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Genetische Strukturen und Variation - ihre Erfassung und Interpretation

Schlußfolgerungen

2.1. Grundlegende Begriffe der Populationsgenetik

2.1.3. Genetische Strukturen und Variation - ihre Erfassung und Interpretation

Die Variation der Erbinformation ist nicht nur Grundlage von Fortbestand und Weiterentwicklung (Evolution) einer Population, einer Art bzw., ganz allgemein gesprochen, einer taxonomischen „Beob-achtungseinheit“ sondern auch Grundlage der Beobachtung durch den Wissenschaftler (vgl. STERN 1968). Eine Reihe von Parametern wurde entwickelt, um diese Variation meßbar zu machen und zu beschreiben. Als eines der Ergebnisse bisheriger Forschung auf der Basis von Isoenzymgenmarkern kann festgehalten werden, daß Waldbäume zu den Lebewesen gehören, welche über die größte geneti-sche Variation verfügen (MÜLLER-STARCK 1991, HAMRICK et al. 1992). Konzepte und Verwendung dieser Parameter wurden bereits mehrfach diskutiert und zusammenfassend dargestellt (vgl. HATTEMER

1991b, 1994, BERG & HAMRICK 1997). Die für die vorliegende Fragestellung herangezogene Variati-onsmaße werden nachfolgend kurz erläutert:

11 Die theoretische Genetik beginnt verschiedenen Klassen bzw. Kategorien von Genmarkern zu unterscheiden: Beispiels-weise können Terpene, Isoenzyme oder RFLP's verschiedenen Klassen der Kategorie "biochemische Genmarker" zuge-ordnet werden. (vgl. GILLET 1992, VORNAM 1992, GILLET 1993).

12 Mendel-Gen (Beobachtungsebene: Organismus oder physiologische Teileinheit desselben) Einheit der Weitergabe der genetischen Information.

13 Funktionsgen (biochemisch beobachtbar, Molekular-Ebene) Einheit auf der DNA, welche eine bestimmte Produkteinheit (z.B. Enzym) kodiert.

2.1.3.1. Genetische Strukturen: allelische und genotypische

Unter der allelischen Struktur versteht man die Häufigkeitsverteilung der genetischen Einzelvarianten eines Genortes, Allele genannt, in einer Population. Diese Häufigkeitsverteilung wird in Prozentwerten ausgedrückt (HATTEMER et al. 1993). Betrachtet man allelische Strukturen aus dem gesamten Habitat einer Art, so kann man regionale Besonderheiten feststellen sowohl bezüglich der Typen vorhandener Allele als auch bezüglich der Häufigkeiten dieser Typen (CONKLE 1992).

Zur Beschreibung der Allele einer Art sind Kategorien für deren Vorkommen entwickelt worden. Folgt man den Ausführungen von MARSHALL & BROWN (1975), ADAMS (1981), WHEELER & GURIES

(1982), MILLAR & WESTFALL (1992), YANG & YEH (1992) sowie HUSSENDÖRFER (1997), so lassen sich folgende Typisierungen vornehmen (Tab. 2-1):

Tab. 2-1: Verbreitungskategorien von Allelen

Bezeichnung Merkmal Bezeichnung Merkmal

Hauptkategorie A) häufig f ≥ 5 B) selten f < 5

Unterkategorien Aa) weitverbreitet Pop. ≥ 25 Ba) weitverbreitet Pop. ≥ 25 Ab) lokal Pop. < 25 Bb) lokal Pop. < 25

Ac) privat def. Pop. Bc) privat def. Pop.

Erläuterungen: f= Allelfrequenz (%), Pop.= Vorkommen in x% der Populationen,

def.Pop.= Vorkommen nur in einer Population oder in eng begrenztem Gebiet.

Das genannte Schema besticht auf den ersten Blick wegen seiner scheinbaren Klarheit. Es erfordert jedoch stets die Doppelnennung von Eigenschaften (z.B. selten-lokal) um nicht zu Unschärfen im Wort-gebrauch zu führen. Abgesehen davon ist die Abgrenzung zwischen „lokal“ und „privat“ nicht eindeutig und verwischt die ursprüngliche Definition von SLATKIN & TAKAHATA (1985), welche das Attribut

„private“ generell mit einer geringen Häufigkeit verknüpft. FINKELDEY (1993) schlägt allelische Profile zur grafischen Darstellung allelischer Strukturen vor. LEINEMANN (1998) schließlich entwickelt Refe-renzvektoren, um rassentypische Unterschiede in den allelischen Strukturen mehrerer Genloci auf einen Blick erfaßbar zu machen.

Ferner können genetische Profiltypen bei der Ausprägung von allelischen Strukturen unterschieden werden (LEWONTIN 1985, HATTEMER et al. 1993), welche qualitative Vergleiche über mehrere Bezug-sebenen ermöglichen:

I) Monomorphismus

(Solche Genorte verfügen nur über eine Gen-Variante, d.h. sie sind fixiert) II) Minorpolymorphismus

(Solche Genorte verfügen über ein häufiges und ein oder mehrere seltene Allele) III) Majorpolymorphismus

(Solche Genorte verfügen über zwei, in anderen Fällen über drei häufige Allele)

Betrachtet man die Strukturen der Allele einer Population über mehrere Loci, so spricht man von geni-scher Struktur.

Unter der genotypischen Struktur versteht man die Häufigkeitsverteilung der Genotypen eines Gen-ortes in einer Population, wobei hierunter die vorgefundenen paarweise Allelkombinationen aller Indivi-duen zu verstehen ist. Diese Häufigkeitsverteilung wird in Prozentwerten ausgedrückt (HATTEMER et al.

1993). Der Ausdruck findet auch bei der gleichzeitigen Betrachtung von mehreren Loci Verwendung.

Die genotypische Struktur wird hier, mit einer Ausnahme, nicht im Detail erörtert sondern nur synop-tisch (Parameter). Da sie auf Grund ontogenesynop-tischer Dynamik Veränderungen unterworfen ist (HATTEMER et al. 1981), aber auch bei der sexuellen Reproduktion (MÜLLER-STARCK 1985), kann sie für das Hauptziel dieser Arbeit keine Stützen bieten. Ihr wichtigstes Anwendungsgebiet, unter Beach-tung des Hauptaxiomes14 der Genetik, sollte der Vergleich innerhalb gleicher Stadien oder zwischen unterschiedlichen Stadien gleichen Ursprunges sein.

2.1.3.2. Variation innerhalb einer Population

Die nachfolgenden Ausführungen nehmen Bezug auf das Werk15 von HATTEMER und Kollegen (1993) und stellen diejenigen Parameter vor, welche im folgenden Anwendung finden. Die Parameter, welche in dieser Form größtenteils der Göttinger Schule entstammen, sollen auch Vergleiche zur Variation euro-päischer Baumarten ermöglichen. Die in Amerika verwendeten Maße werden gesondert besprochen, sofern sie hier eingesetzt werden.

Genetische Vielfalt

Um die Anzahlen unterschiedlicher Typen in einer Population zu quantifizieren wurden die nachstehen-den Parameter verwendet:

* Die genische Vielfalt, d.h. die Summe beobachteter Allele über alle Genloci: A

* Die mittlere Anzahl von Allelen je Genlocus16: A/L

* Der Anteil polymorpher Genorte in der Stichprobe (in Prozent ausgedrückt), wobei das jeweils häufigste Allel den Wert von 95% nicht erreichen darf: P95

Die genannten Parameter der genetische Vielfalt wurden in der vorliegenden Arbeit verwendet, um die Allelverbreitung im Habitat zu beschreiben (CONKLE 1992). Gemeinhin wird aus zunehmender Vielfalt auf eine Zunahme der Anpassungsfähigkeit geschlossen (GREGORIUS 1989), woraus sich in der vorlie-genden Arbeit wichtige Anhaltspunkte für die Beurteilung der badischen Bestände ergeben. Diese Para-meter sind sehr von der Stichprobengröße abhängig (vgl. Kap. 2.5.3. und 3.1.2.).

Genetische Diversität

Es wurde die genische oder Genpool-Diversität νν gewählt. Diese berechnet sich aus dem harmoni-schen Mittel der Einzellocus-Diversitäten und entspricht damit der mittleren effektiven Anzahl von Al-lelen. Obwohl dieses Maß durch die Berücksichtigung von Häufigkeiten einzelner Varianten vor dem Hintergrund populationsgenetischer Prozesse aussagekräftiger ist, so muß doch auf die Tatsache

14 Regel von der freien Kombination der Gene: MENDEL (vgl. STRICKBERGER 1988, S. 113 ff.)

15 Loc. cit. S. 133 ff. und 260 ff.

16 In der amerikanischen Literatur irreführenderweise als „A“ bezeichnet (vgl. BERG & HAMRICK 1997).

wiesen werden, daß ganz unterschiedliche allelische Strukturen u.U. zu gleichen Werten führen können (HATTEMER 1994). Die allelische Diversität ννk , d.h. die Einzellocus-Diversität wurde für Einzelfälle berechnet.

Die hypothetisch gametische Multilocus-Diversität ννgam wird aus dem Produkt der Einzellocus-Diversitäten gebildet. Sie beschreibt die Anzahl unterschiedlicher Gameten, welche in der analysierten Population im Bezug auf die gewählten Genloci gebildet werden können.

Heterozygotie

Zur Beschreibung der beobachteten individuellen genetischen Vielfalt dient der Heterozygotiegrad. Hier wurde der mittlere Heterozygotiegrad H verwendet, der dem über alle Loci gemittelten Anteil hetero-zygoter Individuen in der Population entspricht. Bei der Interpretation dieser Parameter muß beachtet werden, daß bei bestimmten Enzymsystemen Wertänderungen in Abhängigkeit von Entwicklungsstadien auftreten können (vgl. YAZDANI et al. 1985). Die bedingte Heterozygotie Hc dient zum Vergleich des gefundenen mittleren Heterozygotiegrades mit der, unter den gefundenen Allelhäufigkeiten, maximal möglichen Heterozygotie und wird in Prozenten des Maximalwertes ausgedrückt. Das von NEI (1973, 1975) entwickelte und in Amerika gebräuchliche Maß He beruht hingegen auf dem Hardy-Weinberg-Modell, und bietet daher nur einen sehr theoretischen Vergleich.

Fixierungsindex

Der Fixierungsindex F bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Allele an einem Genort die gleiche Abstammung besitzen (Falconer 1981). In der vorliegenden Arbeit wird F einerseits in seiner Bedeutung als Inzuchtkoeffizient, andererseits aber zur generellen Beschreibung genotypischer Strukturen verwen-det. Im letztgenannten Fall bedeuten negative Werte einen Hinweis auf Heterozygotenüberschuß. F wur-de nach folgenwur-der Formel ermittelt (vgl. Yazdani et al. 1985): F = 1- (Ha/He).

2.1.3.3. Variation zwischen Populationen

Genetische Abstände

Generell quantifizieren die genetischen Abstandsmaße die relativen Anteile von Varianten zwischen zwei Populationen. Hier werden der

* allelische Abstand an einem Einzellocus (hier: k): dkXY

* sowie der genische Abstand, also der allelische Abstand über mehrere Genloci: dXY

verwendet. Die Vorteile dieser Maße liegen u.a. in der Erfüllung der Dreiecksungleichung sowie in den symmetrischen Eigenschaften der errechneten Abstände (GREGORIUS 1974). Werte nahe „1“ signalisie-ren vollständige genetische Verschiedenheit, solche nahe „0“ vollständige Übereinstimmung.

Genetische Differenzierung

Differenzierungsmaße dienen zum Messen des Ausmaßes der Verschiedenheit eines Teiles von seiner Grundgesamtheit, sie greifen also „weiter“ als die paarweise ermittelten genetischen Abstände.

Die Gesamtdifferenzierung innerhalb von Populationen oder Demen δδT ermöglicht einen besseren Ver-gleich der Differenzierung des Allelbestandes von Individuen eines Kollektives, als die Diversität, mit welcher sie in funktionaler Beziehung steht (GREGORIUS & ROBERDS 1986). Die Gesamtdifferenzierung nimmt Werte zwischen „0“ und „1“ (=differenziert) an, welche stets kleiner sind als die genische Diver-sität (s.o.).

Auf der Ebene mehrerer Deme einer Art bezeichnet Dj die Populationsdifferenzierung (MÜLLER -STARCK & GREGORIUS 1986), welche die Unterschiede von Allelhäufigkeiten des einzelnen Demes zu den jeweiligen Häufigkeiten in der komplementären Vereinigungsmenge (=Genpool) der übrigen Deme quantifiziert. Die mittlere Differenzierung des Genpools δδ errechnet sich aus dem gewogenen Mittel der Populationsdifferenzierungen aller Deme. In der vorliegenden Arbeit sollte es beispielsweise möglich sein, die badischen Bestände bezüglich ihrer Subpopulationsdifferenzierung innerhalb bestimmter, als Ursprungsgebiete vermuteter Teilareale zu untersuchen. Eine hohe Repräsentativität (HATTEMER 1994), d.h. geringe Differenzierung von den übrigen Vergleichs-Demen, müßte als weiteres Indiz für die jewei-lige Abstammungshypothese gewertet werden.

Amerikanische Parameter

Der Vergleich zu den Parametern von NEI drängt sich auf, um eine vergleichende Diskussion mit bishe-rigen Forschungsergebnissen überhaupt sinnvoll durchführen zu können. Zum Einsatz kommen das genetische Abstandsmaß von NEI (1978) sowie die Diversitätsmaße HT (totale Gen-Diversität), HW

(Diversität innerhalb einer Population) und DST (Diversität zwischen Populationen) (NEI 1973), welche auch in der Studie von LI & ADAMS (1989) Verwendung fanden.