vgl. Kap. 7.2.2). Dies ist als problematisch zu werten, da Armut und ökonomi-sche Deprivation mit dem Beginn und – was für die untersuchte Gruppe von grösserer Relevanz ist – der Aufrechterhaltung von psychischen Erkrankungen zusammenhängen (Link & Phelan, 1995; Weich

& Lewis, 1998). In der quantitativen Analyse zeigte das Einkommen keinen Einfluss auf die subjekti-ve Lebensqualität. In den qualitatisubjekti-ven Interviews kam jedoch zum Ausdruck, dass die Betroffenen Geld und Lebensstandard durchaus als bedeutsam für ihr Wohlbefinden erachten (vgl. Corring &

Cook, 2007; Prince & Gerber, 1998). Dabei wurde deutlich, dass nicht – wie im quantitativen Teil erfasst – die Höhe des Einkommens ausschlaggebend für die Zufriedenheit mit der finanziellen Situa-tion ist, sondern das Gefühl, genügend Geld zu haben, d.h. finanziell einigermassen abgesichert zu sein und sich einen bescheidenen Lebensstandard leisten zu können (vgl. Koivumaa-Honkanen et al., 1996; Mercier & King, 1994). Hierzu gehörte auch, sich eine Wohnung finanzieren zu können, wo sich die Befragten wohl fühlten (vgl. Prince & Gerber, 1998). Diesbezügliche Kriterien waren jedoch

sehr individuell, und in den quantitativen Analysen hatte die Wohnsituation keinen Einfluss auf die Lebensqualität. In einigen Interviews wurde deutlich, dass fehlende finanzielle Mittel in manchen Fällen dazu führten, dass bestimmten, subjektiv wichtigen Freizeitaktivitäten nicht nachgegangen werden konnte. Da viele solcher Aktivitäten auch einen sozialen Charakter haben, ist eine ausreichen-de finanzielle Absicherung für das Wohlbefinausreichen-den insofern von Belang, als dadurch auch gesellschaft-liche Teilhabe und soziale Integration ermöglicht werden (vgl. Corring & Cook, 2007).

Im quantitativen Teil der Arbeit wurden Freizeitaktivitäten nicht erhoben und konnten deshalb auch nicht als möglicher Einflussfaktor von Lebensqualität analysiert werden. Andere Studien belegen aber den Stellenwert von Freizeitaktivitäten und zeigen u.a., dass die Zufriedenheit mit diesen Aktivitäten einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden hat (Eklund & Bäckström, 2005; Meyer, 2004; Tempier et al., 1997). Im qualitativen Teil der vorliegenden Untersuchung wurden neben Sport und Bewegung in der Natur fast ausschliesslich künstlerische Tätigkeiten als wichtige Freizeitaktivitäten benannt (vgl.

Prince & Gerber, 1998). Diese fördern in den Augen der Befragten ihr Wohlbefinden, weil sie ent-spannend und beglückend sind und es erlauben, eigene Kompetenzen und Stärken zu erleben. Unter-suchungen zu Empowerment und Recovery von Menschen mit psychischen Erkrankungen (vgl. Kap.

10.2.5) geben weitere Hinweise darauf, warum Freizeitaktivitäten im Allgemeinen und besonders ges-taltende Tätigkeiten sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken. So stellten Nelson et al. (2006) fest, dass die Fähigkeit, schöne und erfreuliche Dinge geniessen zu können sowie das Ausmass an Spass und Entspannung die Lebensqualität positiv beeinflussen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass gestaltende Tätigkeiten in besonderem Masse das Gefühl von Selbstwirksamkeit, persönlicher Kon-trolle und Autonomie fördern (Hasson-Ohayon et al., 2006; Rothbaum, Weisz & Snyder, 1982) und auf diese Weise den Selbstbezug und Selbstwert verbessern (Chan et al., 2005; Ridgway, 2001), was sich wiederum positiv auf die subjektive Lebensqualität auswirkt (vgl. Kap. 3.4). Eine weitere Erklä-rung für den besonderen Stellenwert künstlerischer Tätigkeiten bietet das Konzept des Flow (Csiks-zentmihalyi, 1990) – das heisst ein erfüllendes und genussvolles „Aufgehen im Tun“. Tätigkeiten, die Flowerleben induzieren und somit in einem engen Zusammenhang mit dem Wohlbefinden stehen, sind gemäss diesem Konzept durch folgende Merkmale gekennzeichnet: es handelt sich um Tätigkeiten, denen sich der oder die Ausführende gewachsen fühlt, es besteht ein Gefühl von Kontrolle über die Aktivität und die Tätigkeit ist autotelisch, das heisst ihr Ziel liegt in der Ausführung selbst. Somit ste-hen Freizeitaktivitäten in einem gewissen Gegensatz zu Arbeitstätigkeiten, die auch als über- oder unterfordernd und somit belastend erlebt werden können, wobei bei Menschen mit psychischen Er-krankungen Versagensängste und Schwierigkeiten durch Symptome wie Antriebsmangel oder durch medikamentöse Nebenwirkungen hinzukommen können.

Neben dem Stellenwert der Ausgestaltung der Lebensumstände zeigen die Befunde der vorliegenden Untersuchung einen klaren Einfluss von Lebensereignissen auf die subjektive Lebensqualität, was in dieser Form bisher noch wenig untersucht wurde. Trafen mehrere Lebensereignisse zusammen, schätzten die Betroffenen ihre Lebensqualität als geringer ein. Hingegen zeigte sich kein

systemati-scher Einfluss bestimmter Lebensereignisse. Eine Ausnahme bilden Auseinandersetzungen im näheren sozialen Umfeld, was ich im Zusammenhang mit der Bedeutung sozialer Beziehungen in 10.2.3 disku-tieren werde. Der Grund für den fehlenden Einfluss spezifischer Ereignisse ist vor allem darin zu se-hen, dass eine zu kleine Anzahl Personen von den einzelnen Ereignissen betroffen war (vgl. Kap.

6.2.3.4), als dass sich ein statistischer Effekt hätte ergeben können. In den qualitativen Interviews wurde teilweise auf ähnliche Themen Bezug genommen wie im Zusammenhang mit den Lebensereig-nissen im quantitativen Untersuchungsteil erhoben wurden, allerdings fällt hier auf, dass eher länger anhaltende Belastungen wie die ungenügende finanzielle Absicherung oder Probleme in der Paarbe-ziehung als das Wohlbefinden beeinträchtigend empfunden wurden. Bei genauerer Betrachtung der in der quantitativen Befragung erfragten Lebensereignisse zeigt sich, dass ein Teil der Fragen ebenfalls eher chronisch belastende Lebensumstände und nicht einmalige Ereignisse erfasst. Dies ist vor allem in Bezug auf Trennung und Scheidung der Fall, die zwar einschneidende Ereignisse darstellen, jedoch am Ende einer längeren Phase von belastenden Konflikten stehen. Auch körperliche Erkrankungen, seelische Krisen, Probleme eines Kindes oder die Enttäuschung durch anderen Mensche (vgl. Kap.

6.2.3.4) sind in diesem Sinn eher als längerfristig beeinträchtigende Bedingungen denn als punktuelle Stressoren anzusehen. Ausschlaggebend für die subjektive Lebensqualität ist – neben der Anzahl der Stressoren – vor allem auch die subjektive Belastung durch diese. Obwohl der Einfluss der Belastung durch Lebensereignisse unabhängig von der depressiven Symptomatik besteht, ist ein – zumindest konzeptueller – Zusammenhang mit depressiven Reaktionen auf solche Ereignisse und einem vermin-derten Gefühl der Selbstwirksamkeit nicht von der Hand zu weisen (vgl. Kap. 3.4; Norman & Malla, 1993a).

Aus diesen Überlegungen lässt sich ableiten, dass die Aussage, objektive Lebensumstände und die subjektive Lebensqualität würden nicht zusammenhängen, in dieser pauschalen Formulierung nicht haltbar ist. Begründet wurde diese Annahme in erster Linie durch die Forschung zur relativen Depri-vation und der ausbleibenden Veränderung subjektiver Lebensqualität im Zusammenhang mit einer Veränderung der objektiven Lebensumstände (vgl. Kap. 3.1; Diener et al., 1999; Franz, 2006a). Aus der vorliegenden Untersuchung geht hervor, dass sowohl die Arbeits- wie auch die finanzielle Situati-on und der Lebensstandard, die Alltags- und Freizeitgestaltung sowie externe Stressoren die subjektive Lebensqualität massgeblich beeinflussen. Wie auch in anderen qualitativen Untersuchungen (Baer et al., 2003; Corring & Cook, 2007) veranschaulichen zudem Aussagen aus den Interviews, dass die subjektive Bedeutung einzelner Lebensbereiche, deren Ausgestaltung, die darauf bezogene Zufrieden-heit oder Wünsche nach Veränderung sich zwischen Personen sehr stark unterscheiden können.

10.2.3 Soziale Beziehungen

Die Resultate der vorliegenden Arbeit zur Bedeutung sozialer Beziehungen für das Wohlbefinden entsprechen bisherigen Forschungen und theoretischen Ansätzen (vgl. Kap. 3.2). Ein Viertel der Stu-dienteilnehmenden ist als sozial eher isoliert zu bezeichnen, wobei hier ein Zusammenhang mit der Häufigkeit stationärer psychiatrischer Behandlung festgestellt werden kann (vgl. Buchanan, 1995;

George et al., 1989). Weniger als die Hälfte der Befragten hatte einen Partner oder eine Partnerin, ebenso hatten nur 30% der Teilnehmenden Kinder. In den qualitativen Interviews wurden die soziale Isolation und das Fehlen von Partnerschaften von einigen Personen als Belastung angesprochen und subjektive Verbesserungen der Lebensqualität wurden teilweise direkt in Zusammenhang mit der Zu-nahme an sozialen Kontakten gebracht.

Über 90% der Befragten gaben jedoch an, Freunde oder Freundinnen zu haben. Dies ist insofern wich-tig, als dass Freundschaften sowohl im quantitativen wie auch im qualitativen Teil der Untersuchung als besonders wichtig für die Lebensqualität erachtet wurden. Dies zeigt sich auch in einer Reihe ande-rer Studien (Corring & Cook, 2007; Erickson et al., 1989; Monroe et al., 1983; Müller et al., 2007;

Ritsner et al., 2006). Es ist anzunehmen, dass Freundschaften – vor allem in Krisen und Konflikten – in geringerem Ausmass als Paarbeziehungen oder die Beziehung zur Herkunftsfamilie oder eigenen Kindern durch Schuld- und Verantwortungsgefühle geprägt sind und die Regulation von Nähe und Distanz bzw. Geben und Erhalten von Unterstützung einfacher ist (ebd., vgl. auch Thoits, 1983;

Vaughn & Leff, 1976). Unterstützt wird diese These durch den Befund, dass mit Ausnahme von Freundschaften spezifische soziale Rollen wie Partner- oder Elternschaft keinen Einfluss auf die sub-jektive Lebensqualität hatten. Dies wiederum lässt sich mittels der Befunde aus den qualitativen Inter-views erklären, in denen deutlich wurde, dass die Befragten nicht nur in unterschiedlichsten sozialen Bezügen lebten, sondern dass die einzelnen Beziehungsformen auch sehr individuelle Bedeutungen hatten. Besonders anschaulich zeigt sich dies im Zusammenhang mit Partnerschaften. Obwohl diese, wie eine andere Analyse derselben Daten zeigt (Müller et al., 2007) neben Freundschaften als am stärksten unterstützend wahrgenommen wurde, zeigte sich in der quantitativen Analyse kein Einfluss der Paarbeziehung auf die subjektive Lebensqualität. In den qualitativen Interviews wurde deutlich, dass zwar für einen Teil der Befragten die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin als beglückend und unterstützend wahrgenommen wurde, andere jedoch zum Zeitpunkt des Interviews ihre Beziehung aufgrund von Konflikten als Belastung wahrnahmen. Wieder andere Interviewteilnehmende wünsch-ten sich eine Beziehung und waren deshalb unzufrieden. Ähnliches dürfte auch für andere soziale Be-ziehungen, wie z.B. Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz gelten.

Unabhängig von den sozialen Rollen beeinflusste die wahrgenommene soziale Unterstützung die sub-jektive Lebensqualität positiv. Dieses Resultat repliziert die Befunde aus anderen Untersuchungen (Bengtsson-Tops & Hansson, 2001; Mechanic et al., 1994; Ritsner et al., 2003, 2006; Rössler et al., 1999; Yanos et al., 2001). Aus den qualitativen Interviews wird ersichtlich, dass neben der Unterstüt-zung noch andere Aspekte sozialer Beziehungen als wichtig für das eigene Wohlbefinden erachtet werden: verstanden und akzeptiert werden, sich aufgehoben fühlen, geliebt werden und zu einer Ge-meinschaft gehören. Im Gegensatz zu Studien, die eine negative Wirkung von Konflikten auf die Le-bensqualität aufzeigen (Koivumaa-Honkanen, 1996; Ruggeri et al., 2002; Yanos et al., 2001), besagen die Resultate der vorliegenden Arbeit zum Einfluss von Lebensereignissen, dass Personen, die von einer Auseinandersetzung im näheren sozialen Umfeld berichteten, ihre Lebensqualität höher

ein-schätzten als jene Personen, bei denen das nicht der Fall war. Dies ist ein schwer interpretierbares Resultat. Hypothetisch wäre eine Art „Katharsis-Effekt“ von Auseinandersetzungen annehmbar, was bedeuten würde, dass durch die Auseinandersetzung Konflikte gelöst und Spannungen abgebaut wer-den und sich somit die Lebensqualität verbessert. Eine andere Vermutung ist, dass Personen, die sich Auseinandersetzungen stellen, auf der Verhaltensebene Konflikte weniger vermeiden bzw. aktiver damit umgehen, was wiederum auf ein geringes Ausmass depressive Konfliktverabeitung (Rückzug, Selbstisolation, Selbstzuschreibung) schliessen liesse. Diese These würde durch den starken Einfluss depressiver Symptome auf die subjektive Lebensqualität gestützt (vgl. Kap. 10.2.4)79. Insgesamt lässt sich aber weder aus den quantitativen und qualitativen Daten noch aus der gesichteten Literatur eine schlüssige Interpretation ableiten.

Wie in vielen anderen Untersuchungen (vgl. Kap. 3.2) zeigten auch in der vorliegenden Arbeit sozia-len Beziehungen und soziale Einbettung in verschiedener Hinsicht einen Einfluss auf die subjektive Lebensqualität. In der Theorie und vielen Forschungsarbeiten wird zwar zwischen Strukturen und Funktionen von sozialen Beziehungen unterschieden, aus der subjektiven Perspektive lassen sich die beiden Aspekte jedoch kaum voneinander trennen (vgl. auch Corring & Cook, 2007). In der For-schung zur Bedeutung sozialer Beziehungen wird zudem fast ausschliesslich die wahrgenommene soziale Unterstützung, d.h. die Annahme über eine bei Bedarf verfügbare Unterstützung, erhoben. Die Aussagen in den Interviews zeigen, dass Akzeptanz, Wertschätzung und Verständnis in den Augen der Befragten ebenso wichtig sind. Darüber hinaus lässt sich das Gefühl, dazuzugehören, nicht an be-stimmten Beziehungen oder Rollen festmachen, sondern wird in unterschiedlichsten Kontexten – in der Dorfgemeinschaft, im Verein, der Familie oder Partnerschaft, am Arbeitsplatz – erfahren.