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Archiv "amnesty international: Oberste Priorität für Menschenrechte" (08.12.2000)

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ir haben die Hoffnung, dass un- sere Arbeit eines Tages durch den kategorischen Imperativ ,Menschenrechte haben oberste Prio- rität‘ abgelöst wird“, sagte Dr. med. Jo- hannes Bastian anlässlich der Tagung zum 20-jährigen Bestehen des Aktions- netzes der Heilberufe von amnesty inter- national (ai) im November in Bonn. Das Aktionsnetz beschäftigt sich mit der be- sonderen Rolle, die Angehörige der Heilberufe im Rahmen von Menschen- rechtsverletzungen spielen. Sie kommen oft unmittelbar in Berührung mit Men- schenrechtsverletzungen und werden auch selbst zu Opfern, weil sie Verletzun- gen dokumentieren oder sich weigern, an Menschenrechtsverletzungen mitzuwir- ken. Andererseits sind sie nicht selten maßgeblich an der Entwicklung verfei- nerter Folter- und Repressionsmethoden beteiligt. Von daher sähe es Bastian ger- ne, wenn sich die ärztlichen Standesorga- nisationen auf diesem Gebiet stärker en- gagierten. Auch in Deutschland gebe es ungelöste Probleme, beispielsweise die ärztliche Beteiligung bei der Abschie- bung traumatisierter Flüchtlinge.

Die Ursprünge des internationalen Aktionsnetzes der Heilberufe erklärte Jim Welsh, Leiter des Medical Office von ai in London, bei der Bonner Ta- gung am 11. November anhand der poli- tischen Situation der 60er- und 70er-Jah- re. In damals totalitären Staaten wie Griechenland oder Argentinien habe man Ärzte systematisch in die Folter von Regime-Gegnern eingebunden. In der Sowjetunion seien politische Gefangene in psychiatrischen Kliniken unterge-

bracht worden. „Überall wurden Ärzte als Werkzeuge des Staates eingesetzt“, so Welsh. Vor diesem Hintergrund sei das wichtigste ärztliche Bekenntnis ge- gen die Beteiligung an Folterungen die

„Deklaration von Tokio“ des Weltärzte- bundes von 1975 gewesen. Dennoch, diese Ansicht teilt er mit Bastian, müss- ten sich die ärztlichen Standesorganisa- tionen generell stärker engagieren: „Sie verfügen über den gesellschaftlichen Einfluss, um sich effektiv für die Men- schenrechte einsetzen zu können.“

„Wir brauchen die Unterstützung ausländischer Organisationen“, betonte Dr. Veli Lök, Vorsitzender der Kommis- sion für medizinische Begutachtung von Folter der Ärztekammer Izmir und Mit- begründer der Türkischen Menschen- rechtsstiftung. „In der Türkei unter-

stützt uns niemand. Die Menschen wol- len nichts über Folter hören, ansonsten begeben sie sich in Gefahr wie wir.“ Zu- nehmend unter Druck geraten dort vor allem die Ärzte und Psychologen, die in fünf Behandlungszentren der Türki- schen Menschenrechtsstiftung Fälle von Folter dokumentieren und die Opfer behandeln. Nach Angaben von Lök sind seit 1980 rund eine Million Menschen in der Haft gefoltert worden. In 80 Prozent der Fälle stellten Ärzte den Opfern falsche Gutachten aus, die Folter ver- neinten. Die Gründe: Repressionen der Sicherheitskräfte und das Unwissen der Ärzte über Methoden, verdeckte Fol- terspuren festzustellen. Dass der Ein- satz für die Menschenrechte nicht unge- fährlich ist, belegt Löks eigener Fall. Er hatte öffentlich die Verhaftung des Arz- tes Alp Ayan kritisiert, weil dieser an der Beerdigung von im Gefängnis getö- teten Häftlingen teilgenommen hatte.

Lök wurde der Prozess gemacht, an des- sen Ende es ihm gerichtlich untersagt wurde, sich innerhalb der nächsten fünf Jahre öffentlich zu Menschenrechtsfra- gen zu äußern.

„Die türkische Regierung hat mit Lök einen der angesehensten Ärzte des Landes attackiert, um allen anderen zu signalisieren: ,Niemand ist sicher‘ “, fol- gerte Inge Genefke vom International Rehabilitation Council for Torture Vic- tims (IRCT) in Kopenhagen. Genefke gilt als eine der Wegbereiterinnen für die Behandlung und Rehabilitation von Folteropfern. Das IRCT hat in den ver- gangenen 25 Jahren ein internationales Netzwerk von 200 Behandlungszentren etabliert und Rehabilitationsprogram- me für die Opfer aufgelegt. Es widmet sich darüber hinaus der Forschung, Do- kumentation und, das ist Genefke be- sonders wichtig, der Prävention mithil- fe von Fortbildungsprogrammen für Polizei und Gefängnispersonal.

Andere Menschenrechtler setzten ihre Hoffnung auf die UNO. Um in be- troffenen Staaten anhand definierter Standards Vorwürfe von Folter über- prüfen zu können, hat eine internatio- nale Gruppe von Ärzten und Psycholo- gen Richtlinien zur Untersuchung und Dokumentation von Folter erarbeitet.

Über das „Istanbul Protokoll“ soll die UN-Vollversammlung demnächst ab- stimmen. Heike Korzilius P O L I T I K

A

A3308 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 49½½½½8. Dezember 2000

amnesty international

Oberste Priorität für Menschenrechte

Seit 25 Jahren gibt es das Health Professional Network von ai, seit 20 Jahren deren „Aktionsnetz der Heilberufe“

in Deutschland – ein zwiespältiges Jubiläum.

Selbstbildnis einer Patientin des Psychosozialen Zen- trums für ausländische Flüchtlinge in Köln. Die 28-

Jährige stammt aus Sri Lanka.

Weitere Informationen im Internet unter www.amnesty.de und www.irct.org

Referenzen

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