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Befunde aus dem Bereich des latenten und evidenten Dialekts

3 „Ich bin des freien Waldes freies Kind“ 52 – Die Bayerwalddichterin Emerenz Meier (1874-1928)

4 Sprachlich-dialektologische Analyse des Corpus

4.11 Analyse von Briefen

4.11.2 Ausgewählte Briefe aus den USA in die (alte) Heimat

4.11.2.1 Befunde aus dem Bereich des latenten und evidenten Dialekts

Die aus Emerenz Meiers Zeit in Chicago überlieferte Briefkorrespondenz mit der Freundin und Gönnerin in Waldkirchen besitzt, wie schon diejenige aus der Heimat, als Attribut zum Anredenamen das flektierte Adjektiv herzliebe (Unertl 3, S. 228; Unertl 4, S. 236; Unertl 6, S.

407) bzw. herzliebste (Unertl 5, S. 80) sowie bis auf eine Ausnahme642 die bereits erörterte Abkürzung Gusti (a.a.O.). Lediglich in der Schreibweise variiert die Anredeform insoweit, als sie bisweilen die Form Gustie (Unertl 3, S. 230; Unertl 5, S. 81f., S. 84f., S. 88) aufweist.

Der erste Brief lässt im Bereich der Lexik keine latenten oder gar evidenten Bavarismen feststellen. Im zweiten fällt zunächst das Partizip II zugerichtet (Unertl 4, S. 237) auf.

642 Der Brief vom 13.12.1919 beginnt mit den Worten Herzliebe, unvergeßliche Freundin! (Unertl 3, S. 228).

Betrachtet man den unmittelbaren Kontext, kommt es mir oft noch höher, als wenn ich Geflügel oder einen ganzen Braten zugerichtet (a.a.O.), erstaunt das postponierbare Präverb zu, würde das Bairische hier als Verb, falls überhaupt, lediglich richten verwenden. Drei Sätze zuvor schreibt die Autorin noch davon, dass man sich einen Hühnerbraten bereiten könne (a.a.O.). Im Vergleich dazu ist richten bzw. zurichten um ein Vielfaches näher an ihrer persönlichen, wohl noch immer von mundartlichen Tendenzen geprägten Sprache und kaum aus stilistischen Gründen eingesetzt. Im weiteren Verlauf des Textes. In gleicher Weise eine Übernahme aus der Mundart stellt der Halbsatz das war ganz was anderes (Unertl 4, S. 238) dar, den in Wortwahl und -stellung der Dialekt als gängige Wendung kennt und dessen Standardentsprechung Das war etwas ganz Anderes lautet. Darüber fällt in besagtem Brief nur noch nauszukommen (Unertl 4, S. 239) auf, was allerdings lediglich einer überregionalen Umgangssprache zuzuordnen ist.

Das nun im Folgenden betrachtete Schreiben erstreckt sich in seiner von Paul Praxl edierten Form über immerhin zehn Seiten (vgl. Unertl 5, S. 80 bis 89). Gleich in der ersten Zeile erscheint grad (Unertl 5, S. 80) zum Ausdruck der zeitlichen Nähe zum 50. Geburtstag der Schriftstellerin. In anderer Bedeutung wird dieses Wort im elliptischen Satz Grad wie meine stille Mutter (Unertl 5, S. 89) gebraucht, um einen Vergleich zu verstärken. Unter Umständen könnte es sich dabei auch um eine Verwechslung mit akkurat, gesprochen [à’kràth], handeln, was sich aber aufgrund der Aussprache von Letzterem mit überhellem bairischen /à/ zwar als möglich, aber als kaum denkbar erweist. Auf weiterhin regionalsprachlichem Hintergrund basiert das Substantiv Bub (Unertl 4, S. 239; Unertl 5, S. 80, S. 83) bzw., im Akkusativ Singular oder Nominativ Plural gebraucht, Buben (Unertl 5, S. 80, S. 85), welches hier logischerweise nicht allgemein ein jüngeres Kind männlichen Geschlechts meint, sondern konkret den Sohn Emerenz Meiers.

Im Folgenden berichtet die Verfasserin des Briefes davon, wie sie mit einer ihr zugelaufenen Katz (Unertl 5, S. 82) umgegangen sei, u.a. da diese gekatzelt (a.a.O.) habe. Im Zusammenhang mit Tieren greift sie also auf umgangssprachlich apokopierte gleichermaßen wie auf dialektnahe Lexeme zurück, was man auch am Substantiv Viecher (a.a.O.) erkennt, wenn es in der Schilderung um Objekte und Ereignisse geht, die ihr als Bauers- und Wirtstochter von klein auf vertraut waren. Ein Beleg für diese Vermutung findet sich auch bei Schwammerl (Unertl 5, S. 89) zur Bezeichnung von Pilzen, ein Wort, das Emerenz Meier so geläufig und fast schon alternativlos erscheint, dass sie kurioserweise gar das Determinativkompositum Schwammerlfarmer (a.a.O.) bildet, eine Verbindung aus einem bairischen und englischen Substantiv. Erstaunlich erscheint die im selben Satz gebrauchte

Wendung Schleim drüber, weil wir keine Schwammerl haben (a.a.O.). Normalerweise wäre anstatt Schleim das Substantiv Schwamm zu erwarten, um die bekannte Redewendung zu konstruieren. Schleim drüber ist in dieser Form dem Standarddeutschen unbekannt, auch das Englische bzw. das amerikanische Englisch kennt keine derartige idiomatische Fügung.643 Beim Versuch einer Erklärung kann zweierlei angenommen werden: Entweder handelt es sich um eine sehr mundartlich-kleinregionale Variante, die Emerenz Meier noch bekannt war (was aber, wenn man betrachtet, dass der Brief 1924, also fast schon zwei Jahrzehnte nach der Auswanderung verfasst wurde und davon ausgegangen werden kann, wie Befunde im Bereich der Amerikanismen zeigen werden, eine gewisse sprachliche Entfernung von der Heimat stattgefunden hat, stark bezweifelt werden darf), oder um den Beweis einer zumindest partiell bzw. punktuell eingeschränkten Kompetenz im Bereich der deutschen Standardsprache.644 Der Verfasserin könnte also durchaus das entsprechend notwendige Substantiv zur Bildung der Redewendung entfallen sein, weshalb sie sich einer Vermutung bediente. Eine dritte Deutungsmöglichkeit käme allerdings auch noch in Betracht: Dem vorhin zitierten Satz gehen Aussagen über die Spendentätigkeit der Meiers nach Waldkirchen voraus, in deren Zusammenhang Spekulationen um möglicherweise abnorm hohe Spendensummen negiert werden: Botschafter von Grainet, der Neglektierte, war wohl die Hauptschuld, da Frau Meyer seine Schwester ist. Schleim drüber, weil wir keine Schwammerl haben (a.a.O.). Eine bewusst und unmittelbar herbeigeführte thematische Zäsur ist zweifellos festzustellen und um diese zu verstärken und zu ihrem nächsten Gedanken überzuleiten, der mit Pilzen in Verbindung steht, welche bei Herstellung einer traditionellen Schwammerlbrühe645 durchaus eine etwas schleimige Konsistenz aufweisen können,646 könnte Emerenz Meier bewusst als eine Art Wortspiel die Redewendung Schwamm drüber zu Schleim drüber modifiziert haben.647 So oder so – eine eindeutige Entscheidung kann nicht getroffen werden: Sowohl ein bewusstes Wortspiel erscheint möglich als auch die Verwechslung zweier deutscher Lexeme, wozu der Verfasser der vorliegenden Arbeit tendenziell jedoch eher neigt.

643 Vgl. Geddie, Kürschner, Langenscheidt, Mayer, Schmid 2003

644 Damit ist keine negative Bewertung dieser Tatsache verbunden, eher eine Betonung der Natürlichkeit und Zwangsläufigkeit einer derartigen Entwicklung nach 18 Jahren Aufenthalt in den USA.

645 Emerenz Meiers Kochgewohnheiten in den USA orientierten sich, wie aus den Briefen ersichtlich, nicht selten an der ihr in der elterlichen Gastwirtschaft in Schiefweg und später in Oberndorf erlernten, bodenständig-bayerischen Art.

646 Bei deren Herstellung – auf lokale Varianten kann hier natürlich nicht eingegangen werden – ist zumeist nach Anbraten und (unter Umständen unter Zugabe von Essig) Ablöschen der Pilze sowie Zugabe von Sahne,

Schmand oder Milch eine etwas zähflüssige Konsistenz feststellbar, zumal nach Reduktion der ursprünglichen Siedetemperatur.

647 Eingeschränkt wird diese These durch die Tatsache, dass Schwammerl eine Diminuierung von Schwamm darstellt; daher neigt der Verfasser vorliegender Arbeit eher zur zweitgenannten Erklärung.

Zurück aber zur eben besagten Vertrautheit der Briefeschreiberin mit gewissen Objekten und Begebenheiten: Ob diese ebenso der Grund für die Verwendung von hunzen ist, darüber kann nur spekuliert werden. In das niedere, vielgehunzte und ausgesogene Volk (a.a.O.) lässt es sich als eine Beschreibung eines häufig unterdrückten, schwer leidenden Volkes aber auf jeden Fall auf die Mundart seiner Verwenderin zurückführen. Mehr als Regionalismus hingegen denn als Dialektismus zu werten ist heuer (Unertl 5, S. 85f.), ebenso verhält es sich mit der Präposition bei in wenn er (…) bei der Tür hereinkäme (Unertl 5, S. 89). Eindeutigen Dialekt findet man aber wieder am Ende des Briefes. Dort legt Emerenz Meier Auguste Unertls Ehemann Georg die Aussagen „Grüß Gott, Emerenz, wie geht’s? Hast a Bier und was Feines zum Essen (Unertl 5, S. 89)648 in den Mund, konstruiert unter Zuhilfenahme einer Interjektion mit „Himmelherrgott!“ tät ich ausrufen (a.a.O.) die sprachlich entsprechend gestaltete Antwort und fügt an, sie würde ihm, Unertl, 3 Bussel auf einmal geben (a.a.O.), wobei mit Bussel in diesem Kontext649 das bairische Substantiv für ein freundschaftliches Küsschen, welches unter besonderen Umständen durchaus auch etwas heftiger ausfallen kann, wie es auch hier der Fall zu sein scheint, darstellt. Die besagte Interjektion

„Himmelherrgott!“ entspricht dem Dialekt. Ausrufe dieser Art sollen das Erlebte unterstreichen und die emotionale Teilnahme des Erlebenden gesteigert zum Ausdruck bringen, ohne dabei einen auch nur ansatzweise blasphemischen Beigeschmack zu besitzen, wie vielleicht anzunehmen wäre.650

Der im Folgenden zur konstruierten Situation mit Georg Unertl als Vergleichsbasis genannte sprichwörtliche sagenhafte[n] Gott von Frankreich (a.a.O.) zeigt, wie unter Umständen schon die Wendung Schleim drüber (a.a.O.),651 gibt die Redewendung des Lebens wie Gott in Frankreich nicht ganz korrekt wieder. In diesem Fall kann die Erklärung eindeutiger sein: Die Verfasserin des Briefes war sich der korrekten Konstruktion nicht mehr ganz sicher, weshalb sie von anstatt in verwendete. Allerdings muss dies auch hier relativiert werden, schrieb sie noch am 25.04.1920 an Auguste Unertl: Das Geld wird in Amerika ja leicht wieder verdient und der Arbeiter lebt gegen den Arbeiter von draußen noch immer wie Gott in Frankreich

648 Die Interpunktion dieses Zitats richtet sich nach dem bei Praxl 2008, S. 89, zitierten Schreiben Emerenz Meiers, weshalb keine Angleichungen vorgenommen wurden.

649 Die Einschränkung war notwendig, kann dieses Substantiv beispielsweise bei Liebenden (unter Umständen auch bei etwas ungeschickt, vielleicht gar unter Einfluss unmäßigen Alkoholkonsums stehenden Werbenden) durchaus einen leidenschaftlichen oder zumindest das freundschaftlich-platonische Maß eines (Wangen-) Küsschens übersteigenden Zärtlichkeitsaustausch bezeichnen.

650 Zur Verwendung von Interjektionen mit Herrgott vgl. Kaspar/Kaspar 2013; wenngleich sich die dort durchgeführte Untersuchung auf das bayerische Oberland bezieht, können die allgemeinen Aussagen zu Bedeutung und Verwendungsweise solcher Interjektionen doch auch hierauf angewandt werden.

651 Der Autor neigt, wie bereits erwähnt, bei dieser zum gleichen Erklärungsmuster wie beim hier folgenden Gott von Frankreich.

(Unertl 4, S. 236). Dies betrachtend, kann Gott von Frankreich auch als Versehen gewertet werden.

In der gesamten letzten Briefpassage fällt Emerenz Meier daraufhin, was an ihrer tiefen emotionalen Teilhabe am Geschilderten liegt, immer mehr entweder in eine stark dialektale oder dialektgefärbte Sprache, wie sich auch an ich glaub, ich glaub ich tät ihn totdrücken und totfüttern (Unertl 5, S. 89) feststellen lässt. Gerade am Ende, kurz vor der Grußformel, als die Autorin melancholisch wird, fällt erneut eine rein mundartliche Wendung, auch diese in Form eines Zitats, auf: „Drah Di hop!“ (a.a.O.), nämlich die einst am Ende des Lebens stehende Aufforderung Gottes oder des Gevatters Tod oder des Todes als nicht personifizierbare Kraft zum Mitkommen, dazu, sich im übertragenen und, zugegeben etwas euphemistischen Sinne der anderen Seite des Daseins zuzuwenden.

Was dem aufmerksamen Leser in diesem Brief vielleicht noch auffallen mag, ist das als Zitat gekennzeichnete „Butterbemme“ (Unertl 5, S. 82). Es stellt keinen ostoberdeutschen Regionalismus dar, im Gegenteil: Im Ostmitteldeutschen, zumal in Sachsen, bezeichnet Bemme jede Art von belegtem Brot oder Brötchen.652

Als erstaunlich muss angesehen werden, dass trotzdem auch gerade dort, wo von nur sehr bedingt erfreulichen Tatsachen berichtet wird, im letzten Brief nach Waldkirchen, verfasst gut vier Monate vor ihrem Tod, am 08.10.1927, kein einziges erkennbar bairisches Wort verwendet wird.653

Bei Nomina propria verhält sich dies jedoch eindeutig anders. Wie bereits erwähnt, ist jedes Mal von Gusti bzw. Gustie die Rede,654 spricht sie von ihrer Schwester Maria, verheiratete Jacklin, als Marie bzw. [die] Marie (Unertl 3, S. 229; Unertl 5, S. 80, S. 83, S. 87f.; Unertl 6, S. 407), von der jüngeren Schwester Anna, verehelicht mit Josef Gumminger, als Nannie (Unertl 5, S. 84); all das sind – mit Ausnahme der bereits erwähnten und erläuterten Gusti/Gustie – dialektale, allseits gängige Kurzformen. Mag Emerenz Meier im Gegensatz dazu Georg Unertl ausschießlich Georg (Unertl 5, S. 85,655 S. 87; Unertl 6, S. 409) bezeichnen und nicht, wie noch in jungen Jahren, Schorsch (Unertl 1, S. 199), so kann dies entweder Zufall sein oder der Versuch einer besonderen Würdigung Georg Unertls.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, was für die Erklärung als Zufall spricht, dass

652 Vgl. Duden Bd. 1, S. 157, sowie Wahrig, S. 225

653 Trotz zweifellos gegebener Emotionalisierung in besagtem letzten Brief schreibt Emerenz Meier an dessen Ende, ohne auf dialektale Strukturen ihrer Sprache zurückzufallen, ganz dem Standard entsprechend und mit lateinischer Floskel Verzeih mir dies letzte: „In memoriam“ (Unertl 5, S. 409) und hofft, in der Folge etliche [Stücke] mehr schreiben zu können (a.a.O.).

654 Die entsprechenden Belegstellen wurden bereits an früherer Stelle angegeben und sollen daher hier nicht gesondert wiederholt werden.

655 An dieser Stelle auftretend in der Konstruktion des sächsischen Genitivs in Georgs Kränklichkeit.

Emerenz Meier nicht mehr konsequent Kurzformen verwendet; so erscheint parallel zur eben erwähnten dialektalen Form Nannie (Unertl 5, S. 84) gleichberechtigt Anna (Unertl 3, S. 229), der Sohn der Schwester Maria wird Ludwig (Unertl 3, S. 228) bezeichnet, der Schwager Georg (Unertl 3, S. 229).656 Elfie (Unertl 5, S. 88) schließlich ist zwar eine Abkürzung, vermutlich für Elfriede, Schwägerin des besagten Herrn Kainz, welche allerdings keinen dialektalen Hintergrund besitzt.

Ein Austriazismus, resultierend aus Emerenz Meiers Erinnerungen an deren Aufenthalte in Waldkirchen, ist im Bereich der Nomina propria ebenso zu finden, nämlich bei Miezie (Unertl 5, S. 87). Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um eine Freundin oder Familienangehörige657 der Waldkirchener Sommerfrischlerin Baronin Marie Jerusalem-von Salensegg aus Wien, zu deren aktivem Sprachgebrauch wiederum die Bezeichnung Miezie658 für Maria gehörte, was wiederum Teil eines Konglomerats an Erinnerungen in Verbindung mit Salensegg gewesen ist.

Die Verbindung aus Nomen proprium und bestimmtem Artikel ist in den zugrundeliegenden Briefen nicht mehr konsequent. Dies kann daran liegen, dass im Englischen, welches zur Verkehrssprache Emerenz Meiers in Chicago zwangsläufig werden musste, dieses Phänomen unbekannt ist. Scheinbar austauschbar und nicht mehr an die heimatsprachliche Ausdrucksweise gebunden verwendet sie beides gleichberechtigt, wie folgendes Zitat zeigt, in dem innerhalb von nur drei Sätzen beide Möglichkeiten vorkommen:

Doch als ich an jenem Abend zur Marie hinunterrannte und ihr das Geld zeigte, wußte sie es schon. Zugleich rief Meier, wohl zum 10. Male, wieder an, ob ich schon etwas wisse und wie ich die Sache aufgenommen. Als Marie ihm sagte, ich hätte geweint vor Freude, (…) (Unertl 6, S. 407)

Betrachtet man nun vorliegende Briefe im Hinblick auf morphologische Auffälligkeiten, werden die Befunde etwas reichhaltiger ausfallen als noch diejenigen lexikalischer Natur und aus dem Bereich der Nomina propria. Häufiger festzustellen sind Apokopen bei Verbalformen, Substantiven und Adverbien sowie die Enklise von Pronomen und Artikel in vorangehende Substantive, Verfalformen, Personalpronomen, Subjunktionen und

656 Der Nachname von Georg Maier, Ehemann von Emerenz Meiers ältester Schwester Petronilla, wird in diesem Brief allerdings mit <ei> geschrieben, Die Meiers von Schiefweg (Unertl 3, S. 229), ebenso wie in einem

weiteren: ein Geschenk seines Onkels Meier (Unertl 5, S. 82).

657 Dass es sich um einen Tiernamen handelt aufgrund betrachtend Salenseggs weiter Anreise aus Wien und des Satzes Die Frau v. Salensegg war mir stets etwas nebensächlich, auch ihre Miezie (Unertl 5, S. 87), äußerst unwahrscheinlich.

658 Geläufiger sind die Schreibungen Mizzi oder auch Mitzi, vgl. u.a. eine der berühmtesten Trägerinnen dieses Kosenamens, nämlich Maria „Mizzi“ Kaspar (1864-1907), die langjährige Geliebte des österreichisch-ungarischen Kronprinzen Rudolf von Habsburg, die den gemeinsamen Selbstmord im Januar 1889 auf Schloss Mayerling in Niederösterreich abgelehnt hatte (vgl. Charwath, S. 280, und Lónyay, S. 131).

Präpositionen. Mögen diese Phänomene nun auch nicht charakteristisch bairisch sein, so ist ihr Vorkommen bei Emerenz Meier aber doch sicherlich auf ihre sprachliche Herkunft zurückzuführen. Folgende Befundstellen in den vier Schreiben an Auguste Unertl sind zu nennen: ich ertrag (Unertl 3, S. 228), „Himmelherrgott“ tät ich ausrufen (Unertl 5, S. 89), Kurz, ich glaub, ich glaub ich tät (a.a.O.), der dümmste hats Glück (Unertl 3, S. 229), Ich (…) hab ihn nicht besonders leiden mögen (Unertl 4, S. 239), ich hab sie (…) errettet (Unertl 5, S.

83), Ich seh das (Unertl 5, S. 86), Die Katz (a.a.O.), daß ich bös wurde (Unertl 4, S. 238), In den meisten Fällen gehts schnurstracks ins Zuchthaus (Unertl 3, S. 229f.), 3 Dollar aufs Paket (Unertl 4, S. 236), aufs gleiche Thema (Unertl 4, S. 237), fürs (Unertl 4, S. 238), Daß ichs in Deutschland zurückließ (Unertl 5, S. 82), läßt michs verschmerzen (a.a.O.), Wenns auf ihm ankäme (Unertl 5, S. 83), Doch sie hats immer noch nicht getan (a.a.O.), hoch übers Dach (a.a.O.), Wärs in Deutschland auch so, hättens die Frauen schöner (Unertl 5, S. 85),

„Ja, hätten wir gewußt, wies hier ist, (…) da habens wir schöner gehabt [“] (Unertl 5, S.

86),659 doch werde ichs heuer noch tun (a.a.O.), wenns so weiter geht (Unertl 5, S. 88), allzulange wirds wohl nicht mehr sein (Unertl 5, S. 89), auf einmal heißts (a.a.O.). Im letzten Brief vom 08.10.1927 sind keine Befunde dieser Art660 enthalten.

Morphologisch aber auf die bairischsprachige Herkunft der Autorin verweisen Kasusverwechslungen, wie sie beispielsweise bei Das Einzige, was jetzt bald mit Gold aufgewogen wird, sind heuer die Kartoffel (Unertl 4, S. 237) bzw. Da sind viele 100 von Waggonladungen von Kartoffel (a.a.O.) auftauchen, wo die Verwechslung von Akkusativ und Nominativ eintritt. Akkusativ statt Dativ tritt auf bei Es verlohnt sich manchmal in den Altbücherladenstaub herumzustöbern (Unertl 5, S. 82), Stundenlang predige ich meinen Sohn (…) vor (Unertl 5, S. 88) sowie Hast Du nichts mehr von Deinen Neffen in New York gehört?

(Unertl 5, S. 89).661 Im Vergleich dazu lässt sich unter gewissen Voraussetzungen die Übernahme des Zusammenfalls von Singular- und Pluralform im Substantiv Millionär beobachten. Angenommen, in Wenn Fleisch billig zu werden droht, schließen die Millionär Schlachter ihre großen Anlagen (a.a.O.) soll eine der Aussagen lauten, dass Schlachter662 Millionäre seien,663 liegt die Übernahme einer bairischen Pluralform vor, die derjenigen des

659 Hierbei handelt es sich um ein von Emerenz Meier fingiertes Zitat eines deutschen Durchschnittsarbeiters.

660 Die Textstelle Aufs geratewohl (Unertl 5, S. 82) stellt eine feststehende Wendung dar, weswegen hier nur eine Art sekundärer Enklise vorliegt, die nicht auf regionalem oder umgangssprachlichem Hintergrund basiert.

661 Hier kann deshalb von Kasusverwechslung gesprochen werden, da Auguste Unertl lediglich einen in New York wohnhaften Neffen hatte und nicht, wie die Formulierung, fasste man sie als Dativ Plural auf, vermuten ließe, mehrere.

662 Erstaunlich ist hier, nebenbei bemerkt, dass Emerenz Meier Schlachter verwendet und nicht das süddeutsche Metzger.

663 Möglich wäre theoretisch auch, dass Millionär Schlachter auch Millionärsschlachter hätte meinen können, dass nämlich besagte Schlachter Millionen von Tieren schlachten würden; vor dem Hintergrund dieser

Singular entspricht.664 Morphologisch auffällig ist weiterhin die Konstruktion einer Vergangenheitsform in [Sie] hatten eine Collekte veranstaltet gehabt (Unertl 6, S. 407) zum Ausdruck von Vorzeitigkeit. Die Einfügung von gehabt an letzter Stelle stellt den im Bairischen recht einzigartigen Fall einer sog. „vierten Vergangenheit“665 bzw. echtem Plusquamperfekt666 dar, als im Dialekt eigentlich kein Imperfekt existiert667 und daher Vorvergangenes zwangsläufig durch Konstruktion einer Form mit zwei Partizipien II ausgedrückt werden muss.668 Im vorliegenden Fall jedoch ist eine Überlagerung mit Möglichkeiten des Standards festzustellen. Wie bereits angemerkt, kann die Mundart keine Imperfektform hatte bilden, die von ihrem Standpunkt aus gesehen korrekte Version des zitierten Satzes müsste daher lauten [Sie] haben eine Collekte veranstaltet gehabt. Da nun die Verfasserin des Briefes, zumal zu diesem Zeitpunkt bereits seit gut zwanzig Jahren in den USA lebend, die vorliegende, von Seiten sowohl des Standards als auch des Dialekts ungrammatische Tempusform bildet, ist dies ein Beleg für die nach dieser Zeitspanne fast schon zwangsläufige sprachliche Entfremdung vom Deutschen einerseits als auch für den zumindest partiellen Verlust der aktiven Mundartkompetenz andererseits.

Ein interessanter Fall liegt in folgenden Sätzen vor: Am billigsten ist Fisch vom Lake Michigan, der ist nämlich noch billiger wie Brot. Aber ich esse keinen Fisch, nur mein Mann liebt sie. (Unertl 4, S. 237). Die nicht vorhandene grammatische Kongruenz von Fisch und sie im zweiten Satz kann daran liegen, dass im Bairischen die Singular- und Pluralform von Fisch identisch sind und gerade hier – entgegen der durchaus vorhandenen Unterscheidung im ersten Satz – eine Verwechslung vorliegt, indem Emerenz Meier im Schreibvorgang das oben zitierte, zweite Fisch entgegen der eigentlichen Anlage als Pluralform aufgefasst hat, demzufolge dann dessen Wiederaufnahme durch das Personalpronomen sie allerdings dann konsequent ist.