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7. FORSCHUNGSERGEBNISSE

7.5. Herkunftseltern

Die leiblichen Eltern und die damit verbundenen Erfahrungen spielen sowohl für die Kinder als auch für die Pflegeeltern eine große Rolle. In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse

Auffälligkeiten I. 1 I. 2 I. 3 I. 4 I. 5 I. 6 I. 7 I. 8

Verhalten

Verbale Aggression x x x

Körperliche Aggressionen x x x x x

Provokationen x x x x

Schreien x x

Von innen nach außen x x x x x

vorgestellt, die sich auf die Beziehung zu den Herkunftseltern fokussieren. Dazu wurden die drei Subkategorien (1) Erfahrungen in der Herkunftsfamilie, (2) Besuchskontakte und (3) trau-matische Erlebnisse gebildet.

Erfahrungen in der Herkunftsfamilie

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Erfahrungen mit den leiblichen Eltern meist negativ behaftet sind. Im ersten Interview wurde deutlich, dass die Beziehung zu der Herkunfts-familie von Gewalt geprägt war. „In der Familie hat der Vater die Mutter geschlagen und die Mutter die Kinder“ (Interview 1, Zeile 39-40). Die nächste Probandin aus Wien berichtete, dass sich die leibliche Mutter aufgrund psychischer Probleme nicht um das Kind sorgen konnte und auch die Großmutter nicht in der Lage war, das Kind angemessen zu versorgen.

Weiters erlebte das Kind aus dem dritten Interview eine von Alkohol geprägte Kindheit. Seine Pflegemutter schilderte: „Also die hatten alle mit Alkohol zu tun und später hat sich herausge-stellt, dass die Mutter auch psychisch krank war“ (Interview 3, Zeile 89-90). Alkohol und re-gelmäßiger Drogenkonsum kamen auch im vierten Interview vor. Zudem wurde bei der leibli-chen Mutter eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt, welche eine Abnahme des Kindes zur Folge hatte.

Ähnlich zu den vorangegangenen Fällen erlebte auch das Pflegekind im fünften Interview eine lange Vorgeschichte. Beide Elternteile waren gewalttätig gegenüber dem Kind. Teilweise leb-ten das Kind und die Mutter auf der Straße, aufgrund von Konflikleb-ten zwischen den leiblichen Eltern. Nach der gerichtlichen Abnahme kam das Kind zu sechs unterschiedlichen Pflegefami-lien, bis schließlich eine dauerhafte Unterbringung gelang. Die vergangenen Erfahrungen zeig-ten sich bei dem vierjährigen Pflegesohn nicht nur im Verhalzeig-ten und Erleben, denn „er war im Gesicht übersäht, hinter den Ohren hat er Narben über Narben. Also, er hat schon einiges hinter sich und wir haben ihn noch nicht einmal ein Jahr“ (Interview 5 Zeile 62-64).

Im sechsten Interview war, wie auch in den Interviews zuvor, Gewalt ein großes Thema. So beschrieb die Pflegemutter die Beziehung zwischen den leiblichen Eltern:

Also, nicht nur die Mutter wird vom Vater verprügelt, sondern die haben sie beide nichts geschenkt. Teilweise auch vor den Besuchskontakten, das hat uns jetzt nicht direkt be-troffen, aber wo unsere Kinder nicht in der Krisenpflege war, haben die sich teilweise vor dem Amt geprügelt (Interview 6, Zeile 86-88).

Außerdem lebte das Kind mit seinen Geschwistern und den Eltern für eine gewisse Zeit auf der Straße und wurde stark vernachlässigt. „Die Eltern waren teilweise obdachlos gemeldet und sind herumgezogen und da wurden Handys verpfändet für Essen kaufen“ (Interview 6, Zeile 72-73). Diese Erfahrungen machten sich auch bei diesem Pflegekind bemerkbar, da er kein

Sättigungsgefühl hatte und mit gesundheitlichen Problemen in die Pflegfamilie kam. Im siebten und achten Interview wurden die Kinder bereits nach kurzer Zeit aus der Herkunftsfamilie ge-holt und dadurch wurden nur wenig Erfahrungen mit dieser gesammelt.

Besuchskontakte

Die Kontakte zu den leiblichen Eltern der Pflegekinder verliefen je nach Vorgeschichte unter-schiedlich. Die Pflegemutter aus dem ersten Interview erzählte von Besuchskontakten, die als schwierig empfunden wurden. Es bestand zwischen den leiblichen und den Pflegeeltern kein persönlicher Kontakt, da es „unklar ist, ob wir nicht bedroht werden oder ob dort eine gefähr-liche Situation entsteht“ (Interview 1, Zeile 171-172). Zum Zeitpunkt der Interviewführung fanden die Kontakte alle zwei Wochen an einem externen Ort statt. Begleitet wurden die Tref-fen von zwei Sozialarbeiter*innen und dauerten rund 1 ½ Stunden. In der Zwischenzeit warte-ten die Pflegeeltern im Auto, um einen direkwarte-ten Kontakt zu vermeiden. Die Pflegemutter be-schrieb das Kind nach dem Besuch als verunsichert und gereizt.

Im zweiten Interview hingegen fanden regelmäßig Besuchskontakte zur leiblichen Mutter und zu den Großeltern statt. Zweimal im Monat trafen sich die Familien im öffentlichen Raum, wobei die Pflegemutter erzählte, dass der Kontakt zu drei Personen gleichzeitig für das Pflege-kind nicht immer einfach sei.

Die Großeltern (haben) von Anfang an massiv geklammert und das ist immer wieder schwierig, weil da reden sie zu dritt auf das Kind ein und da meinen sie, sie müssen da jetzt etwas verändern (Interview 2, Zeile 179-182).

Zudem gab die Großmutter dem Kind das Gefühl, zur Herkunftsfamilie und nicht zur Pflegefa-milie zu gehören.

Im dritten Interview bestand der Kontakt nur zur leiblichen Mutter und die Treffen fanden durch die Corona-Pandemie nur alle sechs Monate statt. Die Kontakte zur Mutter wurden sowohl von dem Kind als auch von der Pflegemutter als neutral empfunden. Da das Pflegekind 14 Jahre alt war, gab es den Versuch, dass sich ausschließlich die leibliche Mutter und das Pflegekind tref-fen. Dies wurde jedoch von beiden Seiten als unangenehm empfunden, sodass die Pflegemutter weiterhin die Kontakte begleitete.

Im vierten Interview gab es Besuchskontakte mit beiden Elternteilen. Diese wurden begleitet, da der Vater Aggressionen gegenüber der Sozialarbeiterin zeigte. Zum leiblichen Vater gab es einmal im Monat Kontakt, welcher, im Laufe der Zeit, auf Videotelefonate beschränkt wurde.

Im fünften Interview bestand der Kontakt nur zu den Großeltern mütterlicherseits, welchen das Kind laut der Pflegemutter auch benötigte. Die Besuche gaben dem Kind Sicherheit und stärk-ten die Verbindung zu seiner Herkunft.

Im sechsten Interview gab es Treffen mit der leiblichen Mutter, welche durch die Corona-Pan-demie meist im Freien stattfanden. Der Kontakt wurde als schwierig wahrgenommen, da die leibliche Mutter häufig die Termine versäumte oder mit den Kindern überfordert war.

Keine Kontakte, weder zur leiblichen Kernfamilie noch zu entfernten Verwandten, gab es bei dem 16-jährigen Pflegesohn aus dem siebten Interview. Kontakte zu den leiblichen Eltern gab es als das Kind noch jünger war, die jedoch abgebrochen sind. Der Sohn im letzten Interview hatte Kontakt zu seiner Mutter, welcher regelmäßig stattfand. Die Treffen wurden als angenehm und wertschätzend wahrgenommen.

Traumatische Erlebnisse

Von traumatischen Erfahrungen berichteten drei der acht interviewten Pflegemütter. Dies betraf das erste, fünfte und das sechste Interview. Wie bereits im Kapitel 7.3 beschrieben wurde, hatte das Kind im ersten Interview Angst vor fremden Personen, die zu Besuch kamen. Durch die vielen Horrorfilme in seiner Kindheit verfolgte ihn das Gefühl, dass der „Killerclown“ ihn ho-len und fortbringen würde.

Im fünften Interview wurde deutlich, dass die Erfahrungen des Kindes in der Vergangenheit tiefe Spuren hinterlassen haben. In diesem Fall bezogen sich die Erlebnisse nicht auf die leibli-chen Eltern, sondern auf die letzte Krisenpflegemutter.

Und dann sagt er, das hat (Name der vorherigen Pflegemutter) mit mir auch getan. Dann habe ich gesagt, was? Dann sagt er, schau, so hat sie gemacht. Dann hat er mich wirklich bei den Haaren genommen und beim Nacken und hat mich zur Wand geschmissen. Und da habe ich dann meine Zähne verloren, hat er dann gesagt (Interview 5, Zeile 53-56).

Aus diesem Grund wollte das Kind zu Beginn der Fremdunterbringung von niemanden berührt werden. Zudem war – aufgrund der häufigen Wechsel der Pflegefamilien – auch die BH ein schwieriges Thema für das Kind. „Nur das Wort BH ist ein rotes Tuch. Das verbindet er noch mit Angst und mit ich komme wieder weg von euch“ (Interview 5, Zeile 398-399). Wie im ersten Interview haben hier Filme eine Rolle gespielt, denn „ihn triggert Lilo und Stich. Den hat er sich angeschaut und dann kommt er mit Tränen in die Augen zu mir und sagt, bitte sag mir, dass ich eure Familie bin“ (Interview 5, Zeile 194-196).

Im sechsten Interview äußerten sich die traumatischen Erfahrungen in den Urlauben. Da das Kind mit seinen beiden Geschwistern auf der Straße leben musste, war es wichtig, die Über-nachtungsmöglichkeiten genau zu wählen.

Die Eltern sind mit den Kindern herumgezogen und haben in kleinen Zimmern gelebt.

Also Hotelzimmer geht gar nicht, wir mieten nur Apartments oder Ferienhäuser, weil das ist kein Urlaub dann. Da müsste irgendetwas triggern (Interview 6, Zeile 168-171).

Die fünfte Hauptkategorie verdeutlicht die negativen Erfragungen, welche die Kinder in ih-rer Herkunftsfamilie erlebten. Häufig waren die Kinder Opfer von Gewalt und Vernachläs-sigung. Zudem wuchsen sie in einem Familiensystem auf, welches von Alkoholmissbrauch, psychischen Erkrankungen eines Elternteils oder Obdachlosigkeit geprägt war. In Bezug auf die Besuchskontakte hatte nur ein Kind keinen Kontakt zur Herkunftsfamilie, von drei Pfle-geeltern wurden sie als schwierig beschrieben und die übrigen vier empfanden sie als neutral oder angenehm. Obwohl die Hälfte der Probandinnen die Besuchskontakte positiv ein-schätzte, haben die Kinder negative Erfahrungen in der Herkunftsfamilie gemacht, die sie prägten. Dies bestätigten die drei Interviews, in denen die Pflegemütter von den traumati-schen Erfahrungen ihrer Pflegekinder berichteten. Filme spielten dabei eine besondere Rolle sowie die Lebensweise der Eltern.

Nachdem die Lebenswelt der Pflegekinder ins Zentrum gestellt wurde, befasst sich die sechste Hauptkategorie mit den Pflegemüttern.