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Das Jesuskind reitet auf dem Sonnenstrahl

Im Dokument in der Philosophischen Fakultät (Seite 128-131)

Die Huldigungsfahrt der Magier

2.9. Die Erzählungen auf der Flucht im Lande Ägyptens

2.9.3. Das Jesuskind reitet auf dem Sonnenstrahl

Das KhevArm (Kap. XV,5) erzählt eine besondere Episode während des Aufenthaltes der Hl. Familie in Ägypten: Das Jesuskind ging nach draußen. Er spielte mit anderen Kindern zusammen und mischte sich in ihr Gespräch ein. Eines Tages führte das Jesuskind die Kinder zu den hohen Orten bzw. den Dachfenstern eines Schlosses. Von dort aus glitt er auf einem Sonnenstrahl herunter, ohne sich wehzutun. Diejenigen, die dies hörten, staunten mit großer Verblüffung. Joseph und Maria hingegen bekamen Angst und flohen mit dem Jesuskind über Nacht aus dem Ort.

Die gleiche Episode wird auch im KhevÄth (im achten Wunder Jesu, Kap. 17) geschildert. Als die Sonne durch das Fenster eintrat, ritt Jesus auf dem Sonnenstrahl und reiste vom Orient zum Okzident, so weit die Sonnenstrahlen reichten. Die Episode im

292 Im lateinischen Text Thilos (der Historia de naitivitate Mariae et de Infantia Salvatoris in seinem Cod.

Apocr.) steht eine Variante dieser Episode (Kap. 26) in seiner Anmerkung. Vgl. Thilo 1832, Prolegomena CX und seine Anm. 105.

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KhevÄth steht jedoch erst gegen Ende der Kindheitserzählungen, nämlich hinter sämtlichen Episoden mit den zwölf Tonvögeln und nach dem Tempelbesuch in Jerusalem. Dem KhevÄth zufolge geschah dieses Wunder nicht auf ägyptischem Boden, sondern in Palästina. Daher lässt sich diese Episode „Die Fahrt auf dem Sonnenstrahl“ der Reihenfolge des KhevÄth zufolge, nicht zu den Fluchterzählungen zuordnen.

Die äthiopische Erzählungen („Die Wunder Jesu“) stammen aus dem arabischen Johannesevanglium (Hs. Mailand, ambros. (de Hammer) or. 93), das nach der syrischen Vorlage im Jahr 1342 in Ägypten niedergeschrieben wurde

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. Jedenfalls wurde die Episode über die Fahrt Jesu auf einem Sonnenstrahl später in die Kindheitserzählung eingeschoben. Ebenso wurde diese Episode in das KhevArm als ein Teil der Fluchterzählung durch eine spätere Hand hinzugefügt. Diese Episode über die Fahrt auf dem Sonnenstrahl befand sich als isolierte Episode bei den Armeniern und war unter dem Namen Ճառընտիրք (Miscellaneos) bekannt

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.

Es lässt sich fragen, seit wann diese Episode innerhalb des Kindheitsevangeliums platziert ist, denn die Episode „Die Fahrt auf dem Sonnenstrahl“ fehlt bei den früh erzählten Kindheitserzählungen. In der serbischen Übersetzung aus dem 16. Jh. taucht die Episode bei der Episode mit dem Knaben Zenon auf, der von einer hohen Mauer bzw. von einem Dach heruntergefallen und gestorben war. Offenbar ist diese serbische Episode von Lavr

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eine Zusammensetzung der armenischen Episoden von XV,5 (die

293 Siehe, den Teil 1.9. Apokryphen: Les miracles de Jésus.

294 Das Manuskript ist auf das Jahr 1538 datiert und das Wunder gehört hier aber zur Geschichte der Flucht des Herrn nach Ägypten. Vgl. Teil 1.7. Apokryphen: L'evangile de l'enfance.

295 Serbische Handschrift aus dem Sammelcodex Nr. 68 der Nationalbibliothek in Sofia (16. Jh.), herausgegeben von P. A. Lavrov (Aпокрифическіе тексты: SbORJS, t. 67). Moskau 1899 S. 111-118;

Lavr.: „Und nach diesen Tagen spielte Jesus auf einem Gebäude auf dem Turm. Ein Sonnenstrahl drang durch ein Guckloch hinein. Jesus also sprang auf den Strahl und setzte sich darauf. Ein anderer Knabe sah es und wollte auch mit Jesus zusammen auf dem Strahl sitzen. Dabei stürzte er aber von dem Turm und starb. Als die anderen Knaben, die mit ihm waren, das sahen, rannten sie und sagten dessen Eltern

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Fahrt auf dem Sonnenstrahl) und XVI,7-15 (das heruntergefallene Kind (Abia) von den Höhen eines Hauses). Es scheint, dass diese Episode im Abendland in den mittelalterlichen lateinischen Kindheitserzählungen beliebt war und oft erzählt wurde.

Im späten Material, in der lateinischen Handschrift Nr. 11867 der Pariser Nationalbibliothek aus dem 13. Jh.

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und im Ps-M, Kap. 37 von Tischendorf ausgegebenen Codex Laurentianus

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, ist diese Episode enthalten. Gerös Ansicht nach spürt man von der Episode über die Fahrt auf dem Sonnenstrahl eine Andeutung des gnostischen Docetismus

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, der mit dem Kreis von Bogomilen in Verbindung stehen könnte, wie bei den slawischen Thomaserzählungen

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. Es ist fraglich, ob zwischen dem sog. Interrogatio Joannis und der syrischen Vorlage des arabischen Johannesevangeliums irgendein Zusammenhang besteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Episode irgendeinen realen Kontakt mit Manichäern oder der neuplatonischen Mythologie hatte, scheint nach der Ansicht Gerös eher gering, doch hat die Episode möglicherweise eine Verbindung mit dem Mythos von Horus (Harpocrates) und dem

Bescheid: eure Kind ist von dem Turm gestürzt. Da kamen die Eltern des Verstorbenen und sagte zu Jesus: Du hast unser Kind heruntergeworfen. Jesus aber sagte: Ich habe es nicht heruntergeworfen. Er selbst wollte auf einen Strahl springen und sich darauf setzen. Dabei ist er gestürzt. Seine Eltern nahmen aber Jesus und stellten ihn vor das Gericht. Sie schrien Jesus vor dem Richter an und sagten: Der hat unseren Knaben getötet. Er ist des Blutes schuldig. Der Richter aber fragte Jesus: Hast du ihn getötet?

Jesus antwortete: Fragt ihn selbst. Sie aber sagten: Wie können wir einen zerrissenen Körper und zerbrochene Gebeine befragen? Dann nahm ihn Jesus bei der Hand und sagte: Enomie, stehe auf und sag, wer dich gestürzt hat - so war sein Name. Und sofort sprang der Knabe vor allen auf und sagte: nicht Jesus hat mich gestürzt, sondern ich bin heruntergefallen. Dies sahen alle, die beim Gericht waren, und staunten. Und die Eltern des Knaben priesen Gott wegen des geschehenen Wunders und beteten Jesus an.“ Santos Otero 1967, S. 113 u. Anm. 20.

296 Gerö 1971, S.50; Santos Otero 1967, S. 113 u. Anm. 20.

297 „Et cum Iesus cum aliis infantulis super radios solus (? Solarii ? Scriptum est sol’) ubique plures ascenderet et sederet, multique simili modo facere coeperunt, praecipitabantur, et eorum crura frangebantur et brachia. Sed dominus Iesus sanabat omnes.“, Tischendorf 1876, S. 106.

298 Gerö 1971, S. 73-76.

299 Es ist bekannt, dass es vom 8. Bis zum 14. Jh. eine neumanicheische Wiederauflebung gab, zuerst in Kleinasien (Paulicians), dann im Balkan (Bogomils). Die Bewegung verbreitete sich sogar nach Italien und Südfrankreich. Die Bogomils seien verantwortlich für eine riesige Sammlung der apokryphen Literatur, der sog. Interrogatio Joannis, bei der man ohne Zweifel die Autorschaft den Bogomilen zuschreiben kann. Gerö 1971, S. 73-75.

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Sonnensynkretismus

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Das Motiv „Gott auf der Sonne“ scheint bei den alten Iranern und Armeniern eine

allgemein bekannte Vorstellung für die Gottheit zu sein. Nach armenischen Legenden

hat Christus auf der aufgehenden goldenen Sonne seinen Sitz

301

, vergleichbar mit dem

iranischen Mithra, der Gott der Morgensonne. Die Episode über die Fahrt Jesu auf den

Sonnenstrahlen passt zu dem armenischen Christusbild. Es ist nicht klar, ob in der

Episode die Imitation des Sonnenkindes Horus im Zusammenhang mit der alten

ägyptischen Mythologie eine Rolle spielt. Die Kopten hielten die Sonnenstrahlen für ein

Segenszeichen. Der koptische Papyrus aus dem 4./5. Jh. bezeugt, dass durch die

Ankunft Jesu das Land Ägypten im Vergleich zu anderen Ländern einen Sonderstatus

erlangte, in dem zwölf Sonnenstrahlen über Ägypten leichteten, was fünf mehr als bei

jedem anderen Land entspricht

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Im Dokument in der Philosophischen Fakultät (Seite 128-131)