• Keine Ergebnisse gefunden

2.1 Die Sprachheilschule St. Gallen

2.1.1 Geschichte

Die Sprachheilschule St. Gallen hat seit ihrer Gründung im Jahr 1859 mehrere grundlegende Veränderungen durchgemacht, die sich zum einen auf die Zusammensetzung der Schüler-schaft ausgewirkt haben, und zum anderen in der Folge zu neuen Schulbezeichnungen ge-führt haben. Medizinisches Wissen und technische Weiterentwicklungen spielen dabei eine wichtige Rolle: die Anreicherung des Kochsalzes mit Jod in den 20iger Jahren des vorheri-gen Jahrhunderts, die zu einem deutlichen Rückgang der Gehörlosigkeit führte (vgl. Palomi-no 2002 / 2008) und die medizinisch-technischen InPalomi-novationen wie verbesserte Hörgeräte und im Speziellen die Möglichkeit, bestimmte Formen der Gehörlosigkeit mit einem Cochlea-Implantat deutlich zu verbessern.

Diese geschichtlichen Meilensteine werden im Folgenden näher betrachtet.

2.1.1.1 Gehörlosenschule

Im Jahre 1859 eröffnet die Taubstummenanstalt St. Gallen ihre Pforten, im ersten Jahr in einem Haus in St. Fiden, seit 1860 an ihrem jetzigen Standort am Rosenberg in St. Gallen.

Die Initiative für die Gründung ging, wie so oft im Schweizer Behindertenbereich, von einer Privatperson, hier dem Regierungsrat Daniel Steinmann aus, der einen gehörlosen Sohn hatte (geb. 1920), für ihn eine Beschulungsform suchte und diese auch in der Taubstum-menanstalt Zürich1 fand. Im Ostschweizer Raum gab es zu dieser Zeit keine entsprechenden Einrichtungen. Der gehörlose Kaspar Steinmann war neun Jahre alt, als er in die

1 Diese Taubstummenschule war gerade gegründet worden: „1826/1827 Gründung der Taubstum-menanstalt Zürich, zog 1915 nach Wollishofen heute Schule für Gehör und Sprache ZGSZ“

(www.deafkipedia.com).

menanstalt Zürich eintrat, er wurde von seiner älteren Schwester Babette Steinmann beglei-tet und in den ersten Wochen unterstützt. Sie verschreibt sich später ganz der Taubstum-menhilfe, initiiert einen Frauenverein, dem sie 10 Jahre lang vorsteht und der für die Unter-bringung von 17 Kindern in einer privaten Taubstummenanstalt in Rheineck aufkommt. Nach Zerwürfnissen mit dieser Institution gründet sie nach langjähriger Vorbereitung und mit finan-zieller Unterstützung von zahlungskräftigen und einflussreichen Bürgern die Taubstummen-anstalt St. Gallen (vgl. Stieger, 2003, in: Widmer, Witzig, 2003, S. 377). Auf den Pioniercha-rakter der Gründung und die Tatsache, dass es sich um eine der ersten Gehörlosenschulen der Schweiz handelt, weist auch Motsch hin (vgl. Motsch, 1981, S. 175).

In Deutschland (bzw. dem „deutschen Reich“) wurden erst im Jahr 1901 erste Sprachheil-klassen eingeführt, die erste Sprachheilschule wurde 1910 in Halle eröffnet2. Auch Alfred Gutzmann, der als Wegbereiter der deutschen Sprachheilpädagogik gilt, erweiterte später seine Zielgruppe von den Gehörlosen zu den Stotterern und wandte sich in der Folge weite-ren Formen der „Sprachkrankheit“ zu (vgl. Grohnfeldt, 2009c, S. 40). Dies kann als ein Hin-weis gesehen werden, dass die Geschichte der Sprachheilschulen zum Teil auch die Ge-schichte der Gehörlosenschulen ist3.

Zu Beginn im Jahr 1860 hatte die neu gegründete Schule auf dem Rosenberg 10 Schüler, im Jahr 1900 war die Schüleranzahl auf 91 Kinder angewachsen. Es handelte sich hauptsäch-lich um gehörlose Kinder, die oft zusätzhauptsäch-lich noch eine geistige Behinderung hatten. Im Jah-resbericht der Sprachheilschule St. Gallen im 150. Jubiläumsjahr wird darauf hingewiesen, dass im Jahre 1922 noch 22% der Schüler einen Kropf hatten. "Dies war ein sichtbarer Hin-weis auf eine endemische Taubstummheit, wie sie als Folge von Jodmangel im Alpenraum häufig anzutreffen war." (SHS, 20094, S. 5).

Das vorläufige Maximum der Schüleranzahl wird im Jahr 1931 mit 118 Schülern erreicht.

2 Die erste Taubstummenanstalt für Knaben in der Schweiz wurde 1811 von J.K. Näf in Yverdon ge-gründet (vgl. www.deafkipedia.com).

3 Eine Recherche bei den in der SHS Umfrage angefragten Institutionen (andere Sprachheilschulen in der deutschsprachigen Schweiz) ergab, dass folgende Schulen als Gehörlosenschule gegründet wor-den: HPZ Hohenrain (1873) Kantonale Sprachheilschule Münchenbuchsee (1822 als private Taub-stummenanstalt für Knaben in Wabern gegründet), Sprachheilschule Wabern (1824) Sprachheilschule Zürich früher Taubstummenanstalt Zürich (1826/1827) Sprachheilschule Riehen (1839) (vgl. Ise-le&Stieger, 2010 Recherche der SHLR im Rahmen der Auftragsarbeit).

4 Die Jahresberichte der Sprachheilschule St. Gallen werden immer im darauffolgenden Jahr veröf-fentlicht, d.h. die Referenz SHS 2009 bezieht sich auf den Jahresbericht 2008. Diese Regelung betrifft alle zitierten Jahresberichte.

Die Wirksamkeit des jodierten Kochsalzes zeigt sich eindrücklich am Rückgang der Schüler-zahl und dem gleichzeitigen Rückgang der Gehörlosigkeit in der Schweiz: 1937 sinkt die Schülerzahl auf 55 (vgl. Schlegel, 2009, S.21).

2.1.1.2 Entwicklung nach 1937

Der Rückgang der taubstummen Schüler führte zu einer Veränderung der Schülerschaft und der Gründung der ersten Sprachheilschule mit der Bezeichnung „Taubstummenanstalt und Sprachheilschule St. Gallen“. Die neuen Schüler hatten zwar keine Einschränkung des Hör-vermögens, wiesen aber erhebliche Sprachdefizite auf. "Die verursachende Hirnfunktionsstö-rung wurde als 'sensorische Hörstummheit' bezeichnet" (SHS, 2009, S. 5). In dieser Zeit wurden neben Gehörlosen nun auch Kinder in Kleinklassen betreut, die Störungen der Spra-che wie Stammeln, Stottern, Poltern, Mutismen und auch Dysarthrien5 aufwiesen. Während bei den Gehörlosen davon ausgegangen wurde, dass sie ihre gesamte Schulzeit in der Taubstummenanstalt verbringen würden, war erklärtes Ziel bei den Sprachheilschülern, also bei denjenigen mit weitestgehend „logopädischen“ Störungen und Syndromen, die Rück-schulung in die Regelschule. Seit dieser Zeit besteht auch die Trennung zwischen Gehörlo-senklassen und Sprachheilklassen. Die vorliegende Untersuchung ist auf die Sprachheilklas-sen beschränkt.

1946 beginnt die Taubstummenanstalt und Sprachheilschule St. Gallen entsprechende Lehr-kräfte auszubilden. Seit dieser Zeit besteht eine enge Verbindung zwischen der Sprachheil-schule St. Gallen und der später in anderen Institutionen verankerten sprachheiltherapeuti-schen Ausbildung in der Schweiz, die auch heute noch, z.B. in Form von Praktikumsplätzen für angehende LogopädInnen, andauert.

Eine wichtige technische Neuerung stellen die Höranlagen6 dar, die im Jahr 1954 in Betrieb genommen werden. 1965 kommt es zu wesentlichen baulichen Erweiterungen des Schulge-ländes und zu einer Vergrößerung der Kapazität.

Das Jahr 1980 bringt für die Sprachheilschule St. Gallen auch personelle Veränderungen.

Die Direktion wird neu besetzt und drei Jahre später erhält die Taubstummenanstalt die neue Bezeichnung "Sprachheilschule St. Gallen - Sonderschule mit Internat für Gehörlose,

5 Mit Dysarthrie wird ein Sprechstörung bezeichnet, die aufgrund einer Schädigung der am Sprech-vorgang beteiligten Hirnnerven auftritt (vgl. Peuser & Winter, 2000, S. 53).

6 Die damaligen Höranlagen ermöglichten schwerhörigen Kindern eine Erleichterung der Verständi-gung. Heute werden spezielle Anlagen (Edulink) für Kinder mit einer auditiven Wahrnehmungsstörung (AVWS) verwendet (vgl. Schlegel, 2005b).

Schwerhörige und Sprachbehinderte"7. Im Jahr 1981 wechselt die Internatsleitung, 1982 die leitende Position in der Verwaltung. Direktion, Verwaltungsleitung und Internatsleitung sind seither von der Besetzung her stabil geblieben. Erst im Jahr 2002 gab es weitere Wechsel im Bereich der Schulleitung in St. Gallen und der Außenstelle Uznach.

Die Zusammensetzung der Schülerschaft änderte sich in den folgenden Jahren: die Quote der Gehörlosen und -behinderten ist rückläufig (1983: 110 Kinder, 2008: 19 Kinder) während die Quote der Sprachbehinderten kontinuierlich ansteigt (1983: 130 Kinder, 2008: 251 Kin-der) (vgl. SHS 2009, S. 11).

Abbildung 1: „Rückgang der hörrestigen Kinder“ (Schlegel, 2009, S. 21)

Der Hypothese, dass gerade im Sprachbehindertenbereich Frühförderung8 für den Verlauf einer Sprachtherapie gewinnbringend ist, wird im Jahre 1990 mit der Gründung eines insti-tutseigenen Sprachheilkindergartens Rechnung getragen. 1991 wird der audiopädagogische Dienst gegründet, der in der Folge weiter ausgebaut wird und ambulante wie auch stationäre Beratungen rund um das Hören anbietet (vgl. SHS, 2009, S. 5).

Im Jahr 1994 wird eine spezielle Stottererabteilung gegründet. Die Kinder nehmen an einem halbjährigen Spezialkurs teil und kehren nach diesem Kurs wieder in ihre vorherigen Schul-klassen zurück. Der Kurs basiert auf einem an der Sprachheilschule Ravensburg entwickel-ten Konzept, das in 5 Phasen aufgebaut ist, eine kurze Rückkehrphase in die ursprüngliche Klasse beinhaltet und mit einem Theaterprojekt abschliesst. Der Stottererkurs ist für Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren gedacht. Der Anteil von Mädchen ist noch

7 Im Folgenden wird auf die vollständige Nennung der Bezeichnung verzichtet und nur die Bezeich-nung Sprachheilschule St. Gallen verwendet.

8 Der Bereich Frühförderung und mögliche Zusammenhänge mit dem langfristigen Therapieerfolg wird im Kapitel 3.3.3.7.2.2 und im Kapitel 4.3.1 ausführlicher geschildert.

ringer, als die Mädchenquote in der normalen Schulabteilung der Sprachheilschule St. Gal-len. (vgl. SHS 1995, S.12f) Im Jahr 1995 findet der erste vierzehntägige Kurs für Erwachse-ne statt. 9 MänErwachse-ner Erwachse-nehmen daran erfolgreich teil. Die KursteilErwachse-nehmer wurden an zwei Termi-nen nachbetreut, eine nachhaltige Verbesserung konnte festgestellt werden (vgl. SHS 1996, S.13).

Die SHS-interne Abklärungsstelle, die die fachliche Basis vor dem Eintritt eines Kindes schuf, wird auf Verfügung des Vorstandes des Erziehungsdepartementes geschlossen. Die SHS entwickelt einen neuen Aufnahmemodus und nimmt die Kinder des Schuljahres 1993/1994 erst einmal „auf Probe“ auf (vgl. SHS, 1994, S. 10).

2.1.1.3 Cochlea Implantat 1995

Ein weiterer wichtiger Faktor neben der Jodierung des Kochsalzes für den Rückgang der Schüler in den Gehörlosenklassen der Sprachheilschule St. Gallen war die medizinische Innovation „Cochlea-Implantat“, die ab 1995 implantiert wurden und bei deren Verbreitung der Sprachheilschule St. Gallen eine Vorreiterrolle zukam.

Für ein Cochlea-Implantat in Frage kommen nur Kinder, für die folgende Punkte zutreffen:

„Beidseitige Taubheit, erfolgloser Einsatz modernster Hörgeräte und erfolglose therapeuti-sche Betreuung […]“ (SHS, 1995, S. 6).

Mit einem operativen Eingriff, in dem ein Neurostimulator implantiert wird, der akustische Informationen über ein Mikrophon aufnimmt, als Muster elektrischer Signale an eine im In-nenohr implantierte Elektrode übergibt, die dann dem Hörnerv präsentiert wird, kann die Ge-hörlosigkeit überwunden werden (vgl. Vischer et al, ohne Jahr).

„Ein Cochlea-Implantat (CI) besteht im allgemeinen aus drei Elementen: (1) ein implantierter Stimulator-Rezeptor mit einem Elektrodenbündel, das in die Cochlea eingeführt ist; (2) ein Sender-Mikrophon, dass mittels eines Magneten auf der retroaurikulären Region genau ge-genüber dem Stimulator-Rezeptor gehalten wird und über ein Kabel mit (3) einem externen Prozessor verbunden ist“ (Kos et. al, ohne Jahr).

Abbildung 2: Cochlea-Implantat (Kos et. al, ohne Jahr)

Nach einer Cochlea Implantat Operation können die Kinder nicht sofort hören und verste-hen9, eine weitere intensive therapeutische Betreuung ist notwendig. „Ebenso unerlässlich sind Lautsprachvorbereitung vor der Operation sowie anschließendes intensives audio-verbales Initialtraining und fachpädagogische Nachbetreuung […]“ (SHS, 1995, S.7).

Nach wenigen Wochen Hörtraining sind CI-Kinder dann schon in der Lage, Geräusche zu unterscheiden und Namen zu erfassen. Wenn der Eingriff früh genug erfolgt, kann der Spracherwerb nahezu normal verlaufen. Die Sprachheilschule St. Gallen hat dabei eine Vor-reiterrolle in der Beratung, Unterstützung und Schulung von CI-Kindern wie auch bei der Ein-führung dieser Technologie in der Schweiz inne gehabt. Außerdem hat die Sprachheilschule St. Gallen viele CI-Kinder, die zuvor in den Gehörlosenklassen waren, entweder in die Volksschule zurückschulen können, oder in die Sprachheilklassen übernommen. Dies ist als deutliches Zeichen zu werten, dass die Kommunikationsfähigkeit der vormals tauben Kinder maßgeblich zugenommen hat und sie zusammen mit anderen Sprachheilschülern beschult werden konnten. Welches „Wunder“ die Kinder nach einer gelungenen Cochlea Implantation erleben können, wird deutlich, wenn eine Mutter, deren beide Kinder mit einem CI ausgestat-tet wurden, beschreibt: „Es ist schon erstaunlich und bewegend, wenn plötzlich mein

9 Die neuen akustischen Eindrücke, die die Kinder nach der Operation habe, müssen erst erlernt, zu-geordnet und erkannt werden, Begriffe für bestimmte Hörereignisse müssen gelernt und das Gehör trainiert werden.

tauber Sohn draussen sagt: Ich höre den Wind, und das Wasser im Brunnen macht plop-plop-plop!“ (SHS, 1996, S. 9)

Im Laufe der letzten Jahre sind auch die Cochlea Implantate weiter technisch verbessert worden, eine regelmäßige Kontrolle der Funktion, der Einstellung und z.B. der Batterien ist notwendig. Die Sprachheilschule St. Gallen bietet hier die notwendige Infrastruktur und das entsprechende Know-how. Für die Beratung der Eltern zum Cochlea Implantat gibt es seit 1998 ein Raster (vgl. SHS, 1999, S.8) ebenso wird eine Elternberatung nach der Operation angeboten (vgl. SHS, 1999, S. 10). Die Dienstleistung rund um das Cochlea Implantat steht auch Familien zur Verfügung, deren Kinder nicht an der Sprachheilschule St. Gallen beschult werden.

Diskurs: Misserfolge und Zusammenhänge

Nicht immer sind die Erfolge nach einer Cochlea Implantat Operation wie gewünscht, oft ste-hen weitere individuelle Behinderungen einem erfolgreicste-hen Spracherwerb im Wege.

„Insbesondere motorische und visuo-motorische Defizite, schwache optische Gedächtnisleis-tungen, Einbussen beim Sukzessiv-Gedächtnis, das Bewegungsabläufe erfasst und spei-chert, etc. vermögen einen gewünschten Erfolg zu verhindern“ (SHS; 1994, S. 9).

Über den Spracherwerb mit Cochlea-Implantat und die weitere Sprachentwicklung von CI-Kindern gibt es vielfältige Literatur.10

Die 7 in den Akten enthaltenen Cochlea-Kinder wurden aus der Untersuchung ausgeschlos-sen, weil keine logopädischen Diagnosen vorlagen und wohl auch nie eine logopädische Abklärung erfolgt ist. Aus diesem Grund beschränken sich die vorliegenden Ausführungen über das Cochlea-Implantat auf die wichtigsten Informationen und vertiefen die Zusammen-hänge nicht weiter.

2.1.1.4 Entwicklungen nach 1995

Der Kanton St. Gallen gehört von der Fläche her zu den grösseren Kantonen der Schweiz und reicht vom Bodensee (Rorschach) bis zum Zürichsee (Rapperswil). Im Jahre 2002 wird in Uznach (Region Rapperswil) ein Ableger der Sprachheilschule St. Gallen gegründet. Im Jahre 2008 hat die Sprachheilschule Uznach 37 Schüler, die von insgesamt 14 Mitarbeitern

10 z.B. Szagun, 2007: „Wunderwerk Cochlea-Implantat? Sprachentwicklung bei jungen Kindern mit Cochlea-Implantat.“

(Leitung, Lehrern, Therapeuten, Organisationsmitarbeiter usw.) betreut werden. (vgl. SHS, 2009, S. 23)11

Einen eigenen Sprachheilkindergarten hatte die SHS schon seit dem Jahr 1990. Bis zum Jahr 2008 waren die städtischen Sprachheilkindergärten der Stadt St. Gallen unterstellt, die Sprachheilschule St. Gallen übernimmt im Jahr 2008 die Leitung aller Sprachheilkindergär-ten der Stadt St. Gallen (vgl. SHS, 2009, S. 11).

2.1.1.5 Kostenentwicklung

Für die Beschulung der Kinder wurde bisher ein IV12-Antrag gestellt und (im Erfolgsfall) wur-de von wur-der IV eine Kostengutsprache erteilt. Heute werwur-den die Kosten von wur-den Kantonen übernommen und die bürokratischen Zusammenhänge haben sich verändert. Im Untersu-chungszeitraum 1993-2000 war die Kostenabwicklung noch via IV-Kostengutsprache.

Unabhängig vom staatlichen Kostenträger müssen die Eltern der Sprachheilschüler einen gewissen Betrag für die Beschulung übernehmen. Dieser Beitrag wurde nicht von der Institu-tion vorgegeben, sondern von der IV. Der Elternbeitrag wurde dann von der SHS an die IV weitergeleitet. Falls die Eltern Probleme beim Bezahlen des Schulgeldes hatten, sprang in den meisten Fällen das Sozialamt ein.

Der elterliche Kostenbeitrag war zu Gründungszeiten 450 SFR pro Jahr. Heutzutage zahlen die Eltern der Sprachheilschüler 840 SFR (vgl. SHS, 2008, S.17). Dem Jahresbericht 2008 der Sprachheilschule St. Gallen lässt sich entnehmen, dass die realen Kosten für ein Kind weitaus mehr betragen: „Der Tagesansatz als Teilzahlungsbeitrag an das Betriebsjahr 2008 wurde durch das Bildungsdepartement des Kantons St. Gallen auf Fr. 144 je Kalendertag festgelegt“ (SHS, 2009, S. 29). Die Kostenbeiträge variieren, je nach kantonaler Herkunft des Kindes. Ein extern beschultes Kind kostet pro Jahr in etwa 25‘000 SFr.

2.1.1.6 Veränderungen in Klassenbezeichnungen, Zusammensetzungen, Zielen und Grössen

Seit ihrer Gründung hat die Sprachheilschule mehrere Namen getragen und diese Entwick-lung ist auch in den Bezeichnungen der Klassen und Spezifikationen wieder zu finden. Im Folgenden wird nur auf die Bezeichnungen Bezug genommen, die im Untersuchungszeit-rahmen verwendet wurden.

11 Die Akten der Sprachheilschule Uznach sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

12 IV= Invalidenversicherung (war vor der NFA (Nationaler Finanzausgleich) für die Kostenübernahme zuständig)

2.1.1.6.1 Sprachheilklasse

Im Fokus der vorliegenden Untersuchung stehen die Akten der Sprachheilklassen aus den Jahren 1993-2000. Die in den Akten enthaltenen Informationen über Schüler und Schülerin-nen dokumentieren verschiedenste Formen von Sprachbehinderung, die Kinder wurden lo-gopädisch diagnostiziert und von den entsprechenden Fachstellen abgeklärt.

Die Klassenbezeichnungen und die Klassenstufungen haben sich im Laufe der Jahre mehr-fach geändert. Um nur ein Beispiel zu nennen: Motsch berichtet in seiner Untersuchung aus dem Jahr 1979 (vgl. Motsch 1981) von zwei Einführungsklassen, zweiter bis siebter Sprach-heilklasse und erster und zweiter Berufswahlklasse.

Die Bezeichnungen in der vorliegenden untersuchten Aktenperiode sind: 1. bis 2. Einfüh-rungsklasse, 1. bis 6. Sprachheilklasse und 1. bis 3. Realklasse. In den zwei klassen wird der Unterrichtsstoff des ersten Jahres auf 2 Schuljahre verteilt. Einführungs-klassen gibt es auch in der Volksschule. Sie werden von Kindern besucht, die in ihrer Ent-wicklung noch zurückliegen und denen ein auf zwei Jahre verteilter Schulstoff eher entge-genkommt. Dass auch diese Bezeichnungen heute nicht mehr gültig sind, hat die Befragung der anderen Sprachheilschulen der Deutschschweiz gezeigt (vgl. Isele&Stieger, 2010, Re-cherche der SHLR im Rahmen der Auftragsarbeit).

2.1.1.6.2 Gehörlosenklasse

In den Gehörlosenklassen werden ausschliesslich gehörlose Kinder beschult. Nach der Ein-führung der Cochlea Implantate konnten einige der Gehörlosen in die Regelschule oder in die Sprachheilklassen wechseln. Bei denjenigen, die an der Sprachheilschule St. Gallen ge-blieben sind, liegt die Vermutung nahe, dass weitergehende Beeinträchtigungen, wie z.B.

eine Lernschwäche vorlagen, die einem Wechsel in die Volksschule im Wege standen oder weitergehende logopädische Massnahmen notwendig waren. 7 dieser Kinder wechselten in die Sprachheilklassen und wurden bei ihrem Austritt in den dortigen Akten abgelegt und ge-hören somit zum Bestand der Aktenanalyse. Sie wurden mangels logopädischer Diagnose aus der vorliegenden Untersuchung ausgeschlossen.

Den kontinuierlichen Rückgang der Gehörlosen an der Sprachheilschule St. Gallen verdeut-licht die folgende Abbildung.

Abbildung 3: Hörbehinderte/Sprachbehinderte (Schlegel, 2005a, S. 32)