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AHV/Versicherungspflicht und Beitragspflicht im Rentenalter

Urteil des EVG vom 31. Mai 1985 i.Sa. G.S.

Art. 5 des Abkommens mit Deutschland über Soziale Sicherheit; Art. 1 Abs. 1 Bst. b und Art. 9 Abs. 1 AHVG; Art. 17 Bst. c i.V.m. Art. 20 Abs. 3 AHVV. Der in Deutschland wohnhafte deutsche Teilhaber einer in der Schweiz domizilierten Kommanditgesellschaft gilt als ver-sichert und als beitragspflichtig für das ihm aus dem Unternehmen zufliessende Erwerbseinkommen. Die Beitragspflicht besteht unab-hängig davon, ob der Gesellschafter eine persönliche Arbeitsleistung erbringt oder nicht.

Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 AHVG. Die Beitragspflicht von nach dem 62. bzw. 65. Altersjahr erwerbstätigen Versicherten ist auch bei fehlendem Rentenanspruch gesetzmässig.

Art. 1 Abs. 2 Bst. b AHVG. Die unzumutbare Doppelbelastung ist nur dann zu prüfen, wenn eine Person vom gleichen Beitragsobjekt so-wohl an die schweizerische wie an die ausländische staatliche Alters-und H interlassenenversicherung Beiträge zu bezahlen hat.

Die 1911 geborene, in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) wohnhafte deutsche Staatsangehörige G.S. ist unbeschränkt haftende Gesellschafterin (Komplementärin) einer seit 1977 in der Schweiz domizilierten Kommanditge-sellschaft. Nach Einführung der Beitragspflicht für erwerbstätige Personen im

Rentenalter auf den 1. Januar 1979 wurde sie als Selbständigerwerbende bei-tragspflichtig. Gegen sämtliche danach ergangenen Beitragsverfügungen führte G.S. bei der kantonalen Rekursbehörde erfolglos Beschwerde.

In ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans EVG hält sie an ihrem Antrag fest, sie sei von der Beitragspflicht freizustellen. Zur Begründung macht sie im we-sentlichen geltend, sie habe in der BRD Wohnsitz und übe in der Schweiz keine Erwerbstätigkeit aus. Sie sei daher in der Schweiz nicht versichert und somit nicht beitragspflichtig; ausserdem könne sie auch keine AHV-Rente be-anspruchen, weshalb die Beitragserhebung rein fiskalischer Natur sei. Im übri-gen bewirke die Beitragserhebung in Anbetracht der auch in Deutschland be-stehenden Abgabepflichten eine unzumutbare Doppelbelastung, weshalb sie gemäss Art. 1 Abs. 2 Bst. b AHVG der Versicherungspflicht in der Schweiz 523

nicht unterstehe. Das EVG weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit fol-genden Erwägungen ab:

2a.

Die Vorinstanz hat zutreffend und unwidersprochen festgestellt, dass die in der BRD wohnhafte Beschwerdeführerin hinsichtlich der von ihr als Komple-mentärin der in B. domizilierten Kommanditgesellschaft bezogenen Anteile schweizerischem Sozialversicherungsrecht unterstellt ist (Art. 5 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bun-desrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964; ZAK 1981 S. 517 Erw. 1). Infolgedessen beurteilt sich die Versicherungs- bzw. Bei-tragspflicht der Beschwerdeführerin aufgrund der Vorschriften des AHV-Rechts. Massgebend ist diesbezüglich Art. 1 Abs. 1 AHVG, wonach zu den obligatorisch Versicherten u.a. jene Personen zählen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben (Bst. b). Die Beschwerdeführerin bestreitet vorab, diese Voraussetzung zu erfüllen.

Gemäss Art. 9 Abs. 1 AHVG gilt als Einkommen aus selbständiger Erwerbs-tätigkeit jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt. Dazu gehören nach Art. 17 Bst. c in Verbin-dung mit Art. 20 Abs. 3 AHVV auch die Anteile sämtlicher Teilhaber von Kol-lektiv- und Kommanditgesellschaften sowie von andern auf einen Erwerbs-zweck gerichteten Personengesamtheiten ohne juristische Persönlichkeit, soweit sie den gemäss Art. 18 Abs. 2 AHVV zum Abzug zugelassenen Zins übersteigen. Diese Regelung ist vom EVG in konstanter Rechtsprechung als gesetzmässig betrachtet worden (BGE 105V 4, ZAK 1979 S. 426; ZAK 1981 S. 517 Erw. 2a mit Hinweis).

Die Beschwerdeführerin nimmt unbestrittenermassen die Stellung einer Komplementärin der Kommanditgesellschaft ein. Die von ihr bezogenen An-teile gelten demnach grundsätzlich als Einkommen aus selbständiger Erwerbs-tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 AHVG. Damit steht auch fest, dass die Be-schwerdeführerin eine Erwerbstätigkeit gemäss Art. 1 Abs. 1 Bst. b AHVG ausübt. Daran ändert nach den zutreffenden Feststellungen der Vorinstanz nichts, dass sie ihren Wohnsitz in der BRD hat und für die Kommanditgesell-schaft in der Schweiz keine Arbeitsleistungen erbringt, weil die Geschäftsfüh-rungsbefugnis Dritten übertragen ist. Denn die Beitragspflicht der Teilhaber von Kommanditgesellschaften setzt nicht voraus, dass der Gesellschafter per-sönliche Arbeitsleistungen erbringt (BGE 105 V 7, ZAK 1979 S.426; ZAK 1985 S. 316), noch hängt sie von dessen Wohnsitz in der Schweiz ab; viel-mehr gilt auch der im Ausland wohnende Teilhaber einer in der Schweiz domi-zilierten Kommanditgesellschaft als versichert und als beitragspflichtig für das Erwerbseinkommen, das ihm aus dem Unternehmen zufliesst (ZAK 1981 S. 517 Erw. 2b mit Hinweisen). Demzufolge ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 1 Bst. b AHVG er-füllt.

3a. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird jedoch geltend gemacht, die Beschwerdeführerin habe bereits zu Beginn der streitigen Abgabepflicht im Jahre 1979 das 68. Altersjahr erfüllt und sei damit schon im Rentenalter ge-standen; sie sei vor dem 1. Januar 1979 nie Versicherte im Sinne des ersten Abschnitts des AHVG gewesen und könne es auch nie werden; beitragspflich-tig könnten nach Art. 3 Abs. 1 AHVG aber nur versicherte Personen sein; da mit der Ausdehnung der Beitragspflicht auf Rentner (9. AHV-Revision) ledig-lich eine Teilrevision der Beitragspfledig-licht durchgeführt worden sei, vermöge diese keinesfalls nichtversicherte Personen zu Versicherten zu erklären, wes-halb die Beitragspflicht nicht gegeben sei. Sodann stellten die nicht rentenbil-denden Beiträge eine rein fiskalische Belastung dar, weil die Beschwerdefüh-rerin nie eine AHV-Rente beanspruchen könne; die Bejahung der Beitrags-pflicht würde daher ein offensichtlich unhaltbares Ergebnis der Gesetzesaus-legung bedeuten.

Diese Einwendungen der Beschwerdeführerin erweisen sich als unbehelflich.

Wie in Erw. 2d hievor dargelegt worden ist, erfüllt die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 1 Bst. b AHVG und hat somit in der AHV als obligatorisch versichert zu gelten. Da die Versicherten im Sinne von Art. 1 Abs. 1 AHVG mit den nach Art. 3 Abs. 1 AHVG Versicherten identisch sind (BGE 107V 197 Erw. 2c, ZAK 1982 S.364; ZAK 1984 S.168 Erw. 3b), be-steht die Beitragspflicht der Beschwerdeführerin grundsätzlich, solange sie ihre Erwerbstätigkeit in der Schweiz ausübt und sofern ihre Einkünfte die den Altersrentnern zustehenden Freibetrage übersteigen (Art. 6quater AHVV). Wohl war die Ausdehnung der Beitragspflicht auf erwerbstätige Versicherte nach dem 62. bzw.65. Altersjahr bei der parlamentarischen Beratung der 9. AHV-Revision umstritten, doch hat der Gesetzgeber eine solche Lösung bewusst getroffen; dabei war sein Wille eindeutig darauf gerichtet, den Finanzhaushalt der AHV/IV/EO zu verbessern (BGE 107V 197, ZAK 1982 S. 364 Erw. 2c mit Hinweisen). Demnach besteht eine Beitragspflicht von erwerbstätigen Versi-cherten nach dem 62. bzw. 65. Altersjahr, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass die nach Vollendung dieser Altersgrenze geleisteten Beiträge nicht mehr rentenbildend sind (ZAK 1984 S.166 Erw. 3b, 1982 S.364 mit Hinweisen).

Diese Regelung, welche unmittelbar auf dem Gesetz beruht (Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 Bst. b AHVG), hat der Richter hinzunehmen.

Denn es ist ihm verwehrt, Bundesgesetze und allgemein verbindliche Bundes-beschlüsse auf Obereinstimmung mit der Verfassung zu prüfen (Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bs Abs. 3 BV). Zu mehr als einer möglichst verfassungs-konformen Auslegung des Gesetzes besteht kein Raum, sofern nicht der klare Wortlaut oder der Sinn des Gesetzes etwas anderes gebietet (BG E 107 V 215, ZAK 1982 S. 224; BGE 105 V 48); dies trifft vorliegend nicht zu. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Beitragspflicht Erwerbstätiger im Rentenalter, die von vorneherein keine Rente erhalten können, würde ein «offensichtlich un-haltbares Ergebnis der Gesetzesauslegung bedeuten», geht somit fehl. Der von der Beschwerdeführerin zitierte BGE 102V 34 (ZAK 1976 S. 265) ist im heute zu beurteilenden Zusammenhang durch die ab 1. Januar 1979 geltende neue 525

Rechtslage überholt. Im übrigen vermögen auch die in der Verwaltungsge-richtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der fiskalischen Belastung vorge-tragenen Ausführungen nichts zu ändern, weil eine Beitragspflicht nach schweizerischem Sozialversicherungsrecht - wie bereits erwähnt - unter Um-ständen auch bei fehlendem künftigen Rentenanspruch besteht. Demzufolge stehen das Alter der Beschwerdeführerin sowie ihr fehlender künftiger Renten-anspruch in der Schweiz der Beitragspflicht nicht entgegen.

b. Die Beschwerdeführerin macht des weitern geltend, Bezüger schweizeri-scher (Alters-) Renten mit Wohnsitz im Ausland brauchten für ihr dortiges Er-werbseinkommen keine Beiträge an die AHV zu entrichten; sie werde damit schlechter gestellt als Bezüger von schweizerischen Renten im Ausland; damit verstosse die Beitragserhebung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wie er auch in Art. 4 des schweizerisch-deutschen Abkommens über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 enthalten sei.

Diese Einwendungen sind nach den zutreffenden Ausführungen der Aus-gleichskasse in der vorinstanzlichen Vernehmlassung unbegründet. Soweit die Beschwerdeführerin Beiträge an die freiwillige Versicherung für Ausland-schweizer anvisieren wollte, gilt Art. 4 des erwähnten Abkommens für im Aus-land niedergelassene Schweizer von vorneherein nicht, weshalb sie daraus nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag (vgl. Art. 1 Ziff. 24 des Zusatz-abkommens vom 9. September 1975 zum Abkommen vom 25. Februar 1964).

Wenn erwerbstätige Versicherte im Rentenalter mit Wohnsitz im Ausland ge-mäss Art. 1 41e1 VFV von der Beitragspflicht befreit sind, so stützt sich dies im übrigen auf Art. 2 Abs. 7 AHVG und war bereits vom Gesetzgeber ausdrück-lich gewollt (vgl. Botschaft des Bundesrates über die 9. AHV-Revision vom 7. Juli 1976, BBI 1976 111 23). Insoweit sich die Vorbringen der Beschwerde-führerin auf Beiträge an die obligatorische Versicherung beziehen sollten, hat der Gesetzgeber die Beitragspflicht bewusst nicht auf jene Versicherten ausge-dehnt, die aufgrund von Beiträgen an die obligatorische Versicherung Alters-renten beziehen und sich im Ausland niedergelassen haben (vgl. die genannte Botschaft des Bundesrates, BBl 1976 III 24). Liegt damit keine Ungleichbe-handlung der Beschwerdeführerin vor, muss es bei der Feststellung bleiben, dass ihre Einkünfte aus der Kommanditgesellschaft zu Recht der Beitrags-pflicht aus selbständiger Erwerbstätigkeit unterstellt worden sind. Die ange-fochtenen Beitragsverfügungen, welche in masslicher Hinsicht unbestritten sind, erweisen sich folglich als Rechtens.

4. Eventualiter erneuert die Beschwerdeführerin das schon im vorinstanz-lichen Verfahren erhobene Begehren, sie sei gemäss Art. 1 Abs. 2 Bst. b AHVG von der Beitragspflicht zu befreien, weil ihr Einbezug in die AHV für sie eine unzumutbare Doppelbelastung bedeuten würde. Dazu hat jedoch bereits die Vorinstanz mit Recht festgestellt, dass eine Doppelbelastung im Sinne der genannten Bestimmung schon deshalb nicht gegeben sein kann, weil die Be-schwerdeführerin von ihren in der Schweiz erzielten Einkünften aus der Kom-manditgesellschaft keine Beiträge an die deutsche Sozialversicherung zu er-

bringen hat (vgl. auch Rz 103 des Kreisschreibens über die Versicherungs-pflicht, gültig ab 1. Januar 1985). Dem Eventualantrag der Beschwerdeführe-rin kann daher nicht entsprochen werden.

AHV/IV/EL: Rückerstattung unrechtmässig bezogener Renten