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Unser Leben in der „realen“ Welt wird auf unterschiedlichen Ebenen von Regeln und Gesetzen bestimmt.

Am Arbeitsplatz oder in Räumlichkeiten, die Privatunternehmen gehören, gibt es eigene Regeln; lokale und nationale Regierungen erlegen uns zusätzliche Gesetze und Vorschriften auf; und internationale oder regionale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder der Europarat haben eine Reihe weiterer Gesetze etabliert, die die Regierungen selbst befolgen müssen.

Da verschiedene menschliche Aktivitäten zunehmend online stattfinden, werden die diesbezüglichen Regeln immer mehr in Frage gestellt. Jede Website hat ihre eigenen Regeln oder Verhaltensnormen, ebenso wie Hosting-Dienste. Diese sind mit den Gesetzen vergleichbar, denen private Räume offline unterliegen. Manche Regierungen haben Gesetze, die auf Internet-Aktivitäten anwendbar sind, und bestimmte internationale Ge-setze, insbesondere jene hinsichtlich des Schutzes der Menschenrechte, erstrecken sich auch auf das Internet.

Es wird jedoch zunehmend anerkannt, dass ein Bedarf nach allgemeinen Prinzipien und Vorschriften besteht, die gewährleisten, dass Internet-UserInnen bei ihren Online-Aktivitäten angemessenen Schutz genießen. Die Frage nach der Art dieser Prinzipien und ihrer Implementierung wird als „Internet Governance“ umschrieben.

Internet Governance ist für das Problem von Hate Speech im Internet besonders relevant, da manche Länder, insbesondere die USA, die freie Meinungsäußerung sehr streng schützen. Da viele Websites in den USA gehostet werden, kann es sehr schwierig sein, selbst die aggressivsten und beleidigendsten Beispiele von Hate Speech im Internet anzufechten.

DIE ARBEIT DES EUROPARATS ZU INTERNET GOVERNANCE

Schutz und Bewahrung des Internets durch „Vermeidung von Schaden“ an seiner Funktion ist ... ent-scheidend, um die Ausübung der Artikel 10 und 11 der Europäischen Konvention der Menschenrechte im Internet zu sichern. Gleichzeitig kommt mit der Freiheit die Notwendigkeit, dass BürgerInnen ausreichend informiert sein müssen, so dass sie mit den Diensten, die im Internet angeboten werden, verantwortlich umgehen können. Für ein Vertrauen in das Internet sind Schutz persönlicher Daten und Respektierung der Privatsphäre im Internet unerlässliche Voraussetzungen ...

Aus der Internet Governance-Strategie des Europarats

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Der Europarat nimmt sich des Problems der Internet Governance an. 2007 gab das Ministerkomitee eine Empfehlung heraus, die darauf Bezug nahm, dass „Menschen die legitime Erwartung haben, dass Internet-dienste leicht zugänglich und leistbar, sicher, zuverlässig und ununterbrochen sind“ (CM/Rec (2007)16ln. 2012 verabschiedeten die 47 Mitgliedsstaaten des Europarats eine Internet Governance-Strategie, „um Menschen-rechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im Internet zu schützen und zu fördern“. Die Strategie schlägt einen Kooperationsrahmen für die Mitgliedsstaaten vor, um ein globales, stabiles und offenes Internet als Mittel zur Gewährleistung der freien Meinungsäußerung und des Zugangs zu Informationen zu erhalten.

Ein besonderer Abschnitt in der Strategie ist dem Schutz und Empowerment von Kindern und Jugendlichen gewidmet. Sicherheit, Würde und Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen im Internet werden als „von vorrangiger Bedeutung“ bezeichnet.

Der Europarat vertritt eine Vision von Menschenrechten und Grundfreiheiten, die gleichermaßen offline wie online Anwendung finden. Im Jahr 2014 nahm das Ministerkomitee den Leitfaden Menschenrechte für InternetnutzerInnen an. Der Leitfaden bietet Informationen darüber, wie Menschenrechte und Freiheiten im Internet angewandt werden können. Er zeigt auch mögliche Schutzmaßnahmen auf, wenn diese Rechte verletzt werden.

DIE ROLLE DER USERINNEN

Die Rolle der UserInnen selbst ist ebenso von zentraler Bedeutung dafür, wie das Internet funktioniert. Ein

„demokratisches“ Internet benötigt eine Gemeinschaft von Internet-UserInnen, die „Online-BürgerInnen“

sind, sich daran beteiligen, Kommunikationsnormen und -regeln zu etablieren und Einfluss darauf neh-men, wie das Internet funktionieren soll. Ein Beispiel dafür, wie das funktionieren kann, ist die Rolle von NGOs und Bürgerbewegungen bei der Verhinderung der Verabschiedung von ACTA durch das Euro- päische Parlament, einem internationalen Abkommen, das die Rechte auf geistiges Eigentum gestärkt hätte. Gegen dieses Abkommen wurde mit dem Argument opponiert, dass es viele bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte bedroht hätte.

BOTSCHAFTEN AN JUGENDLICHE

Um zu gewährleisten, dass Jugendliche sich aktiv daran beteiligen, die Funktionsweise des Internets zu beeinflussen, sind folgende Prinzipien wichtig:

z Internet-UserInnen sind nicht nur KonsumentInnen! Sie besitzen Einfluss und können ihn einbringen, indem sie eine aktivere Rolle in der Gestaltung der Art und Weise übernehmen, wie das Internet die Menschenrechte schützt: Das kann über Kampagnen ebenso erfolgen wie darüber, wie junge Menschen als Internet-UserInnen anderen gegenüber agieren.

z Für Internet-UserInnen ist es notwendig, dass ihre Menschenrechte online geschützt werden. Die Rechtslage zu kennen und Missbrauch anzuzeigen ist wichtig, um das zu gewährleisten.

z Das Internet ist ein Raum, dessen dynamische Architektur noch immer ein kaum erforschtes Gebiet ist. Einerseits kann es Menschenrechtsverletzungen ermöglichen. Andererseits kann es jedoch auch ein Werkzeug dafür sein, Rechte und Freiheiten zu verwirklichen, und ein Mittel zur Mobilisierung von Gemeinschaften, um ihren Schutz zu gewährleisten.

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z Kinder und Jugendliche benötigen ebenso wie andere UserInnen Unterstützung durch Bildungspro-gramme, in denen das notwendige Verständnis und die Fähigkeiten für einen erfolgreichen Umgang mit dem Internet entwickelt werden.

z Kinder und junge Menschen sollten bei ihrer Internetnutzung besonderen Schutz vor Eingriffen in ihr körperliches, geistiges und moralisches Wohlergehen genießen.

z Obwohl mächtige wirtschaftliche und politische Kräfte in der Gestaltung des Internets eine bedeu-tende Rolle spielen, sollten diejenigen, die es nutzen, ihr Recht darauf geltend machen, die Online-Welt zu einem öffentlichen Raum zu machen, in dem menschenrechtliche Prinzipien, Werte und Umgangsformen gelten.

z Kinder und Jugendliche sollten die Möglichkeit haben, als Teil ihrer politischen Bildung zu erfahren und zu lernen, wer das Internet steuert. Transparenz und Rechenschaftspflicht von Internet Govern-ance sind daher ebenso bedeutsam wie das Wissen, wie Jugendliche die Internet GovernGovern-ance oder zumindest den öffentlichen Raum, der auch Teil des Internets ist, tatsächlich beeinflussen können.

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5.7 KAMPAGNENSTRATEGIEN

Die Kampagne des Europarats gegen Hate Speech im Internet ist abhängig vom aktiven Engagement möglichst vieler Jugendlicher. Es gibt viele Arten, wie Sie und Ihr Freundeskreis daran arbeiten können, gegen Hate Speech aktiv zu werden und sich an der Kampagne zu beteiligen.

Die Aufzählung ist in die folgenden Kategorien aufgeteilt:

1. Bildung und Aufklärungsarbeit

2. Auseinandersetzung mit bereits im Internet vorhandener Hate Speech 3. Mobilisierung anderer

4. Solidarisierung mit Opfern oder häufigen Zielgruppen 5. Längerfristige Strategien

Diese Kategorien überschneiden sich häufig und wo das nicht der Fall ist, kann eine Aktivität oft durch die Ergänzung mit Punkten aus einem anderen Abschnitt intensiviert werden.

Zum Beispiel:

z Eine direkte Auseinandersetzung mit Hate Speech durch das Anbieten eines alternativen Narrativs hat auch einen Bildungseffekt. Die Veröffentlichung von alternativen Narrativen oder Dialogen über Social Media kann auch der Mobilisierung anderer dienen.

z Eine aufklärende Aktion, deren Schwerpunkt auf der Information anderer über die Probleme von Hate Speech im Internet liegt, ist auch ein starker Ausdruck von Solidarität mit den Opfern von Hate Speech. Sie kann dazu genutzt werden, Unterschriften für eine Petition zu sammeln, die die Politik dazu aufruft, sich des Problems anzunehmen.

z Die Anzeige von Hate Speech und das Bloggen über die Reaktion der Website-Administration kann andere dazu motivieren, auf ähnliche Beispiele zu achten und ihre eigenen Beschwerden zu verfassen.

Die folgende Liste ist nicht erschöpfend und sollte nur als Ideensammlung verstanden werden. Ihre Gruppe wird mit großer Wahrscheinlichkeit andere Ideen entwickeln!

Einige der Vorschläge sind möglicherweise nicht auf alle Fälle anwendbar. Die Anzeige einer Beleidigung etwa kann nur der oder die Betroffene selbst stellen; sonst kann die Polizei nicht ermitteln. Es könnte ein-facher sein, dem/der UrheberIn des ursprünglichen Posts eine Anfrage zu schicken, um herauszufinden, ob er/sie seine Sprache ändert oder den Kommentar zurückzieht. In anderen Fällen ist oft eine direkte Auseinandersetzung mit dem-/derjenigen unangebracht, der oder die einen missbräuchlichen Kommentar gepostet hat. Das eigene Ermessen ist bei der Auswahl der angemessensten oder wirksamsten Aktion der beste Leitfaden.

Sie können die Vorschläge nutzen, um die Übungen im Handbuch zu ergänzen und Ihren Freundeskreis oder die Gruppe dazu anzuregen, sich in der No Hate Speech-Bewegung zu engagieren.

z Beteiligen Sie Ihre Gruppe oder Ihren Freundeskreis an der Auswahl und Planung von Aktionen. Wenn Schwerpunkt und Methoden selbst gewählt wurden, ist es wahrscheinlicher, dass sie sich engagieren!

z Denken Sie daran, dass kreative Aktionen eher Aufmerksamkeit erregen – online wie offline.

Kampagnenstrategien

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z Denken Sie daran, dass Informationen genauso über Bilder, Videos und Musik wie über Sprache trans-portiert werden können. Das Medium kann ebenso wichtig sein wie die Botschaft.

z Sehen Sie sich bezüglich anderer Möglichkeiten, sich an der Kampagne zu beteiligen, auf jeden Fall die Website der No Hate Speech-Bewegung an (www.nohatespeechmovement.org).