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Individualisierung in der Risikogesellschaft

2 Gesellschaftliche Hintergründe

3.4 Individualisierung in der Risikogesellschaft

Wie die unterschiedlichen Risiken verteilt sind, ist zwar eine wesentliche, aber nur eine Dimension der Risikogesellschaft. So ergeben sich durch die neuen globalen Gefährdungslagen auch persönliche und kulturelle Heraus-forderungen für die Menschen. Die neue Konflikt- und Entwicklungsdynamik wird also von gesellschaftlichen, biographischen und kulturellen Unsicher-heiten überlagert, welche das bisherige Leben der Menschen neu struktu-riert. Diese wechselseitige Beziehung zwischen diesen Bereichen macht die Dynamik der Risikogesellschaft aus. Die neue Moderne hat also nicht nur unsere Erde getroffen, sondern auch das System der

26 Industriegesellschaft. So wandelt sich die Gesellschaft und ihre bisherigen Systeme, Stände und Klassen, die bis dahin wichtig waren, verlieren an Be-deutung und jeder Einzelne rückt in den Fokus. „Der oder die einzelne selbst wird zur lebensweltlichen Reproduktionseinheit des Sozialen.“ (Beck 2016, S.119) Dies bringt einerseits neue Möglichkeiten für die Menschen mit sich, andererseits geht dieser Prozess auch mit einer Unsicherheit ein-her. So gelten Normen und Regeln, die bisher für Sicherheit sorgten, nicht mehr und die Menschen suchen nach neuen bzw. alternativen Sozialfor-men, die wieder eine Sicherheit bringen. Ulrich Beck spricht bei diesem Pro-zess von der Individualisierung in der Risikogesellschaft. In den letzten Jah-ren hat sich das Leben der Menschen in Bereichen wie Mobilität, Bildung, Einkommen usw. gewandelt und das für alle Menschen. Natürlich gibt es auch weiterhin soziale Ungleichheiten, diese wurden aber durch die verän-derten Lebensbedingungen abgemildert. So hat beispielsweise ein Um-bruch im Verhältnis von Arbeit und Leben stattgefunden. (ebd.) Die Men-schen haben mehr Freizeit und Zugang zu Massenkonsum, und so lösen sich Klassengrenzen scheinbar auf. Diesen Vorgang bezeichnet Beck als

„Fahrstuhl-Effekt“, die Klassengemeinschaft wurde allgemein eine Stufe hö-her eingeordnet, denn alle Klassen sind in der sozialen Hierarchie aufwärts mobil. Der Arbeitsmarkt und der Konsum geben den Menschen ihre Orien-tierung wieder. Aber nicht nur diese beiden Bereiche können leitend für die Menschen sein, sondern auch Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen usw. die sich mit den Modernisierungsrisiken beschäftigen, können als Leit-linie für das eigene Leben dienen. Durch diese verschiedenen Bereiche be-kommen die Menschen ihre verlorene Sicherheit in einer so unsicheren Zeit ein Stück weit wieder. Auch die Politik versucht den Menschen durch ver-schiedene Aussagen und Informationen eine gewisse Sicherheit zu geben.

Das Leben der Menschen ändert sich also in der Risikogesellschaft. Sys-teme und Institutionen, die bisher Stabilität und Orientierung vermittelten, verlieren ihre Bedeutung und müssen durch individuelle Orientierungslei-tung ersetzt werden. (ebd.)

27 Kritik an der Risikogesellschaft

Aber natürlich gibt es auch einige Kritikpunkte an Ulrich Becks Theorie. So wurde oft kritisiert, dass Beck die sozialen Ungleichheitsverhältnisse ver-schleiert. Wie oben beschrieben ist Beck der Auffassung, dass Klassen und Schichten immer mehr an Bedeutung verlieren bzw. verschwinden. Viele Kritiker stimmen Beck zwar in diesem Punkt teilweise zu, betonen aber auch gleichzeitig, dass eine zunehmende Vielfalt an Individualisierung nicht be-deutet, dass die Gesellschaftsstrukturen verschwinden. Sie zeigen an ver-schiedenen Beispielen auf, dass die sozialen Ungleichheiten immer noch wesentlich das Handeln und die Lebenschancen des Einzelnen bestimmen.

Mit Hilfe eines Beispiels aus der Bildung soll dies veranschaulicht werden.

(Neureiter 2014) So ist in unserer heutigen Zeit zwar inzwischen jedem die Möglichkeit auf eine Schulbildung gegeben, wenn es aber darum geht, sich nach der Schule weiterzubilden, werden die sozialen Ungleichheiten wieder präsent. Will ein Kinder beispielsweise nach seinem Abitur auf eine Hoch-schule gehen, scheint dies auf den ersten Blick zwar möglich, nach nähe-rem Betrachten werden aber die verschiedenen Hürden sichtbar. So kön-nen es sich viele Familien nicht leisten ihre Kinder auf die Universität zu schicken, weil sie die finanziellen Mittel dazu nicht haben. Natürlich gibt es Hilfsangebote, aber auch hier müssen verschiedene Kriterien erfüllt wer-den. Viele junge Erwachsene fallen aus diesem Raster und können es sich nicht leisten, das zu studieren, was sie gerne wollen. Natürlich haben sich die Umstände verbessert und es werden den jungen Erwachsenen viel mehr Chancen geboten als früher, aber es gibt immer noch deutliche Un-gleichheiten. Einer, der diese Verschleierung von Beck kritisiert, war Rainer Geißler. In einem Aufsatz liegt hier, laut Geißler, ein elementarer Irrtum der Sozialstrukturanalyse vor. (Geißler 1996)

Betrachtet man Ulrich Becks gesamte Werke, nimmt die Risikogesellschaft eine zentrale Rolle ein. Die Risikogesellschaft stellt laut Beck eine Über-gangsphase zwischen der früheren Moderne und der neuen Moderne dar.

Die heutige Modernisierung unterscheidet sich radikal vom bisherigen Zeit-alter der Industriegesellschaft und so hat sich ein Bruch in der Modernen

28 ergeben. Laut Beck dient die Risikogesellschaft nur als Zwischenstation und muss überwunden werden, damit eine Weltbürgergesellschaft erreicht wer-den kann. Dennoch fand Becks Konzept in der Gesellschaft großen Zu-spruch, da er mit diesem den Nerv der Zeit getroffen hat. Auch in Bezug auf den Klimawandel bringt Becks Theorie der Risikogesellschaft Licht in die Denk- und Handlungsweisen der Menschen. Es erklärt, was der Klimawan-del als Risiko mit den Menschen macht und wie die Gesellschaftsstrukturen darauf reagieren. Da aber in dieser Masterarbeit Kinder und Jugendliche im Fokus stehen, wird im nächsten Kapitel auf verschiedene Strukturen und Systeme eingegangen, die unmittelbar mit deren Leben verbunden sind. So wird zunächst die Jugendpartizipation anhand des Beispiels Fridays for Fu-ture näher erläutert, anschließend wird das Generationenverhältnis in der Risikogesellschaft betrachtet und welche Auswirkungen der Klimawandel als aktuelles Risiko auf dieses hat.