• Keine Ergebnisse gefunden

SCOTT und FULLER (1965) schlagen eine Einteilung der frühen Entwicklung des Hundes in folgende vier Abschnitte vor: die neonatale Periode von der Geburt bis einschließlich der zweiten Lebenswoche (1), die transitionale Periode während der dritten Lebenswoche (2), die Sozialisationsperiode (3) bis etwa zur zwölften Woche und die sich anschließende juvenile Periode (4). SERPELL und JAGOE (1995) ergänzen eine pränatale Periode, die dieser Entwicklung vorangeschaltet ist und in der vermutlich vor allem hormonelle Einflüsse eine spätere Verhaltensentwicklung beeinflussen. Eine andere Einteilung wird von BRUMMER (1976) vorgenommen, der im Anschluss an die Neugeborenenphase und die Übergangsphase eine Prägungsphase zwischen der vierten und siebten Lebenswoche benennt, an die sich die Sozialisierungsphase von der achten bis zur 13. Woche anschließt.

Bis zur 16. Woche erfolgt die Rangordnungsphase, bis zum sechsten Lebensmonat die Rudelordnungsphase. Der Begriff Periode, der regelmäßig wiederkehrende Geschehnisse

beschreibt, wird in der deutschsprachigen Literatur vielfach durch den Begriff Phase ersetzt (IMMELMANN 1982; FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

2.4.1 Neonatale Phase

Welpen werden zu einem frühen Zeitpunkt der neurologischen Entwicklung geboren, sie sind in den ersten zwei Lebenswochen noch stark von der Mutterhündin abhängig und das vorherrschende Verhalten beschränkt sich auf Schlafen und Trinken (MARKWELL und THORNE 1987). Weder Augen noch Ohren sind geöffnet, die Welpen erleben ihre Umwelt hauptsächlich taktil sowie geschmacklich und geruchlich (SERPELL und JAGOE 1995).

Einfache motorische Reflexe werden gezeigt, auch der Urin- und Kotabsatz erfolgt reflektorisch auf die Zungenmassage der Mutter (MARKWELL und THORNE 1987). Die Welpen zeigen Kreiskriechen und Kopfpendeln (BRUMMER 1976).

2.4.2 Transitionale Phase

Mit einer Dauer von nur etwa einer Woche ist die transitionale oder Übergangsphase relativ kurz, dennoch findet in dieser Phase eine rapide nervale und physische Entwicklung statt (MARKWELL und THORNE 1987). Die Welpen öffnen die Augen, auch die Ohrenkanäle öffnen sich zum Ende der dritten Lebenswoche. Das Verhalten verändert sich, die Welpen beginnen vorwärts und rückwärts zu kriechen, zu laufen und zu stehen (SERPELL und JAGOE 1995), erste Spielsequenzen werden gezeigt (MARKWELL und THORNE 1987). Der Harn- und Kotabsatz erfolgt nun selbstständig außerhalb der Wurfkiste und die Tiere interessieren sich für feste Nahrung (BRUMMER 1976).

2.4.3 Sozialisationsphase

Die Sozialisationsphase bezeichnet den Lebensabschnitt, in dem die soziale Entwicklung eines Jungtieres in seiner Interaktion mit Artgenossen stattfindet; dies ist Voraussetzung für die spätere soziale Handlungsfähigkeit des Tieres (IMMELMANN 1982). Wurde dieser Entwicklungsabschnitt zunächst als ‘kritische Phase’ (SCOTT und FULLER 1965) bezeichnet, setzte sich später der Begriff der ‘sensiblen Phase’ durch (SERPELL und JAGOE 1995). Aufgrund von Erfahrungen und Assoziationen bei Interaktionen mit Artgenossen entwickelt der Junghund soziale Verhaltensweisen, dazu ist die Fähigkeit der Umweltwahrnehmung nötig. Das soziale Spiel steht hierbei im Vordergrund, ihm kommt eine

wichtige Rolle für das Erlernen kontrollierter Aggression zu (MARKWELL und THORNE 1987). Auch die Beißhemmung wird nun im Spiel erlernt (BRUMMER 1976). Die Bereitschaft der Welpen soziale Bindungen einzugehen, ist in dieser Phase besonders hoch. Um zu gewährleisten, dass Hütehunde, die später zur Arbeit an Schafen eingesetzt werden sollen, keine sozialen Bindungen mit diesen eingehen, darf in diesem Zeitraum kein kontinuierlicher Kontakt bestehen (COPPINGER und SCHNEIDER 1995). Umgekehrt lässt sich durch den Kontakt mit möglichst vielen Tieren während dieser Phase vermeiden, dass diese später als Beuteobjekte eingeordnet werden (BERNAUER-MÜNZ und QUANDT 1995).

Zu Beginn der Sozialisationsphase überwiegt die Neugier bei der Annäherung und bei der Untersuchung neuer Reize; negative Reizantworten oder Angstreaktionen treten erst ungefähr ab der fünften Lebenswoche auf (MARKWELL und THORNE 1987). Sie erreichen ihren Höhepunkt etwa zwischen der sechsten und achten Lebenswoche (SCOTT und FULLER 1965). Die Phase, in der neugieriges Verhalten gegenüber ängstlichem Verhalten überwiegt, ist also vergleichsweise kurz (MARKWELL und THORNE 1987). Eine genaue Angabe von Beginn und Ende der Sozialisationsphase erscheint nicht möglich, da die meisten ablaufenden Veränderungen gradueller Natur sind und sich zudem rassebedingt und individuell unterscheiden (SERPELL und JAGOE 1995; FEDDERSEN-PETERSEN 2004). MARKWELL und THORNE (1987) vermuten außerdem, dass auch die Erfahrungen, die der Hund während dieser Phase macht, die Dauer der Sozialisation beeinflussen.

Bei Caniden können bestimmte soziale Fähigkeiten nur durch Kontakte während dieser Phase erworben werden. Unterbleibt dies, kommt es zu Fehlentwicklungen, die auch als Deprivationssyndrom beschrieben werden (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Eine isolierte Aufzucht wird ursächlich für die Entstehung von übersteigerter Ängstlichkeit, Hyperaktivität und Lernschwierigkeiten angenommen (MARKWELL und THORNE 1987). BRUMMER (1976) fand bei der Anamneseerhebung für Hunde, die aufgrund von Meideverhalten und erhöhter Aggressivität vorgestellt wurden, auffallend häufig eine Übernahme durch den Besitzer erst in einem Alter von drei Monaten. Meist wurden diese Tiere nicht direkt vom Züchter erworben. PRICE (1996) vermutet, dass Versäumnisse während der Sozialisationsphase häufigste Ursache für späteres Problemverhalten bei Border Collies sind.

2.4.4 Juvenile Phase und Pubertät

In der juvenilen Phase, die sich an die Sozialisationsphase anschließt, sind bereits alle wichtigen Verhaltensmuster vorhanden und verändern sich kaum noch; es kommt lediglich

zu einer graduellen Verbesserung der sozialen und motorischen Fähigkeiten (MARKWELL und THORNE 1987). Der Hund wird vorsichtiger in seinen Aktionen, er erwirbt die Fähigkeit beabsichtigte Handlungen zu unterlassen oder auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben;

sexuell bedingte Verhaltensweisen entwickeln sich und Rüden beginnen zu markieren (O’FARREL 1991). Bei der Hündin ist die Geschlechtsreife durch Eintritt der ersten Läufigkeit gekennzeichnet, zum Ende der juvenilen Phase können erste Anzeichen territorialen Verhaltens einsetzen und häufig tritt im Alter von acht Monaten bis zu einem Jahr eine Phase erhöhter Schreckhaftigkeit auf (JONES-BAADE 2004). Die juvenile Phase ist je nach Rasse etwa mit 7 bis 12 Lebensmonaten abgeschlossen (HEIDENBERGER 2000). Die volle soziale Reife erreicht der Hund jedoch meist erst in einem Alter von anderthalb bis dreieinhalb Jahren (JONES-BAADE 2004).

2.4.5 Verhaltensontogenese des Border Collies

In ihren Untersuchungen an Border-Collie-Welpen konnte HEINE (2000) ein im Vergleich zu anderen Hunderassen und zum Wolf frühes Auftreten vieler Verhaltensweisen feststellen.

Vor allem lokomotorische Fähigkeiten und Verhaltensweisen gegenüber der Umwelt entwickelten sich eher; dagegen traten metabolische Verhaltensweisen sowie Lautäußerungen bei Border Collies erst relativ spät auf. HEINE kommt aufgrund ihrer Beobachtungen zu dem Schluss, dass die „Periode der inneren Zuwendung“, welche mit der neonatalen Phase gleichzusetzen ist, für diese Rasse bereits mit dem siebten Lebenstag abgeschlossen ist; die „Übergangsperiode“, welche der transitionalen Phase entspricht, umfasst für Border Collies die Zeit zwischen dem achten und neunzehnten Lebenstag; ab dem 20. Tag beginnt dann die „Periode der Zuwendung zur Außenwelt“. Die Autorin folgert hieraus, dass die insgesamt frühe Entwicklung des Border Collies auch einen früheren Beginn der Sozialisationsphase für diese Rasse wahrscheinlich macht. Dies konnte von LAMBRICH (2007) bestätigt werden: sie fand ein frühes Einsetzen und eine relativ lange Dauer der Sozialisierungsphase bis zur 20. Lebenswoche. In dieser Phase wird außerdem festgelegt, welche Tiere oder Objekte später vom Hund bevorzugt gehütet werden. Außer dieser ersten sensiblen Phase während der Sozialisierung fand LAMBRICH noch eine so genannte „zweite sensible Phase“ im siebten und achten Lebensmonat.

Für die Rasse Australian Shepherd gibt es bislang keine systematischen Untersuchungen zur Verhaltensontogenese.