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II. Experimenteller Teil

9. Experiment 1

9.4 Diskussion

9.4.1 Ergebnisinterpretation bzgl. der emotionalen

Fragebogendaten: Die Skalenwerte zur Erfassung der subjektiv erlebten Emotionen Traurigkeit, Ärger, Angst und Freude wurden mittels einer MANOVA ausgewertet, um in Erfahrung bringen zu können, ob die experimentelle Variation der beiden Faktoren soziale Affiliation und Ego-Involvement unterschiedliche affektive Reaktionen in den entsprechenden Versuchsgruppen hervorbringt. Von Interesse war zunächst die Über-prüfung der globalen Hypothese, dass eine Veränderung des sozialen Affiliationsstatus von Personen affektive Konsequenzen hat. Wie in Kapitel 7.1.2 zu zeigen versucht wurde, ist diese Hypothese keineswegs trivial (vgl. Baumeister et al. 2002; Baumeister

& DeWall, in Druck; Twenge, in Druck) – auch wegen des von dieser Hypothese bean-spruchten Geltungsbereichs. Es ist zu bedenken, dass die in diesem Experiment zusam-men geführten Gruppen aus – für die jeweilige Vp – zuvor völlig fremden Personen bestanden, die Gruppenmitgliedschaft darüber hinaus nicht auf eine autonome Präferenz der jeweiligen Vp zurückging und die „Gruppeninteraktion“ überdies auf lediglich 20 Minuten beschränkt war. Selbst unter solchen Bedingungen beansprucht die genannte Hypothese Gültigkeit.

Für die Testung einer solchen noch recht unspezifizierten Hypothese war eine MANOVA in besonderer Weise geeignet, weil in diesem Verfahren die eingehenden AVn zu einer kanonischen Variate linear kombiniert werden. Wie die berichteten Resul-tate der MANOVA zeigten, kann die Hypothese, dass eine Veränderung des sozialen Affiliationsstatus von Personen affektive Konsequenzen hat, durch das vorliegende Ex-periment gestützt werden. Dies ging aus dem signifikanten Interaktionseffekt der beiden Faktoren des Experiments hervor (vgl. Tabelle 2). Auf der Basis dieser Resultate kann zunächst lediglich gefolgert werden, dass eine Veränderung des sozialen Affiliationssta-tus in der Tat emotionale Konsequenzen für Personen hat. Von welcher Art diese Ver-änderung des Affiliationsstatus von Personen sein muss, um affektive Reaktionen zu verursachen und von welcher Art die affektiven Reaktionen per se sind, bleibt dabei zunächst noch ungeklärt.

Die Theorie des Anschlussmotivs von Baumeister und Leary (1995, 2000) macht jedoch auch konkretere Vorhersagen hinsichtlich der angesprochenen Sachverhalte.

Dies betrifft z. B. die Valenz der affektiven Konsequenzen nach einer Veränderung des Affiliationsstatus, und zwar derart, dass soziale Ablehnung zu aversivem emotionalen

Erleben führt und soziale Akzeptanz in emotional behagliches Erleben mündet (vgl.

die Hypothesen 1 und 3).

Mithilfe der Follow-up-Analyse der MANOVA konnte der Nachweis erbracht wer-den, dass soziale Exklusion (die persönlichen Attributen zugeschrieben werden muss) in der Tat aversives emotionales Erleben zur Folge hat. Dies betraf insbesondere das sub-jektive Erleben von Traurigkeit und Ärger (vgl. die Tabellen 3 und 5). Im Falle des Er-lebens von Angst lag ein ähnliches Ergebnismuster vor (vgl. Tabelle 7). Die Mittel-wertsdifferenzen zwischen den Versuchsgruppen konnten in diesem letzteren Fall je-doch nicht inferenzstatistisch abgesichert werden. Im Vergleich zu den Vpn aller ande-ren Versuchsgruppen, gaben die Vpn, die sozial abgelehnt wurden (und diese Ableh-nung internal attribuieren mussten), somit die höchsten Werte für das subjektive Erle-ben von Traurigkeit, Ärger und Angst an. Wie erwartet, war der soziale Ausschluss, der auf äußere, situative Bedingungen zurückzuführen war, für Veränderungen des aversi-ven emotionalen Erlebens der Vpn hingegen eher unbedeutend.

Darüber hinaus wies die Versuchsgruppe, die soziale Ablehnung erfuhr (und diese Ablehnung internal attribuieren musste), die geringsten Werte von subjektiv erlebter Freude auf. Die diesem Ergebnis zugrunde liegende Interaktion konnte inferenzsta-tistisch abgesichert werden (vgl. Tabelle 10). Die Hypothese, dass soziale Akzeptanz mit behaglichem emotionalem Erleben einhergeht (vgl. Hypothese 3), konnte allerdings nicht bestätigt werden, wie die Simple-effects-Analysen zu dieser Variablen zeigten.

Insgesamt jedoch konnten mit den dargelegten Ergebnissen die Überlegungen, wel-che sich auf die Struktur affiliationsrelevanter Situationen bezogen (vgl. Kapitel 7.1.2), weitgehend gestützt werden. Offenbar weisen Situationen, in denen Personen die Erfah-rung von sozialer Ablehnung machen, Merkmale auf, die generell die Emotionen Trau-er, Ärger und Angst auslösen und die Entstehung von Freude hemmen. Diesbezüglich müssen jedoch noch einige Anmerkungen gemacht werden.

Prima facie harmonieren die Befunde zum subjektiven emotionalen Erleben nicht vollständig. Beispielsweise erhebt sich die Frage, warum zwar die AVn subjektives Er-leben von Traurigkeit und subjektives ErEr-leben von Ärger in der Follow-up-Analyse sig-nifikante Ergebnisse hervorbrachten, die abhängige Variable subjektives Erleben von Angst jedoch nicht (wenngleich das Befundmuster auch bei dieser AV in eine hypothe-senkonforme Richtung wies). Im Folgenden sollen drei mögliche Erklärungen für das Fehlen eines signifikanten Befundmusters im Falle des subjektiven Erlebens von Angst gegeben werden. Diese Erklärungen schließen sich wechselseitig nicht aus.

Eine Erklärung für den angesprochenen Sachverhalt könnte darin liegen, dass die Emotion Angst für Situationen „reserviert“ ist, die existentiell bedrohlich und gefährlich sind. Dies wurde im theoretischen Teil dieser Arbeit, der sich auf die Struktur affiliati-onsrelevanter Situationen bezog, auch in dieser Weise abgeleitet (vgl. Kapitel 7.1.2).

Die Prozedur des vorliegenden Experiments wurde aus ethischen Gründen jedoch derart gestaltet, dass selbstverständlich keine reale oder antizipierte Gefahr für Leib und Leben der Vpn bestand. Die Evolutionspsychologie des Affiliationsmotivs bezieht sich jedoch durchaus auf existentiell bedrohliche Situationen. Dieser Erklärung folgend, wies die experimentelle Manipulation des Affiliationsstatus der Vpn der vorliegenden Untersu-chung einen zu geringen Intensitätsgrad auf, um sich in den „Angstitems“ der DAS von Merten und Krause (1993) niederschlagen zu können.

Die Beantwortung derjenigen Items dieser Skala, welche die Emotion Angst zu messen vorgeben, unterliegt möglicherweise auch in stärkerem Maße diversen Antwort-tendenzen als dies bei den anderen Emotionen der Fall ist. Es kann spekuliert werden, dass dies insbesondere sozial erwünschtes Antwortverhalten betrifft. Es ist demnach vorstellbar, dass Items, die das subjektive Erleben von Angst messen, eher sozial er-wünschtes Antwortverhalten forcierten als dies bei den Items zur Messung des emotio-nalen Erlebens von Traurigkeit oder Ärger der Fall war. Möglicherweise schlug sich die experimentelle Induktion sozialer Ablehnung auch aus diesem Grund weniger in den

„Angstitems“ nieder und kanalisierte sich vielmehr in den Items zur Messung von Trau-er und ÄrgTrau-er.

Die Wahl des statistischen Analyseverfahrens eröffnet die Möglichkeit einer weite-ren Erklärung. Derzufolge war die Follw-up-Analyse möglicherweise lediglich nicht imstande, einen tatsächlich vorhandenen Effekt der AV subjektives Erleben von Angst zu identifizieren. Die „Angstitems“ tragen möglicherweise durchaus in bedeutsamer Weise zur Gruppentrennung bei. Ein solcher Effekt konnte aber – dieser Erklärung fol-gend – durch die separaten ANOVAs der Follow-up-Analyse, in der die gemeinsame Verteilung aller AVn völlig vernachlässigt wird, nicht nachgewiesen werden. Hinweise für diese Erklärung lassen sich der Korrelationsmatrix in Tabelle 11 entnehmen.

Ein weiteres Ergebnis, das möglicherweise auf den ersten Blick in Erstaunen ver-setzt, soll im Folgenden behandelt werden. Offenbar wurden im vorliegenden Experi-ment scheinbar phänomenal sehr unterschiedliche Emotionen wie Traurigkeit und Ärger gemeinsam durch die experimentelle Induktion sozialer Ablehnung affiziert.

Es kann zunächst davon ausgegangen werden, dass die experimentelle Induktion sozialer Ablehnung insofern mehrdeutig war, als der hergestellten Situation sowohl Merkmale immanent waren, die i. d. R. Trauer auslösen als auch Merkmale immanent waren, die i. d. R Ärger auslösen. Sozialer Ausschluss hat – wie es in Kapitel 7.1.2 auch postuliert wurde – eine Vielzahl von Konsequenzen für ein Individuum. Daher wurden auch nicht nur Wirkungen auf eine einzige Emotion postuliert. Die Ergebnisse können daher als Bestätigung für die diesbezüglichen theoretischen Herleitungen verstanden werden (vgl. Kapitel 7.1.2). Das gleichzeitige Vorhandensein, eine Kombination oder auch eine schnelle Oszillation verschiedener Emotionen scheint als Erklärung für das Auftreten scheinbar so paradoxer Erlebenszustände wie Trauer und Ärger daher durch-aus sinnvoll zu sein.

Wie bereits erwähnt, wurden in dem Experiment die Extrempole des Kontinuums möglicher Inklusionszustände (Leary, 2001) operationalisiert, so dass die experimentell induzierte soziale Ablehnung wohl für alle Personen unerwünscht war. Dies ließ sich durch eine Nachbefragungen untermauern. Dennoch ist zu bedenken, dass emotionale Reaktionen auf solche sozialen Ereignisse auch erst dann zustande kommen können, wenn in der Wahrnehmung von Personen Diskrepanzen zwischen erwarteter und tat-sächlicher sozialer Ablehnung auftreten. Die Unterscheidung zwischen sozialem Aus-schluss per se und der Wahrnehmung sozialer Ablehnung könnte eine weite Erklärung für das Auftreten scheinbar so unterschiedlicher Emotionen wie Trauer und Ärger be-reithalten. Erwartungen dieser Art seitens der Vpn könnten die konkret erlebte Emotion beeinflusst haben. Allerdings setzt diese Erklärung nicht bei denjenigen Vpn an, die sowohl hohe Trauerscores als auch hohe Ärgerscores hatten, sondern ausschließlich bei denjenigen, die eine hohe Ausprägung auf nur einer der erfassten Emotionen aufwiesen.

Dieser Gedankengang macht zugleich darauf aufmerksam, dass der Effekt der expe-rimentellen Variation auf das emotionale Erleben der Vpn vermutlich noch deutlicher ausgefallen wäre, wenn in globaler Weise das aversive emotionale Erleben der Vpn erfasst worden wäre. Die in diesem Experiment vorgenommene Differenzierung der Valenz und der konkreten Qualität des emotionalen Erlebens führte somit vermutlich zu einer Unterschätzung des Effekts der experimentellen Variation.

Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die hier behandelten Variablen das sub-jektive Erleben der Vpn erfassen sollten. Wie in Kapitel 9.2.2.1 ausführlich dargelegt wurde, kann eine Messung, die auf den subjektiven Bekundungen von Personen basiert, massiven Verzerrungen unterliegen. So ist es auch möglich, dass die Vpn die Items der

DAS von Merten und Krause (1993) nach den aktuell kognitiv verfügbaren Informati-onen beantwortet haben (vgl. dazu Sokolowski, 1993). Damit ist das Labeling-Problem nen beantwortet haben (vgl. dazu Sokolowski, 1993). Damit ist das Labeling-Problem der Introspektion angesprochen (vgl. z. B. Sokolowski, 1993). Durch die experimentelle Prozedur könnte demnach zwar tatsächlich aversives emotionales Erleben induziert worden sein, die konkrete Benennung dieses negativen Affektes könnte jedoch erst durch die Items der Messskala provoziert worden sein. Die Beantwortung der Items einer Skala, die vorgibt, subjektiv erlebte Emotionen zu messen, ist i. d. R. jedoch nicht vollkommen beliebig (Plutchik, 2003), so dass diese Erklärung hier nicht favorisiert wird.

Die einzige Hypothese hinsichtlich des emotionalen Erlebens von Personen nach Veränderungen ihres sozialen Affiliationszustandes, die nicht durch die Daten des Ex-periments gestützt werden konnte, betrifft die Annahme, dass soziale Akzeptanz mit behaglichem emotionalen Erleben einhergeht (vgl. Hypothese 3). Für die Tatsache, dass die Vpn des vorliegenden Experiments nach sozialer Akzeptanz offenbar nicht in über-schwängliche Freude gerieten, können folgende Erklärungen gegeben werden.

Eine Erklärung für die ausbleibende Freude nach sozialer Akzeptanz könnte darin bestehen, dass Freude nicht die relevante Emotion ist, die bei sozialer Akzeptanz ent-steht. Demnach wäre letztlich die theoretische Herleitung zur Struktur affiliationsrele-vanter Situationen für die irrtümliche Vorhersage verantwortlich (vgl. dazu Kapitel 7.1.2). Diese Erklärung wird hier nicht favorisiert.

Stattdessen wäre zu mutmaßen, dass das Affiliationsmotiv primär ein Deprivati-onsmotiv ist und eine Befriedigung desselben sich emotional nur geringfügig auswirkt.

Diese Erklärung würde jedoch dem derzeitigen Stand der differentiellpsychologisch orientierten Affiliationsforschung zuwiderlaufen (vgl. dazu z. B. Sokolowski & Heck-hausen, 2006). Aus evolutionspsychologischer Perspektive ist ebenfalls die Auslösung angenehmer emotionaler Reaktionen nach sozialer Akzeptanz anzunehmen. Die von Schopenhauer (1819/1998) beschriebene Negativität des Glücks könnte zwar auch im Rahmen des Affiliationsmotivs greifen, aus evolutionspsychologischer Perspektive ist jedoch – zumindest kurzfristig – emotional belohnendes Erleben nach sozialer Akzep-tanz zu erwarten.

Daher scheinen für die ausbleibende Freude nach sozialer Akzeptanz andere Erklä-rungen plausibler, und zwar solche, die sich auf die experimentelle Vorgehensweise selbst beziehen. So könnte es sein, dass die experimentelle Manipulation nicht im glei-chen Maße soziale Akzeptanz erzeugt hat wie sie in anderen Versuchsbedingungen

fenkundig soziale Ablehnung erzeugt hat. Gegen diese Erklärung ist allerdings einzu-wenden, dass sich soziale Akzeptanz in anderen AVn durchaus deutlich niedergeschla-gen hat (s. u.).

Die hier favorisierte Erklärung nimmt Bezug auf die Theorie der interpersonalen Balance (vgl. dazu Kapitel 5). Diese Theorie macht auf die Charakteristika der Grup-penbildung im vorliegenden Experiment aufmerksam. Der Aufenthalt in Gruppen wird im Rahmen der Theorie der interpersonalen Balance als äußerst Konflikt beladen konzi-piert. Die Integration in ein soziales Netz geht auch mit zahlreichen Nachteilen für ein Individuum einher. Es kann demnach nicht erstaunen, dass sich unter Personen, die von einer Gruppe akzeptiert wurden, nicht in dem Maße Freude verbreitet, wie sich Traurig-keit und Ärger im Falle von sozialer Ablehnung verbreiten.

Insgesamt konnte die Theorie des Anschlussmotivs von Baumeister und Leary (1995, 2000) hinsichtlich derjenigen Hypothesen, welche das subjektive emotionale Erleben von Personen nach einer Veränderung ihres sozialen Affiliationsstatus betref-fen, durch die Daten des Experiments weitgehend gestützt werden. So hat eine Verände-rung des Affiliationsstatus von Personen in der Tat affektive Konsequenzen. Darüber hinaus sind diese affektiven Konsequenzen im Fall von sozialer Ablehnung in der Tat aversiver Natur. Auch die im theoretischen Teil der vorliegenden Untersuchung aus-führlich hergeleiteten Mutmaßungen darüber, welche Emotionen in affiliationsrelevan-ten Situationen konkret relevant werden, konnaffiliationsrelevan-ten durch die dargestellaffiliationsrelevan-ten Befunde weit-gehend gestützt werden.

In einer experimentell realistischen Versuchsanordnung lassen sich folglich sehr wohl emotionale Reaktionen nach sozialer Ablehnung auffinden. Die inkonsistente Be-fundlage zur Rolle des emotionalen Erlebens nach sozialer Ablehnung (vgl. Kapitel 7.1.2) ist daher vermutlich auf die An- oder Abwesenheit experimentell realistischer Gruppensituationen in den entsprechenden Untersuchungen zurückführbar.

Saliva-Cortisol: Wie bereits erwähnt, ist es nicht ausgeschlossen, dass Fragebogen-daten der beschriebenen Art diversen Verzerrungen unterliegen. Mit der Messung des Saliva-Cortisols war daher u. a. intendiert, eine objektivierbare Variable zu erheben, mit der die Befunde der Fragebogendaten untermauert und angereichert werden können.

Diese Variable wurde als Indikator für die physiologische Aktivierung der Vpn nach sozialer Exklusion bzw. nach sozialer Inklusion herangezogen. Damit sollte die Energe-tisierungsfunktion von Emotionen abgebildet und erfasst werden. Erwartet wurde eine vom Prä- zum Postmesswert höher ausgeprägte Differenz der Cortisol-Konzentration im

Speichel bei denjenigen Vpn, die sich in der Versuchsbedingung soziale Exklusion befanden als bei denjenigen Vpn, die sich in den Versuchsbedingungen soziale Inklusi-on und KInklusi-ontrolle befanden (vgl. Hypothese 2).

Die Daten der AV Saliva-Cortisol mussten vor der Datenanalyse von einigen extre-men Werten bereinigt werden. Die damit einhergehende Reduktion des Datensatzes verteilte sich nicht zu gleichen Anteilen auf die einzelnen Versuchsgruppen. In einem solchen Fall fallen Verstöße gegen die Annahme von Varianzhomogenität zwischen den Gruppen bei parametrischen Analyseverfahren deutlich ins Gewicht. Daher wurden le-diglich die Faktorstufen der UV 1 in einem nonparametrischen Analyseverfahren ge-geneinander getestet.

Das beschriebene Vorgehen deckte einen signifikanten Effekt des Faktors soziale Affiliation auf. Das Befundmuster entsprach der diesbezüglich aufgestellten Hypothese (2). Das heißt, bei denjenigen Vpn, die sozial ausgeschlossen wurden, ließ sich ein sig-nifikant höherer prozentualer Anstieg des Saliva-Cortisols vom Prä- zum Postmesswert feststellen als bei Vpn, die sich in den Versuchsbedingungen soziale Inklusion und Kon-trolle befanden. Zwischen den letzteren beiden Versuchsbedingungen traten keine signi-fikanten Unterschiede auf.

Die Aussagen, die aus den Befunden zur Variable Saliva-Cortisol abgeleitet werden können, sind gewissen Beschränkungen unterworfen. Durch die Heterogenität der Vari-anzen zwischen den Versuchsgruppen des Experiments konnten keine detaillierten Ana-lysen der Cortisoldaten vorgenommen werden. Die Betrachtung der Daten legt keine monolithische Erklärung für die entstandene Heterogenität der Varianzen nahe. Zu ei-nem gewissen Anteil lässt sich diese Heterogenität durch das Auftreten interindividuel-ler Differenzen im Cortisolanstieg von der Prä- zur Postmessung erklären, wobei diese interindividuellen Unterschiede umso größer wurden, je ausgeprägter der Cortisol-anstieg in der entsprechenden Versuchsgruppe war. Die Fehlervarianz variierte folglich systematisch mit der Versuchsbedingung. Dieser Erklärung folgend, machen sich in Abhängigkeit unterschiedlicher Situationen interindividuelle Unterschiede auch in un-terschiedlicher Weise bemerkbar. Wie Zwick (1985) bemerkt, ist dies durchaus nicht ungewöhnlich für psychologische Befunde.

Dieser Sachverhalt ist vermutlich auf das enorm komplexe endokrine Geschehen des Menschen zurückzuführen. Idiosynkratische Reaktionsmuster der Vpn haben im vorlie-genden Fall vermutlich einen Beitrag zu den heterogenen Fehlervarianzen in den Ver-suchsgruppen geleistet.

Eine inhaltliche Erklärung für die Heterogenität der Varianzen könnte sich auf die erlebten Emotionen nach sozialer Ablehnung beziehen. Wie im Zusammenhang mit den Variablen, die das subjektive emotionale Erleben der Vpn betrafen, berichtet wurde, können Reaktionen auf soziale Ablehnung sehr unterschiedlicher Qualität sein. So rea-gierten einige Vpn auf soziale Ablehnung mit Trauer, andere mit Ärger, wieder andere mit Angst oder auch einer Kombination aus diesen Emotionen. Es ist unschwer vor-stellbar, dass diese Unterschiede zu einer Steigerung der Fehlervarianz im Cortiso-lanstieg geführt haben.

Ergänzend ist hinzuzufügen, dass die Variable Saliva-Cortisol als letzte Variable im experimentellen Prozedere erhoben wurde. Möglicherweise haben die zahlreichen Tests, die bis zur Erhebung des Post-Messwertes zu bearbeiten waren, die empfindlichen en-dokrinen Abläufe ebenfalls störend beeinflusst. Ein damit verbundenes prinzipielles Problem bestand sicherlich auch darin, dass das experimentelle Setting lediglich eine punktuelle Reaktionsmessung dieser Variable ermöglichte.

Insgesamt aber liefern die Daten bezüglich der Variablen Saliva-Cortisol durchaus Hinweise darauf, dass Personen, die sozial ausgeschlossen wurden, einen deutlicheren Cortisolanstieg zu verzeichnen hatten als Vpn, die sozial akzeptiert wurden oder auch neutral behandelt wurden. Die vorliegenden Daten stehen demzufolge nicht im Wider-spruch zu der diesbezüglich formulierten Hypothese (2).

Bei Personen, die mit dem adaptiven Problem der Etablierung sozialen Anschlusses konfrontiert sind, werden offenbar emotionale Regulationsmechanismen aktiviert, die geeignet sind, das entsprechende Problem zu lösen. Zustände sozialen Ausschlusses gehen offenbar mit aversivem emotionalen Erleben einher, die den isolierten Organis-mus zu einer Veränderung seines Zustandes motivieren. Dieses aversive emotionale Erleben wird dementsprechend von einer physiologischen Aktivierung begleitet, die eine Voraussetzung dafür ist, problemlösendes Verhalten in Gang zu setzen.