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3. Dynamik des Preiswissens im Umfeld sich verändernder Preise

3.4. Grundzüge des Retail Revenue Managements

Das Retail Revenue Management (RRM) ist aus dem Grundgedanken der Reaktionsfunktio-nen entstanden und dient der wirkungsbedingten Absatzprognose ökonomischer wie auch psychographischer Zielvariablen in Abhängigkeit sich verändernder Parameter (Lilien et al.

1992, 20f; Gedenk/Skiera 1993, 637f; Pohlkampf 2009, 132). Konkrete Zielsetzung ist dabei eine Marktreaktionsfunktion, mit der – je nach vorliegender, strategischer Positionierung, Umfeld- oder Wettbewerbssituation – dynamische Preisoptimierungen durchgeführt werden.

Grundlage dafür sind einerseits Einschätzungen über vorliegende Preisspielräume bzw. an-dererseits empirisch abgesicherte Preiselastizitäten (Vinod 2005, 365; Mild et al. 2006, 126;

Bolton et al. 2006, 249; Mild et al. 2009, 102). Der Umfang derartiger Anpassungen lässt sich schwer beziffern, liegt jedoch bei großen Unternehmen im Millionenbereich (Smith/Achabal 1998, 298).

Nachdem die Ansprüche des Marktes, die Breite der Absatzkanäle, die Mitbewerbersituation wie auch die Produkt- und Preiskomplexität stetig zunehmen, ist die Empfehlung nahelie-gend, RRM zu implementieren, da dieses Ansätze zur Vereinfachung bzw. Lösung der Her-ausforderungen bietet (Lippmann 2003, 233). Nach Sullivan (2005) nutzen rund 5-6% der im Handel tätigen Unternehmen die Vorzüge eines RRM-Systems (Sullivan 2005, o.S.). Im Hin-blick auf die Nachfrage empfiehlt es sich, den RRM-Prozess anhand mehrerer Punkte zu analysieren. Dazu zählen das Produkt selbst, die Kategorie, die Verkaufsniederlassung oder eine Evaluierung direkt beim Konsumenten (Lippmann 2003, 230; Vinod 2005, 361). Über-dies sollte beachtet werden, dass das RRM direkten Einfluss auf finanzielle und ertragsseiti-ge Ziele hat. Die Herausforderung besteht darin, das richtiertragsseiti-ge Produkt mit der passenden

Aktion bzw. dem passenden Preis zum optimalen Zeitpunkt am richtigen Ort verfügbar zu machen (Vinod 2005, 358).

Der Bereich des Data Warehouse fungiert in diesem Zusammenhang als Anbieter datenba-sierender Informationen. Entwicklungen aus dem Gebiet der Marketing Science ermöglichen sehr rasche, automatisierte Analysen und die Optimierung einer großen Anzahl von Absatz-reihen (Mild et al. 2006, 127). Grundsätzlich ist ein „PoS System“, was einem Scanning Sys-tem gleichgesetzt werden kann, Mindestvoraussetzung für eine weitere Verarbeitung bzw.

Analyse von Daten. Im Bereich des Handels empfiehlt sich überdies ein dynamisches Preis-optimierungssystem (Lippmann 2003, 233). Jedes weitere Instrument, bspw. Data Warehou-se, ERP Planungssysteme oder elektronische Preisauszeichnungen vereinfacht und be-schleunigt den potenziellen Optimierungsprozess.

Eine mögliche, software-basierende Systemimplementierung von RRM wird bei Mild et al.

(2006, 138f) vorgestellt. Grundlage ist diesbezüglich eine vorgelagerte Datenaufbereitung, die Informationen in eine analysierbare Form bringt. Zur späteren Evaluierung von bspw.

vorgeschlagenen Preis- und Promotionsplatzierungen werden Workflow-Managementprogramme installiert und nachgeschalten. Der eigentliche Prozess des RRM umfasst mehrere Module, wobei Kriterien und Informationen über etwa Lebenszyklus, Preis-positionierung, Umfeld, Drehung oder Saisonalität produktspezifisch zusammen gespielt werden (Vinod 2005, 363ff; Mild et al. 2006, 138f).

Der Erfolg durch die Implementierung von RRM Systemen wurde in der Literatur nur verein-zelt evaluiert bzw. publiziert. So wird der Effekt beispielhaft mit einer etwa 8-10% Gewinn- und 2-3% Umsatzsteigerung beziffert (Sullivan 2005, o.S.; Natter et al. 2007, 581). Lippmann (2003) spricht sogar von einer Verdreifachung des „Return on Investment“ innerhalb von 12 Monaten (Lippmann 2003, 233). Wissenschaftliche Publikationen zu negativen Effekten wur-den vom Autor trotz intensiver Recherche nicht gefunwur-den.

Kritisch möchte der Autor jedoch auch eine selten thematisierte Gefahr des RRM anmerken.

Bei intensiver Nutzung des Preisoptimierungstools und dementsprechender Adaption der Preisspielräume würde es zu umfassenden Preisänderung innerhalb einzelner bzw. aller Kategorien kommen. Die Folge wäre das Ausschöpfen von verfügbaren Preisspielräumen, sprich Preishöhungen, die auf Grundlage von vergangenheitsbasierenden Analysen abgelei-tet werden. Natürlich würde dies am Konsumenten nicht spurlos vorüber gehen, wodurch es auch zu einer Änderung des auf den Preis bezogenen Images einer Handelskette bzw. eines Geschäfts kommen würde. Die kurzfristige Ertragsoptimierung hätte demnach langfristige Folgen im Hinblick auf Image, Wahrnehmung und dementsprechend auch Umsatz bzw. Ge-winn.

Nachfolgend wird der Konnex des RRM zum Forschungsinhalt formuliert. Den Abschluss des Themas bildet ein potenzieller Optimierungsansatz für den RRM Prozess.

3.4.1. Der Referenzpreis im Retail Revenue Management

Der Referenzpreis im Retail Revenue Management wird als latente, nicht näher bekannte Größe berücksichtigt (Mild et al. 2009, 95). Er fließt dabei in der Form von positiven und ne-gativen Abweichungswerten in das klassische Marktreaktionsmodell ein (Mild et al. 2006, 131). Die Differenz und dementsprechende Beurteilung der Preisgünstigkeit eines Angebots ergibt sich dabei aus dem aktuell gültigen und vom Konsumenten gebildeten Referenzpreis,

der wiederum auf Basis von Preiserfahrungen im Gedächtnis abgespeichert wurde (bspw.

Müller-Hagedorn 2005, 286ff).

Zur Problematik, dass Konsumenten keine durchgängige Konstanz im Hinblick auf Refe-renzpreise ausweisen, bietet aber auch das RRM keine Lösung. Auch werden aus bestimm-ten Stichproben allgemeine Aussagen getroffen, deren dabestimm-tenbasierende Repräsentativität genau beachtet werden muss.

Der Anpassung des Referenzpreises bei Preisänderungen wird auch im RRM grundsätzlich kaum Beachtung geschenkt bzw. wird der Prozess ohne Verzögerung verstanden. Nachfol-gender Abschnitt thematisiert diesbezüglich die Annahme, dass Veränderungen des aktuel-len Preises gleichzeitig eine Änderung des Referenzpreises bedingen.

3.4.2. Implikationen von Preisveränderungen auf das RRM

Im RRM besteht die grundsätzliche Annahme, dass sich Preisänderungen des Marktes auch direkt und ohne Verzögerung im Referenzpreis widerspiegeln (Mild et al. 2006, 130). Als Basis dient die weitläufig angewendete Annahme, dass Referenzpreise bei fehlender direkter Messung dem aktuellen Preis gleichgesetzt werden können (Jacobsen/Obermiller 1989, 235;

Urbany/Dickson 1991, 50; Vanhuele/Drèze 2002, 73).

Preisänderungen sind insbesondere im in dieser Arbeit umfassten FMCG-Bereich ein be-währtes Mittel zur Steuerung von Ab- und Umsatz. Der Effekt einer Preissenkung bzw.

-erhöhung ist jedoch nur marginal bekannt, jedoch von großer Wichtigkeit für Gewinn und Ertragskraft (Reinecke/Hahn 2003, 335). Der Mangel an Informationen kann darauf zurück-geführt werden, dass eine nachträgliche Evaluierung von gesetzten Preisänderungen nur in den seltensten Fällen Inhalt der wissenschaftlichen Diskussion bzw. praxisbezogene Gepflo-genheit ist. Dabei wäre gerade dies ein qualitativer Maßstab für die im Vorfeld abgegebenen Empfehlungen hinsichtlich Preiselastizitäten und Preisschwellen. Überdies könnten damit wiederum Erkenntnisse für weiterführende Promotion- und Preisstrategien abgeleitet wer-den.

Erklärtes Ziel dieser Arbeit ist, den Zeitraum der Anpassung bzw. Verzögerung des Preiswis-sens an neue Preissituationen zu definieren. Insbesondere der Hintergrund langfristiger bzw.

dauerhafter Preisreduktionen wird konkreter thematisiert und empirisch überprüft. Daraus lassen sich auch für das RRM Erkenntnisse bzw. Optimierungspotenziale im Hinblick auf die Berechnung von Preiselastizitäten ableiten.

Die derzeit verbreitete Methodik zieht einen auf die Verfügbarkeit der Daten basierenden Zeitraum zur Berechnung von Preisveränderungsraten heran. Damit fließen sämtliche Preis-bewegungen in das Modell ein, auch wenn deren unmittelbarer Zusammenhang zu bewuss-ten Preiserhöhungen bzw. -senkungen nicht direkt gegeben ist. Beispielsweise verfälschen reduzierte Preise bei Abverkäufen, etwa aufgrund eines besonders kurzen Ablaufdatums, die Datengrundlage. Die Basis zur Berechnung der Preiselastizität beinhaltet in diesem Zusam-menhang verschiedene Ereignisse der Vergangenheit, die aus Sicht des Autors als solche keine konkrete Berechnung des Absatzeffekts von Preiserhöhung bzw. -senkung zulassen.

Unklar ist, welcher Zeitraum als Referenz für Preisänderungen gilt. An diesem Punkt werden Erkenntnisse dieser Arbeit anschließen.

Mit dem zuvor thematisierten Ziel einer konkreten Berechnung der Anpassungsverzögerung des Referenzpreises besteht die Möglichkeit, den kognitiven Rückstand der Konsumenten

bei Preisänderungen zu bestimmen. Damit wird jener Zeitraum, in welchem Absatzverände-rungen als Ursache der wahrgenommenen Preisänderung zurückzuführen sind, konkretisier-bar, was wiederum positive Effekte auf die Ergebnisgüte hat. Die Berechnung der Preiselas-tizität wird sich folglich auf einen spezifizierten Zeitraum, der die eindeutige Reaktion von Absatz auf Preis widerspiegelt, beziehen. Diese Konkretisierung wird einen kleinen Beitrag zur verbesserten Analyse des RRM Prozesses sowie sämtlicher Preis-Absatz-Modelle im FMCG-Bereich leisten.

3.5. Zusammenfassung und systematische Diskussion

Ziel des Kapitels war, die Dynamik der Preise und die Folgen auf das bestehende Preiswis-sen auf Basis bisheriger Erkenntnisse zu thematisieren. Dies bedingte auch eine intensive Auseinandersetzung mit den grundlegenden Preisveränderungsprozessen.

Am Anfang wurde die strategische Preispositionierung näher diskutiert. Diese hat erhebli-chen Einfluss auf mehrere Bereiche eines Unternehmens und sollte stets im Gesamtumfeld des Marketing-Mix festgelegt werden (Reinecke/Hahn 2003, 335; Müller-Hagedorn 2005, 256; Eberhardt et al. 2009, 1). Die konkrete Positionierung im Premium- oder Discountbe-reich (Pepels 2006, 20ff) bestimmt überdies das unmittelbare Mitbewerberumfeld und hat auch Einfluss auf die Sortimentsbildung.

Preisänderungen sind durch deren direkten Effekts ein wirksames Instrument um vor allem in FMCG Kategorien den Absatz und in eingeschränkten Maße auch den Umsatz zu steuern (Dolan 1995, 4f; Pechtl 2005, 10; Müller-Hagedorn 2005, 256; Simon 2006 zitiert nach Mild et al. 2006, 124). Die Diskussion wurde in diesem Kapitel durch eine Separierung in Preis-senkungen und -erhöhungen zusätzlich angereichert. Langfristige Trends im österreichi-schen Eigenmarken- und Promotionsanteilsbereich vervollständigen die Betrachtungsweise im speziellen Hinblick auf den steigenden Preisdruck im Markt.

Eine Veränderung des Preiswissens bedingt einen gesetzten Stimulus, bspw. eine Preisän-derung, denn eine selbstständige Änderung der kognitiven Informationen ist in der verhal-tenswissenschaftlichen Preistheorie nicht vorgesehen. Zusätzlich haben Preisänderungen nur dann einen direkten Effekt auf das Preiswissen, wenn diese auch vom Konsumenten wahrgenommen werden. Dabei ist zu beachten, dass Veränderungen des Preises eine be-stimmte Reizintensität bedingen, oberhalb derer sie erst registriert werden (Mon-roe/Petroshius 1981, 43; Vanhuele/Drèze 2002, 80; Pepels 2006, 40; Campo/Yagüe 2007, 271). Anhand zweier Updating-Modelle wurde die Adaption des Preiswissens exemplarisch angeführt und diskutiert.

Den Abschluss des Kapitels bildet ein potenzieller Optimierungsansatz der Arbeit für den Retail Revenue Management Bereich. Konkret handelt es sich dabei um die Überlegung eines exakt bestimmten Zeitraums, der für die Berechnung der Preisspielräume und -elastizität herangezogen werden soll. Mithilfe der genaueren Datengrundlage sollten auch die Preis-Absatz-Prognosen an Aussagekraft gewinnen.

Erkenntnisse dieses Kapitels tragen zum Verständnis des dynamischen und kontextabhän-gigen Konstrukts des Preiswissens bei. Im nachfolgenden Kapitel wird der Untersuchungs-ansatz mit den zur Diskussion stehenden Hypothesen vorgestellt. Einblicke in den methodi-schen und empirimethodi-schen Zugang werden die studienbezogene Vorgehensweise intersubjektiv nachvollziehbar machen.