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Untersuchung von Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden der Rassen Border Collie und Australian Shepherd in Deutschland

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Aus dem Physiologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule Hannover

Untersuchung von Verhaltensauffälligkeiten

bei Hunden der Rassen Border Collie und Australian Shepherd in Deutschland

INAUGURAL – DISSERTATION

Zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin (Dr. med. vet.)

durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von Silke Meermann

aus Münster

Hannover 2009

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Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. G. Breves

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. G. Breves 2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. H. Hackbarth

Tag der mündlichen Prüfung: 14.05.2009

(3)

Meinen Großmüttern Anni Siebelt und Lucie Meermann gewidmet

(4)
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Untersuchung von Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden der Rassen Border Collie und Australian Shepherd in Deutschland

1 Einleitung ... 1

2 Literatur ... 4

2.1 Entstehung und Entwicklung von Hütehunden ... 4

2.1.1 Domestikation und Entstehung der Rassenvielfalt... 4

2.1.2 Hirten-, Hüte- und Treibhunde... 6

2.2 Die Rassen Border Collie und Australian Shepherd ... 8

2.2.1 Geschichtliche Entwicklung... 8

2.2.2 Arbeitsweise...10

2.2.3 Zuchtbuchführung und Registrierung ...12

2.2.4 Rassestandards ...14

2.2.5 Erbkrankheiten...14

2.3 Ethogramm des Hundes...15

2.3.1 Sozialverhalten ...16

2.3.2 Metabolisches Verhalten ...19

2.3.3 Komfort- und Ausruhverhalten...20

2.3.4 Erkundungs- und Feindvermeidungsverhalten ...20

2.3.5 Meide- und Fluchtverhalten...20

2.3.6 Einordnung des Hüteverhaltens ...21

2.3.7 Rassebedingte Unterschiede ...22

2.4 Entwicklungsperioden und Verhaltensontogenese ...24

2.4.1 Neonatale Phase ...25

2.4.2 Transitionale Phase ...25

2.4.3 Sozialisationsphase ...25

2.4.4 Juvenile Phase und Pubertät ...26

2.4.5 Verhaltensontogenese des Border Collies ...27

2.5 Verhaltensgenetische Untersuchungen ...28

2.5.1 Erblichkeit von Verhaltensmerkmalen ...28

2.5.2 Erblichkeit von Hüteverhalten...29

2.5.3 Wesens- und Verhaltenstests ...30

2.6 Verhaltensstörungen und Verhaltensprobleme...32

2.6.1 Klassifizierung und Definitionen ...32

(6)

2.6.2 Aggression ...33

2.6.3 Angstverhalten ...35

2.6.4 Sexualverhalten und maternales Verhalten ...38

2.6.5 Ernährungsverhalten...40

2.6.6 Ausscheidungsverhalten ...41

2.6.7 Unerwünschtes und fehlgeleitetes Jagd- bzw. Hüteverhalten...41

2.6.8 Stereotypien...44

2.6.9 Hyperaktivität und unerwünschtes Bellen...48

2.6.10 Aufmerksamkeitheischendes Verhalten ...49

3 Material und Methode...50

3.1 Datenerhebung mit Hilfe eines Fragebogens...50

3.2 Verteilung der Fragebögen...50

3.3 Aufbau des Fragebogens ...51

3.4 Datenerfassung und statistische Auswertung ...53

4 Ergebnisse ...55

4.1 Vergleich der Rassen Border Collie und Australian Shepherd...55

4.1.1 Allgemeine Angaben des Besitzers...55

4.1.2 Allgemeine Angaben zum Hund ...60

4.1.3 Angaben zum Lebenslauf des Hundes...64

4.1.5 Angaben zum Verhalten des Hundes ...90

4.1.6 Einstellung des Besitzers ...135

4.2 Untersuchung möglicher Ursachenfaktoren für die Intensität unerwünschter oder fehlgeleiteter Verhaltensweisen...148

4.2.1 Intensität des Jagdverhaltens...148

4.2.2 Intensität des Blickfixierens gegenüber Ersatzobjekten ...151

4.2.3 Intensität des Zwickens und Beißens ...155

4.2.4 Intensität des Bellverhaltens ...158

4.2.5 Intensität des stereotypen Verhaltens ...160

5 Diskussion...165

5.1 Methodendiskussion...165

5.1.1 Fragebogenaufbau und Befragungsablauf ...165

5.1.2 Statistische Auswertung ...167

5.2 Ergebnisdiskussion ...167

5.2.1 Allgemeine Angaben des Besitzers...168

(7)

5.2.2 Allgemeine Angaben zum Hund ...169

5.2.3 Angaben zum Lebenslauf des Hundes...170

5.2.4 Angaben zur derzeitigen Haltung des Hundes ...173

5.2.5 Angaben zum Verhalten des Hundes ...178

5.2.6 Angaben zur Einstellung des Besitzers ...194

5.2.7 Ursachenfaktoren für die Intensität unerwünschter oder fehlgeleiteter Verhaltensweisen...197

5.3 Schlussdiskussion ...204

6 Zusammenfassung ...221

7 Summary...225

8 Literaturverzeichnis ...228

9 Anhang...244

9.1 Rassestandard Border Collie...244

9.2 Rassestandard Australian Shepherd ...247

9.3 Fragebogen...251

(8)

Abkürzungsverzeichnis

ABCD e.V. Arbeitsgemeinschaft Border Collie Deutschland e.V.

AKC American Kennel Club

ASAG e.V. Australian Shepherd Association Germany e.V.

ASCA Australian Shepherd Club of America ASCD e.V. Australian Shepherd Club Deutschland e.V.

bzw. beziehungsweise

CASD e.V. Club für Australian Shepherds Deutschland e.V.

CBD Compulsive Behavior Disorder

CEA Collie-Eye-Anomalia; Ektasie-Syndrom C.f.br.H. Club für britische Hütehunde

et al. und andere

FCI Féderation Cynologique Internationale

HD Hüftdysplasie

IASA International Australian Shepherd Association ISDS International Sheep Dog Society

ISER International English Shepherd Registry; entspricht NSDR KC Kennel Club; in Großbritannien

NSDR National Stock Dog Registry; entspricht ISER OCD Obsessive Compulsive Disorder

PRA Progressive Retina Atrophie

VDH Verband für das deutsche Hundewesen

u.a. unter anderem

v.a. vor allem

VDH Verband für das deutsche Hundewesen

WEWASC e.V. Western Europe Working Australian Shepherd Club e.V.

z.B. zum Beispiel

(9)

1 Einleitung

In allen Regionen der Welt, die durch angelsächsische Siedler und deren Vieh erschlossen wurden, kommen Border Collies oder verwandte Rassen wie der Australian Shepherd bei der Arbeit an der Herde zum Einsatz. Durch den Strukturwandel der Schafhaltung auf dem europäischen Kontinent von der Hüteschäferei zur Koppelschafhaltung findet auch hier der Border Collie immer größere Bedeutung und trägt wesentlich zur Einsparung teurer menschlicher Arbeitskräfte bei (CHIFFLARD und SEHNER 1996; FINGER 1996). Insgesamt werden jedoch nur sehr wenige Individuen der ursprünglich für die Arbeit an Vieh gezüchteten Hunderassen gemäß ihrem ursprünglichen Verwendungszweck eingesetzt. Die Zahl der insgesamt in Deutschland lebenden Border Collies beträgt Schätzungen zu Folge heute etwa 5000, davon arbeiten wahrscheinlich weniger als 500 Tiere an Vieh (HILGARTNER, persönliche Mitteilung 2003). Auch die Anzahl der in Deutschland lebenden Australian Shepherds beläuft sich laut Schätzungen auf etwa 3000 bis 5000 Individuen (CASD, www.australian-shepherd-ig.de), der Anteil der an Vieh arbeitenden Tiere ist hier vermutlich noch geringer. Die Popularität dieser Hunderassen in Deutschland ist wahrscheinlich u.a. auf den Film „Ein Schweinchen namens Babe“ (1996) sowie auf Auftritte in zahlreichen Fernsehwerbespots, auf Erfolge im Hundesport (HANCOCK 1999) und auf das positive Image des gemeinhin als intelligent und leicht erziehbar geltenden Hütehundes zurückzuführen und spiegelt sich in den Zahlen der VDH-Welpenstatistik (2008) wider:

zwischen 1992 und 2003 hat sich die Zahl der registrierten pro Jahr geborenen Border Collie Welpen von 271 auf 1003 mehr als verdreifacht; seitdem ist die Zahl jedoch wieder leicht rückläufig. Die erste Eintragung von Welpen der Rasse Australian Shepherd erfolgte 1996;

während im ersten Jahr nur sieben Hunde eingetragen wurden, waren es für das Jahr 2007 insgesamt 413 Welpen dieser Rasse.

Laut COREN (1994), der für 133 Hunderassen eine Rangliste aufstellte, handelt es sich beim Border Collie um die Hunderasse mit der höchsten Gehorsams- und Arbeitsintelligenz. In den vergangenen Jahren wurde in Deutschland das Interesse an der Lernleistung von Border Collies außerdem durch den Rüden ‘Rico’ geschürt, der durch die Fernsehsendung

„Wetten dass...?“ bekannt wurde und in der Lage ist durch so genanntes „fast mapping“ über 200 Begriffe und Gegenstände zu unterscheiden (KAMINSKI et al. 2004; BLOOM 2004).

Gleichzeitig mehren sich jedoch Berichte über problematische Verhaltensweisen bei Hunden dieser Rasse (FRANCK 1998; HEBELER 2003). MUGFORD (1995) listet Border Collies an fünfter Stelle (nach Mischlingen, Deutschen Schäferhunden, Labrador Retrievern, Golden Retrievern und Cocker Spaniels) der Liste von Hunden, die in seiner Praxis in England

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aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten vorgestellt wurden. PRICE (1996) betont in diesem Zusammenhang, dass Border Collies nicht nur erwünschtes, sondern auch unerwünschtes Verhalten ebenso schnell und effektiv erlernen. BOCKERMANN und SEIDEL (1996) berichten von Allergien, Leckgranulomen und Bewegungsstereotypien sowie einer zunehmenden Aggressivität bei Border Collies als Folge von Unterbeschäftigung. Weitere Auflistungen border-collie-typischer Probleme von FRANCK (1998), PRICE (1999) und SCHÜTZ (2002) beinhalten aggressives Verhalten gegen Familienmitglieder und Kinder, so genannte „Dominanzaggression“, Aggression gegen Hunde und andere Tierarten, unerwünschtes Jagd- und Hüteverhalten mit oder ohne Schnappen, übermäßige Ängstlichkeit und Geräuschempfindlichkeit, Trennungsangst, zerstörerisches Verhalten, Überstimulierung sowie das Ausführen obsessiver und zwanghafter Verhaltensmuster. Als Konsequenz dieser Schwierigkeiten existieren in Deutschland mittlerweile drei Organisationen, die sich mit der Vermittlung von Border Collies beschäftigen, die aus verschiedenen Gründen von ihren Besitzern nicht mehr gehalten werden können. Durch die Notvermittlung der ABCD e.V. wurden allein im Jahr 2003 über 170 Hunde vermittelt (GERSDORF, persönliche Mitteilung 2004). In einer über 15 Monate geführten Kartei der Border-Collie-Notvermittlung des Clubs für britische Hütehunde (C.f.br.H.) wurden 104 Hunde verzeichnet, als häufigster Abgabegrund wurde hier ‘Aggression gegen Menschen’

genannt (SCHÜTZ 2002). Die Erfahrungen im Bereich der Notvermittlung von Border Collies finden sich prinzipiell bei fast allen „Modehunderassen“ wieder mit dem wesentlichen Unterschied, dass der Border Collie auch heute noch ein Arbeitshund ist (SCHULTZ 2002).

Der Verein „Aussies in Not e.V.“ beschäftigt sich in ähnlicher Weise mit der Vermittlung von Australian Shepherds, die von ihren Besitzern abgegeben werden.

Die Vermutung liegt nahe, dass Hunde, die in Anpassung an eine spezielle Arbeitsumgebung gezüchtet wurden und dadurch bestimmte genetisch bedingte Verhaltensmerkmale aufweisen, in einem andersartigen Umfeld Verhaltensauffälligkeiten entwickeln können. HEINE (2000) empfiehlt als Konsequenz ihrer Beobachtungen während der Erstellung eines Ethogramms, jedem adulten Border Collie eine Hüteaufgabe an Vieh zu stellen; auch die Untersuchung von LAMBRICH (2007) zeigt, dass frühe Kontaktmöglichkeiten der Junghunde zu Herdentieren für die weitere Verhaltensentwicklung von besonderer Bedeutung sind.

Im Rahmen dieser Arbeit soll zunächst ermittelt werden, wie häufig einzelne Verhaltensauffälligkeiten bei Border Collies und Australian Shepherds vorkommen. In einem

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zweiten Schritt wird untersucht, ob einzelne Ursachenkomplexe für das Auftreten bestimmter Probleme identifiziert werden können. Dabei werden insbesondere mögliche Zusammenhänge zwischen auffälligem Verhalten und genetischen Einflüssen, sowie den aktuellen Haltungsbedingungen der betroffenen Hunde überprüft. Bei der Untersuchung von Auffälligkeiten aus dem Funktionskreis des Jagd- bzw. Hüteverhaltens geht es darum festzustellen, ob Unterschiede zwischen Tieren mit und ohne Hüteabstammung sowie zwischen hütenden und nicht hütenden Hunden bestehen.

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2 Literatur

2.1 Entstehung und Entwicklung von Hütehunden

Heute besteht allgemein Einigkeit darüber, dass der Wolf als einziger Stammvater des Hundes anzusehen ist (ZEUNER 1963; ZIMEN 1988; FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

ZEUNER (1963) sieht den Beginn der Domestikation des Hundes spätestens im Mesolithikum. Er vermutet, dass Wölfe dem Menschen wahrscheinlich zunächst als Abfallvertilger folgten, dass der Mensch aber schon bald die Nützlichkeit des Wolfes für die gemeinsame Jagd erkannte. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Fähigkeit des Wolfes, Wildwiederkäuer zu treiben und einzukreisen. ZEUNER (1963) sieht dies ebenfalls als Voraussetzung für die spätere Domestikation von Ziege, Schaf und Rentier. ZIMEN (1988) vermutet, dass vor allem die Tatsache, dass Wölfe ähnlich wie Menschen als soziale Wesen in kleinen Gruppen leben, eine Domestikation erst ermöglicht hat.

2.1.1 Domestikation und Entstehung der Rassenvielfalt

IMMELMANN (1982) bezeichnet die Haustierwerdung sowie das Züchten von Tieren in Menschenobhut als Domestikation. Durch einen populationsgenetischen Veränderungsprozess werden aus Wildarten Haustiere (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

Voraussetzung hierfür ist die genetische Isolation von Wild- und Haustier (ZIMEN 1988).

Im Zuge der Domestikation lassen sich bei den meisten Tierarten bestimmte Veränderungen bezüglich Körpergröße, Haarkleid, Knochenbau und Weichteilentwicklung feststellen. So sind die frühen Haustierformen in der Regel kleiner als ihre wilden Vorfahren, ihr Haarkleid zeigt aufgrund von Mutationen eine größere Variabilität in Bezug auf Farbe und Länge, der Gesichtsschädel der Haustiere ist kürzer, der Gehirnschädel sowie das Gehirn selbst sind von geringerem Volumen als bei der Stammform (ZEUNER 1963).

Durch das Leben in Menschenobhut werden für die vorhergehenden Umweltbedingungen charakteristische evolutionäre Zwänge durch neue selektive Faktoren ersetzt, so dass die Entwicklung der Art in eine neue Richtung geht (ASKEW 2003). Viele Verhaltensweisen des Wolfes, wie seine Zurückhaltung gegenüber allem Neuen, waren für das Überleben nicht länger notwendig; der veränderte Selektionsdruck förderte u.a. die Entwicklung einer früheren Geschlechtsreife und die Ausbildung eines Repertoires vokaler Verhaltensweisen,

(13)

die Bereitschaft zur Unterwerfung gegenüber dem Menschen sowie flexibles Verhalten und erhöhte Lernbereitschaft (ASKEW 2003).

ZEUNER (1963) beschreibt verschiedene Zwischenformen in der Entwicklung vom Wolf hin zu den verschiedenen Hunderassen. Als Stammform der Schäfer- und Polarhunde sieht er den vom nordischen Wolf abstammenden Canis familiaris inostranzewi, als Vorfahren der Hütehunde nennt er den vom indischen Wolf stammenden Canis familiaris matris-optimae.

Wann die ersten Rassen entstanden, ist heute unklar. Laut ZIMEN (1988) belegen Funde aus dem Mesolithikum, dass die Hunde bereits in dieser Zeit eine große Variabilität einzelner Merkmale aufwiesen, folglich das Modell der Urrassen nicht zutreffen kann. Früher als andere Haustierarten wurde der Hund zu verschiedenen Zwecken genutzt, so dass es hier nicht zur Bildung einheitlicher geographischer Formen kam. Erst als am gleichen Ort verschiedene Nutzungstypen mit ähnlichem Aussehen und Verhalten in sexueller Isolation getrennt gezüchtet wurden, entstanden auch die ersten Hunderassen (ZIMEN 1988).

COPPINGER und COPPINGER (1998) beschreiben einen anderen Mechanismus der Haustierwerdung des Hundes: sie unterscheiden fünf Gruppen von Hunden, die jeweils einem bestimmten Verhaltenstyp entsprechen und sich phylogenetisch nacheinander entwickelt haben.

1. Dorfhunde („Villagedogs“)

2. Herdenschutzhunde und Jagdbegleiter („Livestock guarding dogs“ / „hunting companions“)

3. Schlittenhunde („Sled dogs“)

4. Hütehunde und Jagdhunde („Herding dogs / „Gun dogs“) 5. Haushunde („Household dogs“)

Angehörige dieser fünf Gruppen sind auch heute noch überall auf der Welt zu finden. Dabei vertreten die Autoren die Ansicht, dass die Domestikation auf eine von selbst herbeigeführte Reduktion der Fluchtdistanz sowie auf interspezifisches Futterbetteln zurückzuführen ist. Die körperlichen Veränderungen, die den Hund vom Wolf unterscheiden, werden dabei nicht als Anpassungen, sondern als nun mögliche saltatorische Mutationen angesehen. Die Entstehung spezialisierter Rassen erfolgte dann wesentlich später durch Hybridisierung von Hunden verschiedener Typen. Dabei kann eine künstliche Selektion nach äußerlichen Merkmalen im Welpenalter von einer Selektion nach Verhaltensmerkmalen beim erwachsenen Hund unterschieden werden.

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COPPINGER und COPPINGER (1998) betonen, dass die Gruppe der Hüte- und Jagdhunde eine insgesamt noch sehr junge Rassegruppe ist und sich viele dieser Rassen oftmals auf einzelne Gründertiere zurückführen lassen. Die Zuchtwahl erfolgte aufgrund bestimmter Verhaltensmerkmale; diese wurden dabei z.T. so stark ritualisiert oder übertrieben, dass die Hunde in einem bestimmten Verhaltensmuster gewissermaßen „stecken bleiben“. Solche Verhaltensmuster sind meist Teil des Jagdverhaltens und dadurch selbstbelohnend. Sie werden jedoch oft auch in anderen Zusammenhängen als in jagdlichem Kontext gezeigt, ins Sozialspiel eingebaut oder gegenüber imaginären Objekten ausgeführt. Dies trifft laut COPPINGER und COPPINGER (1998) in besonderem Maße für Border Collies und Pointer zu.

2.1.2 Hirten-, Hüte- und Treibhunde

Die Vielfalt umweltbedingter und wirtschaftlicher Gegebenheiten ist für die Entwicklung verschiedener Systeme der Viehhaltung verantwortlich; in Anpassung an diese haben sich unterschiedliche Rassen von Hirten-, Hüte- und Treibhunden entwickelt (FINGER 1996).

Dabei wurden durch züchterische Selektion unterschiedliche Verhaltenssequenzen besonders hervorgehoben (COPPINGER und SCHNEIDER 1995). Um die Typen von Hunden, die zur Arbeit an Vieh eingesetzt werden, zu klassifizieren, schlägt FINGER (1996) folgende Einteilung vor:

Herdenhunde bzw. Herdengebrauchshunde (Gesamtheit aller Hunde, die für den Schäfer oder Hirten arbeiten)

1) Herdenschutz- bzw. Hirtenhunde („Livestock guarding dogs“)

=> Funktion: Schutz des Viehs vor Menschen und Raubtieren 2) Treib- oder Kuhhunde („Driving or cattle dogs“)

=> Funktion: Weideauf- und -abtrieb von (Groß-)vieh 3) Hüte- bzw. Schäferhunde („Tending or shepherd dogs“)

=> Funktion: Hutung unter beengten Verhältnissen auf Feld- und Wegeweiden

4) Schaf- bzw. Koppelgebrauchshunde („Sheep- or herding dogs“)

=> Funktion: Arbeit an Kleingruppen auf weitläufigen Weiden

(15)

Die Gruppen 2), 3) und 4) werden von anderen Autoren meist unter dem Begriff „Hütehunde“

zusammengefasst und von HANCOCK (1999) durch die Beschreibung ihrer Arbeitsweise als

„Header-Stalker-Breeds“ bezeichnet.

Während Herdenschutzhunde vor allem dort entstanden, wo das Vieh in unübersichtlichem Gelände geweidet wurde und durch große Raubtiere wie Wölfe und Bären bedroht war, erforderte eine Haltung mit häufigen Weidewechseln beweglichere und leichtere Hunde (CHIFFLARD und SEHNER 1996). Mit der Umwandlung des Grünlands in so genanntes enges Gehüt entstanden wendige, intelligente Hütehundschläge (FINGER 1996). Die Verhaltensweisen, die Herdenschutzhunde Schafen gegenüber zeigen, unterscheiden sich deutlich von denen, die Hütehunde an Vieh ausführen. Während Herdenschutzhunde bewusst mit Schafen sozialisiert werden, zeigen Hütehunde Vieh gegenüber Verhaltensweisen aus dem Funktionskreis des Jagdverhaltens (COPPINGER und SCHNEIDER 1995; COPPINGER und COPPINGER 2001). Während COPPINGER und COPPINGER (2001) darauf hinweisen, dass bei Hütehunden eine Sozialisation mit Schafen im eigentlichen Sinne vermieden werden muss, konnte LAMBRICH (2007) durch ihre Untersuchungen belegen, dass dennoch die Kontaktmöglichkeit zu Herdentieren während der Sozialisierungsphase für die Verhaltensentwicklung von Hütehunden enorm wichtig ist.

ARONS et al. (1992) untersuchten Unterschiede zwischen Hütehunden, Herdenschutzhunden und Schlittenhunden auf der Basis von Neurotransmitterspiegeln im Gehirn. Dabei fanden sie u.a. bei Border Collies höhere Dopaminspiegel als bei Herdenschutzhunden. Dopamin spielt eine wesentliche Rolle im limbischen System, es ist an der Entstehung von Emotionen wie Lust und Freude beteiligt, es beeinflusst das Lernverhalten, die Motorik und das endogene Belohnungssystem positiv, steigert gleichzeitig aber auch das Angstempfinden (BRANDT 2004; FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

Hütehunde gelten gemeinhin als intelligent und aktiv, häufig aber auch als nervös und empfindlich (SYKES 1999; GERBER-MATTLI 2002; PELZ 2004; SEIDEL 2004).

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2.2 Die Rassen Border Collie und Australian Shepherd

2.2.1 Geschichtliche Entwicklung Entstehung des Border Collies

Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts wurden mit dem Begriff „Collie“ Arbeitshunde Nordenglands und Schottlands bezeichnet; Abbildungen von Hunden aus jener Zeit ähneln oft denen heutiger Border Collies (ROGERS CLARK und BRACE 1993; FINGER 1996).

Über die Herkunft des Begriffes „Collie“ gibt es zahlreiche Theorien; so wird er mit „nützlicher Gegenstand“ übersetzt, vom Wort „Collar“ abgeleitet oder als Bezeichnung einer schwarzgesichtigen schottischen Schafrasse interpretiert (RÄBER 1993). Die Wurzeln dieses Hundetyps liegen im Dunkeln, manche Autoren vermuten nordische Spitze unter den Vorfahren (KRÄMER 1992; RÄBER 1993), andere sehen sogar Verbindungen zu römischen Hunden, die bei der Invasion 55 v. Chr. mit nach Britannien gebracht wurden (BOCKERMANN und SEIDEL 1996). Erste Beschreibungen der Arbeitsweise und des Aussehens Collie-ähnlicher Hunde finden sich in Johannes Caius Werk „Of English Dogges“

von 1576. Er schreibt über den „Shepherd’s Dogge“, dass es sich um einen Hund mittlerer Größe handelt, der nicht mit dem Wolf kämpfen muss, sondern von Pfeifkommandos geleitet versprengte Schafe einsammelt. Auch Thomas Bewick beschreibt 1790 verschiedene Hütehunde, darunter einen langhaarigen „Shepherd’s Dog“ mit Afterklauen an den Hinterbeinen sowie einen kurzhaarigen, schwereren „Cur Dog“. Reverend J.G. Woods berichtet in seiner „Natural History“ von 1862 von einer recht uneinheitlichen Gruppe von britischen Hütehunden, die zum Teil an Pointer, zum Teil an Foxhounds oder Setter erinnern und bisweilen auch mit Bulldoggen gekreuzt werden. Er erwähnt außerdem einen Schottischen Schäferhund oder „Colley“ von dunklem, meist schwarz-loh-farbenem Fell mit wenig weißen Abzeichen. LONGTON und SYKES (1997) vermuten, dass die Eigenschaft des „Auge-Zeigens“ auf das Einkreuzen von Vorstehhunden in dieser Zeit zurückzuführen ist.

Die Entstehung der heute bekannten verschiedenen Collietypen begann Ende des 19.

Jahrhunderts durch das Aufkommen von Hundeausstellungen auf der einen und Hütewettbewerben auf der anderen Seite. So fand 1871 in Birmingham die erste Hundeausstellung statt, auf der auch zwei Collies vorgestellt wurden (RÄBER 1993); das erste „Sheepdogtrial“ fand zwei Jahre später, 1873 in Bala, Wales statt. Dabei ist als bemerkenswert hervorzuheben, dass die Initiative für diesen ersten Hütewettbewerb von S.E. Shirley ausging, der auch gleichzeitig der Begründer des Britischen Kennel Clubs (KC)

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war (HALSALL 1992). Ein großes öffentliches Interesse an Collies wurde außerdem durch Queen Victoria geweckt, die auf ihrer ersten Reise nach Balmoral, Schottland, so von dieser Hunderasse beeindruckt war, dass sie zwei Tiere mit nach London brachte (ROGERS CLARK und BRACE 1993). Während bei der Zucht von arbeitenden Collies weiterhin auf Leistung selektiert wurde, entstand parallel dazu ein neuer Typus von Ausstellungshunden, der durch Einkreuzung von Rassen wie Setter und Barsoi modifiziert wurde. Die Leistungsfähigkeit bei der Arbeit an Vieh trat in den Hintergrund, nur noch das Schönheitsideal zählte, der Name „Collie“ aber blieb (KRÄMER 1992). Im Jahr 1915 prägte James Reid, damaliger Sekretär der International Sheep Dog Society (ISDS), den Begriff

„Border Collie“ für die Population arbeitender Hunde (ZÄHNER 1993). In dieser Zeit kamen die besten Arbeitshunde aus dem Grenzland (Grenze = Border) zwischen Nordengland und Schottland (BOCKERMANN und SEIDEL 1996).

Entstehung des Australian Shepherds

Die Entwicklung des Australian Shepherds wurde in erster Linie durch Arbeit an Schafen und später auch zunehmend an Rindern geprägt. Die Rasse lässt sich vermutlich auf verschiedene Collietypen von den britischen Inseln, aber auch auf andere Hütehundeschläge des europäischen Festlandes zurückführen, die mit europäischen Siedlern in die USA gelangten. Beim Verkauf von Schafherden war es außerdem üblich, die Hütehunde mit zu verkaufen, so dass auf diese Weise viele Tiere von den britischen Inseln in die englischen Kolonien gelangten (HANCOCK 1999). Heute besteht weitgehend Einigkeit darin, dass der Australian Shepherd trotz seiner Bezeichnung nicht australischen sondern amerikanischen Ursprungs ist (HARTNAGLE 1985; SEIDEL 2004; PELZ 2004; BOSSELMANN 2008). Die Rasse erhielt ihren Namen vermutlich deshalb, weil sie zunächst vorwiegend an Merinos, so genannten „Australian Sheep“, eingesetzt wurde (PELZ 2004). SWAN (1980) hingegen vermutet, dass es sich tatsächlich um eine Rasse australischen Ursprungs handelt, die sich aus dem phänotypisch sehr ähnlichen australischen „German Collie“ oder „Koolie“ entwickelt hat.

Darüber, welche europäischen Rassen im Einzelnen zur Entstehung des heutigen Australian Shepherd beitrugen, herrscht nicht immer Einigkeit: HARTNAGLE (1985) unterstreicht die Bedeutung iberischer Hütehundschläge, welche mit den spanischen Merinos nach Nordamerika gelangten. SEIDEL (2004) beschreibt, dass während der großen irischen Hungersnot von 1845/46 viele Siedler nach Australien und Nordamerika auswanderten;

dabei wurden sie von ihren Hunden, so genannten „Farm Collies“ begleitet. Die Autorin sieht

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in diesen Hunden gleichzeitig die Vorfahren des heutigen Border Collies. Bei einer Zählung aller Hunde der USA im Jahr 1940 war der „Farm Collie“ die häufigste Hunderasse und wies noch eine große Ähnlichkeit mit seinen britischen Vorfahren auf; aus diesen Hunden entwickelten sich neben dem Australian Shepherd auch der „English Shepherd“ und der

„McNab Dog“ (HANCOCK 1999). Auch PELZ (2004) sieht eine enge Verwandtschaft zwischen Border Collie, Australian Shepherd und English Shepherd; sie zählt außerdem den

„Old Welsh Bobtail“, den Berger des Pyrénées und den „German Collie“ aus Australien als Vorfahren des Australian Shepherd auf. HANCOCK (1999) misst darüber hinaus einem Hütehundschlag besondere Bedeutung zu, der im 19. Jahrhundert in den Black Mountains an der Grenze zu Wales beheimatet war: diese Hunde ähnelten äußerlich dem Border Collie, waren aber meist dunkler gezeichnet, von schwererem Gebäude und hatten eine angeborene Stummelrute; sie wurden vermehrt für die Arbeit an Rindern eingesetzt und zeigten hierbei viel Kraft sowie häufig auch das „Greifen“.

2.2.2 Arbeitsweise

„There must be an inherited instinct – one cannot describe it other than instinct - for herding sheep“ (Alexander Millar; schottischer Schäfer um 1900; zitiert nach HALSALL 1992)

Die Verhaltensweisen, die Hütehunde bei der Arbeit gegenüber dem Vieh zeigen, sind weitgehend genetisch bedingt (COPPINGER und SCHNEIDER 1995; COPPINGER und COPPINGER 2001; GERBER-MATTLI 2002; HEBELER 2003) und werden entsprechend auch als „Hüteinstinkt“ oder „Hütetrieb“ bezeichnet (PELZ 2004). Dabei leiten sich die Bewegungsmuster, die Border Collies und Australian Shepherds an Vieh zeigen, vom Jagdverhalten des Wolfes ab (HARTNAGLE 1985; HEBELER 2003). Beim Einsatz von Hütehunden an Vieh macht man sich wiederum dessen Herdenverhalten zu Nutze, welches auf ebenfalls vorwiegend angeborenen Reaktionen gegenüber Jagdraubtieren beruht (GRANDIN und DEESING 1998).

Durch züchterische Selektion wurden die Verhaltenssequenzen der Hunde in Anpassung an die jeweiligen Arbeitsbedingungen gezielt modifiziert (HARTNAGLE 1985; KRÄMER 1992;

ZÄHNER 1993; HANCOCK 1999; HEBELER 2003). Laut COPPINGER und COPPINGER (2001) wurden dabei das Blickfixieren und Vorstehen züchterisch hervorgehoben, während sich Fang- und Tötungsbiss abschwächten. Während HARTNAGLE (1985) sowie PELZ

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(2004) und SEIDEL (2004) auch für die Arbeitsweise des Australian Shepherds eine Entwicklung aus dem Jagdverhalten annehmen, gilt dies laut HEBELER (2003) vor allem für den Border Collie; sie sieht in der Arbeitsveranlagung bei anderen Hütehunderassen demgegenüber auch einen Bezug zum Spielverhalten.

Arbeitsweise des Border Collies

Border Collies verhalten sich bei der Arbeit an Vieh lautlos, sie zeigen bei frontaler Annäherung Blickfixieren und Vorstehen mit gesenkter Kopfhaltung und eingezogener Rute.

Diese Körperhaltung löst bei Schafen Fluchtreaktionen aus (COPPINGER und SCHNEIDER 1995; GRANDIN und DEESING 1998; HEBELER 2003). Hunde, die zur Arbeit an Vieh eingesetzt werden, verwenden die Prinzipien der Fluchtdistanz, um die Bewegungen der Tiere zu kontrollieren (GRANDIN und DEESING 1998). FINGER (1996) hält eine gute Schafbeobachtung, die richtige Reaktionseinschätzung und eine behutsam dosierte Einwirkung auf das Vieh für typische Merkmale angelsächsischer Schafhunde, dabei greifen bzw. beißen sie außerordentlich selten. GERBER-MATTLI (2002) betont, dass bellende, beißende und hetzende Hunde zu viel Stress auf die Schafe ausübten und so nicht zur Zucht weiterverwendet wurden. Hunde, die Schafe in geduckter Haltung schleichend und mit fixierendem Blick ruhig vorwärts bewegen konnten, wurden dagegen bevorzugt. Ein Wesensmerkmal, das außerdem für arbeitende Border Collies als wichtig erachtet wird, ist die Kooperationsbereitschaft der Hunde ihrem Besitzer gegenüber, der so genannte „Will to Please“ (HEBELER 2003). Die Arbeits- und Wesenseigenschaften des Border Collies machen ihn zu einem Hund, der sich vor allem für die Arbeit an kleinen Schafgruppen eignet (PELZ 2004). Im Gegensatz zu anderen Hütehunderassen ist der Border Collie in seiner Arbeitsweise stark spezialisiert (LAMBRICH 2007).

Arbeitsweise des Australian Shepherds

COPPINGER und SCHNEIDER (1995) beschreiben den Australian Shepherd im Gegensatz zum Border Collie als einen Hund, der mit erhobenem Kopf arbeitet und dabei bellt. Das Arbeitsbellen erleichtert es dem Hundeführer, den Hund zu lokalisieren (HANCOCK 1999);

gleichzeitig kann es dazu dienen, schwereres Vieh, v.a. Rinder, anzutreiben (HARTNAGLE 1985). Auch der gezielte „Griff“ oder „Biss“ in die Fesseln bzw. zur Nase hin wird von den Australian Shepherds beim Treiben relativ häufig eingesetzt (BOSSELMANN 2008);

HARTNAGLE (1985) zählt das Bellen, den „Griff“, sowie das Anrempeln des Viehs („Bump“) als Punkte auf, die die Kraft („Force“) des Hundes an Vieh ausmachen. Während der gezielte

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Biss immer nur das direkt betroffene Tier beeinflusst, kann das Bellen des Hundes gleichzeitig mehr Tiere erreichen und auch als Vorwarnung für einen gezielten Biss dienen.

Das gezielte Schnappen in die Fessel wiederum kann genutzt werden, um die Laufrichtung des Viehs zu beeinflussen (PELZ 2004).

Obwohl auch das „Auge zeigen“ („Eye“) beim Australian Shepherd vorkommt (HARTNAGLE 1985), zeigt diese Rasse im Verhältnis zum Border Collie insgesamt wenig „Auge“

(BOSSELMANN 2008), pendelt dafür aber oft hinter dem Vieh und bevorzugt in der Regel das stehende Arbeiten (PELZ 2004). Während der Border Collie dazu neigt, einen weiteren Abstand zu den Schafen zu halten, arbeitet der Australian Shepherd enger und kann das Vieh dadurch auch auf kleinen Räumen bewegen (BOSSELMANN 2008).

HARTNAGLE (1985) unterscheidet bei den Australian Shepherds schnellere Hunde, die eher die Tendenz haben, zum Kopf des Viehs zu laufen um dieses zu ihrem Hundeführer zu bringen („Headers“) von langsameren Hunden, die eher dazu neigen, das Vieh u.a. auch durch Bisse in die Fersen vom Hundeführer wegzutreiben („Heelers“); welche dieser Tendenzen bei einem Hund vorherrscht, ist angeboren und kann durch Training nur schlecht beeinflusst werden.

Während der Border Collie in stärkerem Maße auf die Arbeit mit kleineren Gruppen flüchtiger Schafe spezialisiert ist, eignet sich der Australian Shepherd besser, um alle Arten von Vieh, insbesondere Geflügel, Schafe und Rinder, zu arbeiten; dabei erfordert die Arbeit an unterschiedlichen Tierarten den Einsatz unterschiedlicher Techniken (HARTNAGLE 1985).

Die Arbeitsweise des Australian Shepherd bietet jedoch vor allem für den Umgang mit Rindern sowie mit größeren Herden Vorteile (EGLI 1996; GERBER-MATTLI 2002;

BOSSELMANN 2008).

2.2.3 Zuchtbuchführung und Registrierung Border Collie

Die International Sheep Dog Society (ISDS) wurde 1906 durch Anhänger arbeitender Hütehunde in England gegründet (FRANCK 1999). Neben der Ausrichtung von Hütewettbewerben („Trials“) stand von Beginn an die Zucht auf Arbeitsfähigkeit und Führigkeit der Hunde im Vordergrund (FINGER 1996). James Reid, Sekretär der ISDS, initiierte die Gründung eines Zuchtbuchs und gab der Rasse ihren Namen (FRANCK 1999).

Bis heute können in dieses Zuchtbuch nicht nur Hunde aufgenommen werden, deren Eltern

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ebenfalls bei der ISDS verzeichnet sind, sondern es ist auch möglich, Hütehunde unbekannter Herkunft nach bestandener Arbeitsprüfung registrieren zu lassen. Ein Rassestandard existiert bei der ISDS nicht. Nachdem in den 1970er Jahren Bestrebungen auftraten, den Border Collie als australische Rasse registrieren zu lassen (BOCKERMANN und SEIDEL 1999), wurde durch den britischen Kennel Club im Jahre 1976 ein Rassestandard formuliert. In Großbritannien ist eine doppelte Registrierung von Hunden bei der ISDS und im KC möglich. Im Jahr 1981 öffnete der dem VDH angeschlossene Club für britische Hütehunde (C.f.br.H.) in Deutschland das Zuchtbuch für Border Collies. Eine Registrierung von ISDS-Hunden ist hier nur noch mit einem Exportpedigree vom britischen KC möglich (FRANCK 1999). 1989 wurde im C.f.br.H. die Arbeitsgemeinschaft Border Collie Deutschland (ABCD) gegründet, die sich die Förderung der Hüteeigenschaften dieser Hunderasse in Deutschland zum Ziel gesetzt hat. 1994 entstand hieraus ein eigenständiger Verein, der nicht mehr dem C.f.br.H. und damit auch nicht mehr dem VDH angeschlossen ist (HEBELER et al. 2004). Bis 2006 wurde als Vereinsziel ausschließlich die Erhaltung und Förderung des Border Collies als Hütehund definiert; seit 2007 agiert die ABCD als assoziierter Tochterverein der ISDS und ist seitdem auch selbst zuchtbuchführend.

Australian Shepherd

Im Jahr 1957 wurde in den USA der Australian Shepherd Club of America (ASCA) gegründet, der zunächst mit der International English Shepherd Registry (IESR) bzw. der National Stock Dog Registry (NSDR) gemeinsam die Registrierung der Hunde übernahm.

1966 entstand in Kalifornien die International Australian Shepherd Association (IASA), die sich aber 1980 dem ASCA anschloss. Ein erster Standard wurde 1977 vom ASCA herausgegeben. Der American Kennel Club (AKC) nahm den Australian Shepherd 1991 ins Zuchtbuch auf, ein Rassestandard trat zwei Jahre später in Kraft. Zwischen ASCA und AKC besteht keine unmittelbare Kooperation, beide Verbände richten Ausstellungen, Gehorsams- und Arbeitsprüfungen aus und eine doppelte Registrierung von Hunden in beiden Vereinen ist möglich. Die Anerkennung der Rasse durch die FCI erfolgte 1996 (PELZ 2004; SEIDEL 2004).

Nach Deutschland kam der Australian Shepherd zuerst mit den Westernreitern. 1988 wurde der Australian Shepherd Club Deutschland e.V. (ASCD) gegründet, der dem ASCA, nicht aber dem VDH angeschlossen ist. Hunde, die hier registriert sind, besitzen ASCA-Papiere, eine Anerkennung beim VDH kann nur mit einem Exportpedigree erfolgen. Seit 1994 existiert die Australian Shepherd Association Germany e.V. (ASAG), die sich neben der Zucht vor

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allem mit der Ausbildung der Hunde in verschiedenen Sparten des Hunde- und Hütesports beschäftigt (SEIDEL 2004). Auch beim Western Europe Working Australian Shepherd Club e.V. (WEWASC) steht die Hütearbeit im Vordergrund, dieser Verein operiert in verschiedenen europäischen Ländern und wurde 2002 gegründet (PELZ 2004). Im Jahr 2004 ist aus der Interessengemeinschaft Australian Shepherd der Club für Australian Shepherds Deutschland e.V. (CASD) entstanden, der dem VDH angeschlossen ist. Seit 1996 wird die Rasse von diesem vorläufig anerkannt.

2.2.4 Rassestandards

Die Zuchtgeschichte beider Rassen ist durch eine Anpassung an spezielle Arbeitsbedingungen geprägt. Das Resultat der Selektion auf Verhaltenseigenschaften ist ein oft recht uneinheitliches Exterieur (HEBELER 2003). Körper- und Rassetyp sowie die Farbe der Tiere spielten bei der Zucht leistungsfähiger Arbeitshunde kaum eine Rolle (FINGER 1996). Dies spiegelt sich auch heute noch in den relativ weit gefassten Bestimmungen für Exterieurmerkmale der FCI-Standards wider. Dennoch sehen viele Züchter von Arbeitshunden allein in der Aufstellung eines Rassestandards eine Gefahr für die Arbeitseigenschaften ihrer Rasse, da dem Aussehen des Hundes meist mehr Bedeutung zugemessen wird als Wesens- und Verhaltensmerkmalen (FINGER 1996; GERBER-MATTLI 2002). HEBELER (2003) betont in diesem Zusammenhang die Komplexität der Zucht von Hunderassen, bei denen eine Vielzahl genetisch bedingter Verhaltensmerkmale berücksichtigt werden muss. WILLIS (1995) vermutet, dass es lediglich eine Zeitfrage ist, bis der so genannte „Ausstellungs-Border-Collie“ die Fähigkeit zur Arbeit an Vieh verloren hat.

FCI-Standard für Border Collies (Gruppe I, Nr. 297) und Australian Shepherds (Gruppe I, Nr.

342) s. Anhang.

2.2.5 Erbkrankheiten

Für eine enge Verwandtschaft zwischen den Rassen Border Collie und Australian Shepherd sprechen die Dispositionen für dieselben genetisch bedingten Erkrankungen und Defekte.

WEGNER (1995) beschreibt, dass zur Entstehung des Australian Shepherds einige wenige Blue-Merle-Border Collies australischen Ursprungs beitrugen; er nennt die zentrale Form der Progressiven Retina-Atrophie (PRA), Collie Eye Anomalia (CEA) sowie Hüftgelenksdysplasie (HD) als häufige genetisch bedingte Erkrankungen beider Rassen. Er bezeichnet außerdem

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den Merlefaktor selbst als Defektgen, da er Missbildungen an Retina und Innenohr verursacht (WEGNER 1995; BARTELS und WEGNER 1998). PELZ (2004) zählt darüber hinaus Katarakt, Mikrophthalmus und Kryptorchismus zu den bei Australian Shepherds vorkommenden Erbkrankheiten. Bei Border Collies werden ebenfalls nicht nur HD, PRA und CEA erwähnt; Epilepsie, genetisch bedingte Taubheit, Osteochondrosis dissecans des Schultergelenks, Hodenfehler, Gebiss-, Ruten- und Augenlidanomalien werden als weitere Erberkrankungen aufgelistet (BOCKERMANN und SEIDEL 1996; MCLEAVY 1996;

LONGTON und SYKES 1997; FRANCK 1999; SYKES 1999; GERBER-MATTLI 2002).

Für beide Rassen konnte darüber hinaus das Vorkommen des MDR1-Rezeptor-Gendefekts nachgewiesen werden (MEALY 2004; NEFF et al. 2004; GEYER et al 2005), welches eine pharmakogenetische Mutation darstellt und die Zugehörigkeit beider Rassen zur Gruppe der Collies belegt.

2.3 Ethogramm des Hundes

Das Ethogramm einer Tierart stellt eine Bestandsaufnahme aller bei der betreffenden Art vorkommenden Verhaltensweisen dar; das gezeigte Verhalten wird katalogisiert und der Zeitpunkt des ersten Auftretens dokumentiert. (IMMELMANN 1982). Die Erfassung erfolgt meist gesondert für einzelne Funktionskreise, denen ein bestimmter Zweck oder eine bestimmte Wirkung zugeordnet werden kann. SAUTTER (2003) unterscheidet Ernährungsverhalten, Sozialverhalten, Spielverhalten, Sexualverhalten, Ausscheidungs- verhalten, Ausruhverhalten, Komfortverhalten, Erkundungs- und Feindvermeidungsverhalten sowie Meide- und Fluchtverhalten. SCHÖNING (2004) schlägt eine Unterteilung in Fortbewegung, Komfortverhalten, Orientierung, metabolisches Verhalten, Interaktionen mit der unbelebten Umwelt und Interaktionen mit der belebten Umwelt vor. Für die Interaktionen mit Sozialpartnern nimmt sie eine weitere Einteilung in soziale Annäherung, passive Demut, Agonistik, Imponierverhalten, Spielverhalten und Sexualverhalten vor.

In der Verhaltensentwicklung von Hunden bestehen rassespezifische Unterschiede;

mittlerweile liegen für eine Vielzahl von Rassen, darunter Siberian Huskies, Weimaraner, Bullterrier, Golden Retriever, American Staffordshire Terrier, Beagle, Großpudel, deutsche Schäferhunde, Labrador Retriever und Zwergpudel Untersuchungen vor (FEDDERSEN- PETERSEN 2004). Ein Ethogramm für die Rasse Border Collie wurde durch die Arbeiten von HEINE (2000) und LAMBRICH (2007) erstellt; für die Rasse Australian Shepherd existieren noch keine solchen Daten.

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2.3.1 Sozialverhalten

Unter dem Begriff Sozialverhalten findet eine Zusammenfassung aller auf Artgenossen gerichteten Verhaltensweisen, u.a. das Sexualverhalten, die Brutpflege, Verhalten in der Gruppe sowie aggressives Verhalten statt (IMMELMANN 1982). Je nach Ausrichtung werden agonistisches Verhalten (kämpferische Auseinandersetzungen), allelomimetisches Verhalten (gleichgerichtetes Verhalten) und kooperatives Verhalten (gegenseitige Hilfeleistung) unterschieden. FEDDERSEN-PETERSEN (2004) betont den Zusammenhang zwischen Sozialverhalten und Kommunikation: eine fein abgestimmte Kommunikation ist Voraussetzung für komplexe soziale Verhaltensweisen. Kommunikation bezeichnet die kooperative Signalübertragung von einem Signalgeber auf einen Signalempfänger (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Der Sender beeinflusst das Verhalten des Empfängers durch das Aussenden von Signalen; je nach beteiligter Sinnesform werden optische, taktile, akustische und chemische Kommunikation unterschieden (IMMELMANN 1982).

2.3.1.1 Rangordnungsbezogenes Verhalten

Als Rangordnung wird eine soziale Hierarchie innerhalb einer Gruppe bezeichnet, durch die die Verteilung von Rechten und Pflichten geregelt ist. Ranghohe Tiere haben bevorzugten Zugang zu Ressourcen, müssen meist aber auch bestimmte Verpflichtungen wie die Verteidigung der Gruppe übernehmen (IMMELMANN 1982). Soziale Rangordnungen sind nur dort möglich, wo sich die Gruppenmitglieder in individualisierten Verbänden als Einzelwesen kennen (HEIDENBERGER 2000). Innerhalb einer etablierten Rangordnung tragen Dominanzverhältnisse zur Stabilisierung der sozialen Beziehungen bei, da Auseinandersetzungen meist nur im Zusammenhang mit der Bildung oder mit Änderungen in der Rangordnung vorkommen, die Rollenverteilung sonst aber in der Regel akzeptiert wird (IMMELMANN 1982). Durch eine feststehende Rangordnung werden kämpferische Auseinandersetzungen und damit Verletzungen vermieden, die Tiere setzen stattdessen ritualisierte Droh- und Unterwerfungsgesten ein um das Ranggefüge zu stabilisieren (HEIDENBERGER 2000). Die soziale Rangordnung von Caniden ist durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

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2.3.1.1.1 Soziale Annäherung

Die soziale Annäherung umfasst Verhaltensweisen wie Analwittern, Violwittern, Fellwittern, Fellstoßen, Felllecken und -beknabbern; Schnauzenkontakt und Schnauzenlecken;

Umeinanderlaufen, Vorlaufen und Folgen; Sich-Aneinanderreiben und Drängeln (SCHÖNING 2004). Auch die aktive und passive Unterwerfung rangniederer Tiere sind Ausdrucksweisen zur Verminderung der sozialen Distanz und zählen zu den sozio-infantilen Verhaltensweisen (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Die aktive Unterwerfung ist durch eine hohe Bewegungsaktivität und eine niedrige Körperhaltung mit auf den Partner gerichtetem Blick gekennzeichnet und entwickelt sich aus dem Futterbetteln (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Sie wird häufig bei der Begrüßung ranghöherer Gruppenmitglieder gezeigt, auch das Anheben einer Vorderpfote ist Ausdruck sozialer Unterordnung (HEIDENBERGER 2000).

Bei der passiven Unterwerfung lässt sich das unterlegene Tier auf den Rücken rollen und signalisiert damit das Akzeptieren der Handlungsfreiheit des Überlegenen. Diese Starre des rangniederen Hundes entwickelt sich aus dem infantilen Passivbleiben des Welpen während der Anogenitalreinigung durch die Mutterhündin (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

2.3.1.1.2 Agonistik

Agonistisches Verhalten umfasst alle mit der kämpferischen Auseinandersetzung zwischen Individuen im Zusammenhang stehenden Verhaltensweisen wie Aggression und Flucht (IMMELMANN 1982). Submissive Verhaltensweisen werden meist nicht einbezogen (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). SCHÖNING (2004) nimmt eine weitere Unterteilung in freies aggressives Verhalten, gehemmt aggressives Verhalten, offensives Drohverhalten, defensives Drohverhalten und Fluchtverhalten vor.

Das Drohverhalten eines Hundes ist immer gerichtet (FEDDERSEN-PETERSEN).

Offensives Drohverhalten umfasst die Beißdrohstellung, das Über-dem-Gegner-Stehen, die Überfalldrohung und das Anschleichen (SCHÖNING 2004). Der Gegner wird mit dem Blick fixiert (HEIDENBERGER 2000). Im Bereich der Rückenlinie wird das Fell gesträubt, der Schwanz wird über die Rückenlinie angehoben und die vorderen Zähne werden gebleckt, so dass die Mundwinkel kurz und rund erscheinen; mit zunehmender Unsicherheit wird die Maulspalte länger (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Während das Drohverhalten bei Wölfen stark ritualisiert und durch eine deutliche Angriffshemmung gekennzeichnet ist, wird dieses bei Hunden häufiger durch Bisse unterbrochen (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

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Abwehrdrohen wird bei sozialer Unsicherheit und gleichzeitiger voller Verteidigungsbereitschaft des Hundes gezeigt; Angriffs- und Fluchtbereitschaft können sich in gegensätzlichen Körpersignalen zeigen, der Ausdruck im Bereich des Körpers ist variabel (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Abwehrhandlungen wie Abwehrdrohen, Abwehrschnappen, Gebissklappern, Abwehrbeißen, Abwehrstoßen und Abwehrkreiseln sind Teile des Defensivdrohens; mit zunehmender Bedrohung und Abwehrbereitschaft werden die Zähne gebleckt und die Mundwinkel nach hinten gezogen (SCHÖNING 2004).

Gehemmt aggressives Verhalten umfasst Verhaltensweisen wie Schieben, Anrempeln und Anspringen, Aufreiten, Herunterdrücken und Beißen in die Luft, in das Fell oder über die Schnauze des Gegners (SCHÖNING 2004). Ein Überfall entspricht einem Angriff in Imponierhaltung und kann in gehemmt aggressives Imponierverhalten oder in einen ernsthaften Kampf übergehen (HEIDENBERGER 2000). Das freie aggressive Verhalten wird auch als Ernstkampf bezeichnet; es beinhaltet Verfolgung, Angriff, Beißen über den Rücken sowie Beißschütteln (SCHÖNING 2004). Das Beißen geschieht als Beschädigungsbeißen ohne Beißhemmung (HEIDENBERGER 2000).

2.3.1.1.3 Imponierverhalten

Imponierverhalten wird von selbstsicheren Hunden gegenüber Sozialpartnern gezeigt und kann als ungerichtetes Drohen verstanden werden. Die Tiere bewegen sich steifbeinig mit durchgedrückten Gelenken und hoch getragenem Schwanz umeinander und beriechen sich, dabei wird jedoch ein direkter Blickkontakt vermieden (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Die Individualdistanz des Gegenübers wird respektiert (HEIDENBERGER 2000). SCHÖNING (2004) zählt Demonstrieren, Imponierschieben, Imponierscharren, Imponierjagen, Imponiertragen, Abdrängeln und Halsdarbieten zum Imponierverhalten. Das Imponierverhalten ist durch eine starke soziale Hemmung gekennzeichnet, kann jedoch in aggressives Verhalten übergehen (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

2.3.1.2 Spielverhalten

Spiel ist durch Verhaltensweisen gekennzeichnet, die in dieser Situation keinen unmittelbaren Ernstbezug haben und tritt vor allem bei Jungtieren auf. Bewegungen werden erfunden, frei kombiniert oder stark übertrieben; sind mehrere Individuen beteiligt, kommt es häufig zu Rollenwechseln. Die biologische Funktion des Spielverhaltens ist vermutlich im Einüben motorischer Fähigkeiten, im Einüben kognitiver Fähigkeiten sowie im Einüben

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sozialer Fähigkeiten zu sehen (IMMELMANN 1982). Es existieren verschiedene Ansätze, Spielformen zu klassifizieren; in der Regel wird zwischen Solitärspielen, Spielen des Nahrungserwerbs, Objektspielen und Sozialspielen unterschieden. Letztere lassen sich wiederum in Kampf-, Beiß-, Flucht-, Kommunikations- und sexuelle Spiele einteilen (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Das Initialspiel stellt eine Spielaufforderung dar, typische Spielbewegungen sind die Vorderkörpertiefstellung, Hopsen, Hochschleudern des Kopfes oder des Vorderkörpers, Spieltragen und Spielbeißen, Beißschütteln, Anstoßen mit der Schnauze, Spiel-Vorderbeinstoßen und plötzliches Losrennen (SCHÖNING 2004), in diesem Zusammenhang wird ein „Spielgesicht“ gezeigt (FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

HEIDENBERGER (2000) beschreibt, dass sich in den jeweiligen Spielvorlieben rassetypische Besonderheiten widerspiegeln.

2.3.1.3 Sexualverhalten

Zum Werbeverhalten des Rüden werden Folgelaufen, Urinlecken, Ohren-, Flanken- und Genitallecken und -riechen, das Herandrängen, das Auflegen der Pfote auf Kopf oder Rücken und Aufsprungsintention gerechnet (HEIDENBERGER 2000). Das Verhalten der Hündin ist abhängig vom Zyklusstatus; im Östrus lockt sie durch Spielaufforderungen, Pföteln, Herandrängen und häufiges Urinieren. Hündinnen bevorzugen bestimmte Rüden gegenüber anderen, Deckbereitschaft wird durch Stehenbleiben und das Zurseitelegen der Rute signalisiert (HART und HART 1985a). Beim eigentlichen Deckakt reitet der Rüde auf und führt Friktionsbewegungen mit dem Becken aus, es kommt zur Intromission mit Hinterbeintrippeln während der Ejakulation. Der Rüde steigt ab, die Partner bleiben in umgekehrt paralleler Stellung stehen, da die Tiere durch die starke Schwellung des Penisknotens für zehn bis 30 Minuten hängen (HEIDENBERGER 2000).

2.3.2 Metabolisches Verhalten

Das metabolische Verhalten umfasst das Ernährungsverhalten sowie das Ausscheidungsverhalten. Hierzu gehören der Milchtritt und das Trinken der Welpen, das Trinken von Wasser, das Fressen von weichem und festem Futter und das Nagen an Futter auf der Seite der Nahrungsaufnahme; das Ausscheidungsverhalten umfasst die selbstständige Harnabgabe, die selbstständige Kotabgabe, das lokalisierte Harnen und Koten, sowie das Scharren nach Urinabsatz (SCHÖNING 2004).

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Auch das Jagdverhalten dient dem Nahrungserwerb und ist somit dem Ernährungsverhalten zuzurechnen (HEIDENBERGER 2000).

2.3.3 Komfort- und Ausruhverhalten

Das Komfort- oder Körperpflegeverhalten umfasst die solitäre und die soziale Körperpflege (HEIDENBERGER 2000). Räkel- und Streckbewegungen, Hecheln, Gähnen, Sich-Strecken, Sich-Kratzen, Sich-Schütteln, Sich-Lecken und Sich-Beknabbern, Pfotenwischen und Niesen sind Teile des Komfortverhaltens (HEIDENBERGER 2000; SCHÖNING 2004).

Das Ausruhverhalten umfasst die Suche nach einem Ruheplatz, das Graben, Scharren und Kreistreten vor dem Niederlegen sowie das Liegen und Schlafen selbst. Die Liegepositionen können je nach Dauer der Ruhephase und Umgebungstemperatur variieren, Hunde liegen auf dem Bauch, auf der Seite oder auf dem Rücken, eingerollt oder ausgestreckt (HEIDENBERGER 2000). Die Dauer der Schlafperioden ist abhängig von der Haltung des Hundes. Phasen ruhigen Schlafes wechseln sich mit aktiven Schlafphasen ab, letztere sind durch Bewegungen der Augen, Ohren und Beine gekennzeichnet, dabei kann Winseln, Fiepen oder Bellen hinzukommen (HEIDENBERGER 2000).

2.3.4 Erkundungs- und Feindvermeidungsverhalten

SCHÖNING (2004) rechnet das Suchpendeln und Fellbohren der Welpen, das Schnuppern und Winden, das Fixieren sowie Reaktionen auf Berührung und Geräusche zum Orientierungsverhalten. HEIDENBERGER (2000) unterscheidet Verhaltensweisen der Nahorientierung wie das Bodenwittern und die Objektorientierung durch Beschnuppern, Stoßen, Betasten, Belecken oder Beißen von Verhaltensweisen der Fernorientierung, zu denen sie Beobachtungsliegen, -stehen und -laufen mit aktivem Sehen, Hören, Riechen und Fixieren zählt.

2.3.5 Meide- und Fluchtverhalten

Meideverhalten wird dem Angriffsverhalten gegenübergestellt, es kann sich in Flucht, Erstarren oder in Übersprungshandlungen und Beschwichtigungsgesten äußern (BERNAUER-MÜNZ und QUANDT 1995). Verhaltenselemente des Fluchtverhaltens sind das Wegrennen oder die eigentliche Flucht, das Verstecken und das Abstandhalten (SCHÖNING 2004). Auch das Zusammenschrecken, Zurückspringen oder Rückwärtsgehen,

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das Fluchtharnen, -koten und -erbrechen sowie eine Bewegungshemmung können in diesem Zusammenhang gezeigt werden (HEIDENBERGER 2000).

2.3.6 Einordnung des Hüteverhaltens

Die Verhaltensweisen, die Hütehunde bei der Arbeit an Vieh zeigen, leiten sich vom wölfischen Jagdverhalten im Rudel ab (COPPINGER und COPPINGER 2001) und sind somit dem Funktionskreis des Nahrungserwerbs zuzuordnen. Das Hüteverhalten des Hundes ist ebenso wie das Jagdverhalten selbstbelohnend (COPPINGER und SCHNEIDER 1995).

Das Jagdverhalten von Caniden setzt sich je nach Beute und Situation aus verschiedenen Verhaltenssequenzen zusammen; hierzu gehören u.a. Suchen, Entdecken, Anschleichen, Nachjagen, Packen, Töten, Wegtragen und Fressen (ZIMEN 1988). Die Jagd auf größere Beutetiere erfolgt meist im Rudel; nach Such- und Orientierungsbewegungen außerhalb der Fluchtdistanz der Beute folgt ein geducktes, langsames Anschleichen. Wird dabei die Fluchtdistanz unterschritten, schließt sich die eigentliche Jagd oder Hetze an, bei der sich meist ein Tier in Nase oder Nacken verbeißt, bevor der Tötungsbiss in den Hals durch ein anderes Tier erfolgt (COPPINGER und COPPINGER 2001). Viele Hunderassen zeigen intensives Jagdverhalten, wobei sie meist auf einzelne Teilbereiche des wölfischen Jagdverhaltens spezialisiert sind, andere Anteile der ursprünglichen Verhaltenskette sind dagegen meist unerwünscht (ZIMEN 1988).

Die züchterische Selektion und Hypertrophie von Teilsequenzen des canidentypischen Jagdverhaltens ist auch bei Hütehunden zu finden und wird von COPPINGER und COPPINGER (2001) für Border Collies folgendermaßen beschrieben: Der Suchlauf oder

„Outrun“ des Border Collies entspricht der Orientierung zur Beute; das „Auge-Zeigen“

(englisch: „Eye“) mit gesenktem Kopf und tiefer Rute unter ständigem Blickkontakt leitet sich vom Anschleichen an die Beute („Stalking“) ab und ist beim Border Collie stark hypertrophiert; Elemente der Hetze werden in Form der mehr oder weniger kreisförmigen Flankierbewegungen gezeigt und treten außerdem bei jungen oder nicht ausgebildeten Hunden auf, die tatsächlich versuchen, Schafe zu fangen; Fang- und Tötungsbiss sind hypotrophiert; das Zerlegen und Fressen von toten Tieren wird zwar auch von Hütehunden gezeigt, ist jedoch von den vorhergehenden Elementen der Jagdhandlungskette losgelöst.

Auch CHIFFLARD und SEHNER (1996) betonen, dass der „Hütetrieb“ und die große Lauffreudigkeit der Hütehunde im „Hetz- oder Jagdtrieb“ begründet sind. Sie sehen dies als

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wichtigste Anlage für die Ausbildung an Schafen, die sich aus dem Hetzen von Beutetieren in freier Wildbahn entwickelt hat. Sie vergleichen das weite Umlaufen der Herde durch den Hütehund mit dem Umzingeln einer Jagdbeute, die dann auf andere Gruppenmitglieder gedrückt wird, was wiederum dem Zutreiben und Bringen des Border Collies entspricht.

Die einzelnen Verhaltensweisen der Jagd reifen vor allem im Spiel, dabei werden sie zunächst mit Elementen aus anderen Verhaltensbereichen vermischt, das Verhalten tritt noch zielunabhängig und ohne Appetenzverhalten auf (ZIMEN 1988). Schon im Alter von etwa acht Wochen, also lange bevor sie in der Lage sind, selbst Beute zu machen, reagieren junge Wölfe schon auf flüchtende, hastige Bewegungen kleiner Objekte wie fliegendes Laub, Vögel oder Spielpartner (ZIMEN 1988). Dies korrespondiert mit den Beobachtungen von HEINE (2000), die ähnliche Elemente im Spiel von Border Collie-Welpen innerhalb der ersten acht Lebenswochen dokumentierte. Eine Eingrenzung der anfangs noch recht unspezifischen Auslöseschemata erfolgt erst wesentlich später durch Reifung und Erfahrung (ZIMEN 1988); LAMBRICH fand bei jungen Border Collies hierfür eine „sensible Phase“, die etwa mit der zwanzigsten Lebenswoche abgeschlossen ist.

CHRISTIANSEN et al. (2001) untersuchten das Jagdverhalten von Norwegischen Elchhunden gegenüber Schafen unter sozialen Aspekten in Abhängigkeit von der Anwesenheit eines weiteren jagenden bzw. nicht jagenden Hundes; dabei wurde ein ausgebildeter Border Collie eingesetzt, der sich durch Kommandos kontrolliert den Schafen näherte und von den Elchhunden als „jagender Hund“ wahrgenommen wurde. Die Autoren beobachteten, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Hetze und Attacke der Beute durch die Anwesenheit eines nicht jagenden Hundes verringert, durch die Anwesenheit des „jagenden“

Hundes jedoch auf 100% erhöht wurde. Dadurch konnten sie gleichzeitig nachweisen, dass die Verhaltensweisen, die Border Collies bei der Arbeit an Schafen zeigen, tatsächlich dem Jagdverhalten entsprechen.

2.3.7 Rassebedingte Unterschiede

HEINE (2000) erstellte anhand von Beobachtungen an 15 Welpen aus drei Würfen während der ersten 56 Lebenstage ein Ethogramm für den Border Collie als typischen Hütehund;

LAMBRICH (2007) beobachtete sieben Junghunde unter verschiedenen Haltungsbedingungen zwischen dem dritten und zehnten Lebensmonat und vervollständigte dadurch das Ethogramm für diese Rasse.

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HEINE (2000) fand im Vergleich zu anderen Hunderassen und Wolfswelpen insgesamt eine sehr schnelle Verhaltensentwicklung. Bei allen beobachteten Welpen zeigte sich außerdem das rassetypische Blickfixieren („Eye“) schon innerhalb der ersten acht Lebenswochen, ohne dass diese zuvor Gelegenheit hatten, das Verhalten bei adulten Hunden zu beobachten. Es bestand eine eindeutige Bevorzugung des Hütens von Lebewesen im Vergleich zu unbelebten Objekten. Hinweise auf ein vergleichbares Verhalten bei Welpen anderer Rassen finden sich nicht. LAMBRICH (2007) konnte einen deutlichen Umwelteinfluss in Bezug auf das Erkundungs- und Spielverhalten sowie hinsichtlich der Neigung zu Verhaltensauffälligkeiten, insbesondere zu repetitiven Sequenzen feststellen: so fand sie negative Korrelationen zwischen Spiel- und Erkundungsverhalten und ebenfalls negative Korrelationen zwischen Sozial- und Objektspiel. Hunde, die ausgeprägtes Objektspiel zeigten, waren anfälliger für repetetive Verhaltensauffälligkeiten als Hunde, bei denen das Sozialspiel mit Menschen oder Artgenossen sowie das Erkundungsverhalten stärker ausgeprägt waren. Dies wurde wiederum maßgeblich durch die Umwelt beeinflusst:

Junghunde, die als „Hütehunde“ angeschafft wurden, zeigten höhere Anteile von Erkundungsverhalten und Sozialspiel mit dem Menschen als solche, die als „Familien“- oder

„Sporthunde“ gekauft wurden.

HEINE (2000) folgert aus ihren Untersuchungen, dass das Hüten für Border Collies ein Bedürfnis darstellt und empfiehlt, dem adulten Border Collie eine Hüteaufgabe an Vieh zu stellen. LAMBRICH (2007) konnte belegen, dass eine Unterdrückung des Hüteverhaltens durch Haltung ohne Vieh nicht möglich ist. Beide Autorinnen betonen die Notwendigkeit, frühen Kontakt zu Hunden anderer Rassen zu ermöglichen, da das Blickfixieren des Border Collies von diesen möglicherweise als offensive Agonistik missverstanden werden kann.

HEINE (2000) beobachtete, dass agonistisches Verhalten der Welpen untereinander nur selten gezeigt wurde. Das Sozialverhalten war vorwiegend durch Spiel geprägt, wobei Kampf- und Objektspiele besonders häufig auftraten und bis zur achten Lebenswoche zunahmen. Die Autorin empfiehlt daher, den Welpen eine reichhaltige Umwelt anzubieten sowie inter- und intraspezifische Kontakte zu ermöglichen. Sie rät von einer Abgabe der Welpen vor Ende der achten Lebenswoche ab. Auch LAMBRICH (2007) beobachtete insgesamt wenig agonistisches Verhalten; vor allem die Ausprägung des Erkundungsverhaltens war stark von den Haltungsbedingungen abhängig, so dass sie neben einer reichhaltig strukturierten Umwelt und einem großen Bewegungsraum auch eine feste

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Bindung zum Menschen, freien Zugang zu Artgenossen, Menschen und anderen Tieren sowie geistige Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Border Collies empfiehlt.

HART und HART (1985b) erstellten anhand von dreizehn Charaktermerkmalen für 56 populäre Hunderassen in den USA Verhaltensprofile; sie stuften den Australian Shepherd gemeinsam mit neun anderen Rassen (Labrador, Vizsla, Deutsch Kurzhaar, Brittany Spaniel, Neufundländer, Chesapeake Bay Retriever, Collie, Keeshond, Golden Retriever) in die Gruppe mit geringem Aggressivitätsniveau, guter Trainierbarkeit und wenig Temperament ein. BRADSHAW und GOODWIN (1998) untersuchten in ähnlicher Weise die 49 beliebtesten Hunderassen in Großbritannien, allerdings ergaben sich hier keine signifikanten Werte bezüglich der Trainierbarkeit, so dass dieser Parameter nicht beurteilt wurde. Der Border Collie wurde mit elf anderen Rassen (Labrador, Boxer, Collie, Golden Retriever, Pudel, Samojede, Pointer, Setter, Dalmatiner, Sheltie und Whippet) als Hund mit niedrigem bis mittlerem Aggressivitätsniveau, mittlerer bis hoher Trainierbarkeit bezüglich Stubenreinheit und niedriger bis mittlerer Reaktivität eingestuft. Die Autoren führen Unterschiede zwischen ihren eigenen Ergebnissen und denen von HART und HART (1985b) auf genetische Variation durch sexuelle Isolierung zurück, darüber hinaus können unterschiedliche Haltungsbedingungen mit verantwortlich sein.

2.4 Entwicklungsperioden und Verhaltensontogenese

SCOTT und FULLER (1965) schlagen eine Einteilung der frühen Entwicklung des Hundes in folgende vier Abschnitte vor: die neonatale Periode von der Geburt bis einschließlich der zweiten Lebenswoche (1), die transitionale Periode während der dritten Lebenswoche (2), die Sozialisationsperiode (3) bis etwa zur zwölften Woche und die sich anschließende juvenile Periode (4). SERPELL und JAGOE (1995) ergänzen eine pränatale Periode, die dieser Entwicklung vorangeschaltet ist und in der vermutlich vor allem hormonelle Einflüsse eine spätere Verhaltensentwicklung beeinflussen. Eine andere Einteilung wird von BRUMMER (1976) vorgenommen, der im Anschluss an die Neugeborenenphase und die Übergangsphase eine Prägungsphase zwischen der vierten und siebten Lebenswoche benennt, an die sich die Sozialisierungsphase von der achten bis zur 13. Woche anschließt.

Bis zur 16. Woche erfolgt die Rangordnungsphase, bis zum sechsten Lebensmonat die Rudelordnungsphase. Der Begriff Periode, der regelmäßig wiederkehrende Geschehnisse

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beschreibt, wird in der deutschsprachigen Literatur vielfach durch den Begriff Phase ersetzt (IMMELMANN 1982; FEDDERSEN-PETERSEN 2004).

2.4.1 Neonatale Phase

Welpen werden zu einem frühen Zeitpunkt der neurologischen Entwicklung geboren, sie sind in den ersten zwei Lebenswochen noch stark von der Mutterhündin abhängig und das vorherrschende Verhalten beschränkt sich auf Schlafen und Trinken (MARKWELL und THORNE 1987). Weder Augen noch Ohren sind geöffnet, die Welpen erleben ihre Umwelt hauptsächlich taktil sowie geschmacklich und geruchlich (SERPELL und JAGOE 1995).

Einfache motorische Reflexe werden gezeigt, auch der Urin- und Kotabsatz erfolgt reflektorisch auf die Zungenmassage der Mutter (MARKWELL und THORNE 1987). Die Welpen zeigen Kreiskriechen und Kopfpendeln (BRUMMER 1976).

2.4.2 Transitionale Phase

Mit einer Dauer von nur etwa einer Woche ist die transitionale oder Übergangsphase relativ kurz, dennoch findet in dieser Phase eine rapide nervale und physische Entwicklung statt (MARKWELL und THORNE 1987). Die Welpen öffnen die Augen, auch die Ohrenkanäle öffnen sich zum Ende der dritten Lebenswoche. Das Verhalten verändert sich, die Welpen beginnen vorwärts und rückwärts zu kriechen, zu laufen und zu stehen (SERPELL und JAGOE 1995), erste Spielsequenzen werden gezeigt (MARKWELL und THORNE 1987). Der Harn- und Kotabsatz erfolgt nun selbstständig außerhalb der Wurfkiste und die Tiere interessieren sich für feste Nahrung (BRUMMER 1976).

2.4.3 Sozialisationsphase

Die Sozialisationsphase bezeichnet den Lebensabschnitt, in dem die soziale Entwicklung eines Jungtieres in seiner Interaktion mit Artgenossen stattfindet; dies ist Voraussetzung für die spätere soziale Handlungsfähigkeit des Tieres (IMMELMANN 1982). Wurde dieser Entwicklungsabschnitt zunächst als ‘kritische Phase’ (SCOTT und FULLER 1965) bezeichnet, setzte sich später der Begriff der ‘sensiblen Phase’ durch (SERPELL und JAGOE 1995). Aufgrund von Erfahrungen und Assoziationen bei Interaktionen mit Artgenossen entwickelt der Junghund soziale Verhaltensweisen, dazu ist die Fähigkeit der Umweltwahrnehmung nötig. Das soziale Spiel steht hierbei im Vordergrund, ihm kommt eine

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wichtige Rolle für das Erlernen kontrollierter Aggression zu (MARKWELL und THORNE 1987). Auch die Beißhemmung wird nun im Spiel erlernt (BRUMMER 1976). Die Bereitschaft der Welpen soziale Bindungen einzugehen, ist in dieser Phase besonders hoch. Um zu gewährleisten, dass Hütehunde, die später zur Arbeit an Schafen eingesetzt werden sollen, keine sozialen Bindungen mit diesen eingehen, darf in diesem Zeitraum kein kontinuierlicher Kontakt bestehen (COPPINGER und SCHNEIDER 1995). Umgekehrt lässt sich durch den Kontakt mit möglichst vielen Tieren während dieser Phase vermeiden, dass diese später als Beuteobjekte eingeordnet werden (BERNAUER-MÜNZ und QUANDT 1995).

Zu Beginn der Sozialisationsphase überwiegt die Neugier bei der Annäherung und bei der Untersuchung neuer Reize; negative Reizantworten oder Angstreaktionen treten erst ungefähr ab der fünften Lebenswoche auf (MARKWELL und THORNE 1987). Sie erreichen ihren Höhepunkt etwa zwischen der sechsten und achten Lebenswoche (SCOTT und FULLER 1965). Die Phase, in der neugieriges Verhalten gegenüber ängstlichem Verhalten überwiegt, ist also vergleichsweise kurz (MARKWELL und THORNE 1987). Eine genaue Angabe von Beginn und Ende der Sozialisationsphase erscheint nicht möglich, da die meisten ablaufenden Veränderungen gradueller Natur sind und sich zudem rassebedingt und individuell unterscheiden (SERPELL und JAGOE 1995; FEDDERSEN-PETERSEN 2004). MARKWELL und THORNE (1987) vermuten außerdem, dass auch die Erfahrungen, die der Hund während dieser Phase macht, die Dauer der Sozialisation beeinflussen.

Bei Caniden können bestimmte soziale Fähigkeiten nur durch Kontakte während dieser Phase erworben werden. Unterbleibt dies, kommt es zu Fehlentwicklungen, die auch als Deprivationssyndrom beschrieben werden (FEDDERSEN-PETERSEN 2004). Eine isolierte Aufzucht wird ursächlich für die Entstehung von übersteigerter Ängstlichkeit, Hyperaktivität und Lernschwierigkeiten angenommen (MARKWELL und THORNE 1987). BRUMMER (1976) fand bei der Anamneseerhebung für Hunde, die aufgrund von Meideverhalten und erhöhter Aggressivität vorgestellt wurden, auffallend häufig eine Übernahme durch den Besitzer erst in einem Alter von drei Monaten. Meist wurden diese Tiere nicht direkt vom Züchter erworben. PRICE (1996) vermutet, dass Versäumnisse während der Sozialisationsphase häufigste Ursache für späteres Problemverhalten bei Border Collies sind.

2.4.4 Juvenile Phase und Pubertät

In der juvenilen Phase, die sich an die Sozialisationsphase anschließt, sind bereits alle wichtigen Verhaltensmuster vorhanden und verändern sich kaum noch; es kommt lediglich

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