• Keine Ergebnisse gefunden

Sexualität von Frauen mit Behinderung

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Sexualität von Frauen mit Behinderung"

Copied!
108
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Stefanie Hribernig BA

Sexualität von Frauen mit Behinderung

Eine Annäherung

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

Studium: Masterstudium Sozial- und Integrationspädagogik

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Begutachterin

Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Marion Sigot Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung

Klagenfurt, Oktober 2018

(2)

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt, dass ich

• die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe,

• die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, einschließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe,

• die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder sinngemäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in Fußnoten) ersichtlich gemacht habe,

• die eingereichte wissenschaftliche Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer Prüfungsbehörde vorgelegt habe und

• bei der Weitergabe jedes Exemplars (z.B. in gebundener, gedruckter oder digitaler Form) der wissenschaftlichen Arbeit sicherstelle, dass diese mit der eingereichten digitalen Version übereinstimmt.

Mir ist bekannt, dass die digitale Version der eingereichten wissenschaftlichen Arbeit zur Plagiatskontrolle herangezogen wird.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Stefanie Hribernig BA e.h. Klagenfurt, Oktober 2018

(Unterschrift) (Ort, Datum)

(3)

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ... 1

Einleitung ... 2

1. Theoretische Grundlagen ... 6

1.1. Behinderung ... 6

1.2. Sexualität ... 10

2. Rechtliche Grundlagen ... 12

2.1. Menschenrechtskonvention ... 12

2.2. Behindertenrechtskonvention ... 14

2.3. Rechtslage in Österreich ... 16

3. Zur Situation von Frauen mit Behinderung ... 17

3.1. Wohnen ... 20

3.2. Arbeit ... 25

3.3. Freizeit ... 30

3.4. Exkurs: Selbstvertretungsgruppen ... 33

4. Spezifische Aspekte einer Sexualität von Frauen mit Behinderung ... 34

4.1. Sexualität von Frauen (mit Behinderung) ... 35

4.2. Institutionelle Hindernisse ... 38

4.3. Partnerschaft & Ehe ... 40

4.4. Verhütung ... 43

4.5. Schwangerschaft & Mutterschaft ... 45

4.6. Homosexualität & Bisexualität ... 47

4.7. Sexuelle Gewalt ... 49

4.8. Sexuelles Erleben ... 52

4.8.1. Selbstbefriedigung ... 52

4.8.2. Hilfsmittel ... 55

4.8.3. Pornografie ... 56

(4)

4.8.4. Sexualassistenz & Sexualbegleitung ... 58

5. Empirische Forschung ... 60

5.1. Datenerhebung ... 61

5.2. Durchführungsphase ... 64

5.2.1. Interviewpartnerinnen ... 64

5.2.2. Erstellen der Leitfäden ... 66

5.2.3. Interviewdurchführung ... 67

5.2.4. Datenschutz ... 68

5.3. Auswertungsmethode ... 68

5.4. Untersuchungsergebnisse & Interpretation ... 70

5.4.1. Gemeinsamkeiten & Unterschiede ... 71

5.4.2. Gesellschaft ... 73

5.4.3. Institutionelle Hindernisse ... 77

5.4.4. Partnerschaft ... 80

5.4.5. Mutterschaft... 83

5.4.6. Verhütung ... 87

5.4.7. Sexuelle Gewalt ... 88

5.4.8. Wünsche ... 90

6. Resümee ... 91

Quellenverzeichnis ... 94

Anhang ... 101

(5)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Freizeitbedürfnisse und Behinderung ... 31 Abbildung 2: Interviewpartnerinnen ... 65

(6)

Einleitung

Sexualität ist heutzutage ein Thema, dass uns im Alltag immer wieder begegnet: im Fernsehen, im Internet, auf Werbeplakaten oder in Zeitschriften. Dieses Thema gehört zum täglichen Leben und doch kann man erkennen, dass es in gewisser Hinsicht trotzdem tabuisiert wird. Besonders Frauen und im speziellen Frauen mit Behinderung erleben eine Untersagung ihrer eigenen Sexualität, wobei ihnen diese direkt oder indirekt abgesprochen wird. Dadurch werden unterschiedlichen Themen wie Partnerschaft, Mutterschaft, Verhütung oder sexuelle Gewalt zu wenig Beachtung geschenkt. Diese Arbeit richtet sich deshalb bewusst an eine Thematik, über die noch immer zu viel geschwiegen wird. Frauen mit Behinderung und ihre Sexualität sowie alles was darauf einwirkt, stehen im Mittelpunkt der Überlegungen.

Wie bereits beschrieben, liegt der Fokus dieser Arbeit auf Frauen mit Behinderung, wobei in die Ausführungen zu dem Thema sowohl körperliche und kognitive, als auch mehrfache Behinderungen miteingeschlossen wurden. Behinderung soll hierbei keinen rein medizinischen Standpunkt darlegen, sondern wird von sozialen, politischen, kulturellen und ökonomischen Faktoren beeinflusst. Nichtsdestotrotz steht die Frau als Subjekt im Vordergrund. Mehrere große Themenbereiche, die Frauen mit Behinderung und ihre Sexualität beeinflussen, werden zudem in die Überlegungen mit aufgenommen und dargelegt.

Es zeigt sich, dass die primäre körperliche oder kognitive Beeinträchtigung betroffene Menschen meist viel weniger am Erleben ihrer Sexualität hindert, als die ablehnenden Vorurteile, die hinderlichen baulichen und strukturellen Restriktionen sowie ein sexualfeindliches Normen- und Gesellschaftssystem. Aus diesem Grund möchte ich die Gesamtsituation von Frauen mit Behinderung beleuchten und aufzeigen, welche weiteren Hindernisse es gibt und welche Auswirkungen sie auf ihre Sexualität haben.

In den letzten 20 Jahren wandte man sich immer mehr dieser Thematik zu und schenkte ihr im professionellen Forschungsbereich immer wieder Beachtung. Ausführungen von Bender (2012), Hennies & Sasse (2004), Specht (2008), Cloerkes (2007) und Schröttle (2015) werden in dieser Arbeit immer wieder herangezogen und zitiert. Besonders wegweisend scheint mir die Publikation von Friske (1995) „Als Frau geistigbehindert sein“, die zwar einige nicht korrekte Wortverwendungen aufweist, aber an Aktualität nicht verloren hat. Dieses Buch gibt ein Grundwissen zur Lebenswelt von Frauen mit Lernschwierigkeiten und zeigt dabei auch Probleme von Frauen mit körperlichen Einschränkungen auf. Dabei ist Sexualität ein großes Thema und

(7)

dass es immer wieder Publikationen zur Verknüpfung der Themenbereiche Sexualität und Behinderung gibt. Auch damit verbundene Thematiken wie beispielsweise sexuelle Gewalt, Partnerschaft, Sterilisation und Ehewunsch werden erörtert. Ein derzeit aktuelles Thema ist Sexualbegleitung beziehungsweise Sexualassistenz und die rechtlichen Änderungen, die vor kurzem in Österreich dazu vorgenommen wurden. Auch das Erwachsenenschutzgesetz neu ist derzeit in Diskussion.

Die Tabuisierung der Sexualität von Frauen mit Behinderung und die unterschiedlichen Einschränkungen, die darauf einwirken, sind der Ausgangspunkt meiner Überlegungen.

Ausgehend davon wird in dieser Masterarbeit der Frage nachgegangen, wie sich Sexualität von Frauen mit Behinderung gestaltet, welche Eigenheiten und Besonderheiten diese aufweist und auf welche Hürden sie trifft. Ein positiver Blick in die Zukunft soll abschließend auch eventuelle Chancen aufzeigen.

Die zentralen Forschungsfragen dieser Arbeit lauten somit:

Wie gestaltet sich die Sexualität von Frauen mit Behinderung? Welche Besonderheiten ergeben sich in diesem Kontext? Welche Hürden, aber auch Chancen bringt dies mit sich?

Ziel dieser Arbeit ist es, die Besonderheiten der Sexualität von Frauen mit Behinderung, sowohl körperliche, kognitive als auch mehrfache Behinderung, aufzuzeigen. Ein grundlegendes Verständnis zur Thematik, wie beispielsweise zu Definitionen, rechtlichen Voraussetzungen oder selbstbestimmtem Leben, soll vermittelt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf den Eigenheiten, die die weibliche Sexualität hervorbringt. Hierbei soll auf Schwangerschaft, Mutterschaft, sexuelle Gewalt usw. eingegangen werden. Grobziel der Arbeit ist es, der Leserschaft/Leserinnenschaft neue Perspektiven zu eröffnen und sie feinfühliger für das Thema zu machen.

Die vorliegende Arbeit ist prinzipiell in zwei Teile aufgeteilt, wobei der erste Part der Arbeit eine theoretische Ausführung zu den wichtigsten Themen enthält. Der zweite Abschnitt umfasst die empirische Forschung. Dazu ist zu sagen, dass für die Erhebung der Daten eine qualitative Methode gewählt wurde. Mittels qualitativen Leitfadeninterviews wurden fünf Probandinnen interviewt. Drei davon sind Expertinnen der Thematik, womit Frauen gemeint sind, die Fachwissen in diesen Interviews wiedergaben. Zwei Interviewpartnerinnen sind Frauen mit Behinderung, die ganz intim über ihre Sexualität reden. Die Auswahl der Interviewten wurde ganz bewusst so getroffen, da Sexualität ein sehr intimes Thema ist, worüber in unserer Gesellschaft eher im privaten Kreis gesprochen wird und sich somit die Suche nach Frauen, die bereit waren

(8)

darüber zu reden, als äußerst schwer gestaltete. Trotzdem konnte gewährleistet werden, dass Blitzlichter aus der subjektiven Sichtweise dargestellt wurden und die Lesenden ein Gefühl für die Situation von Frauen mit Behinderung bekommen. Zudem wurde mit mehreren Expertinnenmeinungen garantiert, dass auch die derzeit fachliche Auffassung genügend Platz findet. Die Interviews wurden anschließend transkribiert und fachlich ausgewertet.

Textausschnitte in der Datenauswertung sollen dazu dienen, die Erfahrungen der befragten Frauen ganz genau widerzuspiegeln.

Die Masterarbeit gliedert sich in sechs Kapitel und ist wie folgt aufgebaut:

Grundlegend wichtig erscheint mir eine Klärung der verwendeten Begriffe vorab, um klar abzugrenzen, welche Termini in welcher Verwendung welche Bedeutung haben. Dies wird in Kapitel 1 abgedeckt, wobei im Besonderen auf die Grundbegriffe Behinderung und Sexualität eingegangen wird. Die unterschiedlichen Herkünfte und Wurzeln der Begriffe werden dargelegt und abschließend wird darauf hingewiesen, welche Termini in dieser Arbeit Verwendung finden.

Um ein umfassendes Verständnis für die Situation von Frauen mit Behinderung zu schaffen werden in Kapitel 2 die rechtlichen Grundlagen erörtert. Dazu zählen die Menschenrechtskonvention, die Behindertenrechtskonvention und die Rechtslage in Österreich.

Anschließend wird in Kapitel 3 näher auf die Situation von Frauen mit Behinderung eingegangen.

Einleitend soll eine Einführung stattfinden, weiters folgt eine Ausführung der drei großen Bereichen Wohnen, Arbeit und Freizeit. Hierbei soll besonders darauf geachtet werden, wie diese Bereiche sich ausgestalten und welche Einschränkungen dies für die Sexualität von Frauen mit Behinderung mit sich ziehen. Zudem wird ein Unterkapitel den Selbstvertretungsgruppen und ihrer Arbeit gewidmet.

Kapitel 4 geht näher auf die spezifischen Aspekte der Sexualität von Frauen mit Behinderung ein.

Hierbei sollen unterschiedliche Perspektiven und Blickwinkel eingenommen werden, um ein möglichst breites Spektrum abzudecken. Thematisiert werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Frauen mit und ohne Behinderung, institutionelle Hindernisse, Partnerschaft und Ehe, Verhütung, Schwangerschaft und Mutterschaft, Homosexualität und Bisexualität sowie sexuelle Gewalt. Das Kapitel „Sexuelles Erleben“ geht sehr praktisch an die Thematik heran und zeigt auf welche Möglichkeiten der Lustbefriedigung Frauen mit Behinderung haben.

Darauf aufbauend wird in Kapitel 5 die empirische Forschung näher erläutert. Für ein besseres Verständnis wird den Leser/Leserinnen detailliert die Untersuchung erklärt. Dazu wird hier näher

(9)

auf die Datenerhebung, die Durchführungsphase sowie die Auswertungsmethode eingegangen.

Weiters werden im Kapitel „Untersuchungsergebnisse und Interpretation“ die Ergebnisse aus der Forschung aufgelistet, analysiert und mit der Literatur in Verbindung gesetzt. Konkret wird hier auf acht Themenbereiche näher eingegangen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Gesellschaft, institutionelle Hindernisse, Partnerschaft, Mutterschaft, Verhütung, sexuelle Gewalt und Wünsche.

Abschließend werden die Resultate der vorliegenden Arbeit zusammengefasst und es wird auf die Zukunftschancen, die in dieser Thematik liegen, eingegangen.

(10)

1. Theoretische Grundlagen

Im folgenden Kapitel wird auf die zwei grundlegenden Termini dieser Arbeit, „Behinderung“ und

„Sexualität“, näher eingegangen. Eine klar abgrenzbare Definition ist bei beiden Begriffen schwer möglich, da in der Literatur und in der Gesellschaft unterschiedlich mit den Begriffen umgegangen wird. Deshalb wird hier versucht, die Begrifflichkeiten klarer abzugrenzen und für die bessere Verständlichkeit der Masterarbeit zu definieren.

1.1. Behinderung

In unserer Gesellschaft werden bestimmte Personengruppen mit der Kategorie „behinderte Menschen“, „Menschen mit Behinderung“, „Menschen mit Lernschwierigkeiten“ etc.

klassifiziert. Diese Oberkategorie soll nicht den Eindruck vermitteln, dass alle Personen innerhalb einer solchen Kategorie ident sind. Unter anderem deswegen wird der Begriff von manchen Gruppen abgelehnt, da er eine stigmatisierende und diskriminierende Wirkung hat. Weitere Gegenargumente sind die defizitäre Sichtweise und Defizitorientierung, die Individualisierung von Problemen, die aber genau genommen in der sozialen Reaktion auf den betroffenen Menschen zu verorten sind, die Separation von Menschen mit Behinderung, die Eingeschränktheit in Bezug auf die Entwicklung der betroffenen Person etc. (Felkendorff 2003:

25f.). All diese Gründe sprechen gegen eine genau festgelegte Definition des Terminus Behinderung, immerhin kann es keine Begriffsklärung allen Widersprechern/

Widersprecherinnen Recht machen. Es zeigt sich also, dass der Terminus „Behinderung“

begriffliche und theoretische Grenzen aufweist. Zudem scheint es unmöglich, die Komplexität und Heterogenität des Bereiches sowie die Aufgabenbereiche der Behindertenhilfe und die Lebenslagen und -probleme der betroffenen Menschen unter einer einzigen Kategorie, dem Behinderungsbegriff, hinreichend zu erfassen. Da kein einheitlicher Begriff existiert, variiert der Erklärungsansatz je nach Disziplin. Zusätzlich werden Modelle und Definitionen von historischen Veränderungen, wissenschaftstheoretischen Positionierungen, politischen Überzeugungen und ethischen und moralischen Haltungen beeinflusst. Lange Zeit war der Begriff der Behinderung sehr stark defizitorientiert und medizinisch geprägt. Ergänzt wurde diese Sichtweise u.a.:

• Durch das Verständnis von Behinderung als das Ergebnis eines gesellschaftlichen Zuschreibungsprozesses, in dem Behinderung als Abweichung der Normalität zu verstehen ist.

• Durch die Auswirkungen von Zugangsbeschränkungen für Menschen mit Behinderung.

(11)

• Durch eine system-ökologische Sichtweise, die den Blick auf die Passung zwischen individuellen Möglichkeiten und Bedingungen der Umwelt richtet.

• Durch systemtheoretische und konstruktivistische Konzeptualisierungen. (Loeken &

Windisch 2013: 14)

Im Laufe der Zeit und aufgrund heftiger Kritik am lange vorherrschenden medizinischen Modell wurde zunächst ein soziales Modell von Behinderung als Gegenpol erstellt. Dieses stellt die Zugangsbeschränkungen in den Mittelpunkt, die Menschen mit Behinderung von der Gesellschaft auferlegt bekommen. Erweitert wurde dieses Modell von einer kulturwissenschaftlichen Perspektive, die Behinderung als eine spezifische Form der Problematisierung von körperlichen Unterschieden darlegt. (Ebd.: 14f.)

Ein sozialwissenschaftlicher Blick auf diesen Behinderungsbegriff bezieht ich auf:

• einen Prozess sozialer Ausgrenzung, welcher ökonomische, soziale, historische und normative Interessen bündelt,

• individuelle Geschichten biographischer Hürden und Probleme,

• naturalisierende oder individualisierende Grundeinstellungen, die von einer Abweichung von der fiktiven Norm, als Gegenpol, ausgehen. (Schildmann 2004: 37)

Schildmann (2004: 37) führt an, dass die Kategorie Behinderung dazu dient, eine Art der Abweichung der Normalität zu definieren und zu klassifizieren. Auch Loeken & Windisch (2013:

14) zeigen auf, dass Behinderung in theoretischen Diskursen, aber auch im lebensweltlichen Kontext und sozialpolitischen und sozialrechtlichen Regelungen, als Abweichung einer mehr oder weniger klar beschriebenen Normalität definiert wird. Nicht zu vergessen ist, dass Behinderung

„nichts Absolutes [ist], sondern erst als soziale Kategorie begreifbar [wird]. Nicht der Defekt, die Schädigung, ist ausschlaggebend, sondern die Folgen für das einzelne Individuum“ (Cloerkes 2007: 9).

Nach Wüllenweber und Ruhnau-Wüllenweber (2004: 14f.) kann die Begrenztheit der Begrifflichkeit durch drei unterschiedliche Herangehensweisen aufgebrochen werden. Ziel dabei ist es, den Behinderungsbegriff komplementär zu erweitern:

• Durch die Weiterentwicklung und Anpassung der Begrifflichkeit auf der Grundlage ihrer begrifflichen und theoretischen Varianz.

• Durch das Heranziehen und Miteinbeziehen von nichtpädagogischen Fachdisziplinen.

(12)

• Durch die Adaptierung von Fachbegriffen aus der Erziehungswissenschaft. (Wüllenweber

& Ruhnau-Wüllenweber 2004:14f.)

ICIDH

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte 1984 erstmals eine internationale Klassifikation von Behinderung. Dabei wurde ein mehrdimensionaler Blick auf den Begriff der Behinderung gelegt. In der älteren Version wird zwischen drei Dimensionen von Behinderung unterschieden:

impairment (Schädigung)

disability (Beeinträchtigung von Funktionen)

handicap (soziale Benachteiligung)

Demnach beinhaltet eine Behinderung eine individuelle Beeinträchtigung, die sich aus einer psychischen und/oder physischen Schädigung und einer sozialen Benachteiligung ergeben. 2002 wurde die WHO-Fassung erneuert und die Dimensionen „disability“ und „handicap“ wurden durch die positiv konnotierten Begriffe „activity“ (Aktivität) und „participation“ (Partizipation) ersetzt. „Disability“, also die Beeinträchtigung der Funktionen, ist somit als eine Aktivitätsbeeinträchtigung zu verstehen und „handicap“ als eine Beeinträchtigung oder Störung der Teilhabe an der Gesellschaft. (WHO 1984, Kniel & Windisch 2005: 16)

ICF

2001 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation ein neues Klassifikationssystem von Behinderung, die „Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ (International Classification of Functioning, Disability and Health). Die ICF, die Kurzform für „International Classification of Functioning, Disability and Health“ sieht sich selbst als eine Klassifikation menschlicher Funktionsfähigkeit und Behinderung. Er basiert auf der Integration des sozialen und des medizinischen Modells von Behinderung. Somit vereint es die soziale Perspektive, dass Behinderung ein gesellschaftlich verursachtes Problem ist und dass die Integration in den Fokus gestellt werden muss, mit der medizinischen Sichtweise, dass Behinderung ein individuelles Problem ist, verursacht durch eine Krankheit, ein Trauma oder ein anderes Gesundheitsproblem. Weiters wird der Ansatz um einen biologischen Aspekt erweitert, um die verschiedenen Blickwinkel der Funktionsfähigkeit zu integrieren.

(13)

Insgesamt geht die ICF von drei Kategorien aus, die ein Gesundheitsproblem beeinflussen und auch selbst zueinander in Wechselwirkung stehen: Körperfunktionen/Körperstrukturen, Partizipation und Aktivität. Letzteres wird wiederum von den zwei Kontextfaktoren Umwelt und Individuum beeinflusst. Ausgehend von diesen Überbegriffen klassifiziert und nummeriert der ICF alle bekannten und (weit) verbreiteten Gesundheitsprobleme. (DIMDI 2005)

People First Bewegung

In den 1960er Jahren entstand erstmals die Idee einer Selbstvertretung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Damals war der Fokus besonders auf Sinnes- und Körperbehinderungen gelegt. Aus dieser Independent Living Bewegung heraus gestaltete sich die People First Bewegung, die sich besonders gegen den Begriff der „geistigen Behinderung“

wehrte. Mit dem Namen People First wollte man zeigen, dass als erstes die Person zählt und dass die Behinderung zweitrangig ist. So wird empfohlen die Begrifflichkeit „behinderter Mensch“ zu verwerfen, da durch die Erstnennung der Behinderung diese im Vordergrund steht und nicht der Mensch. Damit einhergeht auch eine Stigmatisierung, die negative Auswirkungen auf die individuellen Entwicklungschancen mit sich zieht. Stattdessen bietet sich der Ausdruck „Mensch mit Behinderung“ an. Weiters soll besonders der Terminus „geistige Behinderung“ durch Lernschwierigkeit ersetzt werden. Mit dem Begriff der Lernschwierigkeit soll gezeigt werden, dass betroffene Menschen gleich wie alle anderen rein theoretisch alles erlernen und sich beibringen können, dies aber länger dauert und/oder Unterstützung verlangt. (Kniel & Windisch 2005: 18)

Auf die Selbstvertretungsgruppen im Speziellen wird später in Kapitel 3.4. eingegangen.

Begriffliche Verwendung

In dieser Arbeit verwende ich den Begriff Menschen mit Behinderung bzw. Frauen mit Behinderung und knüpfe somit an die Überlegungen der People First Bewegung an. In dieser Arbeit stehen besonders Frauen im Mittelpunkt, weshalb einige Bezeichnungen nur in der weiblichen Form vorkommen. Weiters wichtig erscheint mir, keine Einschränkungen hinsichtlich der Beeinträchtigung zu setzen. Ich möchte sowohl körperliche, kognitive als auch mehrfache Behinderung in die Überlegungen einschließen und trotzdem den Fokus auf die Frau an sich legen. Nichtsdestotrotz gehe ich davon aus, dass Behinderung kein rein medizinisches Thema ist,

(14)

sondern auch von sozialen, politischen, kulturellen und ökonomischen Faktoren beeinflusst wird und somit unterschiedliche Perspektiven eingenommen und beachtet werden müssen.

Aufgrund meines bisherigen Werdegangs in der Arbeitswelt lege ich einen Fokus auf Frauen mit Lernschwierigkeiten, da ich dazu die meiste Erfahrung und einen persönlichen Bezug habe. In meine Überlegungen zu dieser Arbeit habe ich trotzdem auch körperliche Behinderung miteinbezogen, da neben kognitiven Behinderungen auch körperliche Einschränkungen die Sexualität von Frauen mit Behinderung beeinflussen können. Zudem ist zu beachten, dass viele Restriktionen und Einschränkungen gleichermaßen für Frauen mit physischen wie auch mit kognitiven Behinderungen gelten.

1.2. Sexualität

Ein grundlegender Gedanke der Sexualität ist, dass sie eine biologische Funktion übernimmt – sie befähigt dazu, uns fortzupflanzen und somit das Weiterbestehen unserer Art zu sichern. Diese biologische Sicht von Sexualität ist entscheidend für unsere Denk- und Handlungsweise, sie beeinflusst beispielsweise die Unterscheidung in weiblich und männlich. Zudem bestimmt sie auch die Fortpflanzung, da noch immer ausschließlich Frauen befruchtet werden und gebären können. (Offenhausen 2006: 25) Umgangssprachlich beschränkt man sich heute vor allem auf die biologische, rein genitale Sicht der Sexualität.

Wissenschaftlich gesehen wird der Begriff der Sexualität seit zirka 200 Jahren verwendet.

Anfänglich wurde „Sexualität“ ausschließlich im Kontext der Botanik und Zoologie benutzt.

(Dressler & Zink 2003: 485) Ende des 19. Jahrhunderts tauchte der Begriff auch in Bezug auf den Menschen auf. Zu dieser Zeit standen sexuelle Perversionen im wissenschaftlichen Interesse, dazu galten Verhaltensweisen, die als unnatürlich, anomal oder gefährlich galten. Damalige Publikationen beinhalteten die Bereiche Exhibitionismus, Fetischismus, Transsexualität, Sodomie, Nekrophilie etc. Später befassten sich vor allem organorientierte Nervenärzte mit der Sexualforschung, aber auch sie schlossen eine psychologische Sicht nicht mit ein. Ende des 19.

Jahrhunderts herrschte wissenschaftlich der Kontext, dass sexuelle Erkrankungen ein Ausdruck von Nervenschwäche, Degeneration und Erschöpfung seien. Bis weit ins 20. Jahrhundert bestand, und besteht, ein meist feindlicher Konsens dem sexuellen Verhalten gegenüber. (Mösler 2002:

40f.)

Freuds Schriften „Studien der Hysterie“ (1895) und die „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“

(1905) legten den Grundstein zur Veränderung. Erstmals wurde Sexualität entmoralisiert,

(15)

wertfrei dargestellt und es wurden Erklärungen und Verständnis für alle Erscheinungsformen aufgebracht. Durch Freud wurde Sexualität auch zur Grundlage der Entwicklungspsychologie und somit maßgebend für die Entwicklung einer jeden Person. Weitere namhafte Personen waren Magnus Hirschfeld, mit dem ersten Institut für Sexualforschung in Berlin, Alfred Kinsey, mit der Erforschung des sexuellen Verhaltens von Mann und Frau, und William Howell Masters und Virginia Johnson, die eine detaillierte Beschreibung der Physiologie sexueller Reaktionen von Mann und Frau veröffentlichten. (Mösler 2002: 43ff.)

Durch all diese wissenschaftlichen Entwicklungen wurde auch die Definition von „Sexualität“

ausgeweitet. Sexualität ist, neben ihrer biologischen und genitalen Funktion, das entscheidende Moment zwischenmenschlicher Kommunikation und persönlicher Selbstentfaltung. Es ist ein Ausdruck unserer Existenzweise als soziales Wesen und gibt die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung in zwischenmenschlichen Beziehungen. (Walter 2005: 34) Sexualität kann auch eine lebens- und persönlichkeitsgestaltende Rolle und Kraft in unserem Leben übernehmen.

Sexualität existiert nie als Abstraktum, sondern nur in der individuellen Gestaltung der einzelnen Menschen. (Bender 2012: 50) Sporken (1974: 159) definiert Sexualität durch folgende drei Bereiche:

Sämtliche Verhaltensweisen in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Mittelbereich von Zärtlichkeit, Gefühlen und Erotik.

Genitale Sexualität. (Sporken 1974: 159)

Im „Psychrembel Wörterbuch Sexualität“ wird der Terminus rational beschrieben. Demnach ist Sexualität, auch Geschlechtlichkeit genannt, eine Bezeichnung für eine allgemeine Äußerung des Lebens mit drei Grundfunktionen: Fortpflanzung, Beziehung und Kommunikation sowie Lust und Befriedigung. (Dressler & Zink 2003: 485ff.)

Die amerikanische Psychoanalytikerin Avodah Offit hat die vielen Facetten der Sexualität poetisch wie folgt dargestellt: „Sexualität ist, was wir daraus machen. Eine teure oder eine billige Ware, Mittel zur Fortpflanzung, Abwehr gegen Einsamkeit, eine Form der Kommunikation, ein Werkzeug der Aggression (der Herrschaft, der Macht, der Strafe und der Unterdrückung), ein kurzweiliger Zeitvertreib, Liebe, Luxus, Kunst, Schönheit, ein idealer Zustand, das Böse oder das Gute, Luxus oder Entspannung, Belohnung, Flucht, ein Grund der Selbstachtung, eine Form von Zärtlichkeit, eine Art der Regression, eine Quelle der Freiheit, Pflicht, Vergnügen, Vereinigung mit dem Universum, mystische Ekstase, Todeswunsch oder Todeserleben, ein Weg zu Frieden, eine

(16)

juristische Streitsache, eine Form, Neugier und Forschungsdrang zu befriedigen, eine Technik, eine biologische Funktion, Ausdruck psychischer Gesundheit oder Krankheit oder einfach eine sinnliche Erfahrung“. (Offit 1979: 16, zit. nach Walter 2005: 34f.).

Die Definitionen und Auslegungen von Sexualität sind vielzählig, sie wechseln auch oft im Laufe der Jahre und sind Faktoren wie Ethik, Moral, Religion, Erziehung, Kultur etc. ausgesetzt.

Vielleicht wird es aber eine wissenschaftliche Allgemeingültigkeit nicht geben, da, wie bereits gesagt, Sexualität etwas höchst Individuelles und Intimes ist und es deshalb kein richtig oder falsch geben kann. Gerade im Hinblick auf Behinderung sollte dieser Gedanke immer präsent sein. Aufgrund dessen verwende ich den Begriff der Sexualität in dieser Arbeit sehr weitgesteckt und offen, da ich der Meinung bin, dass es für jede Person, für jede Frau, etwas anderes bedeutet.

2. Rechtliche Grundlagen

Grundsätzlich sollte man aufgrund einiger internationaler Abkommen davon ausgehen können, dass jedem Menschen auf der Welt die gleichen bürgerlichen, politischen sowie wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zukommen. Dass dies auch für Menschen mit Beeinträchtigung gilt, soll hier mit einem Einstieg über die Menschenrechte sowie der Ausführung der Behindertenrechtskonvention und dem konkreten Blick nach Österreich besprochen werden.

2.1. Menschenrechtskonvention

Grundlegend kann festgestellt werden, dass alle Menschenrechte gleiche Merkmale aufweisen, die sich nicht verändern. Es zeigt sich, dass Menschenrechte angeboren und unveräußerlich sind.

Sie werden dazu geschaffen, die Würde der Menschen zu schützen und jedem/jeder ein freies selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Weiters sind die Menschenrechte universell für jede Person gültig, unabhängig von Kultur und Weltanschauung. Menschenrechte erheben den Anspruch der Egalität, somit stehen jeder Person auf der Welt die gleichen Rechte zu, unabhängig von Ethnie, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer und sonstiger Anschauung, nationaler und sozialer Herkunft, Vermögen etc. Ein weiteres Merkmal ist, dass die Menschenrechte unteilbar sind. Bürgerliche, politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte bedingen sich gegenseitig, gehören zusammen und sind nicht getrennt voneinander denk- beziehungsweise einsetzbar. Trotz der komplexen Denkweise der Menschenrechte, die ideengeschichtliche und verfassungsrechtliche Traditionen sowie Erfahrungen von Not und Unterdrückung einbinden, sind sie so allgemein formuliert, dass sie weltweit eingesetzt und auch adaptiert werden können. (Krennerich 2015: 7f.)

(17)

Die konkreten Anfänge der Menschenrechte sind nicht genau festsetzbar, ideengeschichtliche Wurzeln finden sich bereits in der Antike und im frühen Christentum. Die Grundgedanken zur Gleichheit aller wurden später als Grundlage für die Menschenrechte angesehen. Die Wurzeln der Menschenrechte im politischen Sinne liegen in der Virginia Bill of Rights von 1776, sozialgeschichtlich wurden aber bereits in England ab dem 13. Jahrhundert Rechte für den Menschen beschlossen. Neben den amerikanischen Ausführungen war besonders die französische Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 wegweisend. Nicht außer Acht aber zu lassen ist, dass die Menschenrechte zu dieser Zeit nicht jedem/jeder zustanden. In Europa galten die Menschenrechte nur für Männer, in Amerika gar nur für weiße privilegierte Männer. (Wohlgensinger 2014: 19ff.)

Der moderne internationale Menschenrechtsschutz beginnt mit der Charta der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1945, womit ein überstaatlicher umfassender Rahmen geschaffen wurde, der jedem Menschen auf der Welt allgemeine Rechte zuspricht, unabhängig von Nationalität, Religion, politischer Überzeugung oder sozialem Status. Den künftigen Generationen solle nicht das gleiche Leid angetan werden, dass der Menschheit damals aufgrund der zwei Weltkriege widerfuhr. Besonders die Schrecken des Zweiten Weltkrieges beeinflussten den Menschenrechtskatalog enorm. Es entstand eine fundamentale Neuformulierung der Menschenrechtsidee. Wie in der Menschenrechtscharta vorgesehen, wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) formuliert und am 10. Dezember 1948 ohne Gegenstimmen von der UNO-Generalversammlung unterzeichnet. Insgesamt wurden 30 Artikel festgesetzt, die auf den Grundsätzen der Freiheit, Gleichheit und Teilhabe aller Menschen basiert. (Ebd.: 26f.)

Die allermeisten Rechte der AEMR wurden in zwei völkerrechtlich verbindliche Verträge übertragen, weshalb man traditionell gesehen zwischen bürgerlichen und politischen Rechten der „ersten Generation“ und sozialen Rechten der „zweiten Generation“ unterscheidet. Den ersteren wurde eine Gewährleistungsfunktion beigemessen, den letzteren nur der Charakter politischer Zielverpflichtungen. Diese Ansicht wurde durch die sogenannte „menschenrechtliche Pflichtentrias“ ersetzt, die den Vertragsstaaten eine Pflicht zur Achtung, zum Schutz und zur Gewährleistung auferlegt. (Banafsche & Welti 2015: 92f.)

Neben den allgemeinen Rechten der AEMR wurden eine ganze Reihe von Menschenrechtsabkommen geschaffen. Sie können unterschieden werden in Konventionen zum Schutz bestimmter Personengruppen und regionalen Menschenrechtsverträgen. Diese

(18)

Abkommen widersprechen nicht dem Grundgedanken der Menschenrechte, die jedem/jeder dieselben Rechte zuspricht, sie erweitern sie, mit der Begründung, dass bestimmte Gruppen mehr Schutz brauchen, respektive gefährdeter oder verletzlicher sind als andere. (Wohlgensinger 2014.: 33) Zu diesen Abkommen zählt auch das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention 2006).

2.2. Behindertenrechtskonvention

Die 2006 verfasste und 2008 in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) gilt als

„Sichtbarmachung“ der Menschen mit Behinderung. Erst dadurch wurden Menschen mit Behinderung klare Rechtsträger/Rechtsträgerinnen und konnten das Image der Schutzbedürftigen rechtlich gesehen erstmals ablegen. (Wohlgensinger 2014: 39)

Vor der BRK gab es schon einige Initiativen, die sich um die Belange von Menschen mit Behinderung kümmerten. Besonders stark zeichnete sich das erstmals in den 1970er Jahren ab.

Es können zwei Strömungen ausgemacht werden: zum einen die Bemühungen dahingehend, betroffene Personen „sichtbar“ zu machen, sowohl für die Gesellschaft, aber vor allem für die Politik. Zum anderen wurde eine neue Denkweise sichtbar, weg von einem fürsorgeorientierten hin zu einem rechtsbasierten Ansatz. Es folgten einige unspezifische Abkommen und eine Reihe von Erklärungen. (Ebd.: 39ff.)

Die 1980er Jahre zeigten eine klare Trendwende auf, bei der Menschen mit Behinderung immer mehr in die Position der Rechtsträger/Rechtsträgerinnen rückten. Es entstanden einige wichtige Schriften, Abkommen und Verträge. Für die Entstehung der BRK ausschlaggebend war die Erscheinung zweier Menschenrechtsberichte von Erica-Irene Daes (1986) und Leandro Despouy (1993), die die Lage von Menschen mit Behinderung erfassten und ausführlich analysierten. Auf der Grundlage der Berichte wurde erkannt, dass die AEMR erweitert werden müsse, um das Fehlen der Möglichkeiten, die Rechte auszuüben, auszubessern. Ein Ausschuss dazu, der gegründet wurde, um die AEMR aus der Perspektive der Menschen mit Behinderung zu analysieren, zeigte klar, dass die betroffenen Personen in der Konvention nur ungenügend berücksichtigt werden. Danach wurde schnell gehandelt: im Dezember 2006 nahm die UN- Generalversammlung den Entwurf der neuen Menschenrechtskonvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung an. An der Erarbeitung des Entwurfs waren neben UN- Sonderorganisationen, Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsorganisationen auch

(19)

betroffene Personen beteiligt. Der Vertragstext wurde am 13. Dezember 2006 verabschiedet und trat am 3. Mai 2008 in Kraft. (Ebd.: 42 ff.)

Der eigentliche Aufbau der BRK ist grob in fünf Teile zu gliedern: die Präambel, der allgemeine Teil mit den grundlegenden Bestimmungen, der besondere Teil mit dem spezifizierten Katalog, die Richtlinien zur Implementierung und die Schlussbestimmungen.

Im Kontext dieser Arbeit sind zwei Artikel wegweisend. Artikel 22 der UN-BRK legt fest, dass:

• Menschen mit Behinderung einen rechtlichen Schutz gegen Eingriffe oder Beeinträchtigung haben. Der Schutz bezieht sich auf ihre Privatsphäre, ihr Privatleben, ihre Familie, ihre Wohnung, ihren Schriftverkehr oder andere Arten der Kommunikation sowie ihre Ehe und ihren Ruf (Art. 22 (1) UN-BRK)

• Vertragsstaaten auf Grundlage der Gleichberechtigung die Vertraulichkeit von Informationen, die Gesundheit und die Rehabilitation von Menschen mit Behinderung schützen (Art. 22 (2) UN-BRK)

Herausstreichen möchte ich zudem den Artikel 23. Dieser besagt, dass:

• Menschen mit Behinderung das Recht gegeben ist, eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen (Art. 23 (1) a UN-BRK)

• Menschen mit Behinderung das Recht auf eine freie und verantwortungsbewusste Entscheidung darüber haben, ob, wann und wie viele Kinder sie bekommen möchten.

Dafür haben sie auch das Recht auf Zugang zu altersgemäßer Information und Aufklärung (Art. 23 (1) b UN-BRK)

• Menschen mit Behinderung, einschließlich der Kinder, gleichberechtigt ihre Fruchtbarkeit behalten (Art.23 (1) c UN-BRK)

• Rechte und Pflichten von Menschen mit Behinderung in familienrechtlichen Beziehungen gewahrt werden, das Wohl des Kindes steht dabei im Vordergrund. Dazu zählen Vormundschaft, Pflegschaft, Personen- und Vermögenssorgen und Adoption. Zudem sollen sie in der Wahrnehmung ihrer elterlichen Pflichten unterstützt werden (Art. 23 (2) UN-BRK)

• Kindern mit Behinderung ein besonderer Schutz zusteht. Ihnen sollen z.B. frühzeitig Informationen, Dienste etc. bereitstehen, um Ausgrenzung oder Vernachlässigung zu vermeiden (Art. 23 (3) UN-BRK)

(20)

• Eine Behinderung des Kindes oder der Eltern kein Grund für die Trennung von Eltern und Kind ist, außer die Entscheidung beruft sich nachweislich auf das Wohl des Kindes (Art. 23 (4) UN-BRK)

• Menschen mit Behinderung familiäre, bzw. wenn dies nicht möglich ist, eine familienähnliche Betreuung zusteht (Art. 23 (5) UN-BRK)

In der UN-Behindertenrechtskonvention findet sich kein spezieller Part zur Sexualität von Menschen mit Behinderung, geschweige denn zur Sexualität von Frauen mit Behinderung. Die UN-BRK legt jedoch grundlegend den Schutz der Würde, der Privatsphäre und den Schutz vor Diskriminierung fest. Die zwei angeführten Artikel der UN-BRK zeigen nochmals, dass für eine selbstbestimmte Sexualität Abkommen zum Schutz von Privatsphäre und zur Selbstbestimmung bezüglich Fortpflanzung, Ehe, Familie etc. vorliegen. Diese Artikel sollen weltweit die Sexualität von Menschen mit Behinderung sichern.

2.3. Rechtslage in Österreich

In Österreich ist die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderung verfassungsrechtlich geregelt. Artikel 7 besagt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. (Art 7 (1) B-VG) In Artikel 7 wird auch die Gleichstellung von Mann und Frau festgelegt. (Art 7 (2) B-VG)

Seit dem 1. Jänner 2016 hat Österreich auch ein Behindertengleichstellungsrecht, dass als Antidiskriminierungsrecht für Menschen mit Behinderung gilt und ihnen einen Anspruch auf Nichtdiskriminierung beziehungsweise Gleichbehandlung garantiert. Zum Behindertengleichstellungsrecht zählen insbesondere:

Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG): Diskriminierungsverbot im "täglichen Leben"

Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG): Diskriminierungsverbot in der Arbeitswelt

Bundesbehindertengesetz (BBG): Aufgaben und Befugnisse des Bundesbehindertenanwalts

In diesen Gesetzen wird die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Behinderung, körperlich, geistig, psychisch behindert oder sinnesbehindert, als verboten festgeschrieben.

Neben den unterschiedlichen Formen und Erscheinungsweisen werden auch die Rechtsfolgen, und wie sie geltend zu machen sind, festgelegt.

(21)

In den Jahren 2010/2011 wurde das Behindertengleichstellungsrecht im Auftrag vom Sozialministerium Österreich wissenschaftlich evaluiert. Die zwei Studien zeigen eine sehr positive Bewertung des Behindertengleichstellungsrechts und weisen auf die klaren Fortschritte in der Behindertenpolitik hin. Nichtsdestotrotz gibt es noch einiges an Handlungsbedarf, beispielsweise in Bezug auf Verbandsklagen, Versicherungen etc. (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2017: 38f.)

Zum Thema Sexualität stützt sich der Staat Österreich auf die Behindertenrechtskonvention, besonders auf Artikel 23. Zusätzlich zum Tragen kommen auch das Sachwalterrecht und das Erwachsenenschutzgesetz.

3. Zur Situation von Frauen mit Behinderung

Frauen mit Behinderung sind einer mehrfachen Diskriminierung ausgesetzt. Einerseits leiden sie unter dem patriarchalen System unserer Gesellschaft und leben in einer Welt, die durch männliche Vorstellungen und deren Vertreter dominiert wird, andererseits gehören sie einer Minderheit aufgrund ihrer körperlichen, kognitiven oder mehrfachen Beeinträchtigung an. Schon viele haben sich mit der Thematik auseinandergesetzt, ich möchte hier noch einige, meiner Meinung nach, wichtige Punkte ansprechen, die in Bezug auf die Situation von Frauen mit Behinderung beachtet werden sollen.

Seit den 1970er Jahren wurde im englischsprachigen Raum der Begriff Geschlecht in die Kategorie „Sex“ und „Gender“ aufgeteilt. Sex bezeichnet das biologische Geschlecht von Menschen, Gender das soziale, historisch-kulturell geformte Geschlecht. Gender ist gesellschaftlich konstruiert, also von Menschen gemacht und somit veränderbar. Folglich waren Geschlechterrollen nicht mehr naturgegeben, sondern spiegelten das hierarchische Gefälle zwischen Mann und Frau wider. Diese Erkenntnis wurde auch bald in politischen Analysen und Kritiken als Instrument verwendet. Ein weiteres Ergebnis der Geschlechterforschung war das

„Doing Gender“. Es bedeutet, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern im alltäglichen Leben ständig reproduziert werden. Weibliche und männliche Vorstellungen werden in Rollenerwartungen, die von der Mehrheit der Bevölkerung gelebt werden, weitergetragen.

Rollenerwartungen an Mann und Frau werden hierarchisch gegliedert und bewertet. Diese Rollen- und Geschlechtsidentität ist bei den meisten auch ausschlaggebend für die eigene Selbstdefinition. Mädchen brauchen das Erkennen und die Anerkennung von sich als Mädchen, um eine soziale Identität entwickeln zu können. Auch wenn es viele Bemühungen gibt, die

(22)

Geschlechterrollenstereotype zurückdrängen, so merkt man trotzdem noch oft, dass traditionelle Geschlechterrollenbilder Einfluss auf die Menschen und ihre gelebte Geschlechtlichkeit üben. Verschiedenste Institutionen haben ganz andere Anforderungen an Mädchen als an Jungen, berufliche Laufbahnen schreibt man eher Männern zu als Frauen, besonders Medien zeigen klare traditionelle Vorstellungen vom Mann- und Frau-Sein. Frauen werden mit diesen Rollenbildern sozialisiert. Für Frauen mit Behinderung bedeutet das, dass sie sich sowohl in die Kategorie Frau als auch in die Kategorie Behindert einordnen müssen und in dieser noch einmal eine Minderheit neben den männlichen Menschen mit Behinderung sind.

(Köbsell 2010: 19ff.)

Zurück zur Sozialisation von Frauen mit Behinderung: Die ersten Jahre werden gesellschaftstypisch eher mit der Mutter verbracht, somit übernehmen diese auch die Hauptinstanz in der Sozialisation. Mütter sind in der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung für die Reproduktionsarbeit zuständig und sind dadurch die Ersten, zu denen man eine Beziehung aufbaut. Mädchen und ihre ersten Bezugspersonen haben demnach das gleiche biologische Geschlecht. Sie teilen soziale Erwartungen, soziale Rollen und die gleiche Geschlechtsidentität.

Die Mutter, die einst Tochter war, erzieht ihre eigene Tochter zur Mutter. Wenn die Tochter aber mit einer Behinderung auf die Welt kommt, so gestaltet sich das etwas anders. Oft gibt es Schwierigkeiten darin, das Urvertrauen des Kindes zu stärken, resultierend aus den Unsicherheiten der Mutter oder der Schwierigkeiten bei Nahrungsaufnahme und Kommunikation, was die Beziehung der beiden beeinträchtigt. Zudem wird der Mutter bewusst, dass ihre Tochter später nicht den herrschenden sozialen Erwartungen gerecht wird und sie sie auch nicht dahingehend erziehen kann, beispielsweise später Mutter zu werden. Die Schwierigkeit für die Mutter ist, dass sie ein Mädchen erzieht, dass nicht zu einer solchen Frau wie sie selbst wird. Oft gestaltet es sich so, dass das Mädchen in dem Bewusstsein erzogen wird, eine „ewige Tochter“ zu bleiben. Aufgrund dieser Gegebenheit wird das Mädchen sich immer verstellen, um Akzeptanz und Anerkennung zu erlangen. (Friske 1995: 22ff.)

Der Vater spielt in dieser Konstellation meist eine untergeordnete Rolle. Väter haben oft mehr Probleme ihre Identität als „Vater eines behinderten Kindes“ anzunehmen. Sie haben Schwierigkeiten sich mit den wenigen Erfolgen und dem niedrigen Leistungsniveau ihrer Töchter abzufinden. Dadurch bleibt der Vater für die Tochter oft unerreichbar. (Ebd.: 28)

Nichtsdestotrotz lernen Mädchen mit Behinderung die Bedeutung eines Mannes in der Familie, identifizieren sich mit ihren Müttern und streben oft an, eine „richtige Frau“ samt Mann und

(23)

Kindern zu werden. Es gibt aber auch andere Erziehungsstile, beispielsweise wenn Mädchen mit Behinderung männlich sozialisiert werden, oder gar geschlechtsneutral aufgrund ihrer Behinderung.

Die Sozialisation von Mädchen mit Behinderung, die in Institutionen stattfindet, wie dem Kindergarten oder der (Sonder-)Schule, verhält sich ähnlich wie die bei nicht behinderten Mädchen. Geschlechterrollen werden vermittelt, es wird mit Klischees gearbeitet und Mädchen werden bestimmte Aufgaben aufgezeigt, die sie als „richtige“ Frau zu übernehmen und zu können haben, beispielsweise Handarbeit. (Vgl. Friske 1995, Cloerkes 2007)

Neben dem institutionellen Aspekt bekommt besonders die Pubertät einen wichtigen Stellenwert im Leben von Frauen mit Behinderung. In dieser Zeit sollen folgende drei Reifeschritte gemacht werden:

Körperliche, geschlechtliche Reife

Psychische Reife, erwachsen handeln und urteilen

Soziale Selbstständigkeit, von der älteren Generation möglichst unabhängig sein

Diese Schritte erfolgen in unterschiedlicher Reihenfolge und in unterschiedlichen zeitlichen Abständen. Für Mädchen mit Behinderung stellt es eine große Herausforderung dar, alle drei Schritte abzuschließen. Bei geistigen Behinderungen zeigt sich diese erstmals offensichtlich durch die körperlichen Veränderungen, die mit der Pubertät einhergehen. Die kindliche oft niedliche Seite verschwindet ohne den Ersatz des Frauwerdens. Sie verlieren ihren kindlichen Charme, werden im Gegenzug aber nicht fraulich. Oft wird Mädchen mit Behinderung genau dann ihre Andersartigkeit bewusst. Die Stärkung von Körper- und Selbstbewusstsein fällt normalerweise auch in diese Phase. Besonders durch die positive Resonanz und Bewunderung von anderen, gleichgeschlechtlichen und gegengeschlechtlichen Peers, werden Mädchen in diesem Alter gestärkt. Bei Mädchen mit Behinderung gestaltet es sich oft schwer, dass sie keine Heimat in einer Clique finden und die Familie als ihr Zentrum ansehen. Dadurch wird auch der Loslösungs- und Rebellionsprozess schwierig bis unmöglich. Diese Reifungsaufgabe ist nicht bedingt durch die intellektuelle Entwicklung des Mädchens. Auch das Kind muss in irgendeiner Weise erwachsen und unabhängig werden, sonst lebt es weiter in der Abhängigkeit von den Eltern.

(Ebd.)

Das Frausein für Frauen mit Behinderung gestaltet sich aufgrund von mehreren Aspekten schwierig. Viele Frauen mit Behinderung sehen sich selbst nicht als Frau, sondern als Mädchen

(24)

oder Neutrum. Das liegt an der fehlenden persönlichen Auseinandersetzung und auch von außen kommen keine Anreize dazu. Auch wenn es Teil der Gesamterziehung sein sollte, erziehen viele ihre Töchter mit Behinderung neutral. Frauen, die ihre Beeinträchtigung erst im Laufe des Lebens erlangen, werden zwar geschlechtsspezifisch erzogen, es wird aber nach Eintritt der Behinderung nicht viel oder gar nichts getan, um ihre Sexualität und ihr Frausein zu erhalten. Weiters schwierig für Frauen mit Behinderung ist ihre Nichtzugehörigkeit zu den „Normfrauen“: sie weichen davon ab. Meist haben sie sogar ein klares Bewusstsein für die Idealvorstellung der Frau, sind aber nicht in der Lage sich daran anzupassen, vor allem durch die gesellschaftliche Einstellung ihnen gegenüber. Dadurch, dass sie nicht rollenadäquat handeln und wirken können, verstärkt sich ihr Behindertsein. Da Frauen mit Behinderung oft eine klare Vorstellung einer idealen Frau haben und wissen beziehungsweise vermittelt bekommen, was sie machen oder wie sie leben, wird der Ausschluss dieser persönlichen und sozialen Aufgaben von den meisten als problematisch erlebt.

Das führt nicht selten zu Unsicherheiten, Selbstzweifel und persönlicher Instabilität. (Ebd.) Nicht vergessen werden darf, dass man durch den Blick auf die Situation von Frauen mit Behinderung nicht alle anderen Einflüsse auf Identität und Persönlichkeit vergisst. Dazu gehören sexuelle Orientierung, Ethnie, Klasse, Religion, Altersgruppe etc. Eine Frau mit Behinderung definiert sich nicht nur durch die Kategorien Frau und Behinderung, sondern durch noch so vieles mehr, was bei den Überlegungen dieser Arbeit nicht außer Acht gelassen werden soll.

In den folgenden Kapiteln soll ein Blick auf die Lebenswelt von Frauen mit Behinderung gelegt werden. Wenn man verstehen möchte, wie sich Sexualität von Frauen mit Behinderung gestaltet und noch wichtiger, welche Hindernisse sich aufgrund ihrer Lebenswelt für ihre Sexualität ergeben, ist ein ganzheitlicher Blick wichtig. Die Themen Wohnen, Arbeit und Freizeit werden im Folgenden näher behandelt. In einem Exkurs wird auf Selbstvertretungsgruppen, ihre Ideen und ihren Nutzen für die Sexualität von Frauen mit Behinderung kurz eingegangen.

3.1. Wohnen

Wenn man sich den Bereich des Wohnens ansieht, ist eine Definition des Begriffes notwendig.

Wohnen meint, nach dem Behindertenpädagogen Theunissen (2006), einen Ort, an dem sich der Mensch „zu Hause, heimisch und zugehörig fühlen möchte, der Sicherheit, Schutz, Beständigkeit, Vertrautheit, Wärme und Geborgenheit vermitteln soll und die soziale Kommunikation, Zusammenleben, Wohlbefinden, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung, Lebenszufriedenheit und Lebensglück ermöglichen kann“ (Theunissen 2006: 59).

(25)

Um die Wohnformen von Menschen mit Behinderung zu gliedern, gibt es zwei konträre Paare, die Überblick schaffen sollen:

Geschlossene (Pflegeheime, Anstalten, Dorfgemeinschaften) vs. offene (Wohnheime, Wohngruppen, Wohngemeinschaften Einzelwohnungen, Elternhaus)

Fremdbestimmte (Wohnheim, betreutes Wohnen, ambulante Dienste, Fokusmodell, Servicehaus, Hilfe durch Angehörige) vs. selbstbestimmte (Assistenzmodell) (Bergest, Boenisch & Daut 2011: 305)

Zur Aufteilung in die bestimmten Wohnformen zeigt sich, dass ungefähr die Hälfte der Menschen mit Behinderung noch in ihrer Herkunftsfamilie wohnen, bei Frauen mit Behinderung trifft dies auch zu. Die meisten Frauen, die noch zuhause wohnen, haben ein eigenes Zimmer, obwohl es natürlich Ausnahmen gibt. Zuhause zu wohnen bringt einige Vorteile, beispielsweise die Nähe an dem gewohnten Umfeld, ein größeres subjektives Wohlbefinden und die Übernahme der Versorgung und Unterstützung von bekannten Personen. Problematisch an der Situation ist, dass die Ablösung und die Selbstständigkeit durch internalisierte Lebensautomatismen darunter leiden. Oft fehlen auch alternative Freizeitangebote oder Unternehmungen außerhalb der gewohnten Umgebung und der Kernfamilie. (vgl. Schallenkammer 2016, Friske 1995)

Neben dieser Wohnform ist das betreute Wohnen sehr verbreitet. Hierzu eine Reihe von Modellen des betreuten Wohnens:

• Wohnheim: durchgehende Betreuung, Wohnen in der Gemeinschaft mit anderen Menschen mit Behinderung, wenig Selbstbestimmung und Eigeninitiative möglich, Gruppenalltag

• Betreute Wohngemeinschaft: kleine Gruppe in den WGs, individuelle Gestaltung der Wohnung/des Zimmers, Leben mit Kompromissen, Regeln und eingeschränkter Selbstbestimmung

• Ambulante Dienste: Weitgehend selbstbestimmtes Leben allein oder als Paar. Starre Dienstpläne des Personals, kaum Wahlmöglichkeiten der Betreuungsperson

• Servicehaus und Fokusmodell: durchgehend besetzter Hilfedienst, Hilfe nach Anforderung, hoher Grad an Selbstbestimmung, personelle Engpässe und hohe Fluktuation beim Betreuungspersonal

• Assistenzmodell: eigene Wohnung mit selbst gesuchtem und entlohntem Assistenzpersonal, hoher Grad an Selbstbestimmung, Notwendigkeit besonderer

(26)

Kompetenzen und Übernahme von Verantwortung (Bergest, Boenisch & Daut 2011:

305f.)

Im Folgenden möchte ich auf einige dieser Wohnformen näher eingehen.

Grundsätzlich zeigt sich, dass noch immer ein großer Teil der Menschen mit Behinderung in stationären Institutionen mit mehr als 40 Plätzen wohnt, um genau zu sein 70%. Davon alleine leben 30% in Einrichtungen mit mehr als 200 Plätzen. So kann man davon ausgehen, dass für die meisten, die außerhalb ihrer Herkunftsfamilie leben, das Wohnen in mehr oder weniger großen Einrichtungen zur Normalität gehört. Zu diesen zählen Wohnheime und Wohnstätten beziehungsweise Wohngemeinschaften. Die angegebenen Werte sind aus Deutschland, aber es ist anzunehmen, dass sie auch für Österreich gelten. (Röh 2009: 82f., Speck 2012: 346)

Heime sind die älteste Wohnform für Menschen mit Behinderung. Anfang der 1970er Jahre war die Unterbringung eines kognitiv eingeschränkten Kindes in einer „Anstalt“ üblich. Es war die Konsequenz einer Gesellschaft, die gleichgültig, distanziert und hilflos gegenüber Menschen mit Behinderung war. Diese Heime waren Großeinrichtungen, in sich geschlossen und mit höchst inhumanen Zuständen geführt. In den 70er Jahren wurde insbesondere unter dem Schlagwort der Hospitalisierung daran Kritik geübt. Diese Kritik führte anschließend zu innovativen Programmen der De-Institutionalisierung und Enthospitalisierung, die eine Ausgliederung kognitiv beeinträchtigter Menschen aus psychiatrischen Einrichtungen zur Folge hatte, sowie zu einer Reform innerhalb der Heime. Es wurde auch die Möglichkeit geboten Kinder innerhalb der Familie zu behalten, dafür wurden familienentlastende Dienste geschaffen. Viele Eltern entschieden sich zu dieser Zeit für die Familienlösung und die Zahl der „Heimkinder“ ging zurück.

Dadurch waren die Heime gezwungen sich zu verändern. Diese Änderungen bezogen sich auf den Abbau von Massenunterbringungen, den Zuwachs von kleineren Wohngruppen, die Professionalisierung des Betreuungspersonals und die Öffnung der Heime nach außen. (Speck 2012: 345)

Inzwischen ist die Nachfrage nach Heimplätzen wieder gestiegen. Aufgrund ihrer langen Tradition haben Heime eine bestimmte Sonderstellung erworben und haben sich weitgehend verselbstständigt. Grund für die Wahl eines Heimes ist meist, dass sich die eigene Familie nicht bereit oder nicht im Stande sieht, die Pflege und Erziehung des Kindes mit Behinderung zu übernehmen oder keine geeignete Pflegefamilie gefunden werden kann. Im Einzelnen können folgende Gründe ausschlaggebend sein:

(27)

• Unüberbrückbare, innerfamiliäre Probleme

• Fehlende außerfamiliäre Hilfe und Unterstützung

• Keine erreichbaren Tagesstrukturen zur speziellen pädagogischen Förderung

• Besondere Schwere und Intensität der Behinderung des Kindes (Ebd.)

Wohngemeinschaften, auch Wohnstätten genannt, entstanden bereits in den 1970er Jahren. Sie sind Wohngruppen in kleinen Einheiten, die vom Leistungserbringer der Eingliederungshilfe organisiert sind und selten dem Freiwilligkeitsprinzip unterliegen. Wohngemeinschaften sind Wohnräume für Menschen, die durch Verantwortung und Pflichten der Selbstversorgung überfordert sind und deshalb nicht selbstständig leben können. Sie wirken, je nach individuellen Fähigkeiten und Kräften, bei der Selbstversorgung mit. Die Betreuung ist je nach Bedarf rund um die Uhr möglich. Meist benötigen die Bewohner/Bewohnerinnen regelmäßige umfassende Förderangebote, aber nur in Teilbereichen. Das Konzept der Wohngruppen und der einhergehenden Gliederung ist weitverbreitet, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es trotzdem eine stationäre, oft sehr fremdbestimmte Wohnform ist. (Röh 2009: 84ff.)

Ein offensichtliches Merkmal von Wohngemeinschaften ist, dass niemand allein wohnt und somit der Isolation und Einsamkeit entgegengewirkt wird. Menschen, die sich schwer tun beim Kontakte knüpfen, fällt es hier leichter. Zudem wird Menschen mit Behinderung in Wohngemeinschaften so signalisiert, dass sie nicht allein sind, auch nicht mit ihren Problemen.

Durch die vielen Individuen wird im besten Fall auch ein entwicklungsförderndes, soziales Lernfeld geschaffen. Nichtsdestotrotz ist das Leben in dieser Wohnform mit Einbußen und einem Verlust an Intimität verknüpft. Meist werden Küche, Bad und Wohnzimmer mit anderen geteilt.

Zudem werden Regeln festgelegt um einen Rahmen für das Zusammenwohnen zu schaffen.

(Schlichte 2006: 49ff.)

Für Frauen mit Behinderung in stationären Wohneinrichtungen bringt dies oft die Ablösung von dem Elternhaus mit sich. Egal aus welchen Gründen der Auszug stattfand, erleichtert dieser oder ermöglicht er erst die Ablösung und Loslösung. Ein weiterer Vorteil von einer stationären Wohnform ist das Erleben einer gewissen Selbstständigkeit, besonders wenn das Leben im Elternhaus durch Isolation, Kontrolle und Bevormundung geprägt waren. Weiters äußert sich eine Verbesserung für Frauen mit Behinderung, die aus dem Elternhaus ausziehen, wenn sie nur aus Angst vor sexuellem Missbrauch außerhalb der gewohnten Umgebung daran gebunden waren, aber auch für Frauen, die in der Familie missbraucht wurden. Zudem erleichtert ein Wohnheim oder eine Wohngemeinschaft das Knüpfen von Kontakten und die Freizeitgestaltung.

(28)

Ein Punkt, der kritisch in der Literatur angeführt wird, ist das Zusammenleben von Frauen und Männern mit Behinderung in stationären Wohneinrichtungen. Manche Frauen mit Behinderung fühlen sich dadurch gestört, erleben eine Angst und ein Unwohlsein, besonders da solche Erfahrungen so vorher noch nicht gemacht wurden. Dies sollte thematisiert werden und darüber gesprochen werden, um Frauen mit Behinderung diese Angst zu nehmen und sie in diesem Prozess zu unterstützen oder ihnen andere Wohnformen zu ermöglichen, in denen sie frei von dieser Angst mit anderen Frauen leben können. (Friske 1995: 71ff)

Neben den stationären Wohnformen und dem Wohnen in der Herkunftsfamilie gibt es ambulant betreute Einzelwohnungen. In diesen Wohnungen leben meist Einzelpersonen oder Paare beziehungsweise Familien. Ambulantes betreutes Wohnen zeichnet sich dadurch aus, dass das Wohnen mit den notwendigen individuellen Hilfen im Vordergrund steht. Institutionelle Strukturen und Vorgaben entfallen, wodurch die Bewohner/Bewohnerinnen ihr Alltagsleben selbstbestimmt und eigenverantwortlich regeln. Durch das ambulant betreute Wohnen soll Menschen mit Behinderung ein autonomes Leben im eigenen Wohnraum ermöglich werden.

Nichtsdestotrotz werden die notwendigen Hilfen je nach Bedarf vom pädagogischen Personal oder vom Netzwerk der betroffenen Person, beispielsweise Familie oder Freunde, bereitgestellt.

Dadurch soll die Teilhabe in der Gemeinschaft ermöglicht, sowie die Selbstständigkeit und die Selbsthilfefähigkeiten erhöht werden. Die Dauer der ambulanten Betreuung sollte grundsätzlich unbegrenzt sein. Wenn Paare in eine Wohneinheit des ambulanten betreuten Wohnens ziehen, wirft dies unterschiedliche Probleme auf, je nachdem ob eine oder beide Personen einen Betreuungsvertrag unterzeichnet haben. Neben der Unterstützung und Hilfe in konkreten Anliegen, kommen immer wieder Probleme in der Beziehung zur Sprache. Wenn dies geschieht und nur eine Person betreut wird, so ist eine Einbeziehung der nicht-betreuten Person immer von dessen Bereitschaft und der Bereitschaft des Betreuers/der Betreuerin abhängig. (Röh 2009:

87ff., Schlichte 2006: 56ff.)

Fehlende Inklusion und Selbstbestimmung sind die größten Kritikpunkte zu den bereits angeführten Wohnformen. Es zeichnen sich aber auch positive Entwicklungen ab. Beispielsweise in Schweden, wo schon seit langem Konzepte zum gemeindeintegrierten (urbanen) Wohnen für alle Menschen mit Behinderung rechtlich kodifiziert wurden. Auch in Nordamerika zeigen sich Entwicklungen und Konzepte, die ein gemeindeintegriertes Wohnen für Menschen mit Lernschwierigkeiten, mehrfachen Behinderungen und herausforderndem Verhalten ermöglichen. Dies soll gewährleistet werden durch eine bedarfsbezogene Personalbemessung,

(29)

professionelle Betreuung, personenzentrierte Trainingsprogramme, positive verhaltenssteuernde Interventionen, strukturierte Milieus, Zusammenarbeit mit dem Netzwerk und durch die enge Verschränkung von speziellen Hilfen und allgemeinen sozialen Diensten.

Einschlägige Untersuchungen zeigen, dass Wohngruppen, in denen mehr als sechs Personen wohnen, als zu groß gelten, da ab dann der Grad der Selbstbestimmung erheblich eingeschränkt wird. Favorisiert werden vor allem Wohnformen des unterstützten Wohnens, auch Supported Living genannt, bei dem in der Regel ein bis drei Personen in einer Wohnung leben, wobei Wohnungs- und Assistenzanbieter nicht aus einer Hand sind. (Theunissen 2006: 59ff.)

Ein Beispiel für die Erweiterung von Supported Living sind sogenannte Enabling Niches, die mit dem Ansatz Community Care, der besonders in Großbritannien weit verbreitet ist, eng korrespondieren. Dem zugrunde liegt der Inklusionsgedanke des gemeinsamen Lebens in der Nachbarschaft. Enabling Niches steht für ein soziales Netzwerk, dass emotionalen Halt sowie Möglichkeiten und Unterstützung zur persönlichen Weiterentwicklung gibt. Dieses Netzwerk soll dafür sorgen, dass betroffene Personen in der Freizeit aber auch in Krisenzeiten auf soziale Ressourcen, egal ob informell oder professionell, zurückgreifen können. Dadurch soll eine Reinstitutionalisierung verhindert werden. (Ebd.: 68ff.)

Neben den urbanen Wohnformen des betreuten Wohnens gibt es auch noch Wohnformen am Land, wie Bauernhof- und Farmprojekte, Dorfgemeinschaften und Wohn- und Lebensgemeinschaften der Arche-Bewegung. Positiv hier hervorzuheben sind der schützende Charakter, das geringe restriktive Lebensmilieu, die haltgebenden dialogischen Unterstützungsstrukturen und die breite Palette an Angeboten. Sie bieten passgenaue Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten und zugleich ein zufriedenstellendes Angebot für Wohnen, Freizeit und Arbeit an. Trotzdem scheint es, als würden solche Angebote die gesellschaftliche Isolation und Distanz zur Öffentlichkeit fördern. (Ebd.: 72)

Es gibt natürlich noch weitere Wohnformen und auch alternative Wege zur stationären Option.

Angeführt werden einige bei Theunissen & Schirbort (2006).

3.2. Arbeit

Etymologisch wird Arbeit als die Nutzung der Natur durch den Menschen verstanden. In der Ökonomie hingegen wird Arbeit als ein grundlegender Produktionsfaktor verstanden, sie dient der Erzeugung von Produkten und Dienstleistungen sowie dem Erschaffen geistig-kultureller Objekte. Arbeit kann somit als Reproduktion im einfachen Sinne gesehen werden. Meist wird

(30)

Arbeit aber synonym mit Erwerbsarbeit verwendet. Diese hat eine subsistenzsichernde sowie identitätsstiftende Funktion. (Tenorth & Tippelt 2012: 31)

Eine oft zitierte Definition von Arbeit stammt von Zwierlein (1997:18): „Arbeit, sei sie ideell oder materiell, [ist] eine planvoll organisierte und angestrengte menschliche Tätigkeit […], die primär menschlicher Existenzsicherung und Bedürfnisbefriedigung dient“. Arbeit ist eine lebensnotwendige Bedingung unseres Lebens, wobei der monetäre Faktor hier eine entscheidende Rolle spielt. Reproduktionsarbeit oder ehrenamtliche Arbeit, zwei weitere Formen der Arbeit, werden meist außer Acht gelassen dabei. Auch wenn diesen beiden Formen der Arbeit mehr Bedeutung zukommen sollte, besonders im Hinblick darauf, dass in Zukunft ein Rückgang der Erwerbsarbeit aufgrund der Technologisierung geschehen wird, ist Erwerbsarbeit ein zentraler Lebensbereich in unserer Gesellschaft. Erwerbsarbeit erfüllt unterschiedliche Funktionen:

• Für die meisten Menschen bedeutet Erwerbsarbeit eine materielle Existenzsicherung.

Durch den Lohn können Grundbedürfnisse wie Essen, Wohnen und Kleidung abgedeckt und somit eine persönliche Unabhängigkeit geschaffen werden. Die Höhe des Einkommens bestimmt dabei maßgeblich die Möglichkeiten der Lebensgestaltung, besonders im Wohn- und Freizeitbereich. Die Höhe des Lohns ist nach dem Arbeitsfeld, der Qualifikation und der Berufserfahrung gerichtet.

• Arbeit wird auch in Bezug auf das Bedürfnis nach Sicherheit wichtig. Aufgrund von Arbeitsverträgen werden Rechte und Pflichten geregelt und bieten meist einen Kündigungsschutz. Durch die Abgaben, die man an den Sozialstaat zahlt, hat man eine soziale Sicherung bei Krankheit und im Alter.

• Arbeit hat weiters eine strukturierende Funktion. Sie teilt das Leben räumlich in Arbeits- und Wohnstätten. Zeitlich gesehen strukturiert Arbeit unser Leben durch Arbeitszeit, Freizeit, Arbeitstage, Wochenende und Urlaub, aber auch lebensgeschichtlich als biografischen Abschnitt.

• Aufgrund der sozialen Funktion von Arbeit treten wir in Kommunikation und Kooperation mit anderen Menschen. Man hat die Möglichkeit in Kontakt mit anderen zu treten und den sozialen Horizont zu erweitern. Weiters ermöglicht sie die Annahme unterschiedlicher sozialer Rollen und die produktive Teilhabe an der Gesellschaft.

(31)

• Auch für die eigene Identität, den sozialen Status und die soziale Anerkennung ist Arbeit maßgebend. Meist dient Erwerbsarbeit dazu, uns zu definieren und uns vor anderen zu präsentieren.

• Arbeit kann auch als Aktivität gesehen werden, bei der man mit seinem Tun etwas (er)schafft, seine eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen kann und diese auch weiterentwickelt. (Doose 2006: 65f.)

Auch für Frauen mit Behinderung nimmt Arbeit einen hohen Stellenwert ein, da sie als Grundlage für eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gilt.

Erwerbsarbeit erbringt hierbei sozusagen einen öffentlichen Bereich für Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Zudem werden die öffentlichen finanziellen Unterstützungen vermindert oder vermieden, wobei hervorzustreichen ist, dass das Einkommen im Gegensatz zur Sozialleistung aufgrund persönlichen Könnens bezogen wird, nicht aufgrund der Behinderung.

Durch die Arbeit werden die eigenen Fähigkeiten und die Qualifikationen in den Vordergrund gestellt, entgegen einer sonst defizitären Sichtweise. Besonders für Frauen mit Behinderung gilt Arbeit als eine essentielle Form der gesellschaftlichen Integration und als eine Möglichkeit, einen normalen Lebenslauf zu gestalten. (Wolf: 2010: 158f.)

Menschen mit Behinderung streben, so wie Menschen ohne Behinderung, nach der schulischen oder beruflichen Ausbildung in der Regel eine Beschäftigung an. Dabei haben sie die Möglichkeit am ersten, dem allgemeinen, oder am zweiten Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden. Wenn Menschen mit Behinderung am allgemeinen Arbeitsmarkt eine Anstellung finden wollen, haben sie einerseits mit einer hohen Zahl an Erwerbslosen, mit und ohne Behinderung, sowie meist einem defizitären Blick auf ihre berufliche Qualität zu kämpfen. Nichtsdestotrotz sieht die Gesetzgebung bei einer Fixanstellung eine Reihe von Leistungen vor, sowohl für Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen als auch für Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen. Unterstützt werden Menschen mit Behinderung in solchen Situationen von Integrationsfachdiensten. Das sind Dienste, die die Eingliederung von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei der Aufnahme, Ausübung und Sicherung unterstützen sollen. (Doose 2006:

103f.) Integrationsfachdienste haben die Aufgabe Menschen mit Behinderung, Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen, Schulen und Werkstätten Beratung und Unterstützung anzubieten, sodass der Einstieg und Wiedereinstieg in das Erwerbsleben erleichtert wird. Zudem sind diese ambulanten Dienstleister/Dienstleisterinnen dafür zuständig, bereits vorhandene Arbeitsplätze aktiv zu fördern. Zielgruppen der Integrationsfachdienste sind insbesondere

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die SchülerInnen können über Übergriffe und sexuelle Gewalt sprechen und wissen, wohin sich Betroffene wenden können?. Die SchülerInnen kennen ihre

Die Reduzierung von Behinderung auf individuelle körperliche Merkmale ohne Einbeziehung gesellschaftlicher Dimensionen wurde zunehmend – und in besonderem Maße von behinderten

Das gilt auch für die Beziehung von Mann und Frau: Sie machen sich füreinander schön, sie parfümieren sich, sie tragen schöne, frische Klei- der, sie lieben einander alle Tage,

004_Sex2.arb Arbeitsblatt - Körperliche Entwicklung 005_Sex3.arb Arbeitsblatt - Vom Jungen zum Mann 006_Sex4.arb Arbeitsblatt - Vom Mädchen zur Frau 007_Sex5.loe Lösungsblatt

- Krankheiten haben Einfluss auf Intimität und Sexualität, der auch in Palliativ- Situation als wichtig beurteilt wird.

Im Wahlmodul Behinderung und Sexualität sollen die Teilnehmenden befä- higt werden, Menschen mit Beeinträchtigungen die Entwicklung und das Leben einer möglichst

• Handgewinnung und Pump-Management sowohl für Eltern relevant, die nach einer Schwangerschaft stillen als auch für Eltern, die induziert laktieren. • Das ABM-Protokoll gibt

Sollte das physische oder psychische Wohl der Schwangeren bedroht sein oder das ungeborene Kind eine Behinderung haben, die „unzumutbar“ für die Schwangere ist, kann