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7. FORSCHUNGSERGEBNISSE

7.6. Leben als Pflegemutter

Bisher fokussierten sich die Ergebnisse auf die Pflegekinder und deren Werdegang. In den wei-teren Ausführungen stehen nun die Pflegemütter und ihre Erfahrungen durch die Pflegeeltern-schaft im Zentrum. Aus den Interviews ergaben sich 3 Subkategorien, welche (1) die Reaktio-nen auf das Verhalten und Erleben, (2) die Gründe für das Verhalten und Erleben und (3) die schönen Momente beinhalten.

Reaktionen auf das Verhalten und Erleben

Wie in den bisherigen Ausführungen deutlich wurde, waren die Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten der Pflegekinder umfassend. Sie reichten von Trauer bis hin zu Aggressionen und stellten eine Herausforderung für die Pflegemütter dar. Das Ziel dieser Kategorie besteht nun darin, herauszufinden, wie die Probandinnen auf die Auffälligkeiten ihrer Pflegekinder reagie-ren. Die Auswertung der Interviews zeigt, dass die Reaktionen der Pflegemütter unterschiedlich ausfallen. Es hing vor allem davon ab, wie stark die Auffälligkeit des Kindes war. Waren das Erleben und das Verhalten des Kindes nur in einem geringen Maße auffällig, versuchten die Pflegeeltern es zu beruhigen, mit ihm zu sprechen oder Mut zu machen. Es kam auch vor, dass die Eltern in bestimmten Situationen schrien und mit dem Kind schimpften. „Und dann bin ich nicht die liebe nette Mama, die sagt, ohh oje, sondern dann kann er sich anhören, warum machst du das“ (Interview 4, Zeile 148-150).

Äußerte sich das Verhalten oder Erleben jedoch stark nach außen, hatten manche Pflegemütter besondere Methoden entwickelt. Die Probandin aus dem ersten Interview hatte im Laufe der

Zeit erkannt, dass sie ihren Sohn festhalten muss, damit er sich beruhigen kann. Ähnlich rea-gierte die Mutter aus dem fünften Interview: „Bei so eskalierenden Situationen haben wir ihn immer fest in den Arm genommen und mit ihm geredet und ihn gestreichelt“ (Interview 5, Zeile 50-51).

Im zweiten Interview ging die Mutter in konfliktbehafteten Situationen mit ihrem Kind an die frische Luft. Dabei konnten sich sowohl die Mutter als auch das Kind wieder beruhigen und die Situation entspannte sich. Die Pflegemutter aus dem vierten Interview erzählte, dass das ge-meinsame Schreien mit ihrem Sohn große Wirkung zeige. „Wo er dann sagt, Mama, gehen wir gemeinsam schreien und dann hocken wir uns auf sein Bett und dann schreien wir ganz laut“

(Interview 4, Zeile 248-249). Weiters spielte die Mutter Rollenspiele mit ihrem Sohn, um ihm zu verdeutlichen, wie er auf andere wirkt und welche Methoden es gibt, um mit Schwierigkeiten umzugehen. Im letzten Interview schilderte die Mutter, dass sie die Auffälligkeiten im Verhal-ten ihres Sohnes häufig ignoriere, da die Beziehung zu dem Kind noch nicht sehr gefestigt sei.

„Naja, wir sind da den Weg des geringsten Widerstandes gegangen, weil (…) die Beziehung zu uns noch nicht gesättigt ist“ (Interview 8, Zeile 17-18).

Gründe für das Erleben und Verhalten

Jede Pflegemutter hatte eine andere Erklärung für das Erleben und Verhalten ihres Pflegekin-des. Alle Pflegeeltern betonten jedoch, dass sie die wahren Gründe nicht zu einhundert Prozent wüssten und sie deren Ursprung nur vermuten können. Die Mütter aus dem ersten und sechsten Interview glaubten, die Auffälligkeiten stammten von den leiblichen Eltern und wurden imitiert oder vererbt. Pränatale Einflüsse waren für die Pflegemütter aus dem dritten und vierten Inter-view der Grund für die Auffälligkeiten. Beide beschrieben diese als Überlebenskämpfe im Bauch der leiblichen Mutter, die ihre Kinder geprägt haben.

Als Ursachen für die Auffälligkeiten sahen die Mütter aus dem siebten und achten Interview die häufigen Beziehungsabbrüche und die Angst vor einer Trennung. So beschrieb die Mutter aus dem siebten Interview: „Ich glaube, diese Angst ist eine kanalisierte Angst und das kann schon aus einer Trennungsangst herauskommen“ (Interview 7, Zeile 263-264). In den restli-chen Interviews wurden die Ursarestli-chen im Umfeld des Kindes vermutet, welches als Vorbild fungierte. Nur die Pflegemutter aus dem fünften Interview sah die Gründe für das Verhalten nicht in der Herkunftsfamilie, sondern in der früheren Pflegemutter:

Ich glaube, dass der Großteil sicher von der letzten Pflegemutter kommt, weil er war eineinhalb Jahre dort. Ich glaube, dass sie ihn in einem Alter bekommen hat, das sehr prägend ist für ein Kind. Wenn man dort nur auf Abneigung stößt und nicht mal mehr

auf die Couch darf, während sie aber mit ihrem Sohn auf der Couch liegt, das ist dann halt schon sehr abwertend (Interview 5, Zeile 424-428).

Schöne Momente

Auf die Frage hin, welche Momente die Pflegemütter als schön erlebten, gaben die meisten von ihnen an, dass die Entwicklung des Kindes ihnen Erfüllung schenke. Im ersten Interview sagte die Mutter, sie habe ihre Berufung gefunden und das Gefühl, eine Familie zu haben, sei für sie besonders schön. Im zweiten Interview ging der Wunsch, Mutter zu werden, in Erfüllung, wel-cher als sinnstiftend beschrieben wurde. Außerdem war es schön zu sehen, wie das Kind neue Dinge lernte und nach und nach die körperliche Nähe suchte. Die Mutter aus dem dritten Inter-view schilderte die schönen Momente der Pflegeelternschaft wie folgt: „Also, eigentlich, auch wenn es nicht so schön ist, ist es trotzdem schön“ (Interview 3, Zeile 456). Auch sie sprach von der Entwicklung ihrer Tochter, welche sie erfüllte. Weiters erzählte sie, dass die Tochter den Wunsch äußerte, den Nachnamen der Mutter anzunehmen. Dies war für die Pflegemutter ein besonderes Gefühl, welches sie sehr stolz machte.

Im vierten Interview sagte die Mutter: „Also, in jeder Sekunde, egal wie schwierig es zeitweise ist, das ist einfach kein Thema. Ich bin mit Haut und Haar Mama“ (Interview 4, Zeile 101-102).

Sie sprach vom Lachen, dem Kuscheln und der Art und Weise, wie ihr Sohn Zuneigung aus-drückte. Die Entwicklung und der Fortschritt des Kindes wurden vor allem im fünften Interview betont:

Vom Einzug zu jetzt, sein Aussehen, sein Verhalten, seine Art. Er ist jetzt um tausend Prozent mehr Kind als er es jemals war. Und das zu sehen und zu wissen, dass das auch unser Verdienst ist, ist am schönsten (Interview 5, Zeile 549-551).

Im sechsten Interview empfand die Mutter es am schönsten eine Familie zu haben, die ihr viel zurückgibt. Auch bei der Probandin im siebten Interview wurde deutlich, dass sie die Mutter-schaft vollkommen ausfüllt und ihr Leben bereichert. Im letzten Gespräch war die Zunahme der Bindungssicherheit seitens des Kindes schön zu beobachten. Auch hier war die Entwicklung des Kindes seit Beginn der Pflegeelternschaft einer der schönsten Momente als Pflegemutter.

Die Ergebnisse der sechsten Hauptkategorie zeigen die schönen Momente im Leben einer Pfle-gemutter sowie die Gründe und Reaktionen für das Erleben und Verhalten ihrer Pflegekinder.

Es stellte sich heraus, dass die Pflegemütter hinsichtlich der Reaktionen auf das Erleben und Verhalten versuchten, die Kinder zu unterstützen, zu ignorieren oder sie zurechtzuweisen. Die Ursachen für die Auffälligkeiten vermuteten die Probandinnen überwiegend in der Herkunfts-familie. Lediglich eine Mutter führte das Erleben und Verhalten des Kindes auf ein früheres Pflegeverhältnis zurück. Die schönen Momente im Leben der Pflegemütter waren vor allem auf

das Muttersein und die Aufgaben, die damit einhergehen, bezogen. Auch die Entwicklung der Kinder und die stärker werdende Bindung zwischen Mutter und Kind wurden als besonders schön empfunden.

Trotz der schönen Momente im Leben einer Pflegemutter sind Belastungen ein Teil ihres all-täglichen Lebens. Welche Belastungen die acht Pflegemütter aus den Leitfadeninterviews wahrgenommen haben, wird im Zuge der nächsten Kategorie erörtert.

7.7. B

ELASTUNGEN

Die Ergebnisse der Interviews machen deutlich, dass die Pflegemütter ähnliche Belastungen in ihrem Alltag wahrnehmen. Diese Kategorie umfasst über 140 Codes und ist somit, neben der zweiten Hauptkategorie „das Pflegekind“, jene mit den meisten Codierungen. Durch die Aus-wertung des Interviewmaterials ergaben sich fünf Subkategorien. Dabei handelt es sich um (1) das Erleben und Verhalten des Pflegekindes, (2) die Corona-Pandemie, (3) die Bürokratie und Hilfen, (4) die Herkunftseltern und um (5) die alltägliche Belastung/ Doppelbelastung.

Erleben und Verhalten des Pflegekindes

Die am häufigsten genannte Belastung der Pflegemütter stand in direkter Verbindung mit den Verhaltensauffälligkeiten des Kindes. In fünf der acht geführten Interviews beschrieben die Probandinnen, dass sie das Verhalten ihres Kindes belastet. Im ersten Interview war es für die Mutter herausfordernd, wenn sie ihren Sohn festhalten musste, um ihn zu beruhigen. „Das setzt mir deutlich mehr zu als ihm, weil wenn ich ihn festhalten muss, bin ich zwei Tage lang ener-gielos und streichfähig, weil mir das zusetzt und körperlich sehr anstrengend ist“ (Interview 1, Zeile 124-126). Auch das Einkoten vor seinen Freund*innen stellte eine Herausforderung dar.

Die Mutter machte sich über die Entwicklung seiner Freundschaften sorgen und befürchtete, dass er später, aufgrund seines Verhaltens, wenig Anschluss zu Gleichaltrigen haben wird.

Die Ergebnisse des dritten Interviews zeigen, dass die Pubertät der Tochter und deren verbale Auffälligkeiten für die Mutter belastend waren.

Das ist einfach das ungeschickte Reden mit den Erwachsenen, weil sie da wirklich ganz stark aneckt. Ich bin da teilweise ziemlich ratlos, weil durch Strenge bekomme ich es nicht weg und mit Konsequenzen auch nicht und das ist nicht einfach (Interview 3, Zeile.

224-226).

Im selben Interview wurde deutlich, dass die Mutter die Konflikte für die Tochter austrägt.

Wurde das Kind verbal aggressiv, griff die Mutter ein und erklärte anderen Personen, warum ihre Tochter diese Verhaltensweisen zeigt. „Also sie missbraucht mich mehr oder weniger als Sprachrohr“ (Interview 3, Zeile 241). Außerdem waren die nächtlichen Schreianfälle der

Tochter eine große Belastung für die Pflegemutter. „Durch die Müdigkeit war ich richtig ver-zweifelt, da war ich wirklich schon am Limit“ (Interview 3, Zeile 431).

Die Probandin im vierten Interview beschrieb die Krämpfe des Sohnes in seiner Kindheit, wel-che zu einer Ohnmacht geführt haben, als herausfordernd. „Es ist schwierig, es zu sehen, es zu managen, weil es auch kein Schema gab“ (Interview 4, Zeile 159-161). Durch seine Zusam-menbrüche und auch aufgrund seines grenzgängerischen Verhaltens, empfand die Mutter Ver-lustängste, die ihr in manchen Nächten den Schlaf raubten.

Die Probandin aus dem darauffolgenden fünften Interview nahm die Aggressionen ihres Kindes als belastend wahr. Obwohl sich diese seit dem Einzug verringerten, stellten sie dennoch eine Herausforderung dar. Zum Zeitpunkt der Interviewführung empfand die Mutter jedoch zwei andere Aspekte, im Vergleich zu den genannten Belastungen, als schwierig.

Das Zurückreden. Das ist derzeit für mich das Schlimmste, weil er einfach immer das letzte Wort haben muss und 1.000-mal nein. Und dass man dann auch wirklich konse-quent bleibt, ist für uns die größte Herausforderung (Interview 5, Zeile 557-560).

Im letzten Interview war das widersprüchliche Verhalten des Sohnes eine Belastung. Die Pfle-gemutter beschrieb den Umstand wie folgt: „Also ambivalent, also empathisch wie auch extrem aktiv und dadurch natürlich auch sehr fordernd“ (Interview 8, Zeile 11-12).

Im Vergleich zum Verhalten wurde das Erleben der Kinder seltener als Belastung empfunden.

In drei Interviews berichteten die Pflegemütter, dass die Ängste ihrer Kinder eine Herausforde-rung seien. Deutlich wurde dies vor allem im ersten Interview als die Mutter erzählte: „Der Große hat uns vor große Herausforderungen gestellt, da (…) er richtig viele Verhaltensauffäl-ligkeiten und Ängste hat. Da haben wir viel mit ihm durchgestanden“ (Interview 1, Zeile 377-379).

Im dritten und im vierten Interview wurden die Emotionen der Kinder als schwierig empfunden.

Dabei handelte es sich zum einen um die Gefühle während der Besuchskontakte und zum an-deren um Konfliktsituationen. Dabei zeigten die Kinder Reaktionen, die aus Sicht der Pflege-eltern nicht ihrem Alter entsprachen und in der Situation unangebracht waren.

Corona-Pandemie

Abgesehen von dem Erleben und Verhalten der Pflegekinder empfanden die Probandinnen vor allem die Corona-Pandemie als Belastung. Die Mutter aus dem ersten Interview war zu Beginn der Pandemie als Krankenschwester tätig und musste mehr Stunden als gewöhnlich arbeiten.

„Ich habe dann ein halbes Jahr 50 Prozent gearbeitet und das neben der Coronakrise war schon eine heftige Geschichte“ (Interview 1, Zeile 348-349). Dadurch war die Belastung der Probandin höher und die Sorge groß, jemanden aus der Familie anzustecken. Im Zuge dessen

wurde auch die Betreuung der Kinder zur Herausforderung. „Wir haben dann auch geschaut, dass meine Eltern die Kinder nur betreuen, wenn es gar nicht anders geht, weil wir wollen auch meine Eltern schützen“ (Interview 1, Zeile 350-352).

Die Pflegemutter aus dem zweiten Interview sprach von einer angespannten Stimmung, welche durch den Lockdown hervorgerufen wurde. Gewohnte Aktivitäten und Kontakte zu anderen gingen verloren, wodurch Spannungen nicht reduziert werden konnten. „Weil sonst schaut man halt, dass man sich mit anderen Müttern zusammenschließt, und dann sind die Kinder mitei-nander beschäftigt“ (Interview 2, Zeile 230-232).

Die ausbleibenden Kontakte zu Freund*innen oder der Familie waren auch für die Pflegemutter aus dem dritten Interview belastend. Die Mutter beschrieb sich selbst als gesellige Person, wel-che gerne ins Kino oder auf Konzerte geht. „Durch den Lockdown ist das dann auch schwierig.

Vorher bin ich in einem Chor gewesen und seit über einem Jahr eben nicht mehr“ (Interview 3, Zeile 496-497).

Die Sozialpädagogin aus dem vierten Interview konnte das Private und Berufliche im ersten Lockdown schwer voneinander trennen. „Das war für mich sehr schwierig, weil ich die Arbeit auch zu Hause hatte und die Abgrenzung ist das höchste Gut in der Pädagogik“ (Interview 4, Zeile 293-294). Ähnlich wurde die Situation im sechsten Interview wahrgenommen, als die Kinder dauerhaft zu Hause waren. Es kam immer wieder zu „sehr viel Schreiereien und sehr viel Streitereien“ (Interview 6, Zeile 524), wodurch die Mutter sich dazu entschloss, die Kinder wieder in den Kindergarten zu geben. Im achten Interview brachte die Corona-Pandemie eine Reduzierung der Energien mit sich. Die Kräfte der Mutter wurden weniger und die Zeit für sie selbst war kaum vorhanden.

Lediglich im siebten und fünften Interview stellte die Pandemie keine besondere Herausforde-rung dar. Die Mutter im fünften Interview empfand die Auswirkungen des Lockdowns als po-sitiv, da ihr Ehemann häufiger zu Hause war und die Hausbesuche wegfielen.

Bürokratien und Hilfen

Da die Aufnahme eines Pflegekindes mit hohen bürokratischen Aufwänden und Hilfen aus un-terschiedlichen Bereichen in Verbindung steht, traten auch hier Herausforderungen auf. In den ersten zwei Interviews wurde deutlich, dass die bürokratischen Strukturen für die Mütter eine Belastung darstellen. Die Pflegemutter aus Salzburg empfand die Ungewissheit über das Ver-weilen der Kinder in der Familie als belastend. „Wir wissen immer noch nicht, wie es weiter-geht, weil es gerichtlich nicht abgeschlossen ist. Das geht schon seit drei Jahren und wir hän-gen immer noch in der Luft“ (Interview 1, Zeile 61-63).

Im zweiten Interview schilderte die Mutter aus Niederösterreich, welche ihr Pflegkind aus Wien bekam: „Also dieser Bundesländerwechsel ist immer mit ganz schön viel Verwaltungsaufwand verbunden“ (Interview 2, Zeile 21-22). Ähnliche Erfahrungen machte die Pflegemutter aus dem sechsten Interview, welche die Kinder auch aus einem anderen Bundesland zu sich nahm. Zu-sätzlich sind die leiblichen Eltern der Kinder serbisch-bulgarischer Abstammung, wodurch sich der Aufnahmeprozess in die Länge zog. „Du musst dir vorstellen, wir haben 1 ½ Jahre ge-braucht, um die Staatsbürgerschaften zu bekommen, weil jedes Amt etwas anders sagt, und das ist halt für Pflegeeltern extrem schwer“ (Interview 6, Zeile 459-461).

Im Bereich der Hilfen werden von den Pflegemüttern die Sozialarbeiter*innen und auch die Psycholog*innen kritisiert. In Bezug auf die Besuchskontakte erklärte die Mutter aus dem vier-ten Interview, dass „die Sozialarbeiterin nicht hilfreich ist, im Gegenteil, also eher unnötige Steine in den Weg legt“ (Interview 4, Zeile 341-342). Die Probandin sah ihre Sozialarbeiterin als Kontrollorgan an und weniger als Hilfe und Unterstützung. Grundsätzlich bemängelte sie das System, denn es ist „einfach witzfrei und hat keine Ressourcen und nichts adäquat Passen-des“ (Interview 4, Zeile 522). Auch im letzten Interview zeigte sich der Unmut über die Sozi-alarbeiterin. „Jetzt in Corona-Zeiten habe ich so das Gefühl, die Sozialarbeiterin ist in die Dau-erpause gegangen, obwohl ich es für nötiger als den je halte“ (Interview 8, Zeile 58-59). Die Termine, welche über das Telefon abgewickelt werden, boten für die Mutter keine ausreichende Unterstützung.

Zudem wurden die Psycholog*innen von den Probandinnen aus dem zweiten und dritten Inter-view als belastend empfunden. Dies lag an dem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden und an einem mangelnden Einfühlungsvermögen.

Herkunftsfamilie

Die Herkunftsfamilie spielte im Hinblick auf die Belastungen in fünf Interviews eine große Rolle. Im ersten Interview wäre es für die Pflegemutter ausreichend, wenn die Besuchskontakte zweimal im Jahr stattfinden würden. Sie empfand die Treffen als eine Belastung, welche sowohl das Kind als auch sie selbst betreffen. Im zweiten Interview erzählte die Pflegemutter von einer kürzlich vorgefallenen Situation, die sie als belastend wahrgenommen hat. Dabei stellte die leibliche Mutter überraschend einen Antrag vor Gericht, damit „das Kind alle 14 Tage am Wo-chenende bei ihr ist“ (Interview 2, Zeile 367). Das Verhalten der leiblichen Mutter wurde von der Pflegemutter als unangemessen und voreilig empfunden, wodurch die Beziehung zwischen den beiden einen Bruch erlitt. Zudem beschrieb die Pflegemutter das Verhältnis zur leiblichen Mutter als angespannt. „Ich glaube schon, dass sie mich als Konkurrentin sieht, (…) quasi wer ist da jetzt die bessere Mama“ (Interview 2, Zeile 329).

Im vierten Interview waren die Belastungen durch die Herkunftsfamilie besonders während der Besuchskontakte spürbar. Dies bezog sich vor allem auf das Verhalten des Vaters, welcher Ag-gressionen gegenüber der Sozialarbeiterin zeigte. Aus diesem Grund musste der Kontakt aus-gelagert und von zwei Therapeuten begleitet werden. Im siebten Interview schilderte die Mut-ter, dass die Kontakte zur leiblichen Familie des Kindes viel Zeit und Energie in Anspruch nahmen. „Man darf nicht vergessen, das zweite System zu beachten. Da ist ein anderes Fami-liensystem, an das du immer denken musst“ (Interview 7, Zeile 46-47). Dadurch müssen Res-sourcen mobilisiert werden, welche in anderen Bereichen verloren gehen.

Im fünften Interview war nicht die Herkunftsfamilie eine Herausforderung, sondern die frühere Pflegemutter. In dem vorliegenden Zitat wurde die Abneigung zur ehemaligen Pflegemutter deutlich: „Wenn ich sie erwische, weiß ich nicht, was ich tue und ich bin aber echt ein friedvol-ler Mensch“ (Interview 5, Zeile 34-35). Die Probandin brach den Kontakt ab, da die Krisen-pflegemutter dem Kind körperliche und seelische Verletzungen zufügte und die Familie immer wieder bedrängte. „Und sie hat keine Ruhe gegeben, sie hat uns terrorisiert am Anfang“ (Inter-view 5, Zeile 114-115).

Alltägliche Belastungen / Doppelbelastung

Von weiteren Herausforderungen im Alltag berichteten sechs der acht Pflegemütter. Drei von ihnen nahmen die Rolle als Mutter und Hausfrau, neben der Ausübung eines Berufes, als be-lastend wahr. Die Mutter aus dem zweiten Interview beschrieb den Umstand wie folgt: „Wenn alle gleichzeitig was von mir wollen und wenn das über längere Zeit geht, das kann recht an-strengend werden“ (Interview 2, Zeile 375-376).

Im vierten Interview betonte die Mutter die Rolle der Alleinerzieherin, welche viele Ressourcen beanspruchte. Die Mutter befürchtete, unter anderem aus diesem Grund, in Zukunft über nicht ausreichend Energie zu verfügen, um den Alltag zu meistern. Auch im achten Interview zeigte sich die Belastung der Mutter durch ihre Doppelrolle.

Wenn du 14 Stunden wirklich präsent sein musst, und da geht es wirklich um das Einge-machte. Du hast einen Haushalt, einen Beruf, du hast andere Kinder, die dich brauchen, du hast Tiere, die zumindest grundversorgt sein wollen (…) und das sind die

Wenn du 14 Stunden wirklich präsent sein musst, und da geht es wirklich um das Einge-machte. Du hast einen Haushalt, einen Beruf, du hast andere Kinder, die dich brauchen, du hast Tiere, die zumindest grundversorgt sein wollen (…) und das sind die