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3. AUFFÄLLIGKEITEN IM ERLEBEN UND VERHALTEN

3.2. Internalisierende Auffälligkeiten

Internalisierende Auffälligkeiten werden mit dem Erleben einer Person gleichgesetzt und be-treffen nach innen gerichtete Prozesse, wie zum Beispiel Grübeln, Rückzugsverhalten oder Trauer (vgl. Lüdeke & Linderkamp, 2018, S. 21). Es kann durchaus vorkommen, dass interna-lisierende Auffälligkeiten verborgen bleiben, da sie nach außen hin schwer erkennbar sind. Un-tersuchungen zu dem Thema in Bezug auf Pflegekinder wurden von unterschiedlichen For-scher*innen durchgeführt. Heinz Kindler untersuchte im Jahr 2011 knapp 430 deutsche Pflege-kinder und stellte fest, dass rund ein Drittel von ihnen internalisierende und/oder externalisie-rende Auffälligkeiten zeigte (vgl. Kindler, 2011, S. 173f.). Auch in anderen Ländern wie Aust-ralien konnten bei 40 Prozent der 326 untersuchten Pflegekinder internalisierende Auffälligkei-ten gefunden werden (vgl. Sawyer et al., 2007, S. 181). Auf den kommenden SeiAuffälligkei-ten werden nun vier internalisierende Auffälligkeiten vorgestellt, welche bei Pflegekindern häufig auftre-ten. Dabei handelt es sich um Depressionen, Selbstmordversuche, Angst- und Essstörungen.

3.2.1. Depressionen

Depressionen haben bei Kindern und Jugendlichen lange Zeit keine Beachtung gefunden. Die Symptome sind oft schwer zu erkennen und andere Störbilder, die nach außen gerichtet sind, zogen mehr Aufmerksamkeit auf sich. Grundsätzlich lassen sich die Symptome in vier Bereiche einteilen. Dazu gehört erstens die Stimmung, welche durch Traurigkeit, Reizbarkeit und Un-glücklichsein gekennzeichnet ist. Der zweite Bereich betrifft die Kognition, welcher negative Gedanken, geringe Kontrollerwartung, geringes Selbstwertgefühl, Interesselosigkeit oder auch Suizidgedanken umfasst. Drittens kann eine Depression auch im Verhalten sichtbar werden, dies zeigt sich durch Antriebslosigkeit, motorische Verlangsamung, Weinen, Rückzugsverhal-ten sowie Suizid. Der letzte und vierte Bereich beschreibt die körperlichen Symptome und be-inhaltet Schlafstörungen, starke Müdigkeit und verminderten oder gesteigerten Appetit. Kinder haben, im Verglich zu Jugendlichen und Erwachsenen, meist untypische Erscheinungsbilder, welche nicht mit der klassischen Symptomatik übereinstimmen. Deshalb ist es besonders wich-tig, Spiel-, Ess- und Schlafverhalten junger Kinder im Auge zu behalten, damit keine Depres-sion unerkannt bleibt (vgl. Fröhlich-Gildhoff, 2013, S. 77f.). Es gibt sowohl im deutschspra-chigen als auch im amerikanischen Raum Untersuchungen zu Depressionen bei Pflegekindern, welche nun vorgestellt werden.

Eine österreichische Studie von Haselgruber et al. – ausgehend von der Universität Wien – untersuchte im Jahr 2020 das Zusammenspiel von posttraumatischen Belastungsstörungen, Dis-soziationen, Depressionen und Emotionsregulationen bei Pflegekindern. Es wurden 122 Pfle-gekinder ausfindig gemacht und nur jene in die Studie aufgenommen, die traumatische Erfah-rungen in der Vergangenheit erlebt hatten. Schlussendlich wurden 108 Pflegekinder in die Un-tersuchung aufgenommen, wovon rund 37 Prozent Anzeichen für eine Depression zeigten (vgl.

Haselgruber et al., 2021, S. 375).

Elf Jahre zuvor (2009) hat sich das amerikanische Forschungsteam Oswald et al. mit der Ver-gangenheit von Pflegekindern auseinandergesetzt. Im Zuge dessen wurde jene Literatur zusam-mengefasst, die von Misshandlungen und psychischen Gesundheitsproblemen bei Pflegekin-dern berichtete. Insgesamt konnten 32 Berichte ausfindig gemacht werden, mit der Erkenntnis, dass Pflegekinder eine sehr hohe Rate von Misshandlungserfahrungen, Entwicklungsverzöge-rungen und psychischen StöEntwicklungsverzöge-rungen aufweisen (vgl. Oswald et al., 2010, S. 462). In Bezug auf Depression konnten Auffälligkeiten zwischen fünf und fünfzehn Prozent festgestellt werden.

Eine weitere Untersuchung aus dem Jahr 2005 von McMillen et al. konnte sogar einen

Lebenszeitprävalenz3 von 27 Prozent und eine Jahresprävalenz von 18 Prozent in Bezug auf Depressionen bei Pflegekindern feststellen (vgl. Oswald et al., 2010, S. 467).

Außerdem befragten Allen et al. im Jahr 2000 160 Pflegekinder aus Maryland im Schulalter bezüglich ihrer Selbsteinschätzung zu Depressionen. Um einen Vergleich anstellen zu können, wurden erstens 60 Schüler*innen als Kontrollgruppe und zweitens Standardwerte herangezo-gen, die als Richtlinien dienen sollten. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass Kinder, die in einer Pflegefamilie untergebracht werden, nicht häufiger depressive Symptome zeigen als die beiden Referenzgruppen. Die Autor*innen möchten dennoch darauf aufmerksam machen, dass Kinder, die in Pflegefamilien untergebracht werden, eine Begutachtung ihrer psychischen Gesundheit benötigen, bevor diese in ein neues Umfeld gelangen. Dadurch können Folgeschäden vermie-den und eine sofortige Unterstützung gewährleistet wervermie-den (vgl. Allen et al., 2000, S. 54). Trotz der unterschiedlichen Ergebnisse konnte gezeigt werden, dass Depressionen bei Pflegekindern eine zentrale Rolle spielen. In Verbindung mit Depressionen steht häufig der Suizid, welcher im nächsten Abschnitt thematisiert wird.

3.2.2. Suizid

Suizid, Selbstmord oder auch Selbsttötung genannt, wird häufig als Konsequenz einer psychi-schen Störung angesehen. Laut Schätzungen begehen 50 bis 80 Prozent der Menpsychi-schen, die an Depressionen leiden, Suizid. Die tatsächliche Zahl der begangenen Selbstmorde ist schwer zu ermitteln, da manche nicht als Suizid, sondern als Unfälle wahrgenommen werden. Im Ge-schlechtervergleich begehen Männer etwa dreimal häufiger Suizid als Frauen, obwohl Frauen häufiger an Depressionen leiden. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit einen Suizid zu begehen mit dem Alter, ab dem 60. Lebensjahr ist das Risiko hoch. Dennoch gibt es auch häufig Fälle von jüngeren Personen, die zwischen 15 und 24 Jahre alt sind. So ist in den USA der Selbstmord die dritthäufigste Todesursache bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Eine Metaanalyse von Evans et al. (2005) aus Wales zeigte, dass von 500.000 Jugendlichen knapp 30 Prozent darüber nachdachten, einen Suizid zu begehen, und zehn Prozent haben bereits einen Suizid-versuch unternommen. Außerdem war der Wert der Mädchen doppelt so hoch wie jener der jungen Erwachsenen Frauen (vgl. Gerrig, 2015, S. 575).

Auch in Australien wurde eine Metaanalyse von Evans et al. (2017) bezüglich Selbstmorde, Selbstmordgedanken und Selbstmordversuche von 9.321 Kindern und Jugendlichen zusam-mengefasst. Es wurden nur jene in die Stichprobe aufgenommen, die sich in Pflegefamilien befanden. Rund 370.000 Personen wurden als Vergleichspopulation herangezogen. Bei der

3Die Lebenszeitprävalenz gibt das Risiko an, eine bestimmte Krankheit zu bekommen (vgl. Hartung, 2014, S. 28).

Untersuchung zu Suizidversuchen konnten 3.456 Fälle identifiziert werden, wobei die Prä-valenz der Pflegekinder bei 3,6 Prozent lag. Somit hatten Personen, die sich in Pflege befanden, ein rund dreimal so hohes Risiko, einen Selbstmordversuch zu unternehmen als Kinder, die nicht in Pflegefamilien lebten. In Bezug auf Selbstmordgedanken konnte bei Pflegekindern ein Wert von 24,7 Prozent ausfindig gemacht werden. In der Referenzgruppe wurden lediglich 11 Prozent festgestellt. Um die Frage zu beantworten, ob es einen Zusammenhang zwischen Selbstmorden und Pflegekindern gibt, konnten zwei Untersuchungen ausfindig gemacht wer-den, die jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Jene von Joseph Katz et al. (2011) kam zu dem Schluss, dass Kinder und Jugendliche in Pflegeverhältnissen mehr als vier Mal häufiger Suizid begehen, als diejenigen, die sich nicht in einem Pflegeverhältnis befinden. Die zweite Studie, von Colin Pritchard und Richard Williams (2009), konnte jedoch keinen statis-tischen Zusammenhang feststellten. Die unterschiedlichen Ergebnisse können zum einen durch verschiedene methodische Vorgehensweisen und zum anderen durch die Größe der Stichproben erklärt werden. Die Autoren der australischen Metaanalyse betonen die unzureichende Erfor-schung des Gegenstandes sowie die geringe Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen unter-schiedlichen Studien (vgl. Evans et al., 2017, S. 125). Dennoch konnten die angeführten Stu-dien einen Einblick in die Thematik geben und zeigen, wie betroffen Pflegekinder, im Vergleich zur Referenzbevölkerung, sind. Neben Depressionen und Suizid sind Pflegekinder auch von Angststörungen betroffen, welche im nächsten Unterkapitel dargestellt werden.

3.2.3. Angststörungen

Angst wird als eine zukunftsorientierte Emotion angesehen. Sie ist ein biologisches Warnsys-tem, welches sich bei Gefahren aktiviert und als Schutz fungiert. Wie auch bei der Depression, gibt es hier Merkmalsbereiche, die eine Angst kennzeichnen. Körperlich äußert sich Angst durch Schwitzen und eine hohe Herzfrequenz. Rasende Gedanken oder auch Vergesslichkeit sind weitere Symptome und werden dem kognitiven Bereich zugeordnet. Zu guter Letzt zeigt sich Angst durch Vermeidungs- und Fluchtverhalten. Ängste gehören zum Leben dazu und da-rum muss zwischen Entwicklungsphasen, in denen Ängste als normal gelten, und dem klini-schen Bild einer Auffälligkeit unterschieden werden. Von einer Angststörung kann gesprochen werden, wenn sie als unrealistisch und übertrieben wahrgenommen wird und über einen länge-ren Zeitraum anhält. Die Dauer kann je nach Angst variielänge-ren und umfasst einen Zeitraum von vier Wochen bis hin zu sechs Monaten. Weiters handelt es sich um eine Angststörung, wenn eine Beeinträchtigung vorliegt, die eine normale Entwicklung des Kindes gefährdet (vgl.

Fröhlich-Gildhoff, 2007, S. 86f.).

Schon 1997 wurden in England Untersuchungen zum Themenbereich Angststörungen von Phil-lips durchgeführt. Dabei wurden 18 Sozialarbeiter*innen bezüglich ihrer Einschätzung zur mentalen Gesundheit der von ihnen betreuten Pflegekinder befragt. Insgesamt berichteten die Sozialarbeiter*innen von 44 Pflegekindern, wobei 23 Personen männlich und 21 Personen weiblich waren. Die Ergebnisse zeigen, dass 92 Prozent der untersuchten Pflegekinder an Angststörungen, Depressionen und Verhaltensprobleme litten. 55 Prozent hatten Symptome von Angstzuständen gezeigt, welche sich vor allem auf die soziale Angst bezogen. Dabei hatten die Kinder Angst, dass ihnen selbst oder der Pflegefamilie etwas zustoßen könnte. Somit waren manche Kinder ängstlich, wenn Personen außerhalb der Pflegefamilie zu Besuch kamen. Auch Kinder, die in ihrer Vergangenheit Misshandlungen erfahren hatten, wollten an Orte, die sie daran erinnerten, nicht zurückkehren (vgl. Phillips, 1997, S. 610).

Weitere aktuellere Studien haben sich mit Angststörungen in Verbindung mit Pflegekindern auseinandergesetzt. Dazu zählt eine Forschung aus Norwegen, durchgeführt von Lehmann et al., welche im Jahr 2013 knapp 400 Pflegekinder untersuchte. Die Angststörungen wurden in verschiedene Bereiche aufgeteilt. Es handelt sich erstens um die Trennungsangst, welche bei 21 Kindern auftrat und somit 7,5 Prozent aller Proband*innen betraf. Zweitens stand die gene-ralisierende Angst im Zentrum, die rund sieben Personen aufwiesen. Allgemeine Ängste traten bei sechs Prozent der Kinder auf und andere Formen der Angst lagen bei 6,1 Prozent. Zusam-mengefasst hatten von insgesamt 396 befragten Pflegekindern 51 (7,7 Prozent) Angststörungen (vgl. Lehmann et al., 2013, S. 7).

Ausgehend von der Universität Wien wird auch in Österreich von Haselgruber et al. (2020) zu diesem Thema geforscht. Dabei wurden sowohl die Betreuer*innen der Pflegekinder als auch die Kinder selbst angehalten, eine Einschätzung bezüglich des Verhaltens der Pflegekinder ab-zugeben. Insgesamt wurden 145 Pflegekinder und ihre Betreuer*innen befragt mit dem Ergeb-nis, dass Kinder, die über weniger internalisierende und externalisierende Symptome berichte-ten als ihre Betreuer*innen, häufiger an Angstzuständen und Depressionen litberichte-ten. Außerdem wurde die Emotionsregulation der Kinder untersucht und mit den Angaben der Betreuer*innen verglichen. So weisen Kinder, die ihre Emotionen weniger gut regulieren können als ihre Be-zugsbetreuer*innen angaben, höhere Raten in den Bereichen Angst und Depressionen auf. Dies betraf vor allem die weiblichen Probandinnen (vgl. Haselgruber et al., 2020, S. 8).

Alle drei ausgewählten Studien gaben an, dass Pflegekinder häufig von Ängsten betroffen sind.

Hervorzuheben ist, dass in zwei Studien die Ängste im Zusammenhang mit Depressionen stan-den und beide Bereiche nicht isoliert betrachtet werstan-den sollen. Die letzte internalisierende

Auffälligkeit, welche in dieser Masterarbeit behandelt wird, befasst sich mit Essstörungen und wird nun in Verbindung mit dem Pflegekinderdasein vorgestellt.

3.2.4. Essstörungen

Essstörungen sind eine weitere Auffälligkeit, die sich auf das Innere des Menschen richten. Es kann unterschieden werden zwischen Anorexie, Bulimie und Adipositas. Um Anorexie handelt es sich, wenn eine Person einen starken Gewichtsverlust erleidet und dieser über längere Zeit hinweg anhält. Bulimie hingegen ist gekennzeichnet durch Essattacken, welche versucht wer-den, durch Erbrechen auszugleichen. Adipositas beschreibt wiederum einen deutlichen Über-schuss an Köperfett, welcher durch übermäßige Nahrungsaufnahme sowie Bewegungsmangel hervorgerufen wird. Alle drei Auffälligkeiten weisen auf eine Störung des Essverhaltens hin und sind als komplexe psychophysiologische Prozesse zu betrachten. Trotz der unterschiedli-chen Erscheinungsbilder haben sie etwas gemeinsam. Das grundlegende Bedürfnis nach Nah-rung stellt für die Betroffenen ein Problem dar, welches somatische, psychische und soziale Konsequenzen nach sich zieht. Anorexie, Bulimie und Adipositas haben ihren Ursprung in der Kindheit und treten im frühen bzw. späten Jugendalter oder auch im Erwachsenenalter das erste Mal auf (vgl. Fröhlich-Gildhoff, 2007, S. 100f.). Zu diesem Thema wurde besonders in Aust-ralien geforscht und darum werden nun zwei Studien vorgestellt, die Auffälligkeiten im Ess-verhalten bei Pflegekindern und deren Bezugspersonen in Verbindung bringen.

Die erste Untersuchung wurden 2006 von Tarren-Sweeney in New South Wales durchgeführt.

347 Pflegekinder mit einem Durchschnittsalter von 7,8 Jahren wurden bezüglich ihres Essver-haltens beforscht. Dabei wurden Pflegeeltern – anhand von Fragebögen (Child Behavior Check-list) – um eine Einschätzung bezüglich des Verhaltens ihrer Pflegekinder gebeten. Es zeigte sich, dass rund ein Viertel aller Befragten signifikante Essprobleme aufwiesen. Dabei wurden zwei Muster von Essproblemen ausfindig gemacht. Zum einen handelte es sich um exzessives Essverhalten, welches sich durch Essensbeschaffung und Essaufrechterhaltung ohne gleichzei-tige Fettleibigkeit zeigte. Insgesamt konnte bei 75 Prozent aller Proband*innen ein auffälliges Essverhalten erkannt werden, welches nicht mit Übergewicht in Verbindung stand. Zum ande-ren wurde das Pica-Syndrom4 festgestellt, das mit selbstverletzendem Verhalten der Pflegekin-der einhergeht. Außerdem konnte eine psychische Störung bei jenen PflegekinPflegekin-dern gefunden werden, die in der Untersuchung ein signifikantes Essproblem aufwiesen (vgl. Tarren-Sweeney, 2006, S. 628).

4 Das Pica-Syndrom bezeichnet eine Essstörung, bei der die Betroffenen Dinge essen, die nicht zum Verzehr

ge-Im Jahr 2018 wurde von Norrish et al. (2019) eine weitere Untersuchung in Australien zu der Thematik durchgeführt. Es wurden 44 Betreuer*innen befragt und im Zuge dessen Angaben zu Essstörungen bei Pflegekinder und Heimkinder gesammelt. Die Ergebnisse zeigten, dass es keinen Unterschied in den Angaben über Pflegekinder oder über Heimkinder gab. Bei rund 60 Prozent wurden heimliches Essen, übermäßige Essenszufuhr und das Verschlingen und Verste-cken von Nahrung festgestellt. Zwischen 40 und 50 Prozent berichteten, dass die Kinder Essen gestohlen oder ihr Essverhalten dramatisch verändert haben. Basierend auf den Angaben der Betreuer*innen litten 38 Prozent der Kinder an klinisch relevanten Essstörungen. Außerdem sahen viele Betreuer*innen die Auffälligkeiten im Essverhalten der Kinder als eine Reaktion auf ihre bisherigen Erfahrungen. Bei manchen Kindern fehlte es an Strategien, um mit trauma-tischen Erfahrungen umzugehen, und darum wurde die Nahrungsaufnahme als Kompensation angesehen. Die weiteren Ergebnisse zeigen deutlich, dass eine positive Bindung zu einer Be-treuungsperson hilfreich ist, um Auffälligkeiten abzubauen. Professionelle Hilfe durch Psycho-log*innen oder Ernährungsexpert*innen wird jedoch für ein gelingende Entwicklung betont, denn häufig spielen auch andere Faktoren mit Essstörungen zusammen, die schwer zu erkennen sind (vgl. Norrish et al., 2019, S. 40).

Die Darstellung der vier internalisierenden Auffälligkeiten diente dazu, um das Erleben von Pflegekindern zu veranschaulichen. Die Illustration verschiedener Forschungsergebnisse soll zwei Dinge betonen. Zum einen die Aktualität des Themas sowie den Unterstützungsbedarf für Pflegeeltern. Zum anderen werden die Lücken der bisherigen Forschungen als auch die unter-schiedlichen Ergebnisse zu den einzelnen Themen sichtbar.

Neben den bisher geschilderten internalisierenden Auffälligkeiten, spielen auch die nach außen gerichteten eine wichtige Rolle. Darum widmet sich das nächste Unterkapitel jenen Auffällig-keiten, die sich im Verhalten der Pflegekinder bemerkbar machen. Im Fokus stehen die Stör-bilder ADHS, Aggression und Delinquenz.