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3 „Ich bin des freien Waldes freies Kind“ 52 – Die Bayerwalddichterin Emerenz Meier (1874-1928)

4 Sprachlich-dialektologische Analyse des Corpus

4.2 Erzählungen aus dem einzigen Buch der Autorin: Der Juhschroa, Der Brechelbrei und Die Madlhüttler

4.2.2 Dialektbefunde in den Erzähltexten

4.2.2.4 Die verwendeten Eigennamen

Betrachtet man den Gebrauch von Nomina propria und appellativa in den Erzählungen, so fällt auf, dass diese zumeist in solchen abgekürzten oder verniedlichenden Formen erscheinen,318 wie sie nur im bairischen Sprachgebiet verbreitet sind. Besonders für Emerenz werden verschiedene Abkürzungen gebraucht, so Enzl (DJ, S. 23ff.), Enzi (DJ, S.

28) und Senzi (DM, S. 48ff., S. 52ff., S. 57ff.). Mirl (DJ, S. 26ff.) und Mirz (DB, S. 36, S.

42, S. 44) stehen für Maria, Leni (DJ, S. 26f., S. 31, S. 33) für Magdalena, Nanni (DJ, S.

29) für Anna, Franzi (DJ, S. 30) für Franziska, Sephie (DM, S. 58f.) für Josepha oder Josephine,319 Wawi (DB, S. 37ff.) für Barbara und Kathi (a.a.O.) für Katharina.320 Männliche Vornamen sind Flori (DJ, S. 24), Florian, Hans (DJ, S. 29ff.), Johann, wobei die Abbreviatur eine kontrahierte Form von Johannes darstellt,321 Sepp (DB, S. 40ff.), also

315 Die Orthographie wurde in diesem Beispiel dem 21. Jahrhundert angepasst.

316 Der Modifikation des <ß> im Originaltext zum <ss> in vorliegendem Komplemenatär- bzw. Parallelbeispiel liegen orthographische Bestimmungen des beginnenden 21. Jahrhunderts zugrunde.

317 Vgl. Merkle, S. 168

318 Vgl. Kaspar 2007, S. 142f.

319 Hierzu muss angemerkt werden, dass beide Vornamen in Bayern nicht sehr häufig gebraucht wurden, jedoch Josepha als etwas häufiger anzusetzen ist als Josephine (unter Berücksichtigung der jeweiligen Schreibweise mit

<f>).

320 Vgl. hierzu: Ribbe, S. 497ff.; Ringseis, S. 325ff.

321 Als entsprechender Taufname ist der hier angegebene Johann anzunehmen (unter Umständen womöglich gar eine um den genauen Namenspatron erweiterte Variante wie Johann Baptist, Johann Nepomuk oder Johann

Joseph, Hansjörg322 (DM, S. 49ff., S. 57f.), Johann Georg, der einmal sogar noch weiter verkürzt wird zu Jörg (DM, S. 59), und (Bräuer-)Toni (DM, S. 52), Anton. Der Vorname Severin (DM, S. 48ff., S. 52ff., S. 57ff.), fast ausschließlich in oberdeutschen Dialektgebieten üblich, taucht nur in dieser Form auf.

Ein weiterer Hinweis auf regionalsprachliche Prägung der drei Erzählungen im Bereich der Eigennamen sind fernerhin standardsprachlich nicht zulässige Komposita aus Familien- und Vornamen bzw. aus Berufsbezeichnung und Vornamen, so bei Hanserlleni (DJ, S. 30), Hanserlenzl (DJ, S. 34) und Bräuertoni (DM, S. 52). Unter diesem Aspekt sind ebenfalls Eigennamen anzusprechen, die aus der Bezeichnung der Herkunft und dem Vornamen gebildet sind. Das Kompositum Häuslmirz (DB, S. 36) liefert die Information, dass es sich um diejenige Maria handelt, die ein Häusl, in diesem Fall ein kleines, zum Bauernhof gehöriges Haus,323 zur Miete bewohnt. Bei Hütten-Severin (DM, S. 48) handelt es sich um eine Ad-hoc-Bildung, die Severin, den Bewohner einer Hütte, hier der sog. und bereits erwähnten Madlhütte, bezeichnet. Daneben kommen in den Texten etliche volkstümliche Hausnamen vor, nämlich Marinibauer(n) (DJ, S. 25), Rabenbauer(n) (DJ, S. 26, 29), Hanserlbauer(n) (DJ, S. 26, 28) und Christlbäuerin (DB, S. 35, 42, 45). Die Angabe Heinzelmüller (DM, S. 48/49) allein ließe auf einen reinen Hausnamen schließen, jedoch wird die Figur im weiteren Verlauf der Madlhüttler nur als Müller bezeichnet (DM, S. 49, 52). Daraus kann man ersehen, dass der zweite Teil des Kompositums die Berufsbezeichnung darstellt, der erste hingegen nur den Hausnamen. Zudem existiert im gesamten Bayerischen Wald kein Ort „Heinzelmühle“, wobei bei den Nachforschungen neben weiteren Varianten324 auch die mögliche Schreibweise mit <ai> berücksichtigt wurde.325 Im Gegensatz dazu durchaus identifizierbare Orte sind neben Frauenwald (DJ, S.

30), einem heute zu Waldkirchen gehörenden Dorf,326 der Schauplatz des Juhschroa, nämlich Richardsreut (DJ, S. 23), ein Nachbardorf von Emerenz Meiers Geburtsort Schiefweg bei Waldkirchen, dem Wohnort ihrer Großeltern mütterlicherseits. Das dort sich

Evangelist, worüber zu spekulieren in literarischen Texten jedoch müßig ist), da im Bayern des 19. Jahrhunderts Johannes als Taufname eine Seltenheit darstellt.

322 Dieser Vorname wird in der Ausgabe von Bleibrunner/Fuchs, woran sich der Verfasser bei Betrachtung der ersten drei Erzählungen orientiert, mit Hansjörg angegeben, in derjenigen von Göttler mit Hansjürg.

Beide Abkürzungen bezeichnen aber denselben Namen, wobei Jürg eher an eine hochalemannische Form erinnert (vgl. Conrad Ferdinand Meyers historischer Roman Jürg Jenatsch).

323 Die ebenfalls mögliche Lesart, dass es sich um diejenige Maria handle, die aus einem „Häusl“, einem kleinen landwirtschaftlichen Anwesen, stammt, ist aufgrund der Aussagen des Erzähltextes nicht möglich.

324 Schreibweisen ohne <e> vor dem inlautenden /l/ sowie als apokopierte Form mit Ausfall des auslautenden /-ə/ bzw. <e> wurden dabei selbstverständlich ebenso berücksichtigt.

325 Vgl. Amtliches Ortsverzeichnis Bayern 1978, S. 63-66, 70-73, 83-95, 106-109; auch Ortschaften-Verzeichnis 1928

326 Es ist davon auszugehen, dass es sich nicht um das etwa drei Kilometer entfernte Oberfrauenwald handelt.

befindliche Anwesen des Rabenbauern (DJ, S. 26) vereint sowohl Haus- als auch Familiennamen in sich. Wie der Historischen Atlas angibt, befand sich im damals zur Gemeinde Schiefweg gehörenden Dorf ein Anwesen mit dem Hofnamen „Raab“.327 Dass Haus- und Familiennamen in Altbayern häufig zusammenfielen, ist keineswegs als Seltenheit zu werten. Ein Anwesen „Hanserl“ wird im Historischen Atlas des Hochstifts Passau im Übrigen ebenso wenig erwähnt wie „Marini“.328 Der Grund hierfür ist aber in der Tatsache zu sehen, dass dieser den Ist-Zustand der zugrundeliegenden Güterkonskription abbildet, eine Änderung von Hausnamen im Nachgang bzw. den Jahren und Jahrzehnten danach ist durchaus möglich.

Die schon angesprochene Inversion von Vor- und Nachnamen muss als charakteristisch oberdeutsch bezeichnet werden und wird in Emerenz Meiers Erstlingserzählung, der einzigen ihrer frühen Texte, die exakte Angaben zu den Namen der Figuren enthält, durchgehend realisiert. Teilweise divergiert lediglich die Schreibweise, wie die Beispiele des Hanserl Enzls (DJ, S. 23), Hanserlenzl (DJ, S. 34), Hanserlleni (DJ, S. 30) illustrieren.

Ob allerdings eine Getrennt- oder Zusammenschreibung vorliegt, ist für den gesprochenen Dialekt natürlich unerheblich.

Mundartlich normgerecht ist darüber hinaus die Movierung von Feminina bei Familiennamen;329 sie beinhaltet im Gegensatz zum Standard keinen abwertenden Unterton.330 Mit der weiblichen Endung -in kann auch die Umlautung des Stammvokals einhergehen, wie bei Räbin (DJ, S. 29) für die Ehefrau des Hofesbitzers Raab. Die Schreibung mit <ä> ist der veränderten Aussprache des überhellen bairischen /à:/

gegenüber dem /a:/ geschuldet, da für /à:/ kein entsprechendes Graphem existiert. Während das männliche Pendant [ra:p] lautet, bedingt das in der Movierung enthaltene /ɪ/ die im Stammvokal umgelautete Aussprache [’rà:bɪn].

327 vgl. Veit, S. 210

328 Im Amt Waldkirchen werden unter Richardsreut aufgeführt: „Prombeck, König, Lenz, Marx, List, Traxinger, Raab, Gatterbauer“ (Veit, S. 210)

329 Vgl. Schmid 1995, S. 116

330 Ursprünglich war die Movierung ein durchaus gebräuchliches Phänomen über den oberdeutschen Raum hinaus, wenn man beispielsweise die bei Schwiebus geborene „Karschin“ Anna Louisa Karsch, geb. Dürbach (1722-1791) betrachtet oder die weithin bekannte Theaterdirektorin Friederike Caroline Neuber, geb.

Weißenborn (1697-1760), aus Reichenbach im Vogtland, die „Neuberin“. Allerdings lassen sich bereits Abkehrtendenzen im mitteldeutschen Raum erkennen; exemplarisch hierfür können die Briefe von Johann Christoph Gottscheds Ehefrau Louise Adelgunde Victorie, geb. Kulmus (1713-1762), gelten, die ihre Schreiben mit „Ihre (…) Kulmus“ unterzeichnete (vgl. Gottsched 1771, S. 2).