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Projekte werden immer vor dem Hintergrund einer bestimmten Kultur durchgeführt - gleichgültig, ob diese ins Kalkül gezogen wird oder nicht. Insofern erfolgen daher auch Projekte als ein Element von Change vor diesem Hintergrund. Die Projektorganisation, das Projektmanagement, die Personalauswahl für das Projektteam, die gruppendynamischen Aspekte im Projektteam, das Verhältnis der Projektorganisation, des Projektteams zur allgemeinen Aufbauorganisation sehen sich einer (Betriebs-)Kultur (oder durchaus mehreren – was eine Frage des Umfangs bzw. der Anzahl der vom Projektergebnis betroffenen Organisationseinheiten ist) gegenüber. Es stellt sich für effektives und effizientes Handeln in Projekten daher die Frage, ob diese Kultur (ausreichend) bedacht, ins Kalkül gezogen und als relevanter Faktor für die Projektarbeit und die Umsetzung der Projektergebnisse beurteilt wird?

Dies gilt selbstverständlich nicht nur für Projektvorhaben im Bereich von Wirtschaftsunternehmen, sondern auch für Behörden. Das Bundesministerium für Inneres (im Folgenden: BMI), das als oberste Sicherheitsbehörde von vielfältigen Entwicklungen im politischen, sozialen, juristischen, ökonomischen, technischen und nicht zuletzt ethischen Bereich unmittelbar betroffen und daher umfassend von veränderungsrelevanten Faktoren berührt ist, führte und führt im Rahmen der jeweiligen Ressortstrategie sehr häufig Projekte in unterschiedlichsten Bereichen durch (vgl. BMI 2010, S. 10). Damit wird der Zusammenhang zwischen Organisationskultur(en) und Projekten im Lichte der dargestellten Umstände auch hier schlagend.

2.1. Das BMI und seine nachgeordneten Dienststellen

Hier sollen zunächst zum besseren Verständnis des Hintergrundes der Arbeit das BMI als Sicherheitsbehörde mit seinen verfassungsmäßigen Aufgaben, seine innere Organisation, sowie die nachgeordneten Dienststellen (Landespolizeidirektionen – im Folgenden: LPD, Bezirks- und Stadtpolizeikommanden, Polizeiinspektionen, u.a.) kurz beschrieben und die Aufgabenvielfalt, welche mit ein Grund für das Weiterentwickeln der Organisation mittels Projekten sein dürfte, dargestellt werden.

Das BMI (vgl. § 1 Abs. 1 BMG 1986) ist im Wesentlichen - im Einzelfall werden einzelne Aspekte anderen Ministerien zugerechnet - für Angelegenheiten des Sicherheitswesens, der Staatsgrenzen, der Organisation und des Dienstbetriebes der Bundespolizei und sonstiger Wachkörper, soweit diese nicht zum Zuständigkeitsbereich eines anderen Bundesministeriums gehören, Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft und des Heimatrechts, Personenstandsangelegenheiten, Angelegenheiten von Wahlen, Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen auf Grund der Bundesverfassung, sowie Angelegenheiten der Wahlen zum Europäischen Parlament und der Europäischen Bürgerinitiativen, Angelegenheiten der Organisation der inneren Verwaltung in den Ländern, einigen Angelegenheiten der Gemeinden und Gemeindeverbände, des Stiftungs- und Fondswesens, Angelegenheiten der Kriegsgräberfürsorge, des Mauthausen-Memorials, sowie anderen Angelegenheiten der

staatlichen Verwaltung, soweit diese nicht Angelegenheit eines anderen Bundesministeriums sind, zuständig. (vgl. BMG 1986, Anlage zu § 2)

Schon die Menge der aufgezählten Aufgaben weist darauf hin, dass dafür eine Vielzahl von Organisationseinheiten und Bediensteten benötigt wird, um diese im Rahmen des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit erfüllen zu können.

Das BMI gliedert sich zur Erfüllung dieser Aufgaben auf Bundesebene im Wesentlichen in 5 Sektionen, die sich selbst wieder in Gruppen, Abteilungen und Referate untergliedern. Dazu sind in einzelnen Sektionen auch Ämter (wie etwa das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung) und Direktionen (etwa die Direktion für Spezialeinheiten) eingerichtet. (vgl. BMI 2021a) Auf Ebene der Bundesländer sind Landespolizeidirektionen eingerichtet, die in Unterstellung für den Bundesminister [sic!] für Inneres die Sicherheitsverwaltung in den Ländern besorgen. Den LPD`s nachgeordnet sind die Bezirksverwaltungsbehörden (Bezirkshauptmannschaften und einige Magistrate) für die Sicherheitsverwaltung verantwortlich. (vgl. § 4 SPG Abs. 1 und 2 SPG 1991)

Die innere Gliederung einer LPD folgt österreichweit einem einheitlichen Schema: an der Spitze steht die monokratisch organisierte Behördenleitung, darunter finden sich zwei Geschäftsbereiche, die sich wiederum in Büros und Abteilungen gliedern. Diese bestehen aus Referaten und/oder Fachbereichen.

Als operativer Arm der LPD`s sind auf lokaler Ebene Bezirks- und Stadtpolizeikommandanten (insgesamt 103 in ganz Österreich) und diesen nachgeordnete Polizeiinspektionen (insgesamt aktuell 762 in ganz Österreich) eingerichtet. (vgl. § 10 SPG 1991)

Im Kalenderjahr 2021 verfügt das BMI über 37.651 Planstellen. (vgl. BMF 2021) Diese Kurzdarstellung der Aufgaben, der inneren Gliederung und der Personalsituation lässt einen ersten Eindruck hinsichtlich der möglichen großen Varietät der unterschiedlichen Organisationskulturen in den verschiedenen Dienststellen einerseits und der Notwendigkeit ständig Veränderungsmanagement zu betreiben (und damit auch Projekte durchzuführen) andererseits entstehen.

2.2. Projekte im BMI

Das BMI und seine nachgeordneten Dienststellen führen daher aus Notwendigkeit regelmäßig eigene Projekte durch. Als solche werden hier Projekte bezeichnet, deren Projektauftraggeber*in aus dem BMI kommt und bei denen die Projektziele im Bereich des BMI wirksam werden sollen, wie z. B. im Projekt „Leitstellen Neu“. (vgl. BMI 2021b)

Auf Grund der personellen, aufgabenbezogenen, aber auch politischen, sozialen und historischen Gegebenheiten wurden im BMI viele Projekte mit großer Breiten- und Tiefenwirkung durchgeführt. Beispielhaft sei hier auf das Projekt zur Zusammenführung der Wachkörper Bundespolizei und Bundesgendarmerie aus dem Jahr 2004 hingewiesen, das letztlich etwa 28.000 Bedienstete, fast die gesamte Struktur des BMI, aber natürlich auch die Sicherheitspolitik und Sicherheitsverwaltung in allen Bundesländern bis auf Gemeindeebene betraf. (vgl. BMI 2005)

Auf vielen Ebenen und in unterschiedlichen Themenbereichen werden auch aktuell zahlreiche Projekte durchgeführt. (vgl. BMI 2021b) Ein wesentlicher Ausgangspunkt für Projekte ist das aktuelle Regierungsprogramm, das in verschiedenen Themenfeldern im Zuständigkeitsbereich des BMI Organisationsentwicklung in Projektform anspricht. (vgl.

BKA 2020, S. 151ff)

Diese Ausgangslage weist darauf hin, dass eine systematische Auseinandersetzung mit wesentlichen Aspekten von Projektmanagement im BMI ein weites Feld für Forschung bietet.

2.3. Projekte und Organisationskultur – ein erster Blick

Projekte und Organisationskultur können in einem vielfältigen Zusammenhang stehen und aus mehreren Perspektiven betrachtet werden: die Organisationskultur in einem Projekt selbst, Projekte als Teil einer Organisationskultur, Projekte zur Kulturveränderung, Organisationskultur, die die Projektkultur bestimmt oder aber (sicherlich noch neben anderen Perspektiven), die Organisationskultur der Organisationseinheiten oder Dienststellen, die Gegenstand von Projekten sind bzw. „für“ die Projekte initiiert werden.

Projektmanagement beinhaltet zahlreiche strukturelle und prozessuale Elemente, um auf Basis eines Projektauftrages zu einem Ziel zu gelangen, das dann im Regelfall den Anspruch erhebt, in der Lebenswelt Wirkungen zu entfalten. Projekte können als besondere soziale Systeme bezeichnet werden, die in ein bestimmtes Umfeld eingebettet sind. Als soziales System entwickeln Projekte vielfach besondere Handlungs- und Arbeitsformen, bedienen sich spezifischer Methoden und formen besondere Kommunikationsflüsse und Regeln, die sich einerseits von der Gesamtkultur der Organisation und andererseits von der Organisationskultur der betroffenen Organisationseinheiten unterscheiden. (vgl. Patzak, Rattay 1998, S. 4)

An dieser Stelle vereinfachend und vereinfacht formuliert geht es angesichts dieser Feststellung darum, herauszufinden, inwiefern im Rahmen des Projektmanagements in diesen Prozessschritten in der Projektarbeit die Organisationskultur der von einem Projekt betroffenen Organisationseinheit oder Dienststelle thematisiert wird.

Diesen Gesamtkomplex möglicher Zusammenhänge zu erforschen würde eine Vielzahl von Forschungsfragen und wohl mehrere Forschungsvorhaben (auch in unterschiedlichen Forschungsparadigmen) erfordern bzw. ermöglichen. Daher konzentriert sich diese Arbeit auf das grundsätzliche Bedenken/Mitdenken/Beachten von Organisationskultur durch die in Projekten im Projektteam handelnden Menschen.

Projekte verfolgen Ziele, das im Regelfall Veränderung intendiert. Das bedeutet, dass in einem bestimmten Feld Neuartiges erscheint, das gleichzeitig auf Vorhandenes trifft.

Das in einer Organisation, Institution oder Dienststelle Vorhandene ist (auch) Ergebnis der jeweiligen Organisationskultur. Daher könnte im Projektmanagement die Frage gestellt werden, wie denn die jeweilige Organisationskultur „ist“ und welche allenfalls für das Projekt förderliche und/oder hinderliche Faktoren identifiziert werden können, um die Projektarbeit und die Umsetzung des Ergebnisses möglichst friktionsfrei zu gestalten und gleichzeitig die in und mit der jeweiligen Organisationskultur arbeitenden Menschen gut einzubinden.

(Organisations-)Kulturen verfügen nach Wahrnehmung des Autors, der in zahlreichen Projekten des BMI und nachgeordneter Dienstbehörden mitgewirkt hat, über ein starkes Gedächtnis, das Auswirkungen auf die Veränderungsbereitschaft der Mitglieder dieser (Organisations-)Kultur hat, weil dieses Gedächtnis zu einer großen Bereitschaft von Angehörigen dieser (Organisations-)Kultur führen kann, an seinen Inhalten festzuhalten, wie verschiedene Projekte im Bereich des BMI und seiner nachgeordneten Behörden zeigen. So etwa team04 – die neue Exekutive, wo sich trotz organisatorischer Zusammenführung der Wachkörper Polizei und Gendarmerie noch jeweils starke Elemente der Zeit vor 2005 halten, oder ein der Form nach verändertes Beschwerdemanagement, das in der praktischen Umsetzung noch spürbar von Kameradschaft und Corpsgeist getragen ist. Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint auch der kulturelle Aspekt der

„Erzählung“, mit dem sogenannte „Meme“ als ideelle Bausteine für eine Replikation von kulturell bedingtem Verhalten entstehen können. (vgl. Dawkins 1996 [1976], S. 308f) Es besteht sozusagen die Möglichkeit, dass kulturell entstandene Ideen evolutionäre kulturelle Entwicklungen beeinflussen – Meme als Informationen, die zu Nachahmung und damit Verbreitung und auch Verfestigung führen können. (vgl. Blackmore 2003, S. 51ff)

Die Auseinandersetzung mit (Organisations-)Kultur hat für alltägliches Führungshandeln und damit auch für Handeln in Projekten hohe Relevanz, denn es besteht bei Missachtung bzw. Nichtberücksichtigung die Gefahr des langfristigen Scheiterns. (vgl. Fischer et al. 2019, S.11f)

Es soll aber bei der bloßen Betrachtung von Gefahren nicht stehengeblieben werden, sondern die Beachtung von Organisationskultur kann auch unter dem Aspekt der Identifizierung von förderlichen Faktoren erfolgen oder von dem Gedanken getragen sein, eine gute Passung zwischen Projekten, Projektinhalten und Organisationskulturen herbeizuführen, die letztlich dem Gesamtsystem und den in diesem handelnden Menschen dient.