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3. Dynamik des Preiswissens im Umfeld sich verändernder Preise

3.2. Ursachen und Wirkung von Preisänderungen

3.2.4. Konsumentenreaktion und Folgen von Preisveränderungen

Im Hinblick auf die Diskussion der Konsumentenreaktion auf Preisänderungen besteht die Notwendigkeit die Unterscheidung in Preissenkung und -erhöhung grundsätzlich beizubehal-ten. Wie jedoch der konkrete Zusammenhang zwischen Preis und Absatz verlaufen kann, lässt sich in der in diesem Unterkapitel angeführten Abbildung 16 nach Simon/Fassnacht (2009) ablesen. Die drei Szenarien bieten für positive wie auch negative Veränderungen im Preis allgemein gültige Anhaltspunkte für den möglichen Verlauf der Kurven. Die Diskussion der Abbildung führt diese Punkte weiter aus.

Zunächst möchte der Autor jedoch auf wissenschaftliche Erkenntnisse zur konsumentensei-tigen Reaktion auf Preisänderungen eingehen. Dabei wird bewusst noch nicht auf den beein-flussenden Effekt auf Referenzpreise eingegangen, da dies breit diskutierter Inhalt des nach-folgenden Kapitels 3.3 sein wird. Wie bereits erwähnt empfiehlt es sich, die Betrachtungs-weise getrennt voneinander durchzuführen.

3.2.4.1. Reaktion auf Preissenkungen

Die Vorteilhaftigkeit von Preissenkungen wird in der wissenschaftlichen Diskussion recht kritisch gesehen (Schmalen et al. 1996, 72ff; Matzler 2003, 314f). So formuliert bspw. Janis-zewski/Lichtenstein (1999) in einer Verknüpfung der Theorie des akzeptablen Preisbereichs mit der Adaptions-Niveau Theorie die „Distanz des Widerstandes“. Dieses Modell impliziert, dass Preispromotions kurzfristige Erfolge liefern, diese aber die langfristigen Verkäufe beein-trächtigen (Janiszewski/Lichtenstein 1999 zitiert nach Boztug 2002, 21).

Insbesondere die Übervorteilung bestehender Stammkunden, die das Produkt ohnehin zum regulären Preis auch gekauft hätten35, birgt die Gefahr, dass auch loyale Käuferschichten

35 In der praxis- aber auch literaturbezogenen Diskussion wird für diesen Anteil der ohnehin auch ohne Promotion generierten Umsätze der Begriff „Promoted Baseline“ verwendet. Die Definiti-on der Zusatzverkäufe umfasst den Terminus „Incremental Sales“. In diesem Zusammenhang haben Gupta (1988) lediglich 16%, Bell et al. (1999) in einer ähnlichen Studie zumindest 25%

wirkliche Zusatzverkäufe durch eine Promotion festgestellt (Gupta 1988, 342; Bell et al. 1999,

den eigentlichen Mehrwert des Produkts hinter den Preisvorteil stellen (Barth et al. 2007, 212). Fest steht, dass Konsumenten unerwartete Preissenkungen, etwa außertourliche Akti-onen, gerne in Anspruch nehmen und diese gegenüber angekündigten Sonderangeboten, bspw. in Flugblättern, stärker honorieren (Lattin/Bucklin 1989, 299). Der „pleasant surprise“

hat somit einen hohen Stellenwert beim Konsumenten.

Grundsätzlich besteht in der wissenschaftlichen Diskussion der Tenor, dass eine Verschär-fung der Preissenkungen massivere Folgewirkungen hat als eine Erhöhung der Promotions-frequenz (Jedidi et al. 1999, 18). In der Literatur wird der Signalwirkung einer Promotion auch eine höhere Bedeutung als dem Ausmaß der Preisreduktion zugemessen (May-hew/Winer 1992, 63; Alba et al. 1999, 99). Entwickelt der Konsument in diesem Zusammen-hang eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber der Häufigkeit von Promotions besteht natürlich auch die Gefahr, dass geplante Einkäufe des Produkts bis zur nächsten Aktion auf-geschoben werden, da ohnehin alsbald damit gerechnet wird (Jedidi et al. 1999, 11; Urbany et al. 2000, 243). Für eine Strategieempfehlung muss stets auch das Umfeld, in welchem die Aktion platziert wird, berücksichtigt werden. So ist in variantenreichen, tiefen Sortimenten, bspw. Fruchtjoghurt, die Frequenz einer Aktion entscheidender als die Tiefe des Preisnach-lasses. Umgekehrt ist bei schmalem Produktangebot die Preisreduktion einer Aktion ent-scheidender als die Häufigkeit, da der direkte Vergleich zu anderen Produkten objektiv wie auch kognitiv möglich ist (Alba et al. 1999, 111).

Nach einigen Gedanken zur generellen Thematik von Preisreduktionen werden zusammen-fassend die direkten Auswirkungen nochmals angeführt (Biswas/Blair 1991, 3; Barth et al.

2007, 212):

- Absatzsteigerung der aktionierten Waren (für empirische Bestätigungen siehe bspw.

Gedenk 2002, 213ff),

- reduzierte Zahlungsbereitschaft der Konsumenten durch gestiegene Preisaktionen, - Preisreduktionen provozieren den Vorwurf, warum das Produkt zuvor zu einem

höhe-ren Preis angeboten wurde, wenn jetzt eine Preissenkung möglich ist,

- Sonderangebotspreise bringen möglicherweise nicht den erwarteten Effekt, da die Differenzierung zu anderen Produkten durch den breiten Einsatz von Preisnachläs-sen nicht unmittelbar gegeben ist,

- Schnäppchenjäger36 werden konkret angesprochen, wodurch das Ziel der Stamm-kundenbindung schwerer erreicht wird,

- Zweifel über die Qualität des aktionierten Produkts (Diller 2008, 151).

Das Antonym zur Preissenkung ist die Preiserhöhung. Deren Erscheinungsbild und Effekt wird nachfolgend diskutiert.

504). Die Lagerung der Zusatzverkäufe wurde mit nur 2% festgestellt, wodurch tatsächlich Zusatzkonsum bzw. Wechselkaufverhalten stimuliert wurden.

36 Der Begriff des „Schnäppchenjägers“ unterstellt eine spezielle Ausrichtung des Preisinteres-ses auf Rabatte und andere Preisgelegenheiten (Blattberg/Neslin 1990, 10; Schmalen et al.

1996, 29). Dabei kann die Ausprägung aufgrund des sozialen Bedürfnisses nach Anerken-nung auch Extremformen annehmen, wodurch eine MeiAnerken-nungsführerschaft in Sachen Preis angestrebt wird (Diller 2008, 110). In diesem Kontext gilt der Begriff „Preis-Mavenismus“ als prägend (u.a. Urbany et al. 1996).

3.2.4.2. Reaktion auf Preiserhöhungen

Volkswirtschaftliche betrachtet bewirkt eine Preissteigerung aufgrund des Substitutionsef-fekts stets einen Rückgang der Nachfrage (Bergstrom/Varian 2001, 92; Engelkamp/Sell 2005, 46; Kailing 2006, 149). Der Effekt wird gegenüber der bereits diskutierten Preissen-kung im Sinne der Prospect-Theorie (siehe Kapitel 2.4.4) im relativen Umfang als deutlich stärker eingestuft (Mayhew/Winer 1992, 69; Diller 2000, 133; Homburg/Stock-Homburg 2006, 31). Nicht zuletzt deshalb haben Entscheidungen in diesem Zusammenhang schwer-wiegende Auswirkungen für das Unternehmen und an Komplexität zugelegt.

Preiserhöhungen haben auch direkten Einfluss auf die Wahrnehmung der Preisfairness ei-nes Angebots (Merkel 2007, 94; Diller 2008, 164). Dabei gilt es einerseits zu beachten, dass zufriedene Kunden weniger negativ auf Preiserhöhungen reagieren als unzufriedene (dies-bezüglich ein Hinweis auf den experimentellen Nachweis von Koschate 2002) und anderer-seits, dass die Wahrnehmung des gestiegenen Preises von dessen relativen Zuwachs ab-hängig ist. So hat Koschate (2002) erst bei einer Preissteigerung von rund 15% einen merk-lichen Rückgang in der Absatzmenge festgestellt (Koschate 2002, 212). Diller (2008) nennt in diesem Zusammenhang eine relative Preisänderung von rund 20% als kritische Grenze (Diller 2008, 165). Wichtiges Kriterium ist in diesem Zusammenhang die Preiselastizität (Schröder et al. 2009, 285), welche in der Folge noch konkreter diskutiert wird.

Im Umfeld der Forschungsthematik dieser Arbeit fäll es besonders Handelsunternehmen schwer, Preiserhöhungen der Industriepartner zu akzeptieren, wenn diese nicht direkt an den Konsumenten weiter gegeben werden können (Wirtz 2008, 211; Simon/Fassnacht 2009, 437). Im Zusammenhang mit stetig steigenden Kosten ist dieser Punkt stets Diskussionsin-halt bei den Jahresvereinbarungen zwischen Industrie und Handel. Ein preisaggressives Umfeld, permanente Wachstumsvorgaben sowie eine gestiegene Undurchsichtigkeit der Konsumentenseite, etwa durch hybrides Kaufverhalten37, erschweren die Thematik weiter (Diller/Brambach 2002, 1; Sebastian/Maessen 2003, 64). Dabei ist der Handel vor allem im Hinblick auf die Preisaggressivität durch seine intensive Ausweitung von Eigenmarkensorti-menten auch selbst Treiber der Entwicklung (siehe Kapitel 3.2.1.1). In diesem Zusammen-hang sollte auch berücksichtigte werden, dass erfahrungsgemäß der Absatz einer Handels-marke bei einer Preiserhöhung stärker als einer HerstellerHandels-marke reagiert (Evanschitzky et al.

2009, 286). Ursachen können eine geringere Loyalität oder allgemein geringere Qualitäts-einschätzung von Handelsmarken sein.

3.2.4.3. Szenarien der Preisveränderungsreaktion nach Simon/Fassnacht

Simon/Fassnacht (2009) haben drei mögliche Szenarien einer Konsumenten- und in der Fol-ge Absatzreaktion auf eine Preisänderung entwickelt. Die Reaktion hat gleichermaßen für den Fall einer Preissenkung wie auch einer Preiserhöhung Gültigkeit. Erwähnt sei, dass eventuelle Spekulations- und Erwartungseffekte in der nachfolgenden Abbildung nicht reflek-tiert sind, da diese kaum auf einer allgemein gültigen Basis diskureflek-tierte werden können (Si-mon/Fassnacht 2009, 315). Die nachfolgend dargestellten Szenarien sind theoriebasierend

37 Die begriffliche Abgrenzung des mit dem Smart Shopping in engem Umfeld befindlichen Beg-riffs des hybriden Kaufverhaltens wird mit unterschiedlichen, paradoxen Verhaltensorientie-rungen in einer Person definiert (Schmitt 2005, 7; Esser 2002, 40; Schnedlitz 2006, 61).

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Absatz Preis

Szenario 1Szenario 2Szenario 3

80 80 80

und werden im Praxisumfeld nicht konsistent in dieser Form vorkommen, sondern kontext-spezifisch andere Reaktionen anführen.

In der Literatur besteht im Gegensatz zum viel diskutierten und intensiv beforschten Gebiet der Preissenkungen bzw. Promotions ein grundsätzlicher Mangel an Beiträgen zum Effekt von Preiserhöhungen. Aus diesem Grund hat der Autor zur Erweiterung der Thematik be-wusst die nachfolgende Darstellung der Absatzreaktion anhand des Szenarios einer Preis-steigerung gewählt:

Abbildung 16: Reaktion des Absatzes auf Preisänderungen (Bsp.: Preissteigerung) (Quelle: Simon/Fassnacht 2009, 317)

Szenario 1 zeigt eine sofortige Anpassung der Absatzmenge an den neuen Preis in Periode 3. In diesem Zusammenhang bleibt die Absatzmenge auch in den Folgeperioden stabil auf einem konstant niedrigeren Niveau. Es erfolgt in dieser theoretischen Abbildung für den ge-samten Zeitraum keine Erholung der Nachfrage, so dass Konsumenten tatsächlich bewusst weniger kaufen oder bspw. zum Mitbewerb gewechselt sind.

Szenario 2 wird auch als „partial adjustment“ Modell bezeichnet. Die kurzfristige Preiselastizi-tät entspricht nicht der langfristigen, denn nach einer Preiserhöhung geht die Absatzmenge schrittweise auf ein geringeres Niveau zurück. Dieses Szenario entspricht nach Ansicht des Autors am ehesten einer realitätsnahen Entwicklung, wenngleich eine exakte Erreichung des Vorniveaus den Erfahrungswerten zufolge meist längere Zeit in Anspruch nimmt.

Szenario 3 bildet üblicherweise die Entwicklung im klassischen FMCG-Bereich ab. Nach ei-nem deutlichen Absatzverlust erholt sich die Absatzmenge nach einiger Zeit und stabilisiert sich auf einem dem Ursprungswert ähnlichen Niveau. Eine gänzliche Erholung der Absatz-menge ist möglich, aber durch bspw. Präferenzänderungen einzelner Konsumentensegmen-te nicht garantiert.

Die in Abbildung 16 angeführten Szenarien stellen wie erwähnt theoretische Konstrukte dar und berücksichtigen keinerlei externen Faktoren. Der Autor wird in seiner empirischen Unter-suchung vorwiegend das Szenario einer dauerhaften Preissenkung und die damit verbunde-ne Reaktion des Referenzpreiswissens untersuchen. Dennoch wurde auch ein Produkt, zu welchem zum Erhebungszeitraum intensive Diskussionen über Preiserhöhungen geführt wurden, in das Sample aufgenommen. Ziel, Konzept und Idee werden in Kapitel 4 näher diskutiert.

Simon/Fassnacht (2009) führen bei der Diskussion der verschiedenen Szenarien an, dass nicht nur der absolute Preis, sondern auch dessen Verhältnis zum Preis der Vorperiode unter dynamischen Bedingungen entscheidend für die Absatzreaktion ist (Simon/Fassnacht 2009, 316). Der Autor möchte diesen Punkt aufgreifen und zur Diskussion der Messbarkeit von Absatz- und Preisveränderungen überführen. Die dabei bestehenden Möglichkeiten werden im nachfolgenden Kapitel bewusst differenziert, wobei die Preis-Absatz-Funktion und das Konzept der Preiselastizität die inhaltliche Basis der Ausführungen bilden.