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7. THEORETISCHER TEIL

7.1. Begriffsarbeit und Begriffsklärung

Wesentlich zur Rahmung und gleichzeitigen Eingrenzung des Forschungsgegenstandes, sowie zur Begründung der Erklärungsmacht der Arbeit und der klaren Darstellung was nicht beforscht wird, ist es notwendig, die zentralen Begriffe, die sich aus der Forschungsfrage und dem Erkenntnisinteresse für den Zweck dieser Arbeit ergeben, zu klären. Es geht an dieser Stelle nicht darum, diese Definitionen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven zu kritisieren, sondern im Sinne der Forschungsfrage und des Erkenntnisinteresses Festlegungen zu treffen, die dem Gegenstand der Arbeit am ehesten nachvollziehbar gerecht werden.

7.1.1. Projekt

Projekte und Projektmanagement sind Begriffe, die in vielfältiger Literatur thematisiert werden. Unter anderem deshalb, weil sowohl im privatwirtschaftlichen wie auch im öffentlichen Bereich zahlreiche Veränderungs- bzw. Entwicklungsvorhaben in Projektform abgeführt werden. Es geht an dieser Stelle darum, den Projektbegriff dieser Arbeit festzulegen, weil im Sinne der Forschungsfrage nur Vorhaben untersucht werden sollen, die ein Projekt waren. Zudem hat diese Frage auch Auswirkungen auf die Auswahl der zu interviewenden Personen und deren Expert*innenstatus – es kommen sinnvoller Weise nur solche in Betracht, die in definitionsgemäßen Vorhaben – „Projekten“ des BMI und der nachgeordneten Dienststellen Funktionen in den Projektteams wahrgenommen haben.

In der Projektmanagementliteratur finden sich sehr einheitlich anmutende Definitionen des Begriffes, die sich allenfalls nur in Nuancen unterscheiden. Nachdem sich die Forschungsfrage auf Handeln in einem österreichischen Verwaltungskörper bezieht, wurde auf Literatur mit Österreichbezug fokussiert.

Patzak und Rattay (1998) verweisen darauf, dass Projekte Vorhaben seien, deren wesentliches Merkmal die Einmaligkeit der Gesamtheit ihrer Bedingungen ist. Sie halten als bestimmende Faktoren zum Projektbegriff fest: Neuartigkeit, die sich als nicht bzw. nur teilweise wiederholende Aufgabenstellung zeigt, zu der Unsicherheit und hohes Risiko gehört; Zielorientiertheit, weil es ein spezifiziertes Sachziel gibt, das Zeit- und Ressourcenziele begrenzt sind; Komplexität und Dynamik auf Grund des Umfanges und der Vernetztheit der Aufgabenstellung, was zu vielen Abhängigkeiten von bzw. zwischen Einzelaufgaben führe, aber auch zum Umfeld, wobei sich diese Abhängigkeiten stets ändern können; Interdisziplinarität, weil zur Ergebniserreichung das Zusammenspiel vieler Organisationseinheiten bzw. Fachdisziplinen erforderlich ist; Bedeutsamkeit, weil Projekte für die beteiligten Organisationsteile wichtig in mehreren Hinsichten (Akzeptanz, ökonomischer Erfolg, etc.) sei. (vgl. Patzak, Rattay 1998, S. 4f)

Gareis (2006) – der im Anschluss auch noch zwischen Programmen, Projekten und Kleinprojekten differenziert – hält definitorisch als Merkmal für Projekte als temporäre Gebilde fest: „relative Einmaligkeit, eine kurze bis mittlere Dauer, eine mittlere bis hohe strategische Bedeutung und mittlerer bis großer Umfang.“ (Gareis 2006, S. 62) Er erläutert diese Kriterien und verwendet dabei u.a. den Begriff der Neuartigkeit. Im Wesentlichen unterlegt er seine Erklärungen zu den Kriterien seines Projektbegriffes (der sehr stark aus dem Profitbereich bestimmt wird) mit ökonomischen Aspekten, wie etwa dem Kapitalwert, den internen Ressourceneinsatz gerechnet in Personentagen oder die externen Kosten.

(vgl. ebd. S. 63)

Ausgehend von der Feststellung, dass Projekte eine spezifische, temporäre Organisationsform seien, definiert Sterrer (2014) in Unterscheidung von projektähnlichen Aufgaben, Kleinprojekten und Programmen Projekte als „komplexe Aufgabenstellung, zeitlich begrenzt, mit einem definierten Budget, in dem definierte Projektziele umzusetzen sind. Projekte unterscheiden sich entsprechend der höheren Komplexität von Regelaufgaben. Ihre Umsetzung erfordert eine Projektorganisation und ein entsprechendes Projektmanagement.“ (Sterrer 2014, S. 10)

Gareis und Gareis (2017) definieren v.a. aus der Perspektive von profitorientierten Unternehmungen „Projekt“ in ausdrücklicher Unterscheidung von „Programm“: „Projekt ist eine temporäre Organisation zur Durchführung eines relativ einmaligen, kurz- bis mittelfristigen, strategisch bedeutenden Geschäftsprozesses mittleren Umfanges.“

(Gareis, Gareis 2017, S. 33)

Nachdem sich die vorliegende Arbeit mit Projekten im BMI und den nachgeordneten Dienststellen beschäftigt, ist die Perspektive des BMI von Relevanz. Daher wurde die entsprechende Richtlinie des BMI herangezogen. Dieser Erlass, der den Titel „Richtlinien für die Erstellung eines Projektauftrages“ trägt, formuliert als Definition des Begriffes

„Projekt“ ein komplexes Vorhaben, das durch die Rahmenbedingungen einer Zielvorgabe in Form einer Aufgabenstellung, der personellen, sachlichen, finanziellen und zeitlichen Abgrenzung von anderen Vorhaben, sowie der arbeitsteiligen Projektorganisation bestimmt wird und durch eine charakteristische Ausprägung der Merkmale der Neuartigkeit, der Zielorientierung, der Komplexität und Dynamik, der Interdisziplinarität sowie der Bedeutung für die beteiligten Organisationseinheiten gekennzeichnet ist. (vgl.

BMI 2016 S. 4)

In einer Zusammenschau zeigt sich, dass für den Zweck dieser Arbeit die Definition aus der Richtlinie des BMI geeignet ist, weil sie einerseits die wesentlichen Merkmale des Projektbegriffs gemäß den vorgestellten Definitionen aus der Projektmanagementliteratur beinhaltet – insbesondere dort, wo die Managementliteratur nicht ausdrücklich auf den Profitbereich fokussiert - und andererseits als Richtlinie im Inneren des BMI Bindungswirkung entfaltet und daher berechtigt davon ausgegangen werden kann, dass Projekte des BMI und der nachgeordneten Dienststellen, die als solche bezeichnet werden, auch diesen Kriterien entsprechen.

7.1.2. Umweltanalyse

Jedes Projekt existiert innerhalb einer gegebenen Umwelt, die sich selbst aus unterschiedlichsten Gründen in vielfach nicht vorhersehbarer Weise verändert und auch aus verschiedensten Perspektiven mit einer großen Zahl unterschiedlicher Motivationen (aktiv und bewusst, wie auch nicht bewusst und zielgerichtet) Einfluss auf Projekte nimmt.

Daher macht es Sinn für eine Projektarbeit, die die intendierten Ziele und Wirkungen möglichst effizient erreichen möchte, sich mit diesen Umständen möglichst systematisch und methodisch auseinander zu setzen.

Patzak und Rattay (1998) merken an, dass es ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Projekte ist, das relevante Umfeld möglichst frühzeitig zu analysieren, um relevante Einflussfaktoren zu erkennen und proaktiven Umgang damit zu ermöglichen. In diesem Sinne ist eine Projektumfeldanalyse die umfassende und frühzeitige Bestandsaufnahme aller Einflussfaktoren, das rasche Erkennen von Möglichkeiten und Problemfeldern eines Projektes, sowie die Beurteilung der Folgen dessen für die Durchführung des Projektes, das Erkennen von Abhängigkeiten zu anderen Aufgaben bzw. Projekten innerhalb der Organisation, die Kommunikationsverbesserung im Projekt und die Ableitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Beziehungen zum Projektumfeld. (vgl. Patzak, Rattay 1998, S. 70)

Unter Hinweis auf den sozialen Kontext weist Gareis (2006) auf die Sinnhaftigkeit einer

„Projekt-Umwelt-Analyse“ hin und definiert diese als Betrachtung der Beziehungen eines Projektes zu seinen relevanten Umwelten, wobei dem die Annahme vorausgeht, dass diese relevanten Projektumwelten nicht direkt gestaltbar seien, weswegen Beziehungen im Fokus stehen. Diese werden als gestaltbar erachtet, was eine Aufgabe des Projektmanagements darstelle. (vgl. Gareis 2006, S. 277) Er verortet die Notwendigkeit einer derartigen Analyse zu Beginn eines Projektprozesses, im Rahmen eines Projektstart-Workshops. (vgl. ebd., S. 278) Als Instrument des Projektmarketings sei es das Ziel einer Projekt-Umwelt-Analyse, eine Außenorientierung des Projektes zu gewährleisten, indem auf Basis einer systematischen und methodischen Analyse und Bewertung vor allem der Erwartungen der relevanten Projekt-Umwelt und der Projektbeziehungen Strategien und Maßnahmen zum möglichst projektadäquaten Umgang mit der Umwelt abgeleitet werden sollen. (vgl. ebd., S. 279f)

Unter dem Titel „Projektkontext“ verhandelt Sterrer (2014) den Umgang mit dem Projektumfeld und unterscheidet zwischen zeitlicher und sachlicher Projektkontextanalyse sowie sozialer Projektkontextanalyse. Die erstere beschäftigt sich mit der Vor- und Nachprojektphase, die sachliche mit den Beziehungen zu anderen Projekten und Unternehmensstrategien und fokussiert dabei auf die Schnittstellen dazu. Die soziale Projektkontextanalyse bezeichnet er als „Stakeholderanalyse“ [sic!], die für ihn ein Instrument zum Management des sozialen Projektkontextes ist, wobei die Beziehungen von relevanten Stakeholder*innen auf förderlichen oder hinderlichen Einfluss auf das Projekt zu beurteilen seien und das Ziel der Identifikation kritischer Stakeholder*innen zum Zwecke der Steuerung der Beziehungen zu diesen verfolge. (vgl. Sterrer 2014, S. 92)

Im Zusammenhang mit strategischem Management vor allem im Profitbereich – und nicht in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit Projekten, sondern strategischen Veränderungen – verstehen Reisinger et al. (2017) die Umweltanalyse letztlich als Betrachtung der globalen Einflüsse und Wirkungen, was über den Fokus der gegenständlichen Forschungsarbeit weit hinausgeht. Nichtsdestotrotz weisen sie u.a. für eine derartige Analyse auf die systematische Auseinandersetzung mit der globalen Umwelt auf die aus der Beschäftigung mit wirtschaftlicher Entwicklung aus dem angloamerikanischen Raum kommenden „PESTEL-Faktoren“ hin: Political, Economic, Social, Technological, Environmental, Legal. (vgl. Reisinger et al. 2017, S. 58) Insgesamt

bieten sie also keine Definition an, sondern eher eine Methode. Ähnlich verläuft ihre Arbeit im Zusammenhang mit strategischem Wandel und der Analyse des Wandelkontextes, die auch als eine Form von Umweltanalyse verstanden werden kann. Sie verweisen hier auf die Analyse folgender acht Kontextfaktoren: Zeit, Ausmaß, Bewahrung, Vielfalt, Fähigkeiten, Kapazität, Bereitschaft und Macht aber vor allem unter dem Gesichtspunkt der Differenzierung von strategischem Wandel. (vgl. ebd., S. 186f) Insgesamt bieten die methodischen Hinweise allerdings Anhaltspunkte für die Themen und Begriffe, die für eine Definition des Begriffs „Umweltanalyse“ relevant sein können.

Gareis und Gareis (2017), die herausstellen, dass (u.a.) die Kulturen der Projekte durchführenden Organisationen einen wesentlichen Kontext darstellen, widmen den Kontextfaktoren mehrere Analysemethoden, erwähnen dabei allerdings den Begriff der

„Umweltanalyse“ nicht. (vgl. Gareis, Gareis 2017, S. 39) Sie spannen diese Kontextanalyse auf in die Analyse anderer Projekte, die Analyse der Vor- und Nachprojektphase, sowie die Analyse der Projektstakeholder*innen. (vgl. ebd., S. 296ff) Begrifflich scheint die Stakeholder*innenanalyse am nächsten zu stehen, wobei diese das Ziel verfolge, die Grundlagen für das Beziehungsmanagement mit den Projektstakeholder*innen zu schaffen und so die Außenorientierung eines Projektes zu gewährleisten. (vgl. ebd., S.

302)

Die Richtlinie des BMI fordert mindestens für den Zweck von Projektfortschrittsberichten eine „[…] Beschreibung der Veränderung von Projektumwelten/Beziehungen zu anderen Projekten […]“ sowie eine „[…] Beschreibung der Veränderungen betreffend Organisation/Kultur […]“ (BMI 2016, S. 6) Zudem hält die Richtlinie fest, wie mit kritischen Erfolgsfaktoren umzugehen ist: „Kritische Erfolgsfaktoren“

sind jene Parameter, die das spezifische Projekt am ehesten zum Scheitern bringen können. Die frühzeitige Klärung dieser Faktoren ermöglicht es, rechtzeitig darauf zu reagieren.“ (BMI 2016, S. 9; Herv. i. O.) Folgerichtig wird der Begriff der

„Projektumweltanalyse“ definiert: „In der Projektumweltanalyse werden die Beziehungen des Projektes zu (relevanten) Umwelten, die Einfluss auf den Projekterfolg nehmen können, betrachtet. Man unterscheidet projektinterne und projektexterne Umwelten.

Projektexterne Umwelten sind z. B. Kunden [sic!], Lieferanten [sic!], andere Bundesministerien oder andere Organisationseinheiten des Bundesministeriums für Inneres. Das Projektteam oder der Projektauftraggeber können als projektinterne Umwelten betrachtet werden. […] Hier sollen alle für das Projekt relevanten Umwelten aufgelistet werden. […]“. (BMI 2016, S. 11f; Herv. i. O.) Als Ziel und Zweck dieser Umweltanalyse wird genannt: (es) „…sollen die angeführten Projektumwelten und deren Beziehung zueinander beschrieben und im Hinblick auf Konflikte und positive Wirkungen für das Projekt selber bzw. für andere Organisationseinheiten des Bundesministeriums für Inneres, andere Ressorts etc. analysiert werden, um konkrete Strategien und Maßnahmen zur erfolgreichen Gestaltung der Beziehungen planen zu können.“ ] (BMI 2016, S. 12; Herv.

i. O.)

Auch an dieser Stelle kann gesagt werden, dass die Definition gemäß Richtlinie des BMI gut geeignet ist, als begrifflicher Hintergrund dieser Arbeit zu gelten, weil auch sie die wiederholt genannten Kriterien aus der Managementliteratur wiedergibt und ebenso am Ziel der Beziehungsgestaltung festhält, sowie ihrer Bindungswirkung als Erlass für die Projektarbeit innerhalb des BMI. Wie schon beim Projektbegriff selbst kann hier konstatiert werden, dass sich der Begriff in der Richtlinie des BMI am „State of the Art“ orientiert.

7.1.3. Risikoanalyse

Bei jedem Vorhaben können Umstände eintreten, die den Projekterfolg gefährden. Es können Risiken – die sich nicht nur aus der Projektumwelt ergeben – schlagend werden.

Um dies zu verhindern und möglichst präventiv bzw. im Anlassfall möglichst treffsicher intervenieren zu können, ist eine frühzeitige, aktive Auseinandersetzung mit Risikofaktoren ein hilfreiches Instrument.

Patzak und Rattay (1998) verwenden ausgehend von der Risikodefinition als

„Unsicherheit des Zielerreichens“ in diesem Zusammenhang den Begriff der

„Risikoplanung“ und halten fest, dass es dabei um die Identifikation und möglichst vollständige Erfassung von Projektrisiken und die Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit und ihrer möglichen Auswirkungen für das Projekt, sowie die Ableitung von Maßnahmen zur Risikogestaltung gehe. (vgl. Patzak, Rattay 1998, S. 229ff) Gareis (2006) geht davon aus, dass Projektrisiken die Möglichkeit sowohl einer positiven als auch einer negativen Abweichung von einem Projektziel darstellen und definiert demgemäß Projektrisikomanagement als Projektmanagement-Aufgabe, die „die Identifikation und Bewertung von Risiken, das Planen und Durchführen risikopolitischer Maßnahmen (Vermeidung bzw. Förderung von Risiken und Vorsorge für Risiken) und das Risikocontrolling“ beinhaltet. (Gareis 2006, S. 302)

Sterrer (2014) definiert die Projektrisikoanalyse folgendermaßen: „In der Projektrisikoanalyse werden alle Risiken, also potenzielle Abweichungen bezüglich Qualität, Leistungen, Termine, Ressourcen und Kosten sowie Gefahren in der Projektorganisation und im Projektkontext erfasst.“ (Sterrer 2014, S. 92) Nach der systematischen Identifizierung gehe es um eine Bewertung und die Ableitung eines geeigneten Umgangs im Projekt damit. (vgl. ebd.)

Gareis und Gareis (2017) halten unter dem Überbegriff des Projektrisikomanagements fest, dass die Analyse von Risiken – die für sie die Möglichkeit einer negativen oder positiven Abweichung vom Projektziel darstellen – aus den wesentlichen Schritten der Risikoidentifizierung und der Risikobewertung bestehe und das Ziel verfolge, die Grundlage für risikopolitische Planung zu bieten. (vgl. Gareis, Gareis 2017, S. 327f)

In der Richtlinie des BMI zur Projektarbeit kommt der Begriff der Risikoanalyse weder als Überschrift noch im Fließtext vor. Die Inhalte einer Risikoanalyse – auch vielleicht mit anderen Begriffen gefasst – finden sich nicht. (vgl. BMI 2016)

Daher wird mit Blick auf die Begriffsarbeit aus der Managementliteratur für den Zweck dieser Forschungsarbeit „Risikoanalyse“ als die systematische Identifizierung, Erfassung und Bewertung von Projektrisiken mit dem Zweck der Ableitung von Maßnahmen der Risikogestaltung, um die Erreichung der Projektziele zu ermöglichen, definiert.