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5. Empirische Forschung

5.1. Datenerhebung

Für die Erforschung der Thematik „Sexualität von Frauen mit Behinderung“ habe ich eine qualitative Form der empirischen Forschung gewählt. Qualitative Forschung hat das Ziel, Lebenswelten von innen heraus, aus der Sicht der betroffenen Menschen zu beschreiben. Sie will damit zu einem „besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) betragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen“ (Flick, Karndorff & Steinke 2012:

14). In der qualitativen Forschung liegt der Fokus darauf, das Fremde und Unbekannte als Erkenntnisquelle zu sehen und damit Möglichkeiten der Erkenntnis, auch Seiner selbst, zu eröffnen. Qualitative Forschungsmethoden sind häufig in ihrer Zugangsweise offener und näher an der subjektiven Realität. Sie können in ihrer Konzipierung der Erhebungsmethode offener sein als quantitative Methoden. Zudem liefern sie subjektive Sichtweisen sowie den individuellen Blick auf die Lebenswelten beziehungsweise deren Konstruktion. Dies ist besonders wichtig in Hinblick auf die individuellen Lebensläufe, Lebensformen und Lebensstile, die derzeit überhandnehmen. Quantitative Forschungsmethoden haben in diesem Punkt einen Nachteil, da sie von einer festen Vorstellung über den zu untersuchenden Gegenstand ausgehen müssen.

Zentraler Ausgangspunkte für die Theoriebildung sind Offenheit, innere Verfasstheit und ihre Konstruktionsprinzipien. (Ebd.: 17)

Nach Flick, Karndorff und Steinke (2012: 22) sind die folgenden Punkte die theoretischen Grundannahmen zur qualitativen Forschung:

• „Soziale Wirklichkeit als gemeinsame Herstellung und Zuschreibung von Bedeutungen.

• Prozesscharakter und Reflexivität sozialer Wirklichkeit.

• <Objektive> Lebensbedingungen werden durch subjektive Bedeutungen für die Lebenswelt relevant.

• Der kommunikative Charakter sozialer Wirklichkeit lässt die Rekonstruktion von Konstruktionen sozialer Wirklichkeit zum Ansatzpunkt der Forschung werden.“

Weiters werden 12 Kennzeichen einer qualitativen Forschungspraxis zusammengefasst und angeführt:

• „Methodisches Spektrum statt Einheitsmethode

• Gegenstandsangemessenheit von Methoden

• Orientierung am Alltagsgeschehen und/oder Alltagswissen

• Kontextualität als Leitgedanke

• Perspektiven der Beteiligten

• Reflexivität des Forschers

• Verstehen als Erkenntnisprinzip

• Prinzip der Offenheit

• Fallanalyse als Ausgangspunkt

• Konstruktion der Wirklichkeit als Grundlage

• Qualitative Forschung als Textwissenschaft

• Entdeckung und Theoriebildung als Ziel“ (Flick, Karndorff & Steinke 2012: 24)

Zur Datenerhebung wählte ich die Methode des qualitativen Leitfadeninterviews, sowohl mit Frauen mit Behinderung als auch mit Expertinnen. Dies soll einerseits die subjektive Realität aufzeigen und andererseits die herrschende fachliche Meinung widerspiegeln.

Leitfaden-Interviews sind eine Form der verbalen Datenerhebung, wobei die Fragen meist offen gestaltet sind und teilweise streng strukturiert oder frei zu ordnen sind und die Möglichkeit besteht, von interviewenden und interviewten Personen zu ergänzen. Teilweise fungieren die Leitfragen lediglich als eine Art Gerüst, wobei die Themenkomplexe offengehalten werden und die interviewte Person zu Erzählungen auffordern. Wichtig bei Leitfaden-Interviews sind grundlegende theoretische Kenntnisse der Thematik, um die Fragen richtig formulieren zu können. Es bestehen mehrere Varianten zur Vorstrukturierung der Interviews mittels Leitfaden.

Es ist möglich, dass vorab detaillierte Fragen formuliert werden und diese in einer bestimmten Reihenfolge dem Gegenüber gestellt werden. Weiters können auch Fragen vorgegeben werden, die in jedem Fall angesprochen werden müssen. Die Reihenfolge der zu stellenden Fragen ist gleichgültig und es können noch Themen vom Befragten/von der Befragten eingebracht werden.

Auch besteht die Möglichkeit, die Leitfragen lediglich als Gerüst für das Gespräch anzusehen, wobei die Erzählaufforderungen der unterschiedlichen Themenkomplexe zu Darstellungen und Ausführungen von Erfahrungen, Einschätzungen und Erlebnissen führen soll. Aufgrund der

verfolgt werden, genauso unterschiedlich. Wichtig hier ist anzumerken, dass es in der Praxis zahlreiche Mischformen gibt und verschiedene Varianten angewendet werden. (Friebertshäuser

& Langer 2013: 439f.) Ausschlaggebend für diese Forschung ist es, eine Erzählstruktur bei den Interviewpartnerinnen zu schaffen und viele Möglichkeiten des Einbringens für die interviewte Person zu schaffen. Im Folgenden wird noch näher auf die speziellen Formen der durchgeführten Interviews eingegangen, da die Zielgruppe sehr heterogen ist und somit unterschiedliche Aspekte beachtet werden müssen.

Für diese Arbeit habe ich Interviews mit Expertinnen geführt, Expertinnen der aktuellen Wissens- und Forschungslage und Expertinnen der eigenen Sexualität. Aufgrund dieses gemeinsamen Nenners, wurden im Speziellen Expertinneninterviews als Medium der Befragung gewählt.

Experten/Expertinnen in diesem Sinne sind Personen, die aufgrund ihrer Beteiligung Expertenwissen über den Sachverhalt erworben haben, unabhängig von sozialem Status oder beruflicher Stellung. Ein Experten-/Expertinneninterview ist demnach eine Methode, um dieses Wissen zu erschließen. Zum Einsatz kommen Experten-/Expertinneninterviews, wenn es sich um Untersuchungen handelt, in denen soziale Situationen und/oder Prozesse rekonstruiert werden sollen. Dabei übernehmen Experten/Expertinnen die Rolle der Vermittler/Vermittlerinnen und sollen das besondere Wissen der involvierten Personen dem Forscher/der Forscherin näherbringen. Experten-/Expertinneninterviews zählen zu den rekonstruierenden Untersuchungen, wobei Sachverhalte rekonstruiert werden sollen. (Gläser & Laudel 2004: 10f.) Interviews mit Menschen stellen aus unterschiedlichen Gründen eine besondere Herausforderung dar. Schwierigkeiten kann es bei der Entwicklung von forschungsmethodischen Annäherungen an die subjektive Perspektive, besonders von Menschen mit Lernschwierigkeiten, geben. Ein weiteres Problem stellt die Heterogenität des Personenkreises dar sowie oftmals auftretende Verständigungsprobleme. Dies sind meist Argumente dafür, qualitative Forschungsmethoden zu wählen, oder die subjektive Sichtweise von Menschen mit Behinderung außer Acht zu lassen. Wenn heutzutage Forschungen im Kontext physischer und körperlicher Behinderung durchgeführt werden, so liegt ein Fokus darauf, mit ihnen zu forschen, sie sollen in den Forschungsprozess miteinbezogen werden. (Terfloth & Janz 2009: 9ff.)

Aufgrund der Besonderheiten der Zielgruppe wurden einer der Interviewleitfaden sowie die Datenschutzerklärung in einfacher Sprache verfasst. Einfache Sprache ist ein Kommunikationsmittel zum Abbau sprachlicher Barrieren. Für diese Methode gibt es keine allgemeine anerkannte Definition. Es ist ein Deutsch für den schriftlichen Gebrauch, das mit Hilfe

von Sprachempfehlungen die Verständigung vereinfachen soll. Ein striktes Regelwerk dazu gibt es nicht. Im Gegensatz zu anderen optimierten Kommunikationsmitteln im deutschen Sprachraum, lässt die einfache Sprache etwas komplexere Konstruktionen zu und regelt die Gestaltung der Dokumente wenig bis gar nicht. Die einfache Sprache soll Kognitions- und Sprachbarrieren entgegenwirken und richtet sich somit an Menschen mit eingeschränkten Lesefähigkeiten beispielsweise Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Menschen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen. (Schubert 2016: 21f.)