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Im Jahr 2020 wurden in Österreich 5.061 Pflegekinder in Pflegefamilien oder bei Pflegeperso-nen untergebracht (vgl. Statistik Austria, 2021, S. 24). Die Gründe dafür sind vielseitig und reichen von Vernachlässigung bis hin zu sexueller Misshandlung. Auch die Trennung der leib-lichen Eltern, psychische Erkrankungen sowie Drogenkonsum, Alkoholmissbrauch, Überfor-derung oder Tod eines Elternteils können die Ursachen für eine Fremdunterbringung sein (vgl.

Groh, 2010, S. 23). Durch traumatisierende Erlebnisse in der Vergangenheit zeigen Pflegekin-der häufig Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten, Pflegekin-deren Aufarbeitung viel Verständnis, Zu-neigung und Geduld erfordert (vgl. graz.at, 2021). Diese Auffälligkeiten im Erleben und Ver-halten können eine Herausforderung für die Pflegeeltern darstellen. Dieser Umstand wird in diversen Untersuchungen sichtbar, wie unter anderem in der Studie von Linderkamp et al. aus dem Jahr 2009. Dabei wurden knapp 160 Pflegefamilien aus Deutschland zu den psychischen Auffälligkeiten ihrer Pflegekinder befragt. 38 Prozent aller Pflegeeltern gaben an, dass ihre Pflegekinder externalisierende und internalisierende Auffälligkeiten zeigen. Am häufigsten wurden Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen genannt (41 Prozent). Emotionale Probleme und Probleme im Verhalten lagen bei rund 35 Prozent. Weiters wurde die Hyperaktivität (26 Prozent) der Pflegekinder als auffällig bezeichnet, wobei 15 Prozent davon grenzwertiges Ver-halten aufwiesen (vgl. Linderkamp et al., 2009, S. 868). Auch andere Studien aus Deutschland konnten ähnliche Ergebnisse feststellen. Dazu zählt beispielsweise jene von Kindler (2011), welche belegte, dass von den 427 untersuchten Pflegekindern rund ein Drittel internalisierende und externalisierende Auffälligkeiten zeigt (vgl. Kindler, 2011, S. 173).

Wie diese Studien betonen, können viele Schwierigkeiten auftreten, wenn Pflegekinder in einer Pflegefamilie untergebracht werden. Dies bedeutet in weiterer Folge für die Pflegeeltern, dass die Inobhutnahme der Kinder mit Herausforderungen in Verbindung steht. Denn die Aufgabe der Pflegeeltern ist es, dem Kind Schutz und Sicherheit zu bieten, um eine positive Persönlich-keitsentwicklung zu fördern (vgl. Marschewski, 2012, S. 189). Durch die prägenden Vorerfah-rungen sind die AnfordeVorerfah-rungen an die Pflegeeltern sehr hoch und können auch zu Belastungen führen. Das bestätigt auch Linderkamp et al. (2009) mit seiner Untersuchung von Pflegeeltern zu unterschiedlichen Messzeitpunkten. Dabei wurde dreimal im Abstand von einem Jahr die persönliche Einschätzung der Pflegeeltern zu ihrem Wohlbefinden erhoben. Die Ergebnisse sind je nach Geschlecht unterschiedlich und zeigen, dass die Selbstunsicherheit bei Müttern nach einem Jahr Pflegemutterschaft leicht ansteigt und bei Vätern sinkt. Gegenteilige Effekte

wurden im Bereich der psychischen Störungen entdeckt, wobei Pflegeväter eine Steigerung und Pflegemütter eine Reduzierung dieser verzeichneten (vgl. Linderkamp et al., 2009, S. 874).

Dies betont zum einen die Belastung von Pflegeeltern und zeigt die Relevanz des Themas. Zum anderen verdeutlicht es, dass Männer und Frauen eine unterschiedliche Wahrnehmung bezüg-lich ihres Wohlbefindens haben und verschieden auf Belastungen reagieren.

Aufgrund der vorgelegten Studienergebnisse ist es mir persönlich ein großes Anliegen, mich intensiver mit diesem Thema zu befassen und die Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten der Pflegekinder sowie die Belastungen der Pflegeeltern zu erforschen. Das Ziel ist es, herauszu-finden, welche Auffälligkeiten Pflegekinder im Erleben und Verhalten zeigen und welche Res-sourcen Pflegeeltern nutzen, um mit dieser Belastung umzugehen. Obwohl zu dieser Thematik bereits Forschungen existieren, ist es dennoch relevant, die Situation in Österreich zu beleuch-ten. Außerdem stellt die Corona-Pandemie eine neue Komponente dar, die bisher in Verbin-dung mit Pflegeeltern kaum erforscht worden ist, jedoch in dieser Arbeit berücksichtig wird.

Durch eine ausführliche Literaturrecherche ist unter anderem folgende Forschungsfrage ent-standen: Welche Ressourcen nutzen Pflegeeltern, um mit den Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten ihrer Pflegekinder umzugehen?

Um diese und weitere Fragen zu beantworten, wird zu Beginn der Masterarbeit sowohl auf die Pflegekinder als auch auf die Pflegeeltern in Österreich näher eingegangen. Statistiken und For-schungsergebnisse sollen die aktuellen Gegebenheiten darlegen und die Relevanz des Themas betonen. Das dritte Kapitel handelt von den Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten der Pfle-gekinder. Diese werden in die zwei Kategorien internalisierend und externalisierend eingeteilt, wobei zuvor auf die Begriffsdefinition näher eingegangen wird. Im vierten Kapitel werden die Gründe für die Auffälligkeiten thematisiert, wofür das bio-psycho-soziale Modell herangezo-gen wird. Das Modell geht davon aus, dass die Entwicklung eines Kindes von drei Faktoren, nämlich den biologischen, psychischen und sozialen, abhängig ist. Diese drei Bereiche sind voneinander abhängig und beeinflussen sich gegenseitig (vgl. Petermann & Niebank, 1999, S. 260). Der abschließende Teil der Literaturrecherche befasst sich mit Belastungen und Res-sourcen von Pflegeeltern. Dazu werden beide Bereiche einander gegenübergestellt und indivi-duell betrachtet.

Der zweite Teil meiner Masterarbeit bezieht sich auf die Beschreibung, Durchführung und Aus-wertung der empirischen Untersuchung. Zu Beginn wird auf die qualitative Sozialforschung eingegangen, und er wird die inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Udo Kuckartz vorgestellt. Sie dient als Grundlage für die Auswertung der Daten. Zudem werden die Forschungsfragen und das weitere Vorhaben der Studie geschildert. Um zu erfahren, wie

Pflegeeltern mit Auffälligkeiten im Erleben und Verhalten ihrer Pflegekinder umgehen, wurden acht leitfadengestützte Interviews mit Pflegemüttern aus Österreich durchgeführt. Der Zugang zur Stichprobe erfolgte Anfang Jänner 2021 über die Facebook-Gruppe Pflegeeltern in Öster-reich. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung werden mittels MAXQDA ausgewertet und im Kapitel 7 präsentiert. Im darauffolgenden achten Kapitel werden die gewonnen Daten mit der Literatur verglichen, interpretiert und diskutiert. Zudem werden die zuvor genannten Forschungsfragen beantwortet. Den Abschluss dieser Arbeit bildet ein Fazit, welches die ge-wonnenen Erkenntnisse zusammenfasst und einen Ausblick auf weitere Forschungen gibt.