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2. Theorie der Prävention und Gesundheitsförderung

2.3 Entwicklung der Prävention und Gesundheitsförderung

2.3.2 Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen und institutionellen

Seit Mitte der 80er Jahre wurde die Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland auf Basis der oben angesprochenen Empfehlungen der WHO beeinflusst. 1989 kam es im Zu-sammenhang mit dem Gesundheitsreformgesetz zur Aufnahme der Thematik in die Sozialge-setzgebung. Mit dem § 20 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) wurden Gesundheitsför-derung und Prävention zu einer Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen.4 Das Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 erweiterte den § 20 SGB V um die Förderung von Selbsthilfegruppen und Selbsthilfe-Kontaktstellen mit gesundheitsfördernder Zielsetzung. In der Folge finanzierten die gesetzlichen Krankenkassen mehr oder weniger sinnvolle "Gesund-heits"maßnahmen (Programme zur Raucherentwöhnung, sportliche Programme wie z. B.

Nordic walking oder Wassergymnastik, Programme zum Erlernen von Entspannungstechni-ken aber auch Kochkurse, Ikebana und ähnliches), wobei sie die Angebote nicht zuletzt als

4 § 20

Prävention und Selbsthilfe

(1) Die Krankenkasse soll in der Satzung Leistungen zur primären Prävention vorsehen, die die in den Sätzen 2 und 3 genannten Anforderungen erfüllen. Leistungen zur Primärprävention sollen den allgemei-nen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere eiallgemei-nen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen beschließen gemeinsam und einheitlich unter Einbeziehung unabhängigen Sachverstandes prioritäre Handlungsfelder und Kriterien für Leistungen nach Satz 1, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Zielgruppen, Zugangswegen, Inhalten und Methodik.

(2) Die Krankenkassen können den Arbeitsschutz ergänzende Maßnahmen der betrieblichen Gesundheits-förderung durchführen; Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. Die Krankenkassen arbeiten bei der Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung zusammen und unterrichten diese über die Erkenntnisse, die sie über Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und Ar-beitsbedingungen gewonnen haben. Ist anzunehmen, dass bei einem Versicherten eine berufsbedingte ge-sundheitliche Gefährdung oder eine Berufskrankheit vorliegt, hat die Krankenkasse dies unverzüglich den für den Arbeitsschutz zuständigen Stellen und dem Unfallversicherungsträger mitzuteilen.

(3) Die Ausgaben der Krankenkasse für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach den Absätzen 1 und 2 sollen insgesamt im Jahr 2000 für jeden ihrer Versicherten einen Betrag von 2,56 Euro umfassen; sie sind in den Folgejahren entsprechend der prozentualen Veränderung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches anzupassen.

(4) Die Krankenkasse soll Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen fördern, die sich die Prävention oder die Rehabilitation von Versicherten bei einer der im Verzeichnis nach Satz 2 aufgeführten Krankheiten zum Ziel gesetzt haben. Die Spitzenverbände der Krankenkassen beschließen gemeinsam und einheitlich ein Verzeichnis der Krankheitsbilder, bei deren Prävention oder Rehabilitation eine Förderung zulässig ist; sie haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und Vertreter der für die Wahrnehmung der Interessen der Selbsthilfe maßgeblichen Spitzenorganisationen zu beteiligen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen beschließen gemeinsam und einheitlich Grundsätze zu den Inhalten der Förderung der Selbsthilfe; eine über die Projektförderung hinausgehende Förderung der gesundheitsbezogenen Arbeit von Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen durch Zuschüsse ist möglich. Die in Satz 2 genann-ten Vertreter der Selbsthilfe sind zu beteiligen. Die Ausgaben der Krankenkasse für die Wahrnehmung ih-rer Aufgaben nach Satz 1 sollen insgesamt im Jahr 2000 für jeden ihih-rer Versicherten einen Betrag von 0,51 Euro umfassen; sie sind in den Folgejahren entsprechend der prozentualen Veränderung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches anzupassen.

wettbewerbliche Instrumente bei dem Versuch, für (potentielle) Mitglieder attraktiv zu sein, einsetzten. Die Kritik an dieser Entwicklung führte schließlich dazu, dass sieben Jahre nach der Implementierung des § 20 SGB V im Rahmen des Beitragsentlastungsgesetzes die Gesundheitsförderung als Pflichtleistung der Gesetzlichen Krankenkassen aus Kostengründen und Gründen des fehlenden Nachweises der Wirksamkeit vollständig gestrichen wurde. Im Jahr 2000 kam über das Gesundheitsreformgesetz 2000 die primäre Prävention erneut als Aufgabe auf die gesetzlichen Krankenkassen zu. Gesundheitsförderung wurde hier allerdings nicht mehr explizit erwähnt, die Intention allerdings adressiert.

Ab 2002 wurde allerorts ein Präventionsgesetz vorbereitet. Prävention und Gesundheitsförde-rung sollten als "vierte Säule" des Gesundheitswesens den gleichen Stellwert erhalten wie die kurative Medizin, die Pflege und die Rehabilitation. Das entsprechende Gesetz wurde im Ap-ril 2005 im Bundestag verabschiedet, jedoch im Mai 2005 im Bundesrat abgelehnt. Noch im November 2005 erklärte die damalige Bundesregierung, ein Präventionsgesetz verabschieden zu wollen, in dem Prävention und Gesundheitsförderung einen hohen Stellwert bekommen sollten.

In den folgenden Jahren wurden in den Debatten zur Gesundheitsreform und den daraus resul-tierenden Gesetzesentwürfen Prävention und Gesundheitsförderung nicht mehr explizit er-wähnt. Im Wesentlichen beschäftigte man sich mit der Frage der Finanzierung des Gesund-heitssystems (Einführung von Zusatzzahlungen durch die Krankenversicherten, Einschrän-kung der Leistungen, Budgetierung der Ärztehonorare und Krankenhauskosten, VerstärEinschrän-kung des Wettbewerbs unter den Krankenkassen, Reglementierung des Arzneimittelmarkts und des Verwaltungsapparats der Krankenversicherer) (www.inter.de/gesundheitsreform2004.html.

html und pkv-infos.net/gesundheitsreform2007.php am 3.10.10).

Im Oktober 2007 veröffentlichte das Bundesministerium für Gesundheit ein Eckpunktepapier zu der Fragestellung Prävention und Gesundheitsförderung. Die CDU/CSU- Bundestagsfrak-tion brach im November 2007 die Verhandlungen hierüber ab. Das Deutsche Ärzteblatt mel-dete im März 2008, dass die Koalition das Präventionsgesetz beerdige. Als Grund hierfür wurden Streitigkeiten über Organisations- und Finanzierungsfragen genannt (www.dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/006/ 1700681.pdf am 6.10.10). Im Februar 2010 er-folgte eine Anfrage der SPD-Fraktion an die Bundesregierung bezüglich der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes (www.dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/ 008/1700845.pdf am 6.10.10), die im März 2010 ablehnend beantwortet wurde. Man wolle bereits bestehende

Strukturen und Programme zur Prävention und Gesundheitsförderung nutzen (www.brpraevention.de am 6.10.10).

Im Herbst 2010 wurde erneut ein Gesetzesentwurf zur Gesundheitsreform im Bundestag de-battiert. Wiederum ging es im Wesentlichen um die Finanzierung des bestehenden Systems (Erhöhung der Krankenkassenbeiträge, Einfrieren des Arbeitgeberanteils, Möglichkeit der Erhebung von Zusatzbeiträgen u. a.). Die Möglichkeit zur Finanzierung von Präventionsmaß-nahmen und Gesundheitsförderung war nicht Gegenstand der Debatte (www.lpb-bw.de/gesundheitsreform_2010.html und www.bgm.bund.de/cln_178/nn_1168278/Shared Docs/Standardartikel/DE/AZ/G/Glossar-Gesundheitsreform/Rechenbeispiele-Gesundheitsre form.html?_nnn=true am 3.10.10).

Auch abseits der Gesetzesebene fand die von der WHO postulierte Gesundheitsförderung in vielen Entscheidungen ihren Niederschlag. Im Einzelnen handelte es sich hierbei nach Kaba-Schönstein 2003 um folgende Ereignisse: die Entschließungen der diversen Gesundheitsmi-nisterkonferenzen, die Jahresgutachten des Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, die gesundheitspolitisch relevanten Verabschiedungen der europäischen Union, die Gründung der Allianz für Gesundheitsförderung, ein offenes Arbeitsbündnis aller, die sich für Gesundheitsförderpolitik auf der Ebene des Bundes, der Länder oder der Kom-mune einsetzen und seiner Untergruppen sowie des deutschen Forums Prävention und Gesundheitsförderung, eine gemeinsame Plattform maßgeblicher Verbände, Institutionen, Behörden, Körperschaften und Einrichtungen, die übergreifende Ziele, Inhalte, Maßnahmen und Instrumente der Prävention verwalten.

Auch ohne Präventionsgesetz stehen in Deutschland politische Möglichkeiten zur Einfluss-nahme und Steuerung gesundheitsförderlicher Aktivitäten zur Verfügung (Kaba-Schönstein 2003)

 Steuer- und Abgabepolitik (Finanzmittel für Maßnahmen)

 Steuerung der Länder über Sozial- und Gesundheitsministerien, so wie über nicht-staatliche Landeszentralen und Landesvereinigungen für Gesundheit/Gesundheits-förderung (Anfertigen von Studien, Informationsmaßnahmen)

 Kommunale Steuerung über den öffentlichen Gesundheitsdienst (Aufklärungsarbeit, Kontrollmöglichkeiten)

 Sozialgesetzgebung insbesondere die gesetzlichen Krankenversicherungen (Angebot an Informationsmaterial, Trainingsprogrammen, finanzielle Unterstützung von gesundheitsförderlichen Maßnahmen)

 Gesetzgebung zur betrieblichen Gesundheitsförderung (gesetzliche Reglungen der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, z. B. Lärmschutzbedingungen)

 Gesundheitsministerkonferenz (GMK) als politisches Organ zur Abstimmung der Länder untereinander und mit der Bundesregierung in gesundheitlichen Fragen (Bera-tung der Entscheidungsträger)

 Gesundheitliche Aufklärung durch Bundesbehörden (besondere Beachtung verdient dabei die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) (Informationsmaßnahmen, Förderung von Studien, finanzielle Unterstützung gesundheitsförderlicher Programme)

 Gesundheitlicher Verbraucherschutz (unabhängige Kontroll- und Informationsinstanz)

 Förderung von Forschung, Entwicklung und Lehre (besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Public-Health-Forschungsverbünden und –studiengängen zu) (Entwicklung neuer und unterschiedlicher Wege der Prävention und Gesundheits-förderung, Schaffung eines Bewusstseins für Gesundheitsförderung in der Bevölke-rung)

Dennoch wäre die Verabschiedung eines Präventionsgesetzes zur gesetzlichen Regelung des wichtigen Gesundheitspfeilers "Prävention und Gesundheitsförderung" dringend notwendig.

Die von den Regierungsparteien angestrebte Lösung zum Nulltarif ist nicht ausreichend. Da-rin sind sich alle Experten einig.

2.4 Ausgewählte Konzepte und Modelle der Gesundheitsförderung und