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3. Zur Situation von Frauen mit Behinderung

3.3. Freizeit

Der Terminus Freizeit setzt sich aus dem Adjektiv „frei“ und aus dem Substantiv „Zeit“

zusammen. Es beschreibt die persönliche freie Zeit, die weder durch die Anforderungen gesellschaftlich strukturierter Arbeit noch durch die notwenige Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, das Stillen unserer Grundbedürfnisse, geprägt ist. Die Freizeit wird gekennzeichnet durch eine selbstbestimmte, individuelle Gestaltung der Zeit. Dabei sind Grenzen in gewissem Maße gegeben. Oft wird Freizeit auch durch die Inhalte und Strukturen aus dem Arbeitsverhältnis beeinflusst. (Markowetz 2000: 9)

Opaschowski (1990. 13, zit. nach Markowetz 2000: 10) definiert vier Phasen der Freizeitentwicklung im 20. Jahrhundert. In den 40er und 50er Jahren galt Freizeit als Erholung von getaner und noch ausständiger Arbeit. Freizeit in den 60er und 70er Jahre stand im Zeichen des Konsumgenusses, wobei Freizeit aktiv ausgelebt wurde und Geldausgeben und soziale Selbstdarstellung wesentlich im Vordergrund standen. In den 1980er Jahren verlagerte sich der Fokus auf die Bedürfnisse des gemeinsamen Erlebens und der Entwicklung eines eigenen Lebensstils. Dies wurde von einer mußeorientierten Freizeit in den 90er Jahren abgelöst, in der das Bedürfnis nach Ruhe und innerer Muße stieg und ein Selbstbestimmungsboom erkennbar war. (Ebd.) In der heutigen Zeit findet Freizeit einen immer größeren Stellenwert, da in der Zukunft die Arbeitszeit knapper wird und man so mehr Zeit zur freien Verfügung hat. Es zeigt sich der Trend, dass man sich auch immer mehr durch die Gestaltung der freien Zeit und durch eigene Interessen definiert.

Zur Definition der Freizeit ist zu sagen, dass es zwei maßgebende Richtungen gibt. Eine Richtung geht davon aus, dass Freizeit mehr oder weniger von der Arbeit bestimmt ist. Die zweite Richtung vertritt den Standpunkt, dass Freizeit ein komplett eigenständiger Lebensbereich ist.

Opaschowski (1990: 85f., zit. nach Markowetz 2000: 11) führte erstmals ein positives Freizeitverständnis ein. Er sieht Freizeit als „freie Zeit, die durch freie Wahlmöglichkeiten, bewu[ss]te Eigenentscheidung und soziales Handeln charakterisiert ist“. Zudem entfernte sich Opaschowski von der Einteilung in Arbeit und Freizeit, sondern sprach von der Lebenszeit, die durch mehr oder weniger große Einteilungsfreiheit und Entscheidungskompetenz charakterisiert ist. Die Determinationszeit ist gekennzeichnet durch hohe Fremdbestimmung und einen niedrigen Grad an Freiwilligkeit, beispielsweise Arbeit oder Krankheit. Die Dispositionszeit hingegen ist die freie Zeit, die selbstbestimmbar ist, zum Beispiel Urlaub oder Vereinsarbeit. In der Obligationszeit werden zweckbestimmte Tätigkeiten erledigt und Bedürfnisse gestillt. Dieser

Freizeitbegriff und auch die Einteilung von Lebenszeit ist auf alle Bevölkerungsgruppen übertragbar und somit auch für Frauen mit Behinderung gültig.

Weiters kennzeichnend für die Beschreibung von Freizeit sind acht Freizeitbedürfnisse die Opaschowski (1990: 92ff, zit. nach Markowetz 2000: 13) definierte. Diese gelten für alle Menschen, aber in unterschiedlich starker Ausprägung. Die ersten vier Bedürfnisse sind individuumsorientiert, die letzten vier gesellschaftsorientiert. Auch für Frauen mit Behinderung gelten die gleichen Bedürfnisse, die Befriedigung derer kann sich aber als schwieriger erweisen.

Die folgende Abbildung zeigt die Bedürfnisse und mögliche Einschränkungen sowie Benachteiligungen für Frauen mit Behinderung.

Abbildung 1: Freizeitbedürfnisse und Behinderung

Bedürfnisse Bedürfnis nach … Benachteiligung für Frauen mit Behinderung

Rekreation Erholung, Ruhe, Wohlbefinden, angenehmem Körpergefühl, sexueller Befriedigung

Abhängigkeit von anderen Personen, begrenztes Ausleben sexueller

Edukation Kennenlernen, Weiter- und Umlernen in verschiedenen

Kontemplation Selbsterfahrung, Selbstfindung Abhängigkeit von zugeteiltem Pflegepersonal, Bevormundung, Kontrolle, Isolation

Kommunikation Mitteilung, vielfältigen sozialen Beziehungen, Geselligkeit

Reduzierte Kommunikation durch Frustration und sich unverstanden fühlen, eingeschränkte Erreichbarkeit

und Auswahl von

Kommunikationspartner/-partnerinnen Integration Zusammensein, soziale

Stabilität, Gemeinschaftsbezug

Wechsel von Bezugsgruppe und Bezugspersonen ohne Rücksicht auf persönliche Interessen, Diskriminierung und Isolierung in der Gesellschaft Partizipation Beteiligung, Mitbestimmung,

Engagement

Fremdbestimmung durch Andere und Institutionen, Entscheidungen werden

Fehlende kreative und produktive Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, kulturelle Angebote sind exkludierend

Frauen mit Behinderung fällt es meist leichter die Bedürfnisse zu stillen, die am Individuum orientiert sind. Die gesellschaftlichen Zielfunktionen bedeuten ein größeres Hindernis, da die Möglichkeiten in diesem Bereich eingeschränkt sind. (Ebd.: 14) Auch Friske (1995) führt Gründe für die Erschwernis der Freizeitauslebung von Frauen mit Behinderung an. Diese sind Aussonderung, gesellschaftliche Isolation, fehlende Hilfen, eingeschränkte Mobilität, Selbstversorgung, Orientierung und Mobilität, sowie Exklusion von Freizeit- oder Urlaubsangeboten. Auch Örtlichkeiten wie Kulturzentren, Cafés, Lokale oder Discos sind auf Frauen mit Behinderung nicht ausgerichtet, nicht barrierefrei, und sehen sie nicht als Kundschaft.

Es zeigt sich, dass je größer die soziale Abhängigkeit ist, desto geringer ist die Möglichkeit der selbstorganisierten, spontanen Freizeitgestaltung. Neben dieser spontanen Freizeitbeschäftigung gibt es noch unterschiedliche organisierte Freizeitangebote. Zu diesen zählen beispielsweise Kurse, kreative Angebote und Bildungsangebote. Diese Angebote umfassen meist Basteln, Werken, Kochen, Backen, Tanz, Musik und bildnerisches Gestalten.

Auffallend ist, dass die meisten Veranstaltungen selten inklusiv gestaltet sind. Zu den organisierten Freizeitangeboten zählen auch sportliche Aktivitäten, wobei sich Schwimmen, Kegeln und Gymnastik hoher Beliebtheit erfreuen. Offene Angebote und Clubs stellen eine weitere Form der Freizeitangebote dar. Dazu zählen Feste, Discobesuche und Stadtbummel oder Cafébesuche. Hier ist der Anteil der ehrenamtlichen Mitarbeitenden sehr hoch. Ein weiteres Angebot umfasst den Bereich Reisen und Urlaub. Dazu zählen Tagesfahrten, Ausflüge und weitere Reisen. Auch hier ist kein inkludierender Gedanke sichtbar. Es zeigt sich, dass Angebote zur Fortbildung und auch geschlechterspezifische Angebote fehlen. Zudem sollten die Selbstbestimmung der Teilnehmenden sowie der Inklusionsgedanke mehr im Fokus stehen.

(Klauß 2005: 353)

Interessant ist auch, welche Orte für die Freizeit gewählt werden. Besonders das Zuhause ist der bevorzugte Ort um die Freizeit zu verbringen. Der entscheidende Faktor hierbei ist die Mobilität.

Menschen mit Behinderung, die öffentliche Verkehrsmittel verwenden können und somit mobil sind, verbringen ihre Freizeit eher außerhalb des Wohnortes, treffen häufiger Freunde und Freundinnen sowie den Partner beziehungsweise die Partnerin. Es wird öfter Sport betrieben und auch der Discobesuch findet häufiger statt. Besonders bei Frauen mit Behinderung fällt auf, dass sie ihre Freizeit vermehrt zuhause verbringen und auch seltener die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. (Ebert 2000: 100ff.)

Auch die Wahl der Freizeitpartner und -partnerinnen zeigt, dass diese von Freizeitort und Freizeitaktivität abhängig sind. Trotzdem sind Eltern und nahe Angehörige die favorisierten Partner und Partnerinnen in Freizeitangelegenheiten von Frauen mit Behinderung. Danach kommen Freunde und Freundinnen aus der Arbeit. Diese haben meist auch eine Behinderung.

Die Kontakte mit nichtbehinderten Menschen sind rar und beschränken sich vor allem auf Familie und Betreuungspersonal. (Ebd.: 101f.)

Für Frauen mit Behinderung, die aufgrund fehlender Möglichkeiten und bestehender Einschränkungen nicht in der Lage sind vielfältige Freizeitangebote in Anspruch zu nehmen, gibt es die Unterstützung in Form von persönlicher Assistenz. Diese ist der Schlüssel zu Teilhabechancen und Teilhabemöglichkeiten in allen gesellschaftlichen Bereichen. Diese Assistenz ist für Menschen mit Behinderung meist eine Bezugsperson und eine Person des Vertrauens. Sie unterstützt die Person in Freizeitbelangen, bei der sonst unüberwindbare Hindernisse die Aktivität nicht ermöglichen würden. Die Gestaltung der Freizeitassistenz ist abhängig von den unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen der einzelnen Person. Wichtig dabei ist, dass für jedes Individuum ein ganz eigenes Paket an Dienstleistungen zusammengeschnürt werden kann. Die Dienstleistung ist immer wieder auf die schwankenden Interessen abzustimmen. Mit der Freizeitassistenz sollen insbesondere Selbstbestimmungskompetenzen und die Entwicklung von Empowerment gestärkt und gefördert werden. (Markowetz 2007: 155ff.)