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II. Experimenteller Teil

9. Experiment 1

9.4 Diskussion

9.4.4 Abschließende Beurteilung

Es soll nun noch eine kritische Würdigung des ersten Experiments der vorliegenden Untersuchungsreihe erfolgen (vgl. dazu aber auch Kapitel 13). Folgende Schwächen des Experiments können genannt werden: (1) die relativ kleine und selektive Stichprobe, evtl. auch (2) der anfechtbare Bezug zur Evolutionspsychologie hinsichtlich Fragestel-lung, Design und Methode,24 (3) die aus Gründen der Praktikabilität nicht vorhandene

24 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass den im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten Experimenten keineswegs die optimale evolutionspsychologische Methodik zugrunde lag. Wie deutlich gemacht wurde, ist der explizite Nachweis dafür, dass es sich bei einem bestimmten psychologischen Merkmal tatsächlich um eine Adaptation handelt, äußerst problematisch (vgl. Exkurs). Da die Theorien, auf denen diese Arbeit fußt, ontogenetische Einflussfaktoren auch keineswegs ausschließen, wurde in den Experimenten nicht der Versuch unternommen, regulative Mechanismen explizit als biologische Adaptationen nachzuweisen. Für die primären Ziele dieser Arbeit – die Identifikation und Analyse der regulativen Mechanismen des Affiliationsmotivs – war dies nicht erforderlich. Die

Möglichkeit der Gestaltung eines Doppelblindversuchs und (4) die eingeschränkte Ge-neralisierbarkeit der Befunde auf andere affiliationsrelevante Situationen.

Die situativen Reize, die das Affiliationsmotiv anzuregen vermögen, sind sicherlich mannigfaltig. So existiert beispielsweise vermutlich ein unüberschaubares Spektrum an Situationen, in denen Personen sozial abgelehnt bzw. ausgeschlossen (oder auch sozial akzeptiert) werden. Dieses Spektrum reicht vermutlich von aggressiven Handlungen gegen Personen bis hin zu einem etwas zu früh beendeten Telefonat oder einer unausge-sprochenen Einladung zu einer Geburtstagsfeier. Es ist unschwer vorstellbar, dass das Erleben und Verhalten von Personen in Abhängigkeit dieser verschiedenen Situationen drastisch variieren. Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Fragen (z. B. ob über-haupt Emotionen nach sozialer Ablehnung auftreten, ob Personen auf angebotene Im-pression-Management-Strategien zurückgreifen, um affiliationsrelevante Ziele zu errei-chen und ob der kognitive Apparat unter entspreerrei-chenden Umständen auf motivrelevante Aspekte ausgerichtet wird), sind allerdings per se relevant und vermutlich auch für zahl-reiche Situationen des genannten Spektrums von Bedeutung. Ob sich die für dieses erste Experiment aufgestellten Hypothesen auch in anderen Situationen bewähren, muss von der zukünftigen Forschung entschieden werden.

Als Stärken des Experiments sind die Breite und Tiefe des theoretischen Funda-ments dieser Untersuchung hervorzuheben. In der Mehrzahl der Arbeiten zum Affiliati-onsmotiv wird lediglich behauptet, dass das Motiv einen phylogenetischen Ursprung habe. Dies wird jedoch weder theoretisch hergeleitet noch wird empirische Evidenz für diese Behauptung zusammengetragen. Daher stehen die bislang untersuchten regulati-ven Mechanismen des Affiliationsmotivs auch in einem metatheoretischen Vakuum unverbunden nebeneinander. Entsprechende Hypothesen bezüglich der regulativen Me-chanismen des Affiliationsmotivs muten daher auch oftmals willkürlich an.

Das biologische Fundament dieser Untersuchung hingegen führte beispielsweise zu differenzierten Hypothesen über die Wirkung von sozialer Exklusion, die externen, situativen Umständen zugeschrieben werden muss. In einem solchen Fall findet zwar keine soziale Ablehnung im engsten Sinne des Wortes statt, dennoch entsteht für ein betroffenes Individuum auch unter diesen Umständen das adaptive Problem der Re-Etablierung sozialen Anschlusses. Es bedarf folglich auch unter solchen Umständen regulativer Mechanismen, die geeignet sind, das Problem der Etablierung sozialen

gisch orientierten Überlegungen waren hinsichtlich der Hypothesengenerierung und der Fundierung ei-nes Explanans dennoch außerordentlich hilfreich.

schlusses „technisch“ zu beseitigen. Eine solche Ausdifferenzierung der Hypothesen war vor dem ausgedehnten theoretischen Hintergrund dieser Untersuchung möglich.

Auf dem theoretischen Fundament der vorliegenden Untersuchung konnten darüber hinaus konkrete situative Merkmale für die Auslösung bestimmter Emotionen identifi-ziert werden, die auch in sozialen Situationen der in dieser Untersuchung relevanten Art auftreten können. In der Regel wird nicht weiter begründet, warum eine bestimmte zu untersuchende Emotion im Affiliationskontext relevant ist.

Eine bedeutende Stärke des vorliegenden Experiments ist in der Herstellung einer experimentell realistischen Situation zu sehen, in der Personen tatsächlich die Erfah-rung von sozialer Akzeptanz oder sozialer Ablehnung durch real anwesende Personen machten. In der Affiliationsforschung wird i. d. R. nicht experimentell und schon gar nicht mit experimentell realistischen Settings gearbeitet (vgl. dazu Kapitel 6). Die Konzeption des vorliegenden Experiments ermöglichte hingegen eine experimentell realistische und umfassende Überprüfung fundiert abgeleiteter Hypothesen über emoti-onale, kognitive und konative Regulationsmechanismen des Affiliationsmotivs.

9.5 Fazit

Es kann festgehalten werden, dass die experimentellen Manipulationen, die im Rahmen des ersten Experiments der vorliegenden Untersuchungsreihe vorgenommen wurden, hinsichtlich der überwiegenden Mehrzahl der untersuchten abhängigen Variablen an-scheinend wirkungsvoll waren. Offenbar stellt eine Veränderung des sozialen Affiliati-onsstatus von Personen, insbesondere wenn diese in Richtung sozialer Ablehnung geht, keinen neutralen, sondern einen durchaus relevanten Sachverhalt für das emotionale Erleben, die Informationsverarbeitung und das Selbstdarstellungsverhalten von Perso-nen dar. Soziale Exklusion mündet in aversives emotionales Erleben und erhöht die perzeptuelle Vigilanz für anschlussthematische Stimuli. Eine Veränderung des sozialen Affiliationsstatus von Personen führt außerdem zu Veränderungen des üblichen Impres-sion-Managements. Die berichteten Befunde stützen somit weitgehend die Vorhersagen, die aus den evolutionspsychologisch orientierten Spezifikationen der Theorie des An-schlussmotivs von Baumeister und Leary (1995, 2000) abgeleitet wurden.

Die Betrachtung der empirischen Befunde offenbart jedoch zugleich einen hypothe-sendivergenten Befund, welcher Anlass zur Entwicklung einer weiteren Fragestellung gab, der im zweiten Experiment der vorliegenden Untersuchungsreihe nachgegangen wurde.