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DozentInnen und Studierende: Handlungsträger in den Universitätsromanen

Aus dem Aufeinandertreffen der Gruppe der DozentInnen und der Gruppe der Studierenden konstituiert sich das soziale Gefüge der Institution Universität, das wiederum die Grundlage der unterschiedlichen Handlungsstränge in den literarischen Texten ist. Oft liegt der Darstel-lungsfokus in den Texten auf dem von akademischen Regeln geprägten gesellschaftlichen Leben der beiden Gruppen von Handlungsträgern oder auch speziell auf den reflektierenden Erinnerungen von Professorenfiguren (Borchardt 1997: 49). Die ganz unterschiedlichen Per-spektiven, die von StudentInnen und DozentInnen eingenommen werden, und die Erfahrun-gen der Handlungsträger in den Romanen und anderen universitären Texten, die sie bezüglich der Institution selbst, der Bildungs- und Erziehungsziele und des Campus im allgemeinen sammeln, lassen die bereits oben erwähnte Einteilung in den Typus der student-centered und der staff-centered university novel zu. Die amerikanischen Universitätstexte orientieren sich bis in die 1930er Jahre, vor allem was die Darstellung der Studentenschaft angeht, weitgehend an englischen Vorbildern: “The American novels of academic life which deal with the expe-riences of male undergraduates are tied in their conventions and their prose style to English antecedents. This is generally true until the nineteen thirties“ (Lyons 1962: 47).

Für die StudentInnen ist die Universität in erster Linie Ort eines vorübergehenden Aufenthal-tes, an dem sie einen wichtigen Abschnitt ihrer persönlichen und geistigen Entwicklung durchlaufen. Sowohl bezüglich persönlicher Erfahrungen, die ein Leben lang prägend sein können, als auch bezüglich geistiger Bewährungsproben ist die Universität eine Stufe, die im Leben der Studierenden erklommen wird. Sie ist persönlichkeitsbildend und bestimmt ihre Position in der gesellschaftlichen Hierarchie. Im Gegensatz zu den Lehrenden ist die Univer-sität für die StudentInnen kein lebenslanges Umfeld, in dem berufliche Erfolge gefeiert

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den bzw. Niederlagen erlitten werden. Die studentische Beziehung zum akademischen Ort ist zudem von einer Abschottung gegenüber dem Rest der Gesellschaft geprägt, die durch ver-schiedene Faktoren wie z.B. die Kosten eines Studiums, soziale Herkunft, Religionszugehö-rigkeit, etc. zustande kommt. Die Universität ist im allgemeinen ein Ort der wissenschaftli-chen Elite, versteht sich in dieser Funktion als kulturelle und gesellschaftliche Hüterin und löst damit den gesellschaftlichen Konflikt und die bildungstheoretische Diskussion um Wert und Funktion universitärer Bildung aus. Die Universität stellt für sich den Anspruch nach zweckfreier Gelehrsamkeit und objektivem Suchen nach der Wahrheit und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Zusammenhalt der wissenschaftlichen Elite gegenüber der restlichen Ge-sellschaft wird eindringlich beschworen, nicht allein im angelsächsischen Kulturraum, son-dern auch zum Beispiel bereits im 15. Jahrhundert bei Heinrich Bebel in seiner Comoedia de optimo studio iuvenum/ Über die beste Art des Studiums für junge Leute: „Quoniam estis phi-losophi, estis unius linguae, unius nationis, unius patriae, unius universitatis membra, unius facultatis artisticae filii, unius civitatis incolae, sub fide Christiana, sub una Peripateticorum secta. Habetis easdem leges, idem caput, eundem decanum, eadem statua, eadem privilegia.“

(Dt: „Folglich seid ihr Philosophen, sprecht eine gemeinsame Sprache, gehört einer Nation an, habt ein gemeinsames Vaterland, seid Mitglieder einer gemeinsamen Universität, Söhne einer Fakultät der Künste, Einwohner einer gemeinsamen Stadt, steht in christlichem Glau-ben, unter der Obhut der peripathetischen Denkrichtung. Ihr untersteht denselben Gesetzen, demselben Oberhaupt, demselben Dekan, habt denselben Status inne und besitzt dieselben Vorrechte.“) (Bebel 1982: 70).

Dieser Gegensatz zwischen Universität und Gesellschaft, den die Studierenden während ihres Aufenthaltes erfahren und innerhalb dessen sie sich entscheiden müssen, wird in einer großen Anzahl von amerikanischen Universitätsromanen bis in die 1940er Jahre mit verschiedenen Varianten dargestellt. “Added to the conflict between „purely academic“ and the „larger world“ and added to the confusion between the values of „the good life“ and „the full life“, a further conflict occurs between the student-as-adolescent and the student-as-adult. Often in these novels the student is assured that the college intends to treat him as an adult, only to discover that the opposite is true,” erläutert F. Carpenter die Position der StudentInnen weiter, die diese einerseits verunsichert, sie aber auf der anderen Seite auch frei sein lässt von wirt-schaftlichem Druck und es ihnen so ermöglicht, sich ganz dem Wissen und den anderen Akti-vitäten an der Universität zu widmen (Carpenter 1960: 453f.). Allerdings beobachtet John Lyons auch eine wachsende Skepsis der StudentInnen gegenüber der von der Institution Uni-versität vermittelten Bildung und stellt die pädagogischen Fähigkeiten der DozentInnen in

ihrer Funktion als Lehrende in Frage: “The student invariably sees the system in which he is caught as the worst mistake of all. If he learns anything it is from his classmates or from his extracurricular reading.“ (Lyons 1962: 105).

Weiß bezeichnet die Protagonisten in den ersten englischsprachigen Universitätsromanen als akademische rakes (Weiß 1988: 42ff.) und greift damit eine Meinung Proctors auf, der gerade diese unheroischen Helden für diese Art der Literatur für besonders geeignet hält: “His esca-pades, his extravagance and dissipation [...] – these were perhaps not heroic qualities, but they could and did make the first university hero in the novel. It was in the novel that the rake be-came the leading figure in the scene and kept his place in the centre of the stage for genera-tions to follow.“ (Proctor 1957: 41). Im letzten Punkt seiner obigen Annahme irrte sich Mor-timer Proctor freilich. Insbesondere der englische Universitätsroman, aber auch die nordame-rikanische Variante des Genres, zeigen in den vergangenen fünfzig Jahren eine andere Ten-denz im Bezug auf die Stellung des Studierenden in der Universitätsliteratur, nämlich eine deutliche Konzentration auf die Figur des Lehrenden. Die Studentenschaft rückt immer mehr in den Hintergrund oder bleibt teilweise sogar völlig unbeachtet. Als Teilnehmer am universi-tären Bildungsdiskurs sind sie jedoch unerlässlich: An ihnen entzündet sich die gesamte Dis-kussion über Aufbau, Inhalte und Zielsetzung des Studiums. An ihnen wird die Hauptfunktion der Universität als Bildungsstätte definiert und diskutiert.

Aus der Menge der StudentInnen rekrutiert sich naturgemäß der exklusive Kreis der Dozen-tInnen und ProfessorInnen. Die Arbeit, die an der Universität für den wissenschaftlichen Nachwuchs geleistet wird, dient u.a. dem Heranziehen der zukünftigen ProfessorInnen. Aus ihrem universitären und intellektuellen Erfahrungsschatz und aus den Fähigkeiten, die sie als Studierende erlernt haben, können sie in ihrem späteren Berufsfeld schöpfen. Die persönlich-keitsprägende Funktion der Universität lässt sich insbesondere bei der Berufsgruppe der DozentInnen und ProfessorInnen bis zu einem sehr frühen Stadium zurückverfolgen. Oft wird die universitäre Vorgeschichte der lehrenden Protagonisten von den Studienjahren her in den literarischen Texten erläutert und für deren jetziges Verhalten bzw. deren Status in der Gesell-schaft herangezogen.

Für den Wandel der narrativen Perspektive von den Studierenden hin zu den Lehrenden kön-nen mehrere Gründe angeführt werden: Zum eikön-nen werden die Universitätslehrer im und nach dem Ersten Weltkrieg durch die stark gefallenen Studentenzahlen fast automatisch zu Prota-gonisten, aber auch die gesellschaftlich relativ abgehobene Stellung, die durch die fehlenden Studierenden in nur noch stärkerem Maße betont wurde, trägt ihren Teil dazu bei. Die gesam-te Bildungsdiskussion scheint sich also logischerweise eher an der Figur des Lehrenden zu

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entzünden, da sie in den literarischen Texten die Universität und ein Bildungsideal verkör-pern, dessen Rezipienten die Studierenden sind. In dieser Rezipientenfunktion kann die ge-sellschaftliche Kritik und Diskussion nicht an den Studierenden festgemacht werden. Für sie ist die Universität nur Ort eines vorübergehenden Aufenthaltes, der zwar persönlichkeitsbil-dend und prägend für das Leben danach ist, es jedoch nicht in gleichem Maße wie bei den Lehrenden bestimmt. Definiert man die Universitätsliteratur als einen Diskurs über Bildung, deren Konzepte durch die lehrenden Charaktere repräsentiert werden, so ist der literarische Perspektivenwechsel gut nachvollziehbar und sogar notwendig. Eine kritische Auseinander-setzung mit dem Thema Bildung muss an den Vermittlern derselben, d.h. an der Universität und den Universitätsmitgliedern ansetzen. Wolfgang Weiß datiert den Umschwung in der Universitätsliteratur vom Studierenden hin zum Lehrenden auf die Nachkriegsjahre: „In den 1920er Jahren beginnt in Amerika und später in England der Professor als Wesen entdeckt zu werden, das sich aufgrund seiner Bildung und Tätigkeit in einer besonderen Situation befin-det.“ (Weiß 1988: 120). Auch die allgemeine Entwicklung der Romangattung an sich mag ab den 1930er Jahren dazu beigetragen haben, dass eine kritische Auseinandersetzung mit jungen Menschen und ihrer soziopolitischen Umwelt in literarischer Hinsicht möglich wurde: “it seems likely that these novels may contribute to a general awareness of some of the problems of growing up, and thus may help to bring about a solution to the more acute of these prob-lems. It is unfashionable to commend novels for their utilitarian and sociological value, but fiction which is artistically sucessful can hardly be condemned for incidental benefits to soci-ety.” (Witham 1964: 219). Die steigenden Studentenzahlen führen in der Folge wirtschaftli-cher und universitärer Expansion in 1920er und 1930er Jahren dazu, dass der einzelne Studie-rende in der Masse und Anonymität der großen Universitäten fast völlig unterging und eine individuelle Betreuung durch die Professoren nicht mehr möglich war. Dies wiederum lässt auch die Autoren der literarischen Texte nicht mehr zur namen- und fast identitätslosen Ges-talt des Studierenden greifen, sondern die in höherem Maße greifbare exzentrische GesGes-talt des Lehrenden mit satirischer Übertreibung zum Fokus ihrer Darstellung des universitären Milie-us machen. Die DozentInnen werden aufgrund des Massenstudiums mit diversen Problemen bezüglich Lehre und administrativen Aufgaben konfrontiert und rücken so stärker ins Blick-feld. Das gesamte Umfeld und die Veränderungen, die mit der Entwicklung der Universitäten als Lehr- und Verwaltungskörper einhergehen, stellen diese oft vor schwierige Entscheidun-gen und machen sie damit zu offensichtlichen Protagonisten. Der durch die obiEntscheidun-gen Gründe sich entwickelnde Perspektivenwechsel von den Studierenden hin zu den Lehrenden als Pro-tagonisten lässt sich in den Texten an den immer detaillierteren Charakterisierungen dieser

Gruppe in den Romanen erkennen. Persönliche Eigenschaften und berufliche bzw. berufsbe-dingte Verhaltensweisen erscheinen selten in positivem Licht und lassen eine zunehmende Diskussion von Bildungskonzepten und Erziehungszielen auf dem Hintergrund der akademi-schen Lehrenden erkennen. Eine direkte inhaltliche Konsequenz des Perspektivenwechsels in den Universitätsromanen ist also die Bewegung weg von nostalgischen und sentimentalen Geschichten der Studentenzeit hin zu einer sozialkritischen Auseinandersetzung mit der Uni-versität und der durch sie vermittelten Bildung.

Die Öffnung und Expansion der Universitäten hat jedoch nicht allein hinsichtlich der Gelehr-tendarstellung Konsequenzen, sondern in zunehmendem Maße auch für die gesamte Universi-tätskultur des Landes: „Der steigende Bedarf an spezialisierten Akademikern, an Naturwis-senschaftlern, Volkswirten, Juristen, Ärzten und Lehrern, aber auch die Tendenz zur Akade-misierung von bis dahin nichtakademischen Berufen, führte zum Ausbau der bestehenden Universitäten, zu Neugründungen, zur Vergrößerung des akademischen Fächerangebots und zu staatlichen Maßnahmen und Initiativen, die den Zugang zum Studium erleichterten.“

(Weiß 1988: 113). All dies hat eine nachhaltige Wirkung auf fast allen Ebenen dieser Institu-tionen. Vor allem die amerikanischen Universitäten können ab dieser Zeit auf ein sehr großes finanzielles Budget zurückgreifen, haben einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand und stetig steigende Studentenzahlen. Planung und administrative Aufgaben gewinnen an Bedeu-tung und stärken die Position der in diesem Sektor beschäftigten Personen, insbesondere die der Universitätspräsidenten. In diesem Zusammenhang tauchen die ersten Präsidenten als Pro-tagonisten in den amerikanischen Universitätsromane auf, werden aber nur selten positiv be-wertet und oft als machthungrige und politisch ambitionierte Paragraphenreiter dargestellt, die sich in ihrem eigentlichen Fachgebiet nur mangelhaft zurechtfinden. Die Darstellung von Col-lege-Präsidenten in den Universitätsromanen und Kurzgeschichten ist vor allem in den 1960er und 1970er Jahren bei den Autoren beliebt, verliert aber recht bald wieder an literarischer Bedeutung.

Akademische und wirtschaftliche Reformen und effektivere Zielsetzungen innerhalb ihres Berufsstandes zwingen die Hochschullehrer im frühen 20. Jahrhundert zunehmend, auch ad-ministrative Aufgaben an der Universität zu übernehmen und diese neben ihrer Lehre und Forschung zu erledigen. Im Zeitalter immer stärkerer Utilitarisierung des Hochschulbetriebs, die vor allen während der “Great Depression“ in den Vereinigten Staaten immer zwingender wurde, und da immer engerer Finanzlage vieler Hochschulen spielen auch die wirtschaftli-chen Fähigkeiten der akademiswirtschaftli-chen Lehrer eine immer größere Rolle. Mitunter waren fachli-che Qualifikationen weniger ausschlaggebend als wirtschaftlifachli-che bzw. organisatorisfachli-che

Fä-Kapitel 1: Einleitung 27

higkeiten. Auch dies trägt zur skeptischen und bisweilen sehr kritischen Bewertung des Be-rufsstandes bei, die sich auch in der Literatur niederschlägt. Die gesamte wirtschaftliche Situ-ation der Universitäten und der Lehrenden verschärft den Konkurrenzkampf innerhalb des Lehrkörpers zusätzlich. Die Texte schildern den Leistungsdruck, dem die Dozenten oft ausge-setzt sind und der sich meist negativ auf ihre Haltung gegenüber Kollegen und Studentinnen auswirkt: „He [the professor] is either a pendant whose studies have ill-equipped him to deal with life, or he is a person who used his knowledge to control others.“ (Reimer 1999: 45). Der Druck, ständig weitere Bücher und Artikel zu publizieren, schneller als Kollegen, die eventu-ell im selben Bereich tätig sind, Forschungsergebnisse zu präsentieren, führt teilweise zu ei-nem Qualitätsabfall der Forschung und setzt die universitären Forscher zusätzlicher Kritik und Diskussionen aus. Die Liberal Culture,18 eine amerikanische Variante des Humanismus und ein Konzept, das zum ersten Mal bereits vor 1900 in der bildungstheoretischen Debatte auftaucht, wird als positives Gegenbild zu dieser Entwicklung herangezogen und in den litera-rischen Texten den utilitaristischen Motivationen der Lehrenden entgegengestellt.

Heinz Antor weist darauf hin, dass die inzwischen akut gewordene Krise der alten Sprachen als Kern des akademischen Curriculums und die sich daraus ergebenden Macht-kämpfe um dessen Neugestaltung in Form von Auseinandersetzungen um den Bildungswert verschiedener neuer Disziplinen dazu beigetragen habe, die dominante Stellung der Universi-tätslehrerInnen in Universitätsromanen zu einem Synonym für die Dynamik des akademi-schen Fächerkanons und für den Legitimationszwang für die Geisteswissenschaften in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden zu lassen (Antor 1994/1995: 545). Die Diskussion um traditionelle Bildungskonzepte und deren Umsetzung an den Universitäten hatte die Kon-zentration der AutorInnen auf die Studierenden als Protagonisten in ihren Werken bis zu die-sem Zeitpunkt begünstigt. Ab den 1920er Jahren verlieren die bisher dominierenden Diszipli-nen an den Universitäten an Bedeutung und schaffen Raum für eine Fülle unterschiedlicher fachlicher Richtungen. Die Universität wird in dieser Zeit laut Antor zu einer “multiversity“, wo die Dozenten als direkt Betroffene dieser Veränderungen ins Zentrum der Aufmerksam-keit rücken (Antor 1994/1995: 545). Dies gilt sowohl für die Entwicklung an englischen als auch an nordamerikanischen Universitäten.

De Mott unterscheidet in seinem Artikel zwei grundsätzlich verschiedene Gruppen von Pro-fessorInnen, deren unterschiedliche soziale Herkunft eine unterschiedliche Zielsetzung bei der Ausübung ihres Berufes mit sich bringt: Die erste Gruppe bilden ProfessorInnen, die über-wiegend aus wohlhabendem Haus stammen und deren Ziel es ist, durch wissenschaftliche

18 Vgl. dazu Kapitel 4.4.

Forschung zu akademischen Ehren zu gelangen. Für die zweite Gruppe ist die professorale Laufbahn die Chance zum sozialen Aufstieg. Folge dieser ganz unterschiedlichen Zielsetzung ist ein grundlegend anderer Umgang mit Bildung und Wissen im allgemeinen. Eine gewisse selbstdarstellerische Begabung wird dabei allerdings allen zugeschrieben (de Mott 1962:

248). Durch beide Gruppen werden in die literarische Darstellung unterschiedliche Motive mit in die Gattung eingebracht, wobei sich vor allem die Darstellung der Universität als Mög-lichkeit des sozialen Aufstiegs als sehr beständiges Motiv in allen nationalen Zweigen er-weist.

Die meisten VerfasserInnen nordamerikanischer Universitätsromane greifen in Anleh-nung an oben genannte Gründe ein sehr negativ geprägtes Bild der ProfessorInnen und Tuto-rInnen in der Gesellschaft auf. Die Wurzeln dieser skeptischen undz.T. sogar abfälligen Hal-tung sind bereits im 18. Jahrhundert bei den Autoren der frühen englischen Universitätsroma-ne zu finden und haben sich bis heute in der englischen, amerikanischen und kanadischen campus fiction gehalten. Heinz Antor sieht die Ursache dieser ersten Spannung zwischen U-niversität und Gesellschaft, die sich an der Professorenschaft entzündete, in deren angeblicher Bevorzugung gesellschaftlicher Verbindungen gegenüber akademischer Lehre und in dem daraus resultierenden Qualitäts- und Leistungsabfall bei einem erheblichen Teil der Universi-tätslehrer (Antor 1994/1995: 64ff.). Sie werden dadurch besonders gern zur Zielscheibe der Kritik und müssen sich oft den Vorwurf der Pedanterie gefallen lassen, eine Eigenschaft, die der Vorstellung einer harmonischen Heranbildung aller menschlicher Eigenschaften, wie sie z.B. das Ideal der Liberal Culture beinhaltet, widerspricht. Grundsätzlich wird aber bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Gattung der campus fiction klar, dass die fiktionalen Charaktere durchaus in mimetischem und gleichzeitig kritisch-dialogischem Verhältnis zu realen Vorbil-dern stehen. Es sei auffällig, so Heinz Antor in seiner Studie zum Universitätsroman, dass die einzelnen Romane außerhalb ihres jeweiligen Kontexts weniger wie fiktionale Texte, sondern vielmehr wie Auszüge aus Traktaten zur zeitgenössischen Bildungsdiskussion wirkten. (Antor 1994/1995: 66). Auch John Lyons schließt sich dieser Annahme einer Verbindung von Re-alität und Fiktionalisierung an: “More than half of the novels of academic life are thinly dis-guised accounts of the author’s experiences as an undergraduate. Sometimes these experi-ences are viewed through a pleasant mist of nostalgia; sometimes they are bitter denunciations of the academy.“ (Lyons 1962: 68).

Insgesamt wird deutlich, dass von den Verfassern der campus novels mit ihrer negativen Dar-stellung der Lehrenden ein Thema aufgegriffen wurde bzw. wird, das schon seit Jahrzehnten, bzw. Jahrhunderten, die Diskussion über die Universitäten und die von ihnen gebotenen

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dungsmöglichkeiten prägte. John Lyons weist ebenfalls auf die lange Tradition der Negativ-darstellungen von Dozenten und Professoren hin und dehnt diese auch auf die Studierenden aus, wenn er schreibt: “Since the Renaissance the literary portrait of the scholar – whether he is a learner or a teacher – shows him as a buffoon to be laughed at or a Faust to be hissed. [...]

By leading the pit in laughter at the buffoon or pointing to the damnation of a Faust, the artist courts a public that is essentially cut off from the world of scholar.“ (Lyons 1962: 3). Auch hier wird ersichtlich, dass die Trennung der Universität von der Gesellschaft die Skepsis und die daraus resultierende Diskussion um Wert und Funktion dieser Institution fördert und am Leben erhält. „Even professors have a tendency to present the professor as a befuddled man, chalk-covered, impotent half-man. He is often the subject for weary humor just this side of a lampoon or analyzed as a grasping backbiter and intellectual fraud,“ schreibt John Lyons be-reits in der Einführung zu seiner Studie The College Novel in America (Lyons 1962: xiv). Mit dieser Aussage weist er den Lehrenden nicht nur bestimmte Eigenschaften in der fiktionalen Darstellung zu, sondern spricht einen weiteren sehr wichtigen Punkt innerhalb der Gat-tungsentwicklung an: die Autorenschaft von Frauen und Männern, die Literaturwissenschaft-lerInnen, Kultur- und LiteraturkritikerInnen und SchriftstellerInnen gleichzeitig sind.

Direkte Schilderungen von Lehrveranstaltungen werden sowohl in den frühen

Direkte Schilderungen von Lehrveranstaltungen werden sowohl in den frühen