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II. Experimenteller Teil

10. Experiment 2

10.1 Fragestellung und Hypothese

10.4.1 Ergebnisinterpretation

Im Fokus der Datenanalyse des zweiten Experiments stand der Kruskal-Wallis-Test.

Mithilfe dieses Analyseverfahrens konnten im Ausgangsdatensatz hinsichtlich keiner der drei AVn, die in das Experiment eingingen, statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen nachgewiesen werden. Die Hypothese, die dem zweiten

Experiment zugrunde lag, konnte durch die erhobenen Daten somit nicht gestützt wer-den. Personen, die soziale Akzeptanz erfuhren, reduzierten demnach nicht das übliche Impression-Management.

Die Betrachtung der deskriptiven Datenanalyse lieferte sogar eher Hinweise dafür, dass eine Veränderung des sozialen Affiliationsstatus von Personen, insbesondere wenn diese in Richtung sozialer Ablehnung geht, das übliche Impression-Management er-höht. Diese Interpretation wird auch durch die Befunde der explorativen Datenanalyse gestützt. Die Resultate der explorativen Datenanalyse sollen daher im Folgenden ge-nauer betrachtet werden, da sie auch für die Gesamtinterpretation von besonderer Be-deutung sind.

Es zeigte sich, dass sich die in der explorativen Datenanalyse aufgefundenen Unter-schiede zwischen den Versuchsgruppen ausschließlich in der AV Impression-Management [Summenscore der SES-17] niederschlugen. Die anderen beiden AVn Zu-satzleistung im d2 und Summenscore des Self-Ratings, die ebenfalls als Operationalisie-rungen des Impression-Management-Konstrukts konzipiert waren, förderten in ähnlich eingegrenzten explorativen Analysen keine weiteren signifikanten Unterschiede zwi-schen den Versuchsgruppen zutage.

Von besonderer Relevanz für die Interpretation der explorativen Datenanalyse sind die Resultate der durchgeführten Post-hoc-Tests, mit deren Hilfe in Erfahrung gebracht werden konnte, welche Versuchspersonengruppe sich von welchen oder welcher ande-ren Versuchspersonengruppe(n) im mittleande-ren Impression-Management – gemessen durch die SES-17 von Stöber (1999) – unterschied. Die Ergebnisse dieser Post-hoc-Tests zeigten, dass Vpn, die sozial abgelehnt wurden, verstärkt Impression-Management betrieben. Versuchspersonen, die aus einer Gruppe ausgeschlossen wurden, verstärkten im Vergleich zu Vpn, die neutral behandelt wurden, ihre Bemühungen, sich selbst posi-tiv verzerrt darzustellen. Zwischen den Vpn, die soziale Akzeptanz erfuhren, und Vpn, die neutral behandelt wurden, traten ebenfalls Differenzen im Ausmaß des Managements auf. Sozial akzeptierte Vpn betrieben bedeutend mehr Impression-Management als Vpn, die neutral behandelt wurden. Das Ausmaß des von den sozial abgelehnten Vpn betriebenen Impression-Managements war zwar höher als das Impres-sion-Management, das von den sozial akzeptierten Vpn ausging, diese Differenz konnte jedoch nicht inferenzstatistisch abgesichert werden.

Dieses Befundmuster kann prima facie nicht erstaunen, da es den Vorhersagen ent-spricht, die ursprünglich aus der Theorie des Anschlussmotivs von Baumeister und

ry (1995, 2000) und den evolutionspsychologisch orientierten Spezifikationen dieser Theorie (vgl. die Kapitel 3.2 und 7.3.2) abgeleitet wurden. Eine den beschriebenen Be-funden entsprechende Hypothese lag daher auch dem ersten Experiment dieser Untersu-chungsreihe zugrunde. Die Ergebnisse dieses zweiten Experiments wären daher hypo-thesenkonform, bezögen sie sich auf die Vorhersagen, die im ersten Experiment hin-sichtlich der AV Impression-Management geprüft wurden. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Hypothese, welche diesem zweiten Experiment zugrunde lag, hätte einen Effekt erwarten lassen, der primär auf die Gruppe der sozial akzeptierten Vpn zurückgeht.

Gemäß dieser Hypothese sollten Vpn, die soziale Akzeptanz erfahren, es nicht mehr nötig haben, Impression-Management zu betreiben. In der entsprechenden Versuchsbe-dingung sollte das übliche Impression-Management demnach deutlich reduziert sein.

Sozial akzeptierte Vpn sollten im Vergleich zu den Vpn der beiden anderen Versuchs-gruppen niedrigere Impression-Management-Scores aufweisen. Diese Hypothese er-wuchs aus einem hypothesendivergenten Befund des ersten Experiments.

Im ersten Experiment der vorliegenden Untersuchungsreihe hingegen wurde die Vorhersage gemacht, dass eine Veränderung des sozialen Affiliationsstatus von Perso-nen, insbesondere wenn diese in Richtung sozialer Ablehnung geht, das übliche Impres-sion-Management massiv forciert. Im ersten Experiment zeigte sich jedoch, dass das Impression-Management von sozial abgelehnten Vpn zwar tatsächlich über demjenigen der sozial akzeptierten Vpn lag, jedoch nicht vom Niveau der Kontrollgruppe abwich.

Daraus wurde gefolgert, dass die Interpretation dieses Befundes bei den sozial akzep-tierten Vpn ansetzen müsse. Daraus wiederum resultierte die Hypothese, dass Personen, die sich in einem gesicherten sozialen Netz bewegen, das übliche Impression-Management reduzieren.

Die vorliegenden Ergebnisse des zweiten Experiments bestätigen diese Vorhersage jedoch nicht – sie liefern vielmehr Hinweise auf die Gültigkeit der ursprünglichen Hypothese, die dem ersten Experiment zugrunde lag und die direkt aus der Theorie des Anschlussmotivs von Baumeister und Leary (1995, 2000) abgeleitet wurde.

Um zu einer adäquaten Beurteilung dieser inkonsistenten Befundlage zwischen den beiden Experimenten zu gelangen, muss zunächst angeführt werden, dass die beiden Untersuchungen, die zu dieser Inkonsistenz der Ergebnisse geführt haben, nicht voll-kommen vergleichbar sind. Im zweiten Experiment wurden gegenüber dem ersten Ex-periment einige Veränderungen in der Versuchsdurchführung vorgenommen (vgl. die

Kapitel 10.2.1 und 10.2.4). Möglicherweise gehen die unterschiedlichen Befundmuster auf eine oder mehrere dieser Variationen zurück. Beispielsweise könnte die Anzahl der konföderierten Vpn eine entscheidende Rolle gespielt haben. Möglicherweise hat auch die Verschiedenartigkeit der Coverstorys oder die unterschiedlichen Konzeptionen der Kontrollgruppen in den beiden Experimenten zu dieser inkonsistenten Befundlage bei-getragen.

Erklärungen, die von Einflüssen solcher Variationen zwischen den beiden Experi-menten ausgehen, dürfen sich allerdings ausschließlich auf die AV Impression-Management beziehen. Von Erklärungen, die sich auf etwaige Besonderheiten des ers-ten Experiments beziehen, wären ansonsers-ten auch die hypothesenkonformen Befunde dieses ersten Experiments betroffen und müssten infrage gestellt werden. Davon ist je-doch nicht auszugehen. Im Folgenden werden einige Erklärungen für die inkonsistente Befundlage zwischen dem ersten und dem zweiten Experiment der vorliegenden Unter-suchungsreihe angeboten, die diesem Sachverhalt Rechnung tragen.

Eine Erklärung für die inkonsistente Befundlage, die sich ausschließlich auf die Va-riable Impression-Management bezieht, könnte sich auf die Tatsache stützen, dass die zur Messung des Impression-Managements eingesetzte SES-17 von Stöber (1999) im ersten Experiment als letzter zu bearbeitender Test appliziert wurde. Zu diesem Zeit-punkt waren bereits ca. 30 Minuten seit der experimentellen Induktion sozialer Exklusi-on etc. vergangen. Zwischenzeitlich wurde überdies ein Distraktortest eingesetzt. Die Beantwortung der Items der SES-17 von Stöber (1999) stand möglicherweise nicht mehr unvermittelt unter der Wirkung der experimentellen Manipulation, sondern be-gann systematisch mit den zuvor dargebotenen Tests zu interagieren. Somit wären die hypothesendivergenten Befunde des ersten Experiments durch einen klassischen Positi-onseffekt erklärbar. Dieser hätte mit einer Ausbalancierung der Testreihenfolge verhin-dert werden können. Wie jedoch in Kapitel 9.2.4 begründet wurde, war eine Ausbalan-cierung der Testreihenfolge im ersten Experiment kontraindiziert.

Dieser – hier favorisierten – Erklärung folgend, ist den Befunden des zweiten Expe-riments hinsichtlich der AV Impression-Management höheres Gewicht einzuräumen, da Probleme der Festlegung der Testreihenfolge in Experiment 2 eliminiert werden konn-ten.

Eine weitere Erklärung der inkonsistenten Befundlage zwischen dem ersten und dem zweiten Experiment könnte sich auf saisonale Rhythmizitäten beziehen. Das zweite Experiment wurde im Gegensatz zum ersten Experiment im Sommer durchgeführt.

Möglicherweise beeinflusste die Jahreszeit mit all ihren Auswirkungen (Temperatur, Freizeitverhalten, Stimulusexposition, Ernährung, Photoeffekte) speziell das Impressi-on-Management der Vpn. Möglicherweise stellen sich Personen im Frühling und Som-mer beschönigender dar als dies in den Wintermonaten der Fall ist. Möglicherweise entfalten Ereignisse wie soziale Akzeptanz bzw. soziale Ablehnung in den Sommermo-naten auch andere Wirkungen als in den WintermoSommermo-naten. Diese kühne Erklärung wird hier jedoch nicht präferiert (zur Problematik der Anzahl möglicher Revisionsalternati-ven im Falle einer irrtümlichen Vorhersage, vgl. z. B. Kuhn, 1977).

Ein realistischerer Erklärungsansatz basiert auf der Adressatenabhängigkeit des Im-pression-Managements (Mummendey, 1995). Obschon die Erwähnung einer Adressa-tengruppe in beiden Experimenten der vorliegenden Untersuchungsreihe absichtlich vermieden wurde, ist es dennoch vorstellbar, dass die unterschiedliche personale Zu-sammensetzung der Konföderiertengruppen und die diesbezüglich unterschiedlichen Coverstorys im ersten und zweiten Experiment für die inkonsistente Befundlage ver-antwortlich sind. Allerdings bliebe bei dieser Erklärung offen, warum und auf welche Weise die beiden Konföderiertengruppen Anlass zu variierendem Impression-Management-Verhalten seitens der Vpn gegeben haben.

Der in dieser Arbeit favorisierten Erklärungen folgend kann die inkonsistente Be-fundlage zwischen den beiden Experimenten auf einen klassischen Positionseffekt im ersten Experiment zurückgeführt werden. Demnach ist eher davon auszugehen, dass eine Veränderung des sozialen Affiliationsstatus von Personen das übliche Impression-Management forciert. Eine Anregung des Affiliationsmotivs scheint generell das Im-pression-Management-Verhalten zu forcieren. Diese Tendenz scheint jedoch bei sozial abgelehnten Personen in besonderer Weise ausgeprägt zu sein. Dies kann als eine funk-tionale Strategie angesehen werden, mit der es einer Person möglich ist, die Wahr-scheinlichkeit zu erhöhen, in eine Gruppe aufgenommen zu werden.

Wie bereits erwähnt, stützt sich diese Interpretation primär auf die AV Impression-Management [Summenscore der SES-17], während die anderen beiden Operationalisie-rungen des Impression-Management-Konstrukts dabei in den Hintergrund treten.

In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die SES-17 im Unterschied zu den anderen beiden abhängigen Variablen ein validiertes Instrument zur Messung des von Personen betriebenen Impression-Managements ist (Stöber, 1999).

Hinsichtlich der AV Impression-Management [Zusatzleistung im d2] konnten kei-nerlei signifikante Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen aufgefunden werden.

Die Fehlervarianz innerhalb der Gruppen erreichte ein zu großes Ausmaß, um signifi-kante Effekte zwischen den Versuchsgruppen hervorbringen zu können. Die Tatsache, dass es sich beim d2 von Brickenkamp (1994) um einen Belastungstest handelt, hat möglicherweise zu dieser hohen Fehlervarianz geführt. Fähigkeitsprofile der Vpn und andere leistungsbezogene Variablen haben bei dieser Messung möglicherweise die emp-findlichen Tendenzen des Impression-Managements überlagert.

Hinsichtlich der dritten AV Impression-Management [Summenscore des Self-Ratings] konnten ebenfalls keine signifikanten Differenzen zwischen den Versuchs-gruppen aufgefunden werden. Eine Erklärung für deren Ausbleiben könnte auf die Gestaltung der Instruktion dieser Skala zurückgehen, welche die Vpn in außerordentlich direkter Weise aufforderte, sich mit einer genau spezifizierten Gruppe zu vergleichen und dabei anzugeben, ob man dieser Vergleichsgruppe hinsichtlich diverser Merkmale (stark-schwach etc.) unter- bzw. überlegen ist. Die Gestaltung der Instruktion und die Wahl der Adjektivpaare unterminierte eventuell die Möglichkeit, dass sich das i. d. R.

sehr subtil betriebene Impression-Management in dieser Skala manifestieren konnte.

Eine detaillierte Analyse der Daten dieser AV zeigte allerdings, dass sich die Vpn aller Versuchsgruppen äußerst positiv einschätzten. Für dieses positiv verzerrte Rating-verhalten könnte der False-uniqueness-effect (vgl. Kapitel 7.3.1) verantwortlich sein.

Dieser könnte unabhängig von der Versuchsbedingung wirksam geworden sein. Es ist denkbar, dass die Varianz zwischen den Versuchsgruppen durch diesen Effekt derart minimiert wurde, dass keine signifikanten Effekte mehr resultieren konnten.

Das zweite Experiment dieser Arbeit diente der Überprüfung der Hypothese, dass Personen, die soziale Akzeptanz erfahren, das übliche Impression-Management reduzie-ren. Diese Hypothese konnte auf der Basis der berichteten Befunde nicht gestützt wer-den. Obschon das zweite Experiment nicht direkt darauf abzielte, die Theorie des An-schlussmotivs von Baumeister und Leary (1995, 2000) zu überprüfen, so machen diese Theorie und deren evolutionspsychologisch orientierte Spezifikationen (vgl. Kapitel 7.3.2) dennoch Vorhersagen zu sozialen Ereignissen, wie sie im zweiten Experiment dieser Arbeit hergestellt wurden. Die Theorie des Anschlussmotivs von Baumeister und Leary (1995, 2000) und deren Spezifikationen waren i. d. S. bei der Vorhersage der em-pirischen Daten dieses zweiten Experiments erfolgreicher als die auf der Grundlage der Befunde des ersten Experiments nachträglich aufgestellte Hypothese, die Analass zur Durchführung des zweiten Experiments war. Die Datenanalyse des zweiten

ments liefert somit Hinweise zugunsten der ursprünglichen Hypothese, die besagt, dass sozial abgelehnte Personen das übliche Impression-Management forcieren.

Dieser konative Regulationsmechanismus des Affiliationsmotivs wird offenbar selbst dann aktiviert, wenn Personen mit zuvor völlig fremden anderen Personen zu-sammen gebracht werden, mit denen sie darüber hinaus lediglich ca. 10 Minuten inter-agieren und diese Interaktion nicht auf eine autonome Präferenz der Personen selbst zurückgeht.

Es sollte allerdings bedacht werden, dass sich diese Interpretation lediglich auf de-skriptive und explorative Datenanalysen von nur einer der drei in diesem Experiment eingesetzten AVn bezieht. Weitere kritische Anmerkungen zu diesem Experiment, ins-besondere zu den eingesetzten Operationalisierungen, finden sich in den Kapiteln 12 und 13.