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Im Folgenden Kapitel geht es um die Operationalisierung des Zusammenhanges zwischen Aggression, Angst und Bindung. Zunächst erfolgt die Klärung des Aggressionsbegriffes.

3.1 Aggressionstheorien

In der Psychologie stehen sich zwei Theoriegruppen gegenüber. Die eine umfaßt der Biologie nahestehenden Instinkt- oder Triebtheorien, die andere befaßt sich mit verschiedenen, einan-der ergänzenden lerntheoretischen Ansätzen. Dazwischen bewegt sich eine dritte Sichtweise, die Frustrations-Aggressions-Theorie.

Ethologische Triebtheorie: Lorenz (1963, Nobelpreis 1973) entwickelte gemeinsam mit Tinbergen das Konzept des Instinktmusters als ein motorisches Programm, beziehungsweise einer Handlungsbereitschaft, die durch bestimmte Umweltsignale in Gang gesetzt und durch andere wieder beendet wird. Die Aggressionsbereitschaft als Angriffs- und Fluchtmuster hängt von auslösenden Reizen ab, bleiben diese lange aus, können diese Handlungsmuster auch ohne erkennbaren äußeren Anreiz ablaufen (Amelang, M.; 1990).

Den Zusammenhang zwischen Sexualität und Aggression hat zunächst die Psychoanalyse (in einem der Biologie angelehnten Denken) versucht durch ihre Triebhypothesen zu erfassen.

Danach, wurden neben dem Sexualtrieb ein Aggressionstrieb angenommen und verschieden-en Mischungsverhältnissverschieden-en dieser beidverschieden-en Triebwünsche zu fast jedem Verhaltverschieden-ensmotiv aufge-spürt. Dieser Ansatz entzieht sich jedoch einer empirischen Operationalisierung. Die sinnvolle Entladung von Aggressionen gestaltet sich beim Menschen durch die neuzeitliche Zivilisation als schwierig. Es kann zu Störungen der psychischen und physischen Gesundheit kommen.

Dieses Konzept einer biologisch, vorgegebenen und durch die Umwelt mitgeprägten aggressiven Handlungsbereitschaft kann als eine Weiterentwicklung der psychoanalytischen Auffassung vom „Aggressionstrieb“ angesehen werden. Deshalb sind Ersatzhandlungen (sportliche, wissenschaftliche und künstlerische Wettkämpfe) wichtig, um den „Aggressions-trieb“ zu regulieren (das sog. Böse), wenn die Aggressionsmuster lange unterdrückt oder keine Auslösesignale finden.

Lernpsychologische Theorien gehen davon aus, dass aggressives Verhalten wie alle anderen Verhaltensweisen (z. B. Sprechen, Schreiben, Kochen, Autofahren, Fußballspielen) auch, erlernt werden. Sears vertrat 1957 als erster die Theorie, dass gewaltsames, destruktives Verhalten frühkindlich gelernt würde. Um eine Aggressionsbereitschaft zu hemmen sind konsequent herbeigeführte Mißerfolge notwendig (Selg, H., 1996).

Die Lerntheorie der Aggression erfuhr durch die Entdeckung des Imitationslernens eine Ergänzung. Es wird von Bandura (1973) als kognitiven Vorgang verstanden, bei dem Vorbild- und Identifikationsprozesse eine entscheidende Rolle im Aggressionsverhalten spielen (Kornadt, H.-J., 1992).

Die Frustration-Aggressions-Theorie läßt sich auf die Forschergruppe Dollard, Doob, Miller, Mowrer und Sears (1939) zurückführen *. In Anlehnung an das Konzept der Triebtheorie besagt sie, daß Aggression ein erworbener Trieb ist, der als Reaktion auf Frustration entstan-den ist. Aggression ist immer eine Folge von Frustration - Frustration führt immer zu einer Form von Aggression. Frustration entsteht, wenn die Ausführung einer Zielreaktion gestört, d.

h. unterbrochen oder blockiert wird. Je größer die angesammelte Frustration ist, um so stärker ist die daraus resultierende aggressive Reaktion. Als Frustration werden z. B. die äußeren Störungen von Aktivitäten als auch innere Folgezustände dieser Störungen bezeichnet (Selg, H., 1996). Sie richtete sich zunächst immer gegen die Quelle.

* Dieser Standpunkt steht der Psychoanalyse nahe, allerdings wird hier auf die Wurzel der Aggression im Biologischen nicht eingegangen, sondern nur die Reaktion beschrieben. Die Psychoanalyse hingegen hat ein umfangreiches Theoriegebäude über vielfältige Aggressionsschicksale und Wurzeln entwickelt, die empirisch viel schwerer zu operationalisieren sind als die einfache Frustrationshypothese.

Nicht jede Frustration führt zur Aggression (Miller, N, 1941). Nach Berkowitz (1982) hängt die Frustrationswahrnehmung von der persönlichen Wahrnehmung der Person ab (Kornadt, H.-J., 1992). Frustrationen sind nach Buss (1963, 1966) schwache und oft ineffektive Antezedenzbedingungen aggressiven Verhaltens. Die kombinierten Bedingungen Frustration und Beleidigung führen zu einer stärkeren Steigerung der Aggression als eine reine Frustration. Frustrationen, die als einsehbar oder gerechtfertigt aufgefaßt werden, werden mit einem geringen Maß an Unmut bzw. mit geringen Zeichen von Feindseligkeit akzeptiert. Die beiden Begriffe Aggression und Frustration können sowohl unabhängig als auch abhängig voneinander definiert werden (Selg, H., 1996).

Frustrations-Regressions-Studien nach Lewin: Das Zurückfallen in ein undifferenziertes Verhalten unter Frustrationsbedingungen (Streß) nannte Freud Regression. Darunter verstand er das Zurückfallen auf eine frühere Objektbindung (z. B. Mutter) oder auf das Verhalten einer früheren Entwicklungsstufe, die unter ähnlichen Bedingungen ein erstes Erfolgserlebnis gewährte (Hamilton, Krechevsky, 1933; Kleemeier, 1942; Okelly, 1940; In: Kornadt, H.-J., 1981). Durch Aggressionen (als Reaktion auf Frustration) können Abwehrmechanismen z. B.

Verschiebung, Verdrängung, Sublimierung usw. eingesetzt werden, wenn sie mit den Forderungen des Ich in Konflikt geraten (Kornadt, H.-J., 1981).

Psychologisch ist zunächst die Frustrations-Aggressions-Hypothese einleuchtend. Sie ist auch Grundlage, des von mir verwendeten Buss-Durkee-Tests zur Messung von Aggression.

Biologische Faktoren weisen auf Zusammenhänge zwischen Aggression und erhöhten Testosteronwerten hin. Aber auch bei der Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse kann es zu erhöhten Werten von Cortisol im Blut und demzufolge zu erhöhten Aggressionen kommen. Adrenalin und Noradrenalin stehen in Zusammenhang mit erlebten aggressiven Affekten. Bei erhöhter Angst überwiegt das Adrenalin, bei verstärkter Wut wird vermehrt Noradrenalin freigesetzt (Birbaumer, N., Schmidt, R.F; 1991).

Diese biologischen Daten geben schon Hinweise darauf, dass Aggressivität sowohl mit Angst- und Stressbewältigung als auch mit Sexualität (Rivalität um den Sexualpartner) im Zusammenhang gesehen, werden muss.

3.2 Definition von Aggression

Eine Aggression wird durch Substantive wie Zorn, Groll, Hass, Feindseligkeit, Abneigung, Verbitterung, Gereiztheit und Verärgerung deutlich beschrieben. Die Verben wie zerstören, beschädigen, quälen, vergelten, verletzen, beschimpfen, erniedrigen, beleidigen, drohen und einschüchtern beziehen sich demgegenüber auf aggressive Verhaltensweisen (Dollard, J., Doob, L. W., Miller, N. E., Mowrer, O. H., Sears, R. R., 1939, 1961). Die Aggression manifestiert sich nicht immer in beobachtbarem Verhalten, sie kann als Inhalt einer Phantasie oder eines Traums auftreten oder sogar als ein Racheplan. Die Aggression kann gegen ein Objekt, das als Quelle der Frustration wahrgenommen wird, gerichtet sein, sie kann aber auch verschoben sein auf ein völlig unbeteiligtes Objekt und sie kann sogar gegen das eigene Selbst gerichtet werden, wie Beispiele von Masochismus, Märtyrertum und Suizid zeigen.

Ferner kann ein unbelebter Gegenstand als Zielscheibe der Aggression dienen, vorausgesetzt, dass die entsprechenden Verhaltensweisen einem lebendigen Objekt Schaden zu fügen können. Eine Aggression braucht nicht immer objekt-gerichtet sein.

Unter Aggressivität wird zum einen die Aggression verstanden, zum anderen ist sie ein charakteristisches Merkmal des Dominanzstrebens oder auch des Leistungsstrebens (Arnold, W., Eysenck, H.-J., Meili, R., 1991). Unter Gewalt wird die Anwendung von Zwang und/oder unrechtmäßiges (gewalttätiges) Vorgehen verstanden, aber auch ganz allgemein ausgedrückt:

Macht, Kraft, Herrschaftsbefugnis (Selg, H., 1996).

Ärger kann als eine unlustbetonte emotionale Reaktion bezeichnet werden, die bei aversiven Erlebnissen auftritt, z. B. Frustrationen, Enttäuschungen, Belästigungen und Demütigungen.

Ärger ist objektbezogen und wird als Behinderung oder Hindernis erlebt, die behoben werden

muss. Die Wut wirkt spontan, wird weniger reflektiert und enthält weniger kognitive Anteile.

Sie ist mit einer hohen affektiven Erregung und motorisch, vegetativen Erscheinungen verbunden. Der Zorn entsteht, wenn andere Personen wichtige Normen verletzen. Der Hass ist eine überdauernde intensive Einstellung gegen etwas oder gegen jemand (Selg, H., 1996).

Hass entsteht als Reaktion auf emotional sehr verletzende Erlebnisse, z. B. der Abbruch einer Liebesbeziehung, Hassliebe oder existenzbedrohende Erlebnisse und zielt immer auf die Vernichtung des Objekts (Stephan, E., In: Arnold, W., Eysenck, H.-J., Meili, R., 1991). Durch eine negative Einstellung gegen ein Objekt oder Objektklassen werden negative Gefühle wie Ärger, Wut, Zorn oder Hass hervorgerufen. Diese feindseligen Einstellungen sind relativ überdauernde Systeme von Verhaltensbedingungen. Wo Feindseligkeit vorliegt, können Aggressionen scheinbar leicht ausgelöst werden (Buss, In: Selg, H., 1996).

Im Folgenden beziehe ich mich besonders auf die von Buss und Durkee verwendeten Aggressionsdefinitionen, da sie in das in dieser Studie verwendete Instrument eingegangen sind.

3.3 Formen der Aggression

Eine Aggression kann mehr äußerlich-formal und / oder mehr inhaltlich-motivational vorhanden sein. Buss (1961) hat sich als erster um die Systematik aggressiver Verhaltens-wiesen bemüht, z. B. in passive und aktive Aggression (Selg, H., 1996).

1. äußerlich-formale Aggression

- offene Aggression (körperlich, verbal) nach Buss (1961): die offene Aggression weist zunächst auf das jeweilige benutzte Organsystem hin. Während die direkte körperliche Aggression fast immer zu offensichtlichen Verletzungen oder Schmerzen führt, werden bei verbalen Aggressionen, die im Alltag auch als schmerzend oder verletzend bezeichnet werden, kaum eindeutige Verletzungsfolgen zu sehen sein.

- verdeckte (phantasierte) Aggression: eine verdeckte Aggression kann körperlich, verbal, phantasiert und symbolisch sein. Sie wird entweder in Worten über Vorstellungen und Wünsche oder in Zeichnungen, gelegentlich auch durch Mimik und Pantomimik aufgedeckt.

- direkte und indirekte Aggression: die direkte Aggression ist unmittelbar gegen das Opfer gerichtet, während bei der indirekten Aggression das Opfer vielfach nicht anwesend ist, z.

B. üble Nachrede, Sachbeschädigung oder es wird eine Barriere zur Behinderung eines anderen eingerichtet Bei der verschobenen Aggression wird das eigentliche Objekt durch einen Ersatz ausgetauscht, auf den sich dann die Aggression bezieht.

- Einzel-, Gruppen-Aggression und Selbst-, Fremdaggression: Die Selbstaggression kann sich bis hin zum Suizid ausweiten.

2. inhaltlich-motivationale Aggression

- positive (legitim) und negative (illegitim) Aggression, z. B. bei Kriegen

- expressive (wütende), feindselige und instrumentelle Aggression: die expressive Aggression ist die Befreiung von einer aktuellen Spannung. Sie ist Affekt bedingt und Affekt begleitet, d. h. sehr stark von Ärger und Wut (vielleicht auch von höchster Angst) begleitet Bei der feindseligen Aggression wird dem Opfer Schmerz oder Schaden zugefügt. Sie könnte als Aggression um der Aggression willen verstanden werden. Die instrumentelle Aggression ist nicht auf ein Ziel gerichtet, Schädigungen und Schmerzufügungen werden nicht angestrebt, aber auch nicht unbedingt vermieden

- spontane und reaktive Aggression: die spontane Aggression ist eine nicht provozierte Aggression. Bei der reaktiven Aggression bleiben, ausgeführte Aggressionen, soweit sie als Notwehr anerkannt werden, im Extremfall straffrei. Aggressionen auf Befehl (offensive und defensive Aggression) z. B. bei Soldaten im Kampf

- spielerische und ernste Aggression sind z. B. gerade bei Kindern, das Balgen unter Freunden, Schlagen von Puppen. Sie muss von der ernsten Aggression unterschieden werden.

Psychopathologisch gibt es die sadistische Aggression, die durch eine Verbindung zwischen aggressiven und sexuellen Impulsen zustandekommt. Sie wird bei Buss-Durkee nicht erfasst.

3.4 Aggressionshemmung

Das Aggressionsverhalten ist immer auf andere gerichtet Es ist ein negatives soziales Verhalten, im Gegensatz zum leistungs- und nahrungsbezogenen Verhalten und für den Gegner aversiv, so dass immer mit einer Gegenaggression, Vergeltung, aber auch mit normativer sozialer Tabuisierung zu rechnen ist. Insofern spielen beim Aggressionsverhalten auch Hemmungen eine wesentliche Rolle. Hemmungen aggressiven Verhaltens sind all jene erlernten Reaktionen, die eine Aggression schwächen (Bergius) oder ihr Auftreten unwahr-scheinlich machen, obwohl eine aggressive Verhaltenstendenz in einer bestimmten Situation aktiviert worden ist. Aggressionshemmungen folgen z. B. aus sozialen Einstellungen, aber auch aus persönlichen Einflußsphären von geachteten anderen Menschen oder aus anerkannten Werten (Kornadt, H.-J., 1981).

Auch die normale Aggressivität kann als ein Ergebnis einer Lerngeschichte betrachtet werden. Die Lernprozesse, in denen sowohl aggressive Handlungen als auch deren Hemmungen gelernt werden, führen manchmal mit mehr oder weniger Erfolg zu dem Verhalten, das in einem sozialen Kontext erwartet wird (Bergius; In: Kornadt, H.-J., 1981).

Wenn die Frustration von einer Autoritätsperson ausgeht, kann sie als gerechtfertigt empfunden werden und daher nur wenig Ärger auslösen (Cohen, 1955; Hokanson und Burges, 1962; In: Kornadt, H.-J., 1981). Oder durch die Autoritätsperson wird gleichzeitig die Aggressionshemmung aktiviert und die unverändert angeregte Aggressivität kann nicht ausgedrückt werden. Um „nicht ausgedrückte Aggression“ bei einer Untersuchung nicht aus den Augen zu verlieren, kann man z. B. nach „Furcht vor Bestrafung“ oder „Schuldgefühle nach Aggression“ fragen (siehe Buss-Durkee), (Kornadt, H.-J., 1981).

3.5 Aggression nach Buss

Die komplexen Zusammenhänge zwischen Aggression, Frustration von Bedürfnissen (auch sexuellen !), Angst (auch vor Bestrafung) und Regression auf niedrigere Funktionsweisen der Kognition und Emotion ist noch sehr ungeklärt. Auf der Suche nach einer empirisch möglichst offenen Messung von Aggressionsdimensionen stößt man auf Buss und Durkee.

Für Buss (1961) ist Aggression eine Persönlichkeitsvariable (Eigenschaft), die er als eine Reaktion beschreibt, bei der einem anderen Organismus Schaden, zugefügt wird. Diese Definition deckt sich mit den oben aufgeführten Ansätzen von Bandura und Walters (1959, 1964) (vgl. auch Merz, 1965; In: Amelang, M., 1990). Aggression ist nach diesem Ansatz kein Affekt (wie Ärger, Wut, Haß), sondern ein Verhalten, das offen (körperlich, verbal) und verdeckt (phantasiert), positiv (von der Kultur gebilligt) und negativ (mißbilligt) sein kann.

Damit wird der Fragebogen von Buss und Durkee der Vielfältigkeit möglicher Aggressions-formen gerecht. Das Feindseligkeitsinventar von Buss und Durkee (BD) ist ein Selbstbe-schreibungsfragebogen, der verschiedene Aspekte der Konstrukte Feindseligkeit und Aggression erfasst. Je mehr jemand seine Verstärkung als abhängig von Faktoren außerhalb seines eigenen Verhaltens ansieht, desto mehr Aggression und Feindseligkeit gibt er an.

Buss unterscheidet „Feindseligkeitsskalen“ von den eigentlichen „Aggressionsskalen“:

1. Feindseligkeit

- Aggressives Misstrauen, als Projektion von Feindseligkeit auf andere, Mißtrauen bis zum schlimmsten Grade.

- Eifersucht und Hass, als Ärger über die Welt, wegen wirklicher und eingebildeter Benach-teiligungen

2. Aggression

- Körperliche Aggression, gemeint sind körperliche Gewaltanwendungen gegen Personen, nicht aber Destruktionen lebloser Gegenstände

- Verbale Aggression, die sich in Stil und Inhalt des Gesagten ausdrückt

- Indirekte Aggression, d. h. Verhaltensweisen wie übles "Klatschen" und Aggressionen wie Türenknallen, sofern darunter nicht ein bestimmtes Opfer zu leiden hat

- Oppositionsverhalten, oft in Form mangelhafter Kooperation gegen Autoritäten gerichtet - Aggressive Reizbarkeit bezieht sich auf die Bereitschaft schon auf kleine Provokationen

hin stark zu reagieren

- Schuldgefühle nach Aggression, sind "Gewissensbisse" verschiedener Art und beziehen sich u.a. auch auf nicht ausgedrückte Aggressionen bei einer Untersuchung, im Sinne der Aggressionshemmung

3.6 Aggressives Bindungsverhalten

Die Aggressionsforscher, insbesondere Henry Parens (1993) gehen davon aus, dass es eine Form der prosozialen Aggression, z. B. die Erkundung und Kontaktsuche, gibt, die sich von einer destruktiven Aggression unterscheidet. Die Aggression in Form von Erkundung und Kontaktsuche entspricht dem motivationalen System von Lichtenberg (1992) oder der Explorationsfähigkeit einer sicheren Bindung nach Bowlby (1995). Die destruktive Aggression entsteht aus einer extrem erlebten Frustration heraus, z. B. durch nicht befriedigte Bindungsbedürfnisse oder wenn Personen durch Bindungsstörungen an einer gesunden Exploration oder Loslösung gehindert werden. Die aufgestauten Aggressionen die mit erheblichen physiologischen Spannungen verbunden sind, können sich in anderen Beziehungskontakten entladen (Spangler, Schieche. In: Brisch, K.-H., 1999. In: Spangler, G., Zimmermann, P., 1999). Es ist denkbar, dass schon sehr kleine und unbedeutende Anlässe zu erheblichen Aggressionen führen können. Bowlby hat darauf hingewiesen, das bei Zurückweisung der primären Bindungswünsche des Kindes, die durch Suche nach Nähe zum Ausdruck kommt, Aggressionen entstehen. Die Angst, dass keine Bindung zustande kommt oder eine Bindung verloren geht, führt über die Frustration von nicht zustande gekommenen Bindungswünschen zu einer massiven Aktivierung des Bindungsverhaltens bis hin zum Kampf um eine Bindung. Schon die Erwartung einer möglichen Zurückweisung durch eine Beziehungsperson kann, durch die real erlebten Erfahrungen mit einer Bindungsperson, zu einer primären aggressiven, kämpferischen Äußerung von Bindungswünschen führen.

Die Bindungsstörung mit aggressivem Bindungsverhalten (z. B. körperliche und / oder verbale Aggression) kann in verschiedenen Altersgruppen auftreten. Ein wesentlicher Aspekt besteht darin, dass aggressives Verhalten in der Interaktion dazu dient, Bindung herzustellen und aufrechtzuerhalten. Die Aggression läßt relativ schnell nach, wenn sich eine Bindung entwickelt hat. Wenn das Bindungsbedürfnis und die Bindungsbotschaft nicht verstanden werden, kommt es sehr oft zu einer Distanzierung in der Bindung, z. B. Lehrer und Kind, Erwachsene und Partner. Auf diese Weise intensiviert sich häufiger das störende Verhalten, da die zugrundeliegenden Wünsche nach einer Bindungsbeziehung nicht verstanden wurden.

Bei Kindern, Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen mit extremer Bindungsstörung, die ausgesprochen wenig einfühlsame Eltern hatten, geht die Fähigkeit verloren, sich selbst feinfühlig und empathisch in die emotionale Welt eines Gegenübers einzufühlen.

Das Familienklima dieser Personen ist fast ausschließlich durch aggressive Verhaltensweisen geprägt, die sich nicht unbedingt in physischer Gewalt zeigen, sondern auch durch verbale und non-verbale Formen der Aggression. Unter bindungsdynamischen Gesichtspunkten ist das aggressive Verhalten als eine Form der Bindungsstörung zu verstehen, weil das primäre Bindungsmuster über aggressive Auseinandersetzungen gegenüber der Mutter (z. B. auch durch Wut und Enttäuschung gegenüber der Mutter) entstanden ist (Brisch, K.-H., 1999).