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Der Tötungsbefehl des Herodes

Im Dokument in der Philosophischen Fakultät (Seite 99-105)

Die Huldigungsfahrt der Magier

2.6. Der Tötungsbefehl des Herodes

Als Herodes erfuhr, dass er von den Weisen hintergangen worden war, tobte er vor Wut und befahl, alle Jungen zu töten, die sich in Bethlehem und seiner Umgebung aufhielten und zwei Jahre oder jünger waren

225

.

Matthäus 2,16: Da ergrimmte Herodes sehr, als er sah, daß er von den Weisen

hintergangen worden war; und er sandte hin und ließ alle Jungen töten, die in Bethlehem und in seinem ganzen Gebiet waren, von zwei Jahren und darunter, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erforscht hatte.

Der Tötungsbefehl des Herodes ist ein Hinweis auf den Zeitverlauf der Geburt Jesu.

Es steht offen, ob die Huldigung der Weisen unmittelbar nach der Geburt Jesu, oder erst relativ spät stattgefunden hatte

226

oder ob Herodes so lange auf die Antwort der Weisen gewartet hatte. Josephus berichtet von einer Reise Herodes nach Rom, um seine beiden Söhne, Alexander und Aristobul wegen des versuchten Vatermordes anzuklagen

227

. Als

225 Nach der koptischen Homilientradition (Die VisionTh. S. 393) steht die Verfolgung Herodes mit der Offenbarung des Johannes (Kap.12) in einem direkten Zusammenhang. Die koptische Kirche nimmt die Zahl 144,000 der Johnnesoffenbarung (Kap. 14,1), die von der frühen syrischen Kirche abgelehnt wurde, für die unschuldig ermordeten Jungen in Bethlehem an; Nach dem arabischen Synaxarium ist der Tag 3.

Tubeh (29. Dezember nach dem julianischen Kalender, 11. Januar nach dem gregorianische Kalender) für das Andenken an die 144,000 in Jerusalem unschuldig ermordeten Jungen (als Märtyrer). Suter 1994,

„Der dritte Tag des Tubeh„; Meinardus 2002b, „Language, Architecture and Calendar“; Nach der syrischen Schrift (The Book of the Bee) beträgt die Zahl der Getöteten 2000, andere sagen 1800. Budge 1886; „Nach griechischer und äthiopischer Legende sollen 14,000 zum Opfer gefallen sein (Ant. Sandini, hist. farailiae sacr. p. 60. Wirzeb. 1768).“ Vgl. Hoffmann 1851, S. 137.

226 Im Matthäus erkundigte sich Herodes bei den Magiern nach der Zeit, wann sie den Stern gesehen hätten. Nach dem Zeitpunkt der Erscheinung des Sterns müsste das Alter der Ermordeten errechnet worden sein. Aus dieser Stelle mag die Sage entstanden sein, dass die Magier zwei Jahre für ihre Reise nach Palästina gebraucht hätten. Nach dem Ps-M, der Schatzhöhle und dem KhevÄth kamen die Magier zwei Jahre später nach der Geburt Jesu.

227 Josephus, Ant. 16,1; Nach dem koptischen Synaxarium, wäre das Massaker durch eine List möglich gewesen. „Herodes ließ (seine Männer) im Lande umherschicken und sagen: Es sei ein Schreiben des Kaisers eingetroffen, dass die kleinen Kinder unter zwei Jahren gezählt werden sollten, damit sie Gold erhielten und in seine Armee aufgenommen würden. Da kam eine große Menge von Kindern mit ihren Müttern zusammen. Herodes schickte tausend seiner Soldaten aus, um sie auf einem Berge an einem Tage abzuschlachten.“ Suter 1994, “Der dritte Tag des Tubeh”, S. 160-161.

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eine andere mögliche Erklärung für die Verzögerung lässt sich ein Hinweis in der Schatzhöhle im Teil von Herodes finden.

Herodes228:

Und es gibt Menschen, welche darüber streiten, wo der Messias war, als die Kinder ermordet wurden.

… …

Erinnere dich nun daran, o Bruder Nemesius, dass ich gesagt habe: dass alle Menschen, die dem Herodes untertan waren, in einer Schätzung waren: und die wurde in fünfzig Tagen zu Ende geführt. Bis diese Schätzung vollendet und untersiegelt war, und Herodes sie zugesiegelt und dem Augustus nach Rom geschickt hatte, wurde nach dem Messias von Herodes nicht nachgeforscht, und bis dahin die Kinder nicht ermordet, sondern während dieser Aufregung infolge der Schätzung wurde der Messias geboren.

Laut der Erzählung der Schatzhöhle gab es einen Zeitraum, in dem Herodes nicht nach dem Jesuskind fahnden konnte, da bis zum Ende der Schätzung die Kinder nicht ermordet wurden. Es ist fraglich, ob die Schätzung in so wenigen Tagen durchgeführt worden sein könnte. Dennoch scheint die Schätzung ein guter Grund für die Erklärung der Zeitverzögerung zu sein. Wenn man davon ausgehen würde, wäre Herodes erst nach der Vollendung der Schätzung in der Lage gewesen, sich über das Jesuskind wieder Gedanken zu machen. Jedenfalls müsste die Altersberechnung des Herodes so gewählt worden gewesen sein, dass das Jesuskind, das Herodes beseitigen wollte, nicht entkommen könnte. Lukas schreibt ausdrücklich in seinem Evangelium: „Christus sei zur Zeit des ersten Census (prima descriptio) des Publius Sulpicius Quirinius geboren.

In jener Zeit erging vom Kaiser Augustus der Befehl, das ganze Reich aufzuzeichnen“.

Die Statthalterschaft des Publius Sulpicius Quirinius in Syrien 6 n.Chr. ist uns aus dem Bericht Josephus her bekannt

229

.

228 Riessler 1988, Schatzhöhle, 47. Kapitel: Herodes, 1000-1002.

229 Josephus, Ant.,18,1: Nach dem Tod Herodes d. Gr. 4 v.Chr. wurde dessen Reich unter seinen Söhne aufgeteilt: Archelaus erhält Samaria, Iudaea und Idumaea. Antipas bekommt Galiläa und Philippus erhält Ituraea. Kaiser Augustus schickt im Jahre 6 n.Chr. den Herodessohn Archälaos in die Verbannung und vereinigt dessen Reich mit Syrien. Noch im gleichen Jahr 6 n.Chr. schickte Augustus zur Durchführung dieser Maßnahmen Publius Sulpicius Quirinius als Legaten nach Syrien mit dem Auftrag, das herrscherlos gewordene Iudaea zu besetzen und unter dem Procurator Coponius der Provinz Syrien als Annex anzufügen.

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Um die Frage nach der Statthalterschaft des Publius Sulpicius Quirinius in der Provincia Syria bei der Zeit des ersten Census (prima descriptio) zu beantworten, versucht P. Filtzinger eine zweimalige Amtszeit von Publius Sulpicius Quirinius in Syrien zu beweisen. Seine These lautet: Die erste Statthalterschaft des Publius Sulpicius Quirinius in Syrien war in den Jahren 11-7 v.Chr. während des Homonadenserkrieges als Oberbefehlshaber über die syrischen Legionen, die zweite Statthalterschaft in Syrien/Iudaea im Jahre 6 n.Chr. Seine zweimalige Statthalterschaft wird auf die Aussage einer Inschrift in Antiochien zurückgeführt. Auf der Inschrift (Dessau, Inscriptiones Latinae selectae, 918. Mnemosyne 3.Ser. IX 1941, S.306 ff.) stand „Proconsul Asiam Provinciam Opti Divi Augusti Iterum”. Eine in Tibur gefundene Inschrift ohne Namen, die sogenannte akephale tiburtinische Inschrift (ILS 918), bezeichnet einen Statthalter, der zweimal in Syrien war: „legatus pro praetore divi Augusti iterum Syriam“ (Res gestae Divi Augusti 2, S. 175 f.). Als Ergebnis dieses Fundes nahm Filtzinger an, dass Publius Sulpicius Quirinius zweimal Statthalter in Syrien war. Unter dem Amtstitel

„Statthalter ( η“ versteht er den Begriff „Herrscher, Fürst von Syrien“,

d.h. dass er musste nicht unbedingt das offizielle Statthalteramt innehaben. Nach seiner

Recherche fanden die Schätzungen in den Jahren 28 v.Chr., 8 v.Chr. und 14 n.Chr. statt,

die im Anschluss an die Opfergabe durchgeführt wurden. Das zweite augusteische

Lustrum im Konsulatsjahr des Gaius Censorinus und des Gaius Asinius wird auf das

Jahr 8 v.Chr. datiert aufgrund des Monumentum Ancyranum aus dem Jahr 8 v.Chr. Der

in der Vorhalle des Augustus- und Romatempels in Ancyra/Ankara eingemeißelte

Tatenbericht des Augustus (res gestae divi Augusti, 8 II 5-8) lautet: „tum iterum

consulari cum imperio lustrum solus feci C.Censorino et C.Asinio consulibus, capita

quo lustro censa sunt civium Romanorum quadragiens centum millia et ducenta triginta

tria millia.“ (Übersetzung: Dann habe ich alleine wiederum mit dem konsularischen

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Imperium ein Sühneopfer durchführen lassen im Konsulatsjahr des Gaius Censorinus und Gaius Asinius. Bei diesem Lustrum wurden 4,233,000 römische Bürger gezählt)

230

. Sollte man diese Hypothese annehmen, müsste die von Lukas gemeinte Reichsbürgerschätzung (lustrum) des Kaisers Augustus auf das Jahr 8 v.Chr. fallen.

Es ist davon auszugehen, dass mit dem hier erwähnten König, Herodes der Große (37-4 v.Chr.) gemeint ist. Die Historizität für den Befehl des bethlehemischen Kindermordes ist zwar nicht unumstritten, da keine historischen Belege dafür vorliegen, dennoch würde es dem Bild vom Tyrannen entsprechen, der einen grausamen Befehl zum Kindermord geben könnte. Josephus berichtet über den Höhepunkt der Tragödie der Familie von Herodes, wo dieser im Jahr 7 v.Chr. seine eigenen unschuldigen Söhne töten ließ

231

, um die mögliche künftige Bedrohung seines Thrones zu beseitigen. Mit diesem Aspekt lässt sich die Reaktion und die Aufregung Herodes besser nachvollziehen. Bei seinem Charakter

232

liegt die Vermutung nahe, dass seine Grausamkeit über den bethlehemischen Kindermord hinausgeht. Die beiden Ereignisse, wie die Schätzung und die Tötung seiner eigenen Söhne, könnten die Zeitlücke zwischen der Magiergeschichte und dem Mordbefehl Herodes erklären.

In Matthäus wird das Magiermotiv und der Mordbefehl Herodes als eigentlicher Grund für die Flucht der Hl. Familie nach Ägypten aufgeführt. Die ähnlichen Motive,

230 Der Aufsatz von Filtzinger ist im Jahr 2001 an die Fakultät für Philosophie und Geschichte der Uni.

Tübingen eingereicht und als Onlineausgabe veröffentlicht. P. Filtzinger 2001, Bethlehem. Die christliche Legende: ein historisches Ereignis im Konsulatsjahr des Gaius Censorinus und Gaius Asinius 8 v.Chr.

231 Dem Bericht von Josephus zufolge seien der Legatus Augusti pro praetore Provinciae Syriae und seine beiden Söhne in dem von Herodes nach Berytos (Beirut) einberufenem Gericht anwesend, das über Leben und Tod der Mariammesöhne entscheiden soll. Herodes fordert die Todesstrafe für seine beiden Söhne und lässt sie 7 v.Chr. in Sebaste erdrosseln. Josephus, Ant. 16,11; Bell. I, 27, 6.

232 Die Persönlichkeit Herodes beschrieb Josephus so: „Jeder kann leicht entdecken das Temperament dieses Mannes Geist, der nicht nur seine Freude an dem, was er früher gegen seine Beziehungen getan hatte, aus der Liebe zum Leben, sondern durch die Befehle seiner Unmenschlichkeit genossen hatte; seit er kümmerte, dass bei der Scheidung seines Lebens die ganze Nation in Trauer ergriffen werden sollte und zwar aus ihrer desolaten liebsten verwandte, als er befahl, dass eine aus jeder Familie erschlagen werden sollte, obwohl sie nichts Ungerechtes oder noch gegen ihn getan hatte, noch irgendeines anderen Verbrechens beschuldigt wurden.“ Josephus, Ant. 17,6.

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wie die Sterndeuter im Bezug auf die Geburt des Königskindes

233

und die Verfolgung des Königskindes

234

, findet man auch in den religionsgeschichtlichen Analogien. Aber was dem bethlehemischen Kindermord Herodes näher steht, dürfte die „Himmelfahrt des Moses

235

“ nach der frühjüdischen Tradition sein. Trotz des fehlenden Sternmotives sollte dieser Text nicht übergangen werden. Im 6. Kapitel in der Himmelfahrt des Moses kommt die Erwähnung einer Mordtat Herodes vor.

6. Kapitel: Hasmonäer und Herodes236

1 Dann stehen Könige bei ihnen auf und herrschen über sie und werden gar zu Gottes Hohenpriestern ausgerufen; doch üben sie vor dem Allerheiligsten Gottlosigkeit aus.

2 Dann folgt auf sie ein frecher König, der nicht aus dem Geschlecht der Priester stammt, ein gottloser, verwegener Mensch: er richtet sie, wie sie es verdienen. 3 Er rottet ihre Fürsten mit dem Schwert aus, bringt sie an geheimen Orten um, dass niemand weiß, wo ihre Leichen sind. 4 Er tötet Alte samt den Jungen schonungslos. 5 Da überkommt in ihrem Land (über) sie eine schwere Angst. 6 Er aber hält Gericht bei ihnen, wie einst an ihnen die Ägypter taten, wohl 34 Jahre lang; er straft sie schwer. 7 Er zeugt auch Söhne, die als seine Nachfolger, nur kürzere Zeit regieren. 8 Es fallen in ihr Land Kohorten ein; des Abendlandes starker König kommt und er erobert es. 9 Sie werden in Gefangenschaft geschleppt und verbrennen ein Teil ihres Tempels und kreuzigen einige in ihrer Siedlung.

Nach der Ansicht Riessler handelte es sich bei dem Verfasser dieses Buches wahrscheinlich um einen Essener. Das Werk war ursprünglich auf Hebräisch verfasst, dann wurde es ins Griechische übersetzt und stammt etwa aus den Jahren 17-29

233 „Dass nach dem astrologischen Glauben der alten Welt durch Gestirne, besonders durch Kometen und durch Konstellationen außerordentliche Ereignisse, insbesondere die Geburt und der Tod ausgezeichneter Männer angezeigt wurde, ist bekannt. Lucan. 1, 529. Suet. Caes. 68. Senec. nat. quaest. 1,1. Joseph, bell.

jud. 6, 5, 3. Serv. ad Virg. Ecl. 9, 47.“ Vgl. Hofmann 1851, S. 129; Plinius d. Ält. berichtet in Naturalis historia 30,6, der Magier Tridates sei zu Nero gekommen, um ihm seine und Armeniens Unterwerfung zu bezeugen. Nero läßt sich dann in magische Riten und Künste einweihen; Nichtjüdische Parallelen wurden bei der Mithridates und in der Neroepisode auch bei Sueton berichtet. Vgl. Luz, 1985, S. 114-115.

234 “Julius Marathus ist der Autor der Überlieferung, dass wenige Monate, bevor er (sc. Augustus) geboren wurde, ein Vorzeichen in Rom öffentlich geschah, durch das angekündigt wurde, die Natur sei schwanger mit einem König für das römische Volk. Der erschrockene Senat habe beschlossen, dass keiner aufgezogen werden solle, der in jenem Jahr geboren war. Sueton (geb. circa. 70 n.Chr.), Augustus 94. Wie bei Mt geht es um die Reaktion auf ein Herrschaft ankündigendes Prodigium, doch im Unterschied dazu fürchtete der Senat eine Monarchie überhaupt und der Beschluss wird noch nicht einmal rechtskräftig.“

Vgl. K. Berger u. C. Colpe 1987, S. 115.

235 Die Himmelfahrt des Moses ist ein zusammengesetztes Werk, das ursprünglich aus zwei Bestandteilen besteht: 1. dem Testament Moses (in lat. erhalten) 2. der Himmelfahrt Moses (in gr. Bruchstücken erhalten). Vgl. Riessler 1988. S. 1301.

236 Vgl. Riessler 1988, Himmelfahrt des Moses, S. 489-490.

104

n.Chr.

237

. Die Regierungszeit Herodes betrug 34 Jahre, d.h. sie wurde vom Tod des Antigonus, des letzten Hasmonäers angerechnet. Der hier gemeinte Nachfolger, sein Sohn, der nur kurze Zeit regierte, scheint Herodes Archelaus (4 v.Chr.-6 n.Chr.) zu sein.

Andere Söhne des Herodes hatten längere Regierungszeiten: Antipas regierte 43 Jahre, Philippus 37 Jahre. Daraus vermutet Riessler, dass dieses Werk kurz nach der Absetzung Archelaus abgefasst wurde

238

. Nach der Annahme seiner Vermutung von der Abfassungszeit dieses Buches lassen sich nähere Information zu der Zeit Herodes erhalten. Auf wen sich die hier (v. 4) erwähnten schonungslos getöteten Jungen beziehen, ist offen. Wahrscheinlich sind bei der Ausrottung des letzten Hasmonäers diese als Getöteten gemeint. Nach der Schilderung, dass zu den Lebzeiten von Herodes sich eine nennenswerte Tötungstat an Jungen ereignete, lässt sich nicht ausschließen, dass er in der Lage gewesen war, noch einen weiteren Jungenmord wie die bethlehemitische Mordserie zu begehen.

237 33. Zu Mosis Himmelfahrt in seinen Erläuterungen. Vgl. Riessler 1988, S.1301-1303.

238 In seinen Erläuterungen. Vgl. Riessler 1988, S. 1302.

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