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3.4 Herausfordernde Nukleophile und alternative Reaktivitäten

3.4.2 Identifizierung neuer Katalysatorkombinationen

Die im Rahmen der CV-Experimente ermittelten Redoxpotentiale der Diselenide und der entspre-chenden Selenofunktionalisierungsintermediate bildeten die Basis für die Identifizierung neuer Kom-binationen aus Photo- und Selenkatalysator. Dies war von besonderer Wichtigkeit, um in zukünfti-gen Umsetzunzukünfti-gen die Potentiale besser auf die verwendeten Substrate und Nukleophile abstimmen zu können, wodurch auch leichter oxidierbare Spezies für die duale Photoredox-/Selen-π-Säure-Katalyse zugänglich gemacht werden sollten. Darüber hinaus sollte ein Photokatalysator gefunden werden, der gegenüber stark nukleophilen Bedingungen (z.B. Fluorid, Azid, Cyanid) toleranter ist und dessen angeregter Zustand ein mit der dualen Photoredox-/Selen-π-Säure-Katalyse kompatibles Redoxpotential aufweist. Die untere Grenze des relevanten Potentialfensters entsprach der Oxidati-on leicht oxidierbarer SelenofunktiOxidati-onalisierungsintermediate (ca. 1.4 V vs. SCE, vgl. Tabelle 3.25) und die obere Grenze bezog sich auf die Oxidation einfacher disubstituierter Alkene (ca. 2.0 V vs. SCE).[106] Das Auffinden geeigneter Kombinationen aus Photo- und Selenkatalysator geschah mittels Stern-Volmer-Analyse und anschließender Bestätigung in einer Testreaktion.

3.4.2.1 Stern-Volmer-Analysen verschiedener Katalysatorkombinationen

Aufbauend auf Literaturberichten, wurden die in Tabelle 3.29 dargestellten Verbindungen aufgrund ihrer Anregungswellenlängen und Redoxpotentiale der angeregten Zustände als potentielle Kan-didaten neuer Photokatalysatoren in Betracht gezogen.[267,375–377] Zusätzlich zu den Phenothia-zinen 207-210, wiesen auch das Phenoxazin 211 und die Xanthenfarbstoffe 212-214 passende

Werte auf. Basierend auf einem Bericht von DiRocco und Nicewicz über die Synthese und photophysikalischen Eigenschaften modifizierter Acridiniumsalze,[376] wurde ebenfalls Verbindung 215 näher untersucht. Der stark oxidierende Katalysator 216 stellt den einzigen metallbasierten Photosensibilisator dar, der aufgrund seines ausreichend hohen Redoxpotentials und der einfachen Verfügbarkeit getestet werden konnte.[377]Zur Untersuchung auf mögliche Wechselwirkungen, wur-de jewur-der PhotosensibilisatorStern-Volmer-Analysen mit einer Reihe an Diseleniden unterzogen.

Alle nachfolgenden Messungen wurden in MeOH durchgeführt, da die Absorptionsspektren einiger Photokatalysatoren in MeCN nicht konstant waren. Ob diese zeitlichen Änderungen auf Zerset-zungsprozesse zurückzuführen waren oder andere Ursachen hatten, konnte nicht geklärt werden. In einer groben Vorauswahl wurde für jeden Photosensibilisator die Fluoreszenzlöschung durch einen 10-70-fachen Überschuss an Bis-(4-methoxyphenyl)diselenid (100b), Diphenyldiselenid (100a) und Bis-(4-(trifluormethyl)phenyl)diselenid (100f) untersucht.[378]

Tabelle 3.29: Kandidaten geeigneter Photokatalysatoren für die duale Photoredox-/Selen-π-Säure-Katalyse.a

aalle Redoxpotentiale sind gegen SCE referenziert; die Absorptionsmaxima wurden in MeOH (10µm) gemessen;

bzeitlich veränderliches Absorptionsspektrum in MeCN.

Neben Verbindung 134, konnte lediglich für die Photokatalysatoren 206, 213, 215 und 216 eine Fluoreszenzlöschung festgestellt werden.[378] Um die Kombinationsmöglichkeiten dieser Verbindungen mit einer größeren Auswahl an Dichalkogeniden zu testen, wurde in einer weiteren Reihe an Experimenten die Fluoreszenzlöschung mit den in Tabelle 3.30 dargestellten Diseleniden und Disulfiden untersucht. Die Dislufide 217a und 217b konnten durch Oxidation des jeweiligen Thiophenols erhalten werden.[379] Die Redoxpotentiale der Dichalkogenide wurden im Rahmen der

zyklovoltammetrischen Analyse bestimmt (vgl. Unterunterabschnitt 3.3.3.1) und lagen für die Disul-fide ~0.2 V oberhalb der entsprechenden Diselenide.[358]Um das Ausmaß der Fluoreszenzlöschung mit dem bisher verwendeten System vergleichen zu können, wurden zuerst die Stern-Volmer -Konstanten für die Kombinationen von PyrOMe (134) mit den Diseleniden100a,100bund 100f bestimmt.[327,328] Die resultierenden Werte nahmen mit steigender Elektronendichte zu und wur-den bestimmt zu KSV = 85.1±4.70 L·mol−1 (100f),KSV = 116±2.52 L·mol−1 (100a) und KSV = 162±6.33 L·mol−1 (100b) (Tabelle 3.31).

Tabelle 3.30: Auswahl an Dichalkogeniden für dieStern-Volmer-Analyse der Photokatalysatoren 206, 213,215und216.a

Se)2 Se)2 Se)2 Se)2 Se)2

Se)2 Se)2 Se)2

OMe

OMe

Me

OMe

OMe CF3

SO2tBu

MeO OMe F3C CF3

Epa,1 = 1.20 V Epa,1 = 1.22 V Epa,1 = 1.27 V Epa,1 = 1.00 V Epa,1 = 1.53 V

Epa,1 = 1.60 V Epa,1 = 1.31 V Epa,1 = 1.75 V

Se)2

NO2

Epa,1 = 1.68 V Se)2

H Epa,1 = 1.35 V

S)2

OMe Epa,1 = 1.37 V

S)2

OMe

Epa,1 = 1.41 V

100a 100b 100c 100d 100e 100f

100g 100h 100i 100j 217a 217b

adie angegebenen Potentiale sind aufgrund besserer Vergleichbarkeit gegen SCE referen-ziert.[358,380]

Die ermittelten Stern-Volmer-Konstanten[327,328,378] bewegten sich für Proflavin (206) im Bereich von ~30-80 L·mol−1 und wiesen in Bezug auf die elektronischen Eigenschaften des Diselenids keinen klaren Trend auf (Tabelle 3.31). Zum Teil variierten die erhaltenen Werte stark, was in Fehlergrößen bis zu 10% resultierte. Ein ähnliches Bild wurde bei der Verwendung von Rho-damin 6G (213) erhalten. Für die elektronenarmen Diselenide 100f, 100g,100i und100j konnte in diesem Fall keine Fluoreszenzlöschung festgestellt werden, was in Einklang war mit den entspre-chenden Redoxpotentialen des angeregten Photokatalysators (1.48 V vs. SCE) und der Diselenide (1.53-1.75 V vs. SCE).[267,358,375] Die Fluoreszenz des methoxylierten Acridiniumsalzes 215[376]

wurde von nahezu allen Diseleniden effektiv gelöscht. Lediglich das sulfonylierte Diselenid 100g wies eine geringe Stern-Volmer-Konstante auf (KSV = 27.1±2.84 L·mol−1). Die übrigen Werte waren mit PyrOMe (134) vergleichbar und nahmen mit steigender Elektronendichte des Di-selendis zu. Der höchste Wert mitKSV = 301±4.15L·mol−1 wurde für daspara-methoxylierte Diselenid 100b erhalten. Die insgesamt effektivste Fluoreszenzlöschung wurde bei Verwendung des Ru-Komplexes 216 beobachtet. Dem Redoxpotential des angeregten Zustands entsprechend (1.45 V vs. SCE),[377]kam es für diesen Photokatalysator beim Einsatz elektronenarmer Diselenide nicht zur Löschung der Fluoreszenz. Im Fall der elektroneutralen oder elektronenreichen Derivate 100a–e und 100h nahm die Fluoreszenzintensität bei steigender Diselenidkonzentration hingegen deutlich ab und folgte darüber hinaus dem Trend der Elektronendichte. Die größteStern-Volmer -Konstante wurde, analog zum Photokatalysator 215, für das para-methoxylierte Diselenid 100b erhalten (KSV = 2020±60.0 L·mol−1). Der ermittelte Wert war im Vergleich zu den

metall-freien Photosensibilisatoren um eine Größenordnung höher, was vermutlich auf die deutlich längere Lebenszeit des angeregten Triplett-Zustands von Verbindung 216f = 740 ns)[377] im Vergleich mit den angeregten Zuständen der übrigen untersuchten Photokatalysatoren (τf = 4-12 ns)[267,376]

zurückzuführen war. Im Fall der Dislufide217a und 217b konnte für Proflavin (206) und Rhoda-min 6G (213) nur eine sehr geringe bzw. keine Fluoreszenzlöschung ermittelt werden. Lediglich die Fluoreszenz der Photokatalysatoren 215 und 216 wurde von den Disulfiden signifikant gelöscht.

Die sehr viel stärkere Wechselwirkung mit dem Ru-Komplex 216wurde, analog zu den Diseleniden, auf die deutlich längere Lebensdauer des angeregten Zustands zurückgeführt.[377]

Tabelle 3.31:Stern-Volmer-Konstanten der Diselenide100a–jbei Verwendung der Photokatalysatoren 134,206,213,215und216.

Diselenide Photokatalysator

KSV [L·mol1] 134 206 213 215 216

m,m'-CF3 (100i) — 83.9 ±3.00 — 159 ±11.3 —

p-CF3 (100f) 85.1 ±4.70 48.2 ±2.67 — 96.3±6.00 —

o-NO2 (100j) — 78.0 ±8.61 — 562 ±46.8 —

o-SO2t-Bu (100g) — 35.2 ±3.59 — 27.1±2.84 —

H (100a) 116 ±2.52 53.1 ±1.15 23.2± 1.88 76.9±4.12 140 ±29.6 p-Me (100d) — 76.6 ±2.99 25.9± 2.14 187 ±3.50 870 ±9.71 m,m'-OMe (100h) — 48.4 ±5.47 52.6± 3.21 126 ±4.02 261 ±14.1 p-OMe (100b) 162 ±6.33 79.9 ±1.78 44.4± 9.22 301 ±4.15 2020 ±60.0 o-OMe (100c) — 43.9 ±4.05 25.7± 1.51 103 ±5.61 992 ±18.8 o,p-(OMe)2 (100e) — 40.5 ±1.62 28.8± 4.44 144 ±2.15 1930 ±15.5 Disulfide

p-OMe (217a) — 32.7 ±3.40 — 42.6±1.95 643 ±23.1

o-OMe (217b) — 27.5 ±4.71 — 58.3±5.76 275 ±17.0

Um die Eignung der potentiell kompatiblen Katalysatoren206,213,215und216für die dua-le Photoredox-/Sedua-len-π-Säure-Katalyse zu testen, wurde im nächsten Schritt die Performanz des jeweiligen Photosensibilisators in einer chemischen Umsetzung untersucht. Als Testreaktion wurde die Zyklisierung der Carbonsäure 162a zu dem Lakton 155a(vgl. Unterabschnitt 3.2.4) gewählt.

Aufgrund der effektiven Fluoreszenzlöschung wurde daspara-methoxylierte Diselenid100b in den Versuchen als Diselenidkatalysator eingesetzt. Entgegen den Standardbedingungen der Laktonisie-rung, wurde DCE anstelle von MeCN als Reaktionsmedium verwendet, da dieses Lösungsmittel in

Bezug auf die Löslichkeit der Photokatalysatoren einen guten Kompromiss darstellte. Die Ergeb-nisse sind in Tabelle 3.32 zusammengefasst. Beim Einsatz von Proflavin (206) oder Rhodamin 6G (213) wurde nur eine geringe Produktbildung von 20% bzw. 3% erreicht, was vor dem Hintergrund der relativ ineffektiven Wechselwirkung beider Katalysatoren mit dem Diselenid (ersichtlich aus den geringenStern-Volmer-Konstanten) nicht verwunderlich war. Im Fall von Proflavin kam es im Lauf der Reaktion darüber hinaus zum Verlöschen der Fluoreszenz, vermutlich aufgrund der Zer-setzung des Katalysators. Die Situation bei der Verwendung des Acridiniumkatalysators215 und des Ru-Komplexes 216 war grundlegend verschieden. In beiden Reaktionen konnte bereits in der Frühphase eine signifikante Produktbildung festgestellt werden, die im Fall der Verbindung 215im vollständigen Umsatz des Substrats und einer Ausbeute des Laktons 155avon 95% resultierte. Bei der Verwendung des Katalysators216 wurde eine deutlich schnellere Zyklisierungsgeschwindigkeit der Säure 162abeobachtet, die im Lauf der Reaktion jedoch stark abnahm und schließlich ganz zum Erliegen kam. Dies wurde begleitet von einem stetigen Intensitätsverlust der Fluoreszenz, bis zu ihrem völligen Verlöschen, und resultierte in einer nur geringen Ausbeute des Produkts 155a von 29%. Eine mögliche Ursache wäre die Zersetzung des Katalysators durch Selenspezies. Zusätz-lich zu den Diseleniden wurde die Zyklisierung unter Verwendung des Disulfids217adurchgeführt (Einträge 5 und 6). Als Photokatalysatoren wurden die Verbindungen215 und216 eingesetzt, da diese Spezies in den Stern-Volmer-Studien als einzige eine nennenswerte Wechselwirkung mit den Disulfiden zeigten. Unter diesen Bedingungen konnte jedoch keine Bildung des Laktons155a beobachtet werden. In beiden Fällen kam es nur zu einem sehr geringen Umsatz des Substrats, der bei Verwendung des Acridiniumkatalysators 215 auf die Schenck-En-Reaktion des Alkens mit

1O2 zurückgeführt werden konnte. Die Menge der im1H-NMR-Spektrum beobachtbaren Methoxy-gruppensignale des Disulfids legte dessen Zersetzung unter den Reaktionsbedingungen nahe.

Tabelle 3.32:Laktonisierung der Säure162aunter Verwendung der Photokatalysatoren206,213,215und 216.a

Et OH

O

5 Mol-% (ArCh)2

5 Mol-% PS DCE (0.1 M), 465 nm Luft, 23 °C, 16 h

O O Et

162a 155a

Eintrag Photosensibilisator Dichalkogenid Umsatz [%] Ausbeute [%]b

1 Proflavin-H (206) 100b 33 20

2c Rhodamin 6G (213) 100b 15 3

3 AcridOMe (215) 100b 100 95

4 [Ru(bpz)3]2+ (216) 100b 38 29

5 AcridOMe (215) 217a ~10 0

6 [Ru(bpz)3]2+ (216) 217a ~5 0

a1.00 mmol des Edukts 162a wurden verwendet; bbestimmt mittels 1H-NMR-Spektroskopie mit 1,1,2,2-Tetrachlorethan als interner Standard;cBestrahlung bei λ= 540 nm; DCE = 1,2-Dichlorethan, PS = Photosensibilisator.

Unter Berücksichtigung aller Ergebnisse konnte das Acridiniumsalz215 als leistungsstarker und mit der Selenkatalyse kompatibler Photokatalysator identifiziert werden. Erste Testexperimente zeigten für diese Verbindung eine im Vergleich zu PyrOMe (134) deutlich erhöhte Stabilität gegen-über Azid und Cyanid, was das Potential dieses Photosensibilisators für zukünftige Umsetzungen mit harten Nukleophilen unterstreicht. Aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschrit-tenen Stadiums des Promotionsvorhabens, konnte die Verwendung des Photokatalysators 215 in der dualen Photoredox-/Selen-π-Säure-Katalyse nicht weiter untersucht werden.

3.4.3 Neue Reaktivitäten unter Verwendung von Selenkatalysatoren und