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Archiv "amnesty international" (28.06.1996)

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M

it dem Ziel, Menschen- rechtsverletzungen zu do- kumentieren und den Über- lebenden von Folter medizi- nische und psychologische Hilfe zu leisten, ist 1990 die türkische Men- schenrechtsstiftung gegründet wor- den. Zunächst von den türkischen Behörden toleriert, geriet die Stiftung seit 1994 zunehmend unter Druck.

Anlaß war die Publikation eines Bu- ches, das in einem Kapitel die Not- standsgesetzgebung der türkischen Regierung kritisierte. Der Autor des fraglichen Teils und neun Vorstands- mitglieder der Menschenrechtsstif- tung wurden wegen Verunglimpfung der Türkei unter Anklage gestellt.

Der Prozeß endete im Mai mit einem Freispruch.

In Adana stehen jedoch seit An- fang Mai der Arzt des dortigen Be- handlungszentrums für Folterüberle- bende und der Rechtsanwalt des Zen- trums vor Gericht. Ihnen wird unter anderem Strafvereitelung vorgewor- fen. Ihre Weigerung, Patientendaten an Polizei und Staatsanwaltschaft wei- terzuleiten, verhindere die Strafver- folgung der Folterer. Nach Ansicht von amnesty international (ai) birgt die Herausgabe der Patientendaten erhebliche Gefahren sowohl für die betroffenen Patienten als auch für die behandelnden Ärzte. Die Patienten seien häufig Opfer staatlicher Willkür, ebenso häufig würden Ärzte bedroht, wenn sie die Folgen der Folter wahr- heitsgemäß dokumentierten. Sollte die Stiftung zur Herausgabe der Da- ten gezwungen werden, komme dies

einem Verrat am Arzt-Patient-Ver- hältnis und einem Bruch der ärztli- chen Schweigepflicht gleich. Die Stif- tung selbst zweifelte in einer Presse- mitteilung daran, daß gemeldete Fälle von Folter tatsächlich von den Behör- den verfolgt und aufgeklärt werden.

An der Prozeßeröffnung im Mai nahmen zahlreiche internationale Be- obachter teil, darunter auch Vertreter von ai und der Ärztekammer Berlin.

Die Menschenrechtler befürchten, daß das laufende Gerichtsverfahren die

weitere Arbeit der Menschenrechts- stiftung gefährdet. Ein Urteil werde nicht vor September erwartet. Diese Zeit der Ungewißheit schade dem not- wendigen Vertrauensverhältnis zwi- schen Behandlern und Patienten.

Wie die Türkische Ärztekammer mitteilte, befindet sich der kurdische Arzt und Präsident der Ärztekammer Diyarbakir, Dr. med. Seyfettin Kizil- kan, seit dem 8. Mai unter den ver- schärften Bedingungen des Ausnah- mezustands im Südosten der Türkei in Haft. Angeblich wurden bei der Durchsuchung seines Hauses Waffen und illegale Schriften gefunden. Die Türkische Ärztekammer bezweifelt die Vorwürfe und sieht in der Verhaf- tung Kizilkans den Versuch, die De- mokratiebewegung in der Türkei ein- zuschüchtern. Kizilkan, der als enga- gierter Verfechter der Menschenrech- te gilt, sei bereits im Vorfeld mit den türkischen Sicherheitskräften in Kon- flikt geraten, weil er Folteropfer me- dizinisch versorgt habe.

Besorgt über die jüngsten Vorfäl- le äußerte sich auch der Menschen- rechtsbeauftragte der Bundesärzte- kammer, Dr. med. Frank Ulrich Montgomery: „Wir haben die Be- fürchtung, daß hier ein nicht-öffentli- cher, politischer Prozeß initiiert wer- den soll, um einen unbequemen Men- schenrechtler kaltblütig auszuschal- ten.“ Die Grund- und Menschenrech- te müßten endlich auch in der Türkei beachtet werden.

Die Verfolgung von Angehöri- gen der medizinischen Berufe in den Kurdengebieten der Türkei doku- mentiert ein Buch, das die „Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs“

(IPPNW) zusammen mit der Ärzte- kammer Berlin und der Organisation Genocide Watch unter dem Titel

„Kurdistan–Türkei: Medizin unter Kriegsbedingungen“ herausgegeben haben. Demnach droht die Gesund- heitsversorgung in den kurdischen Gebieten zusammenzubrechen. Im bewaffneten Konflikt zwischen türki- schem Militär und der Kurdischen Arbeiterpartei PKK arbeiteten Ärzte und andere Angehörige der Gesund- heitsberufe unter Lebensgefahr. Vor allem, wenn sie Opfer von Gewalt oder Folter medizinisch behandelten, drohten ihnen Zwangsversetzungen oder Strafverfahren. Heike Korzilius A-1764 (32) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 26, 28. Juni 1996

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Kurdistan – Türkei

Ärzte werden zu Opfern staatlicher Willkür

Die türkische Menschenrechtsstiftung ist unter staatlichen Druck geraten.

Die Stiftung betreibt seit 1990 vier Behandlungszentren für Folteropfer. Im Mai dieses Jahres wurde ein ärztlicher Mitarbeiter unter Anklage gestellt, weil er sich weigerte, Patientendaten an staatliche Stellen weiterzuleiten.

amnesty international hat den Fall wie auch die Situation des medizinischen Personals vor allem in den Kurdengebieten der Türkei ausführlich dokumentiert.

IPPNW, Ärztekammer Berlin, Genocide Watch (Hrsg.): Kurdistan – Türkei: Medizin unter Kriegsbedingungen, Verlag der Buchlä- den Schwarze Risse, Berlin, Göttingen, 1996, Taschenbuch, 12 DM.

l amnesty international hat die Weltgesundheitsorganisation aufge- fordert, Heilberufler zu unterstüt- zen, die im Rahmen ihrer Arbeit Menschenrechtsverletzungen auf- decken. Ärzte und Pflegende wür- den in vielen Ländern verhaftet und ermordet, weil sie Folterspuren an ihren Patienten wahrheitsgemäß do- kumentierten oder Anhänger oppo- sitioneller Gruppen medizinisch be- handelten. Außerdem würden Ärzte und Pflegepersonal vielerorts unter Druck gesetzt, an Zwangsamputatio- nen und Hinrichtungen teilzuneh- men. Das Aktionsnetz der Heilberu- fe von ai führt unter dem Motto „Fo- cus on Human Rights“ noch bis En- de des Jahres eine weltweite Kampa- gne zu diesem Thema durch. EB

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