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3. Zur Situation von Frauen mit Behinderung

3.2. Arbeit

Etymologisch wird Arbeit als die Nutzung der Natur durch den Menschen verstanden. In der Ökonomie hingegen wird Arbeit als ein grundlegender Produktionsfaktor verstanden, sie dient der Erzeugung von Produkten und Dienstleistungen sowie dem Erschaffen geistig-kultureller Objekte. Arbeit kann somit als Reproduktion im einfachen Sinne gesehen werden. Meist wird

Arbeit aber synonym mit Erwerbsarbeit verwendet. Diese hat eine subsistenzsichernde sowie identitätsstiftende Funktion. (Tenorth & Tippelt 2012: 31)

Eine oft zitierte Definition von Arbeit stammt von Zwierlein (1997:18): „Arbeit, sei sie ideell oder materiell, [ist] eine planvoll organisierte und angestrengte menschliche Tätigkeit […], die primär menschlicher Existenzsicherung und Bedürfnisbefriedigung dient“. Arbeit ist eine lebensnotwendige Bedingung unseres Lebens, wobei der monetäre Faktor hier eine entscheidende Rolle spielt. Reproduktionsarbeit oder ehrenamtliche Arbeit, zwei weitere Formen der Arbeit, werden meist außer Acht gelassen dabei. Auch wenn diesen beiden Formen der Arbeit mehr Bedeutung zukommen sollte, besonders im Hinblick darauf, dass in Zukunft ein Rückgang der Erwerbsarbeit aufgrund der Technologisierung geschehen wird, ist Erwerbsarbeit ein zentraler Lebensbereich in unserer Gesellschaft. Erwerbsarbeit erfüllt unterschiedliche Funktionen:

• Für die meisten Menschen bedeutet Erwerbsarbeit eine materielle Existenzsicherung.

Durch den Lohn können Grundbedürfnisse wie Essen, Wohnen und Kleidung abgedeckt und somit eine persönliche Unabhängigkeit geschaffen werden. Die Höhe des Einkommens bestimmt dabei maßgeblich die Möglichkeiten der Lebensgestaltung, besonders im Wohn- und Freizeitbereich. Die Höhe des Lohns ist nach dem Arbeitsfeld, der Qualifikation und der Berufserfahrung gerichtet.

• Arbeit wird auch in Bezug auf das Bedürfnis nach Sicherheit wichtig. Aufgrund von Arbeitsverträgen werden Rechte und Pflichten geregelt und bieten meist einen Kündigungsschutz. Durch die Abgaben, die man an den Sozialstaat zahlt, hat man eine soziale Sicherung bei Krankheit und im Alter.

• Arbeit hat weiters eine strukturierende Funktion. Sie teilt das Leben räumlich in Arbeits- und Wohnstätten. Zeitlich gesehen strukturiert Arbeit unser Leben durch Arbeitszeit, Freizeit, Arbeitstage, Wochenende und Urlaub, aber auch lebensgeschichtlich als biografischen Abschnitt.

• Aufgrund der sozialen Funktion von Arbeit treten wir in Kommunikation und Kooperation mit anderen Menschen. Man hat die Möglichkeit in Kontakt mit anderen zu treten und den sozialen Horizont zu erweitern. Weiters ermöglicht sie die Annahme unterschiedlicher sozialer Rollen und die produktive Teilhabe an der Gesellschaft.

• Auch für die eigene Identität, den sozialen Status und die soziale Anerkennung ist Arbeit maßgebend. Meist dient Erwerbsarbeit dazu, uns zu definieren und uns vor anderen zu präsentieren.

• Arbeit kann auch als Aktivität gesehen werden, bei der man mit seinem Tun etwas (er)schafft, seine eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen kann und diese auch weiterentwickelt. (Doose 2006: 65f.)

Auch für Frauen mit Behinderung nimmt Arbeit einen hohen Stellenwert ein, da sie als Grundlage für eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gilt.

Erwerbsarbeit erbringt hierbei sozusagen einen öffentlichen Bereich für Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Zudem werden die öffentlichen finanziellen Unterstützungen vermindert oder vermieden, wobei hervorzustreichen ist, dass das Einkommen im Gegensatz zur Sozialleistung aufgrund persönlichen Könnens bezogen wird, nicht aufgrund der Behinderung.

Durch die Arbeit werden die eigenen Fähigkeiten und die Qualifikationen in den Vordergrund gestellt, entgegen einer sonst defizitären Sichtweise. Besonders für Frauen mit Behinderung gilt Arbeit als eine essentielle Form der gesellschaftlichen Integration und als eine Möglichkeit, einen normalen Lebenslauf zu gestalten. (Wolf: 2010: 158f.)

Menschen mit Behinderung streben, so wie Menschen ohne Behinderung, nach der schulischen oder beruflichen Ausbildung in der Regel eine Beschäftigung an. Dabei haben sie die Möglichkeit am ersten, dem allgemeinen, oder am zweiten Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden. Wenn Menschen mit Behinderung am allgemeinen Arbeitsmarkt eine Anstellung finden wollen, haben sie einerseits mit einer hohen Zahl an Erwerbslosen, mit und ohne Behinderung, sowie meist einem defizitären Blick auf ihre berufliche Qualität zu kämpfen. Nichtsdestotrotz sieht die Gesetzgebung bei einer Fixanstellung eine Reihe von Leistungen vor, sowohl für Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen als auch für Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen. Unterstützt werden Menschen mit Behinderung in solchen Situationen von Integrationsfachdiensten. Das sind Dienste, die die Eingliederung von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei der Aufnahme, Ausübung und Sicherung unterstützen sollen. (Doose 2006:

103f.) Integrationsfachdienste haben die Aufgabe Menschen mit Behinderung, Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen, Schulen und Werkstätten Beratung und Unterstützung anzubieten, sodass der Einstieg und Wiedereinstieg in das Erwerbsleben erleichtert wird. Zudem sind diese ambulanten Dienstleister/Dienstleisterinnen dafür zuständig, bereits vorhandene Arbeitsplätze aktiv zu fördern. Zielgruppen der Integrationsfachdienste sind insbesondere

Menschen mit Lernschwierigkeiten, mehrfacher oder physischer Behinderung, schwerbehinderte Werkstattmitarbeiter/-mitarbeiterinnen sowie Langzeitarbeitslose, ältere Menschen und unzureichend beruflich qualifizierte Personen. Die Aufgaben der Integrationsfachdienste gestalten sich vielfältig. Zunächst unterstützen sie bei der Vorbereitung auf das Arbeitsleben, weiters auch beim Übergang von Schule in Beruf. Hierbei liegt ein Fokus auf der betrieblichen Integration, im Gegensatz zu einer herkömmlichen Anstellung im Rahmen einer geschützten Werkstatt. Ein wesentliches Ziel von Integrationsfachdiensten ist das Finden eines adäquaten Arbeits- oder Ausbildungsplatzes gemeinsam mit der betreuten Person. Ist dieser Schritt abgeschlossen, wird die Begleitung am Arbeitsplatz fortgesetzt, wodurch die Sicherung der Anstellung bewerkstelligt werden soll. Neben der Beratung der Zielgruppe werden auch Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen beraten und unterstützt. Integrationsfachdienste nehmen auch an den Kündigungsschutzverfahren teil und vertreten hier gleichermaßen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen. (Theunissen 2009:

318ff.)

Neben einer Anstellung am allgemeinen Arbeitsmarkt gibt es für Menschen mit Behinderung spezielle Werkstätten. Diese sollen für Menschen mit Behinderung, die nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, eine angemessene berufliche Bildung und Beschäftigung schaffen und den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern. Diese Werkstätten für Menschen mit Behinderung sollen ein breites Spektrum an Arbeitsangeboten bieten, typisch sind beispielsweise Arbeitsfelder in den Bereichen Verpackung, Versand, Druck oder Gartenpflege. Meist sind sie außerbetrieblich geregelt und auch räumlich getrennt. Werkstätten sind verpflichtet, aus dem Arbeitsergebnis heraus, den Mitarbeitenden ein Arbeitsentgelt zu bezahlen. (Doose 2006: 108ff.)

Menschen mit Behinderung, die nicht im Arbeitsbereich der Werkstätten beschäftigt werden (können), meist aufgrund mehrfacher oder schwerster Behinderungen, werden in Tagesstätten unterstützt. Im Vordergrund dieser Institutionen stehen tagesstrukturierende Maßnahmen und Pflege. Es wird in Tagesstätten keine Anforderung an ein Leistungsniveau gestellt, somit besteht auch kein Leistungs- und Erfolgsdruck und es muss kein Arbeitspensum eingehalten werden.

Menschen mit Behinderung, die in Tagesstätten angestellt sind, haben aber auch keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, meist wird ihnen ein minimales Taschengeld ausbezahlt. Hier anzumerken ist, dass auch Menschen, die aufgrund ihrer schweren oder mehrfachen Behinderung in Tagesstätten arbeiten, mit der notwendigen intensiven Unterstützung auch an

der Arbeit in Betrieben oder im Gemeinwesen teilhaben können, wie Erfahrungen aus den USA zeigen. (Ebd.: 113)

Friske (1995: 63) stellte damals bereits fest, dass Frauen, mit und ohne Behinderung, meist im Bereich der Zuarbeit tätig sind, meist in Teilzeitbeschäftigung und in ungeschützten Arbeitsverhältnissen, und durchschnittlich weniger Lohn als Männer in den gleichen Positionen erhalten. Niehaus (2007: 175) führt dazu aus, dass weniger als die Hälfte der Menschen mit Behinderung erwerbstätig sind und ihre Arbeitslosenquote doppelt so hoch ist wie die entsprechende Quote bei Menschen ohne Behinderung. Dies lässt einerseits auf eine niedrige Wiedereingliederung nach langanhaltenden Gesundheitsproblemen beziehungsweise Behinderung sowie auf ein verhältnismäßig niedriges Bildungs- und Berufsbildungsniveau schließen. Gesetze zur Frauenförderung und Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt gelten zwar sowohl für Frauen ohne als auch für Frauen mit Behinderung, es sind aber noch immer einige Defizite erkennbar. Hier anzuführen ist beispielsweise das Einkommen, das von Frauen mit Behinderung geringer ist als das von Männern mit Behinderung und Nichtbehinderten. Nach Angaben des Sozialministerium Österreichs stimmt dies mit den Angaben aus Österreich überein.

(Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2016)

Ausgehend von den oben beschriebenen Ausführungen, dass Arbeit die Funktionen einer materiellen Existenzsicherung, der sozialen Sicherheit und des sozialen Status stark beeinflussen, wird sichtbar, welchen Wert es für Frauen mit Behinderung hat, in einem Arbeitsverhältnis zu stehen. Durch eine Beschäftigung haben sie eine Chance auf einen normalen Lebenslauf, einen Ortswechsel im Laufe des Alltags, soziale Anerkennung und soziale Kontakte. Die niedrige Bezahlung beziehungsweise das Taschengeld, das Frauen mit Behinderung bekommen, macht aber eine selbstständige Existenzsicherung und eine freie, unbegrenzte Freizeitgestaltung unmöglich. (Friske 1995: 63ff.)

In den Arbeitsstätten für Menschen mit Behinderungen, aber auch in den geschützten Werkstätten, wird eine Geschlechterhierarchie beispielsweise bei der Arbeitsaufteilung spürbar.

Männer mit Behinderung bekommen meist Aufgaben, die ihnen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gute Beschäftigungspositionen ermöglichen. Sie werden eingeteilt im Metall-, Montage- und Holzbereich. Frauen mit Behinderung hingegen werden, wenn überhaupt, auf Positionen vorbereitet, die ungünstige Konditionen und niedrigste Entlohnung bedeuten, wie beispielsweise Hausreinigung. (Ebd.: 65ff.)