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II. Geschichte und Praxis familienähnlicher Heimerziehung

15. Neve Hanna - das erste Kinderheim in Israel mit familienähnlichem Aufbau (gegründet 1974)

15.2 Zielgruppenbeschreibung und pädagogische Konzeption

15.2.1 Die Familienorientierung .1 Der familienähnliche Aufbau

Neve Hanna liegt die Idee einer Erziehung von Kindern in einem kleinen Heim mit familienähnlichen Strukturen zugrunde. Als wichtige Merkmale gelten die bereits im ersten Teil der vorliegenden Arbeit erwähnten Kriterien:596

1. Eine überschaubare, kleine Gruppengröße.

Die heuteinsgesamt 56 Kinder leben in fünf Gruppen mit jeweils zehn bis zwölf Kin-dern.597

"Ich habe durch meine vierzigjährige Heimerfahrung gelernt, dass Kinder, die einen großen Teil ihres Lebens in einem Heim verbringen müssen, schwer unter der Masse leiden und es fast nicht möglich ist, in großen Kindergruppen das einzelne Kind zu betreuen, wie es in der Familie selbstverständlich ist. Leider scheiterte ein großer Prozentsatz der Kinder als erwachsene Menschen an der Möglichkeit, eine gesunde Familie aufzubauen, einfach weil sie niemals ein normales Familienleben kennenge-lernt haben. ... Wir haben sechs kleine Wohneinheiten."598

"Ein Heim für milieugeschädigte Kinder wird, bei über 50 Plätzen, leicht zur An-stalt."599

2. Die heterogene Zusammensetzung der Kinder bezüglich Alter und Geschlecht.

3. Der bestmögliche Erhalt von biologischen Geschwisterkonstellationen.

Es wird darauf geachtet, dass leibliche Geschwister möglichst zusammenbleiben und dass die Kinder möglichst über einen langen Zeitraum (maximal bis zum Militärdienst im Alter ab 18 Jahren) konstant in der gleichen Umgebung bleiben können.

"Die Neuaufnahmen waren fünf Mädchen und elf Jungen (fünf im Kindergarten, drei in Klasse eins, die übrigen in Klasse zwei bis vier). Unter den neuen Kindern haben wir vier Geschwisterpaare aufgenommen. Weitere drei kleine Jungen sind Geschwis-ter von Kindern, die schon im Hause sind. Wir haben nun 30 Jungen und 20 Mäd-chen im Alter von vier bis siebzehn Jahren."600

"Zu unseren derzeitigen Sorgen: Das Erziehungsministerium beabsichtigt, die über zwölfjährigen Kinder aus dem Heim herauszunehmen und sie in das Kinderdorf Kiryat

595 Renate UCKO in einem Bericht über Neve Hanna. September 1978. S. 2.

596 Vgl. hierzu aus Teil 1 "Geschichte und Theorie familienähnlicher Heimerziehung":

Einleitung S. 6 und die Thesen von Johannes Petersen S. 27.

597 Die Zahlen beziehen sich auf die 90er Jahre.

598 Hanni ULLMANN in einem Bericht über Neve Hanna im Januar 1976. S. 1.

599 Marianne TIMM, 2. Vorsitzende des Vereins "Neve Hanna - Kinderhilfe e. V.", Hamburg, in einem Rundbrief. Mai/Juni 1983.

600 Hildegard DUNKER, Schatzmeisterin des Vereins "Neve Hanna - Kinderhilfe, e. V.", Hamburg, in einem Brief an die Vorstandsmitglieder des Vereins am 10.10.1982.

Jearim bei Jerusalem zu verpflanzen. Dadurch würde eine wichtige Entwicklung emp-findlich gestört und würden die Kinder dem jetzt so nahen Elternhaus entfremdet. Wir möchten wenigstens diejenigen Kinder vorläufig behalten, denen es gut täte, wäh-rend ihrer Lehrzeit oder den Mittelschul- bzw. Gymnasialjahren von unseren Erzie-hern begleitet zu werden. In diesem Jahr gelang es noch, das Ministerium zu über-zeugen. Aber wir müssen uns darauf gefasst machen, später einmal die jetzt vom Staat gezahlten Pflegesätze selbst zu übernehmen."601

4. Weibliche und männliche Bezugspersonen.

"In jeder Einheit wohnen zehn Kinder mit ihrer Hausmutter und einem jungen Erzie-her. ... Wir geben uns größte Mühe, dass diese Familieneinheit(en) ... möglichst fami-lienähnlich leben."602

Jede Gruppe hat, wie eine richtige Familie, eine Hausmutter und einen Hausvater.

Obwohl sie auch heute noch (oder wieder) als "madrich" und "madricha" bezeichnet werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe im Lauf der letzten Jahrzehnte ei-nen Bedeutungswandel durchgemacht haben. Ein "madrich" der Jugendbewegung hatte die Aufgabe, den Kinder- und Jugendgruppen ein Vorbild zu sein, um sie in eine bestimmte geistige - auch ideologische - Richtung zu lenken.

"Eine doppelte Reihe von Einflüssen wurde geltend gemacht, die des erfahrenen Lehrers und die des Gruppenführers (Madrich) - zuweilen geschult, öfter jedoch un-geschult. Letzterer ist der Spielkamerad der Jugendlichen, wie er ihr Erzieher ist. Er ist der Vertraute der Gruppe, dem die einzelnen Mitglieder ihr Herz ausschütten, wenn die Zweifel und Schwierigkeiten ihrer Vergangenheit und Gegenwart sie allzu sehr bedrängen."603

Heute steht heute die väterliche bzw. mütterliche Fürsorge und Liebe dem einzelnen Kind gegenüber im Vordergrund.

In der Miteinbeziehung männlicher Erzieher unterscheidet sich Neve Hanna bewusst von den SOS-Kinderdörfern, in denen traditionell nur Hausmütter arbeiten. Die Er-zieher verkörpern die Vaterrolle.604 Die Annäherung an eine wirkliche Familie - mit klassischer Rollenverteilung - ging so weit, dass die Hausväter bis 1996 neben ihrer Erziehertätigkeit noch einen anderen Beruf ausübten und deshalb erst abends "nach Hause" kamen.

601 Marianne TIMM, 2. Vorsitzende des Vereins "Neve Hanna - Kinderhilfe e. V.", Hamburg, in einem Spendenaufruf. 1981.

602 Hanni ULLMANN in einem Bericht über Neve Hanna im Januar 1976. S. 1.

603 Bericht an den XXI. Zionistenkongress und an das council der Jewish Agency for Palestine in Genf, hg. vom Zentralbureau für die Ansiedlung deutscher Juden in Palästina, Jerusalem, Elul 5699, August 1939 S. 57f.

604 Zur Zeit der Gründung Neve Hannas stellt die Kinder und Jugendpsychologie immer wieder deutlich heraus, daß das Kind nicht nur von der Mutter, sondern auch vom Vater erzogen werden muss. Der Vater ist für das Kind als Kontakt- und Vorbildperson genauso wichtig wie die Mutter. Wo das nicht der Fall war, ließen sich besonders bei Jungen

Verhaltensauffälligkeiten feststellen, die aufgrund eines mangelnden positiven Vorbildes oder aus Widerstand gegen ein auf sie negativ wirkendes Vaterbild männliche Eigenschaften an sich selbst ablehnten. Vgl. ABELN, Reinhard: Die Rolle des Vaters in der Erziehung. In:

Jugendwohl. Zeitschrift für Kinder- und Jugendfürsorge. Freiburg im Breisgau 1974.

S. 419 - 422.

"Es ist für uns wichtig, dass der Erzieher einen festen Arbeitsplatz außer seiner Ar-beit im Heim hat, im Gegensatz zu den Vätern unserer Kinder, die arAr-beitsscheu sind."605

Inzwischen jedoch wurde die Arbeitszeit der Hausväter aufgrund erhöhter pädagogi-scher Anforderungen der Arbeitszeit der Hausmütter angeglichen, die Nebenberufe fallen in der Regel nun weg.

Im Vergleich zu anderen Heimen geht Neve Hanna jedoch absichtlich nicht so weit, dass die Hauseltern verheiratet sein oder in der Gruppe wohnen müssen. Es wurden offensichtlich Erfahrungen gemacht, die zeigen, dass die Vermischung von "richti-gen" Familien und Heimfamilien unnötige Spannungen schafft, sei es, dass die leibli-chen Kinder bevorzugt behandelt wurden oder dass sich die Hauseltern durch ihre ständige Präsenz mit der Zeit ausgenutzt fühlten. Es ist wichtig, klar zu unterschei-den, dass den Kindern das Modell einer Familie und nicht etwa - beziehungsweise nur begrenzt - eine Ersatzfamilie angeboten werden soll.

5. Eine Atmosphäre von gegenseitiger Akzeptanz, Liebe und Geborgenheit.

Auch andere MitarbeiterInnen, außer den Hauseltern, legen großen Wert auf persön-liche Beziehungen zu den Kindern. Der Direktor des Heims wohnt zwar außerhalb des Geländes, jedoch in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Kinder wissen, dass seine Tür immer unverschlossen ist und sie jederzeit die Möglichkeit haben, mit Fragen oder Problemen aller Art zu ihm zu kommen. Für Angestellte, die keiner Gruppe an-gehören, wie beispielsweise die Hauswirtschaftsleiterin, die Sekretärin, der Haus-meister, Sozialarbeiterinnen und PsychologInnen, ist es selbstverständlich, dass sie sich zum Essen auf die Gruppen verteilen und die Mahlzeiten zur Kontaktaufnahme mit den Kindern nutzen.

Unter anderem wird bei der Auswahl des Personals sensibel darauf geachtet, dass die Mentalitätsunterschiede zwischen dem Personal und den zu betreuenden Kin-dern nicht allzu groß sind, sodass sich die Kinder trotz allem Neuen schon von An-fang an Vertrautem begegnen, um sich wohl fühlen zu können:

"Fast alle Kinder in Neve Hanna sind, wie die Mehrheit der Bewohner der Entwick-lungsstadt Kiryat Gat, orientalischer Herkunft. Vor allem aus Marokko und Indien sind ihre Eltern oder Großeltern eingewandert. Die Gründer des Heimes sind darüber glücklich, dass auch das erzieherische Personal überwiegend aus orientalischen Fa-milien stammt."606

6. Die freie Entfaltung der jeweiligen Begabungen und Neigungen und das

individuelle Eingehen auf die kleinen Sorgen, Fortschritte, Wünsche, Meinungen.

"Wir veranstalten keine sogenannten Gruppenabende in der Kinderfamilie. Die Hausmutter und der Erzieher bemühen sich darum, wie in einem Zuhause die Kinder ihre Abende nach ihren Neigungen verleben zu lassen. Einige spielen, andere ma-chen Handarbeiten oder basteln, andere wieder lesen und wer zeitig ins Bett gehen will, kann es tun. Die Kinder sollen der Hausmutter so helfen wie einer Mutter, mal mehr, mal weniger."607

605 Hanni ULLMANN in einem Bericht über Neve Hanna. Januar 1976. S. 1.

606 Aus einem Prospekt über Neve Hanna. 1974. S. 4.

607 Hanni ULLMANN in einem Bericht über Neve Hanna im Januar 1976. S. 1.

7. Eine abgeschlossene Wohnweise: Gruppenräume, die in Größe und Anordnung einer Privatwohnung ähnlich sind.

"Das Mittagessen wird in der Küche (im Tagesheim) zentral hergestellt und dezentral - in den verschiedenen Häusern zusammen mit der Gruppe - verspeist. Andere Mahl-zeiten, für die das Zubehör von der Küche geliefert wird, werden in den Häusern zu-bereitet und verzehrt."608

8. Ein autonomes Entscheidungsrecht der Gruppe in alltäglichen Fragen.609 9. Das Begehen von Festen und Gedenktagen zur Stärkung der Gemeinschaft.610

15.2.1.2 Der Kontakt zur Ursprungsfamilie

Die Familie als Modell und anzustrebende Lebensform setzt auch - falls möglich - die Kontaktpflege mit den Ursprungsfamilien voraus.

In der Ahawah in Berlin als einer reformpädagogischen Befürworterin gemeinschaft-licher Erziehung erlebte Hanni Ullmann eine strikte Ablehnung des Umgangs mit den leiblichen Eltern der Kinder. Viele Jahre später entwickelte sie das Konzept Neve Hannas, das sich zwar in vielem an die Ahawah anlehnt, aber sich doch in dem Punkt deutlich unterscheidet, dass es sich die familienähnliche Heimerziehung zur Aufgabe gemacht hat.

In der Zwischenphase, der Zeit des Krieges und der Flüchtlingswellen, stellte sich die Frage nach der Familie in anderem Sinne. Die Kinder und Jugendlichen in Kiryat Bialik lebten anfangs zwischen Hoffnung, Angst und Trauer. Gegenseitige Besuche zwischen Eltern und Kindern konnte es aufgrund der gegebenen Umstände meist nicht geben.

Aufenthalte in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, das Studium in Zürich und d ie Auseinandersetzung mit Pestalozzi und Hermann Gmeiner konfrontierten Hanni Ull-mann wiederum stärker mit dem Verhältnis zwischen Kindern und leiblichen Eltern.

Die Tendenz zu intensiveren Kontakten setzte sich in der Ahawah in Kiryat Bialik in den 50er und 60er Jahren fort, bis hin zu Neve Hanna, wo die Kinder - wenn möglich - alle drei Wochen nach Hause fahren, den Eltern das Heim jederzeit offen steht und Besuche in den Elternhäusern sogar explizit zum Arbeitsauftrag der SozialarbeiterIn-nen gehören.

"Von unseren 30 Kindern im Heim sind 17 Kinder aus Kiryat Gat. Wir hatten im An-fang Bedenken, dass durch die Nähe der Eltern Schwierigkeiten entstehen könnten, aber zu unserer großen Freude wirkt sich die Nähe der Eltern gut aus. Die Kinder können, wenn sie vorher fragen, selbstverständlich die Eltern besuchen und die El-tern und Geschwister besuchen uns oft. Auf diese Weise behalten die Kinder Kontakt

608 Chawa MAZIEL, ehrenamtliche Kinderkrankenschwester in Neve Hanna, in einem Vortrag am 13.5.1989 in Kiryat Gat.

609 Vgl. den Abschnitt über die Gruppe der Jugendlichen : "Die Bogrim". Kap. 10.2.2.

610 Vgl. den Abschnitt über "Die jüdischen Feste und Feiertage". Kap. 10.2.6.1.1.

mit ihren Eltern, entfremden sich nicht und sind auch nicht ängstlich, es könnte zu-hause etwas passieren und sie merken es nicht."611

"Nach unserer Erfahrung glauben wir, dass es sehr beruhigend für ein Kind ist, wenn es in der Nähe der Eltern aufwachsen darf, obgleich wir mit Schwierigkeiten rechne-ten, zum Beispiel dass die Kinder nach Schulschluss nach Hause laufen und nicht ins Heim zurückkommen würden. Von Anfang an haben wir den Kindern erlaubt, wenn sie vorher fragen, ihre Eltern, so oft sie wollen, zu besuchen, sogar täglich. ... Diese Freiheit hat sich oft bewährt; die Kinder laufen nicht weg und machen nur mit Erlaub-nis ihre Hausbesuche."612

Diese Berichte stammen aus den Anfangsjahren. Mit der Zeit mussten die Mitarbei-terInnen Neve Hannas aber immer wieder schlechte Erfahrungen sammeln.

Da die Kinder aus sozial schwierigen Familienverhältnissen stammen, gestaltet sich die Elternarbeit entsprechend schwierig. Ein großes Einzugsgebiet, das heißt teilwei-se lange Wege zu den Elternhäuteilwei-sern der Kinder, insgesamt nur eineinhalb Stellen für SozialarbeiterInnen und schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit trugen das ihre dazu bei, dass Elternarbeit gegenwärtig eher am Rande betreiben wird.

Trotzdem sind einige weitere Versuche dokumentiert:

"Wir versuchen, vom Heim aus mit den verwahrlosten Eltern zu arbeiten und hoffen, dass ein Teil der Kinder nach ein bis zwei Jahren doch ins Elternhaus zurückgehen kann. Die Kinder, die gar keine Aussicht haben, in ihr Elternhaus zurückzukehren, sollen bis zu ihrem 18. Lebensjahr bei uns bleiben."613

"Im neuen Schuljahr haben wir auch zum ersten Mal eine Mütterberatung für die Müt-ter der Kinder eingerichtet. Wir versprechen uns vor allem davon, dass wir dadurch die Möglichkeit haben, auf die ganze Familie Einfluss ausüben zu können."614

"Als wir das erste (Chanukka-) Licht anzündeten, hatten wir die Eltern der Kinder ein-geladen und wirklich erschienen alle, von jedem der 50 Kinder mindestens ein Ange-höriger."615

"Shabbat, den 17.6.1978 war die erste Bar Mizwa von fünf Jungen und einem Mäd-chen bei uns in Neve Hanna, Kiryat Gat, in unserem neuen, schönen Gemeinschafts-raum. Es war würdig und feierlich. Nur war leider von den Kindern nicht ein einziger Vater dabei, nur die unglücklichen Mütter und Geschwister, da eben die Väter bei der Einordnung in Israel völlig versagt haben. Doch recht traurig für die Kinder. Der jun-ge, tüchtige Bürgermeister von Kiryat Gat, marrokanisch-jüdischer Abstammung, kam zur Bar Mizwa. Das war für die Kinder ein Trost, dass sie durch seine Gegen-wart so geehrt wurden."616

Auch andere Ansätze wurden erprobt. In der Hoffnung, dass die in einer gesunden Umgebung aufwachsenden Kinder rückwirkend positiven Einfluss auf das Leben der Eltern nehmen können, sodass schließlich das ganze System "Ursprungsfamilie"

611 Hanni ULLMANN in einem Brief an Rudolf GRUMBACHER, Basel. 4.6.1975.

612 Hanni ULLMANN in einem Bericht über Neve Hanna vom Januar 1976. S. 2.

613 Hanni ULLMANN in einem Bericht über Neve Hanna vom Januar 1976.

614 Hanni ULLMANN in einem Brief an Edmond LEVY, Basel. 25.9.1979.

615 Hanni ULLMANN in einem Brief an Schwester Lucie OLPP, Herford. 6.1.1985.

616 Hanni ULLMANN in einem Brief an Rudolf GRUMBACHER, Basel. 30.6.1978.

eine Verbesserung erfährt, wurden unterstützend dazu eine Elternberatung einge-führt.

"Durch einen Zufall bekamen wir zwei junge Frauen vom Adler-Institut, die Eltern, Kinder (und das Personal) beraten."617

Wo es möglich ist, verbringen die Kinder jeden dritten Schabbat und die Ferien zu-hause. Wohnen die Eltern in Kiryat Gat, so sind auch Besuche nachmittags mög-lich.618

Obwohl sich Hanni Ullmann nach wie vor für die Institution "Familie" als gesündeste Umgebung für das aufwachsende Kind ausspricht, macht sich in jüngerer Zeit, be-stärkt durch viele schlechte Erfahrungen, ein Einstellungswandel bei ihr bemerkbar.

Erfahrungen aus Hanni Ullmanns ersten, prägenden Berufsjahren in Berlin erlangen neue Gültigkeit. So nähert sie sich wieder dem Konzept der Ahawah in Berlin an, das besagt, dass die Heimkinder möglichst wenig Kontakt zu den Eltern haben und damit nur begrenzt den schädlichen Einflüssen eines schlechten Vorbilds ausgesetzt sein sollen.

"Wir hoffen sehr, dass es uns gelingen wird, Neve Hanna in den großen Ferien nicht einen Tag zu schließen. Wir alle finden, dass es sowohl menschlich als auch erziehe-risch nötig ist, dass viele Kinder nicht mehr als zwei bis drei Tage in ihren Familien sein können."619

"Wir kommen davon ab, die Familie so sehr einbeziehen zu wollen, weil wir zu viele schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wenige Tage in der Familie zerstören das, was wir mit liebevoller Erziehung den Kindern versuchen beizubringen."620

"Die meisten Ursprungsfamilien sind ungesunde Häuser. Die Eltern schaden, indem sie den positiven Einfluss der ErzieherInnen bei jedem Zusammentreffen zerstören.

Es ist das Recht der Kinder, ein Ideal von einem Elternhaus im Kopf zu haben und deshalb immer wieder zurückkehren zu wollen in der Hoffnung, dass sich die Zustän-de in Zustän-der Familie gebessert haben. Dass das schlechteste Elternhaus aber besser sein soll wie das beste Heim, ist Blödsinn. Die Kinder können eigentlich erst als Ju-gendliche in die Familie zurückkehren, wenn sie stark genug sind, um schädliche Ein-flüsse abzuwehren."621