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C. EMPIRISCHER TEIL

10. SOZIODEMOGRAPHISCHE DATEN

11.5 DISKUSSION (VERGEWALTIGUNGSTÄTER)

Die Daten lassen keine Rückschlüsse auf die Art des Einflusses von Bindungsstil auf die Tendenz zur Vergewaltigung zu.

Außerdem kann die Unfähigkeit intime Beziehungen aufzubauen zu einem Mangel sexueller Befriedigungsmöglichkeiten und so zur Tendenz zu Übergriffen führen, oder es kann die Beziehungsstörung zu einem Mangel sozialer Fähigkeiten und dann zu einem Fehlen des nötigen Selbstvertrauens eine intime Beziehung mit anderen Erwachsenen aufzubauen führen, so dass eine unsichere Bindung immer auch ein Risikofaktor für Kriminalität darstellt (Marshall, W., & Anderson, D., 1996; Marshall, W. L. & Fernandez, Y. M., 1998).

Die Zustandsangst und Eigenschaftsangst der Gruppe der Vergewaltigungstäter bewegen sich im mittleren Bereich. Wenn man die Zustands- und Eigenschaftsangst in Zusammenhang mit dem Allgemeinen-Bindungsstil sieht, zeigt sich nun schon erwartungsgemäß bei der Eigenschaftsangst, dass diese bei sicheren und vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil niedrig ist bei ängstlichen und ängstlich-vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil hingegen hoch (wie in der Gesamtgruppe).

Das erhaltende Ergebnis hinsichtlich der Bindungsstile bei Vergewaltigung bestätigt in der Tendenz Untersuchungen von Marshall, W., Eccles, A., Barbaree, H. (1991). Demnach scheinen Vergewaltiger weder übermäßig viele, noch übermäßig wenige Situationen als bedrohlich einzuschätzen, so dass zunächst von einem durchschnittlichen Angstpotential, entgegen der Hypothesenannahme, eines besonders niedrigen Angstpotentials auszugehen ist.

Allerdings lassen die Ergebnisse keine Schlüsse zu, wie sich das Angstniveau unmittelbar vor, während oder unmittelbar nach dem Delikt auswirkt.

Nach Spielberger (1972) erfaßt die State-Angstskala in Abhängigkeit von internen und externen Einflüssen die Höhe und den Verlauf der gerade vorhandenen Angst. Von Bedeutung scheint in diesem Zusammenhang die Tatsache zu sein, dass es keine signifikanten Unterschiede in den Mittelwerten zwischen der Zustandsangst in den unterschiedlichen Allgemeinen-Bindungsstilen gibt. Die Mittelwerte liegen alle im mittleren Bereich, bei dem sicheren- und vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil tendenziell hin zum niedrigeren Bereich. Eine mögliche Erklärung könnte in der weitgehend, Stress freien Untersuchungs-situation zu liegen. Dafür sprechen die signifikanten Mittelwertsunterschiede zwischen der Eigenschaftsangst in den unterschiedlichen Allgemeinen-Bindungsstilen. Denn gerade die Eigenschaftsangst oder Ängstlichkeit bezieht sich nach Spielberger (1972) auf eine relativ stabile Neigung, Situationen als bedrohlich zu bewerten und darauf mit einem Anstieg der Zustandsangst zu reagieren.

Ein wichtiger Aspekt scheint die Tatsache zu sein, dass der sichere - und der vermeidende AllgemeineBindungsstil, bei denen ein niedrigeres Angstniveau vorliegt und der ängstliche -und der ängstlich-vermeidende Allgemeine-Bindungsstil, bei denen ein höheres Angst-potential vorhanden ist, sich signifikant in den Mittelwerten der Eigenschaftsangst unterscheiden.

Allerdings müssen hier auch methodische Einschränkungen berücksichtigt werden. Bei den Personen mit einem sicheren (13 %) - und ängstlichen (6 %) Allgemeinen-Bindungsstil handelt es sich um eine sehr kleine Gruppe von Probanden, so dass die Ergebnisse allenfalls nur eine Tendenz erkennen lassen. Bei den wenigen 11 Probanden mit einem sicheren Allgemeinen-Bindungsstil liegen die höchsten Werte in der sozialen Erwünschtheit vor, diese sind etwas geringer, auch bei den 5 Probanden mit einem ängstlichen- und bei den 32 Probanden mit einem vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil.

Es ist daher anzunehmen, dass bei diesen Personen möglicherweise ein höheres Angst- und Aggressionspotential vorliegt, als sie zugegeben haben.

Als einleuchtend erscheint die höhere Angstbereitschaft der ängstlichvermeidenden (39 %) -und das niedrigere Angstpotential der vermeidenden (40 %) Vergewaltigungstäter.

Eine mögliche Erklärung könnte im unmittelbaren Zusammenhang mit der Dynamik des vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstils stehen. Denn nach Marshall, W., & Anderson, D.

(1996) haben Vergewaltigungstäter wenig Angst vor körperlicher Intimität, vielmehr meiden sie Beziehungen, um das Gefühl der Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu erhalten. Anders ist es bei den ängstlich-vermeidenden Vergewaltigungstätern, sie haben eher auf der Erlebensebene Angst vor Verlust und Zurückweisung, daher vermeiden sie auf der Verhaltensebene.

Nach Bowlbys Verständnis löst jede äußere oder innere Bedrohung des Verhaltenssystems Bindung, den Affekt Angst aus. Die Angst signalisiert also drohende Trennungserlebnisse oder löst assoziierte Phantasien von solchen aus (Hoffmann S.O. 1986; In: Kernberg O;

2000).

Als Ursache wird das Fehlen von Interpretationsschemata der jeweiligen bedrohlichen Situation angenommen (Lazarus & Averill, 1972; In: Flemming, 1977), denn ein unsicheres Arbeitsmodell läßt keine realitätsangemessene Einschätzung zu und führt zu einer eingeschränkten Wahrnehmung und Integration verschiedener Gefühle, so dass wirklichkeits-bezogenes Kommunizieren und Handeln erschwert werden (Grossmann, K. E., August P., Fremmer-Bombik E., Friedl. A., Grossmann K., Scheuerer-Englisch H., Spangler G., Stephan C. & Suess G., 1989; Grossmann u. Grossmann 1991; In: Strauss, B., 2002).

Der Bewertungsprozeß der Angst besteht aus Reaktionsmöglichkeiten, die der Person zur Verfügung stehen, um mit einer solchen Bedrohung fertig zu werden. Demnach kann die Zustandsangst durch Abwehr- und Anpassungsprozesse reduziert, werden. Stehen aber solche Möglichkeiten nicht zur Verfügung, wirkt sich das Zustandsangstniveau direkt auf das Verhalten aus (Spielberger, 1972), z. B. in Form von Aggressionen.

Generell zeigt die Gruppe der Vergewaltigungstäter überdurchschnittlich hohe Werte für offene-, gehemmte- und Gesamtaggression. Besonders hoch erweisen sich dabei das aggressive Misstrauen, Schuldgefühle nach Aggression, sowie die körperliche Aggression, die nur in dieser Untersuchungsgruppe vorkommt.

Nach der theoretischen Verhaltensanalyse von Buss & Durkee (1957) wird das aggressive Misstrauen, als Projektion von Feindseligkeit und Mißtrauen auf andere gewertet, während Schuldgefühle nach Aggression auf "Gewissensbisse" verschiedenster Art hinweisen.

Sieht man die Aggression wieder im Zusammenhang mit den Allgemeinen-Bindungsstilen, so ist auch in der Gruppe der Vergewaltigungstäter deutlich zu sehen, dass der sichere Allgemeine-Bindungsstil nur niedrige Aggressionswerte aufweist.

Hoch sind die Aggressionswerte bei den ängstlich-vermeidenden und vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstilen. Bei dem ängstlich-vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil liegt die Aggression insgesamt am höchsten, wobei die gehemmte Aggression einen noch höheren Wert erreicht als die offene Aggression.

Bei den Unterskalen sind Oppositionsverhalten, aggressive Reizbarkeit, aggressives Misstrauen, aggressive Eifersucht und Haß, sowie Schuldgefühle nach Aggression, signifikant erhöht. Das würde aus verhaltensanalytischer Sicht (Buss/Durkee, 1957) bedeuten, dass sich bei den Vergewaltigungstätern mit einem ängstlich-vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil das Oppositionsverhalten oft in Form von mangelhafter Kooperation gegen Autoritäten richtet Während die aggressive Reizbarkeit eine Bereitschaft signalisiert, schon auf kleine Provokationen hin stark zu reagieren, wird das aggressive Mißtrauen, als Projektion von Feindseligkeit und Mißtrauen auf andere gewertet Die aggressive Eifersucht und Hass, läßt auf Ärger über die Welt, wegen wirklicher und eingebildeter Benachteiligungen schließen und die Schuldgefühle nach Aggression weisen auf "Gewissensbisse" verschiedenster Art hin.

Alexander (1992; Main, Kaplan, Cassidy, 1985) ist der Meinung, dass bei den ängstlich-vermeidend gebundenen Personen die Impulsivität eine große Rolle spielt. Allerdings

sprechen die hohen Aggressionswerte im Bereich der „gehemmten Aggression“ gegen eine allgemeine, sondern mehr für umschriebene Impulsivität.

Auch die Vergewaltigungstäter mit vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil bei denen noch höhere Aggressionswerte erwartet wurden, liegt die Gesamtaggression im hohen Bereich, die offene Aggression ist überdurchschnittlich erhöht. Von den Unterskalen ist das aggressive Misstrauen signifikant und die körperliche Aggression tendenziell gegenüber den Werten bei den anderen Allgemeinen-Bindungsstilen erhöht. Nach der theoretischen Verhaltensanalyse von Buss & Durkee (1957) bedeutet dies, dass es bei Vergewaltigungstäter mit einem vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil tendenziell zur Gewaltanwendung gegen Personen kommen kann und dass das aggressive Mißtrauen, als Projektion von Feindseligkeit und Mißtrauen auf andere gewertet wird. Möglicherweise ist das aggressive, antisoziale Verhaltensmuster mit einer defensiven Hemmung der Mentalisierungsfähigkeit verbunden, die zu extrem anormalen sozialen Interaktionsmustern führt (Fonagy, 1991).

Fazit: Vergewaltigungstäter mit einem

• sicheren Allgemeinen-Bindungsstil haben eine niedrigere Zustands- und Eigenschafts-angst, eine höhere soziale Erwünschtheit und eine mittlere Aggressionsbereitschaft.

• ängstlichen Allgemeinen-Bindungsstil haben eine höhere Eigenschaftsangst, eine höhere soziale Erwünschtheit, sowie eine höhere Aggressionsbereitschaft.

• ängstlich-vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil haben eine höhere Eigenschaftsangst, mittlere soziale Erwünschtheit, von den Allgemeinen-Bindungsstilen die höchste Aggressionsbereitschaft, insbesondere ist die gehemmte Aggression erhöht.

• vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil haben eine niedrigere Eigenschaftsangst, eine höhere soziale Erwünschtheit, sowie eine höhere offene und Gesamtaggression.

Als für die Gruppe der Vergewaltigungstäter spezifisches Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Gruppe als Ganzes einen überwiegend ängstlich-vermeidenden - und vermeidenden Allgemeinen-Bindungsstil aufweist, in ihrer Ängstlichkeit durchschnittlich, in ihrem Aggressionspotential deutlich höher als die Vergleichsgruppen liegt, insbesondere das aggressive Misstrauen, Schuldgefühle nach Aggression, offene -, gehemmte – und Gesamtaggression, sowie tendenziell die körperliche Aggression liegen höher.

11.5 ERGEBNISSE DER PATIENTEN MIT SEXUELLEN