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Archiv "Prophylaxe chronischer Schmerzen: Interdisziplinärer Ansatz oberste Priorität" (26.12.2005)

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M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 51–52⏐⏐26. Dezember 2005 AA3595

ten hatten wir in unserem Beitrag ver- zichtet, da bei uns laparoskopische Eingriffe immer noch auf spezielle In- dikationen beschränkt werden. Von derzeit 224 Patienten wurden daher 136 konventionell und nur 88 laparo- skopisch operiert. Die laparoskopi- schen Patienten waren jünger, hatten häufiger benigne Erkrankungen und wurden häufiger sigmareseziert als konventionelle Patienten. Die Quote allgemeiner Komplikationen betrug bei laparoskopischer Resektion 5 Pro- zent und bei konventioneller Operati- on 12 Prozent. Die postoperative Ver- weildauer war mit vier Tagen nach la- paroskopischen Resektionen allerdings etwas kürzer (konventionell fünf Ta- ge). Die bislang einzige randomisierte- kontrollierte, geblindete Studie zum Vergleich von 30 laparoskopischen und 30 konventionellen „Fast-track“- Kolonresektionen hatte im Gegensatz zu unseren Ergebnissen keine Unter- schiede in der funktionellen Erholung zwischen beiden Gruppen nachgewie- sen (1).

Die überspitzt formulierten Bei- spiele des Kollegen Rumschik demon- strieren die verständliche emotionale Verbundenheit mit vertrauten Thera- pieformen und die Zurückhaltung bei der Einführung neuer Behandlungs- konzepte, auch wenn sie durch metho- dologisch hochwertige Studien belegt wurden. Die Tatsache, „dass sich ein Verfahren allgemein durchgesetzt hat“ kann aber heute als alleinige Be- gründung für seine Durchführung nicht mehr ausreichend sein. Ziele der

„Fast-track“-Rehabilitation sind we- der der Beweis brillianter Operations- künste, noch dass ein Patient einen Tag nach der Kolonresektion ein Schnitzel vertilgt oder dem Patienten Getränke und Speisen aufgenötigt werden.

Selbstverständlich haben wir auch nie- mals behauptet, jeden Patienten nach einer Woche komplikationslosen Ver- laufs bei subjektivem Wohlbefinden entlassen zu können. Bei emotions- freier, rationaler Betrachtung stellt die

„Fast-track“-Rehabilitation eine logi- sche Fortsetzung der Bemühungen vorhergehender Chirurgengeneratio- nen dar.

Erst die heute erreichte geringe lo- kale Komplikationsrate mittlerer und

großer Eingriffe erlaubt die konse- quente Anpassung vielfach noch tradi- tions- und nicht evidenzbasierter pe- rioperativer Behandlungskonzepte an die Möglichkeiten der modernen ope- rativen Medizin.

Nur die Kombination einer mög- lichst atraumatischen Operationstech- nik mit einer optimalen (das heißt auf der besten verfügbaren Evidenz be- ruhenden) perioperativen Therapie kann die Resultate in der operativen Medizin weiter verbessern. Die Reak- tion des Lesers demonstriert erneut die bekannten Schwierigkeiten wider, Evidenz und klinische Guidelines in die tägliche Routine einzuführen. Er- gebnisse aus den USA und den Nie- derlanden zeigen, dass 30 bis 40 Pro- zent der Patienten nicht die Behand- lung erhalten, die der wissenschaftli- chen Evidenz entspricht, und 20 bis 25 Prozent der Patienten eine Behand- lung, die nicht erforderlich oder po- tenziell schädlich ist (3). Die Imple- mentierung der „Fast-track“-Rehabi- litation bedeutet die Bereitschaft, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Die von uns dargestellten Konzepte zur Fast-track“-Rehabilitation werden ständig modifiziert und auf ihre Gül- tigkeit überprüft. Daher können und sollen sie als klinischer Behandlungs- pfad kein fixiertes Regelwerk sein, sondern müssen immer wieder den neusten Erkenntnissen aus wissen- schaftlichen Studien und den Gege- benheiten jedes einzelnen Patienten angepasst werden (2).

Literatur

1. Basse L, Jakobsen D, Bardram L, Billesbolle P et al.:

Functional recovery after open versus laparoscopic co- lonic resection. A randomized, blinded study. Ann Surg 2005; 241: 416–23.

2. Carli F, Kehlet H: Continuous epidural analgesia for co- lonic surgery-but what about the future? Regional Anesthesia and Pain Medicine 2005; 30: 140–2.

3. Grol R, Grimshaw J: From best evidence to best prac- tice: effective implementation of change in patients´

care. Lancet 2003; 362: 1225–30.

Prof. Dr. med. Wolfgang Schwenk Prof. Dr. med. Claudia Spies Prof. Dr. med. Joachim M. Müller

Universitätsmedizin Berlin – Charité Campus Mitte 10098 Berlin

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internatio- nal Committee of Medical Journal Editors besteht.

Interdisziplinärer Ansatz oberste Priorität

Der Empfehlung interdisziplinärer Behandlungskonzepte kann ich aus Sicht des psychotherapeutischen Fach- gebietes nur zustimmen. Das Prob- lem besteht jedoch nicht mehr darin, psychosoziale Aspekte zu beachten und als krankheitsaufrechterhalten- des, oft auch mitauslösendes Agens anzuerkennen, sondern das Problem ist der Zeitpunkt der Überweisung zum „Psycho“-Arzt beziehungsweise Therapeuten.

Es ist leider immer noch die Aus- nahme, dass Patienten frühzeitig zu einer differenziellen Diagnostik (und, was vor allem aufgrund motivatio- naler Aspekte schwieriger ist, The- rapie) überwiesen werden. Die schon in der Weizsäckerschen Tradition geforderte „Simultandiagnostik“ ist zwar ein beliebtes Schlagwort bei entsprechenden Weiterbildungen, die Realität sieht anders aus: Der typische Schmerzpatient, der meine Praxis zum ersten Mal betritt, hat entweder be- reits „seine Morphinpumpe“ und löste zu diesem Zeitpunkt beim Schmerz- spezialisten wahrscheinlich all die Ge- fühle aus, die im Vorfeld durch soma- tisch orientierten Aktionismus abge- federt oder vertagt werden konnten, oder er gerät während schwebender Gerichts- oder Rentenverfahren im Rahmen von Empfehlungen seines Be- raters (eine Psychotherapie, die nicht genutzt hat, bringt Vorteile), bestenfalls durch Ultima-Ratio-Empfehlungen des Medizinischen Dienstes der Kran-

zu dem Beitrag

Prophylaxe chronischer Schmerzen

von

Dr. med. Wolfgang Niesert Prof. Dr. med. Michael Zenz in Heft 22/2005

DISKUSSION

(2)

kenkassen (MDK), der eine bestehen- de Dauerarbeitsunfähigkeit weiter rechtfertigen muss, an den Therapeu- ten.

Die Prognose solcher Therapien ist so schlecht, dass man dem Kosten- träger im Grunde nur davon abraten kann. Solange psychische Aspekte nur zur Rechtfertigung ge- und benutzt werden, dass „alles getan wurde“, wird sich wenig bei der Prophylaxe der Chronifizierung verändern. Die Au- toren konnten keine evidenten Grün- de finden, die die Inzidenzunterschie- de zwischen Deutschland und Groß- britannien erklären ließen. Hierzu habe ich schon meine Vermutungen.

Die Autoren haben sie wahrscheinlich auch.

Dr. med. Doris Normann Handschuhsheimer Landstraße 42 69121 Heidelberg

Autoren irren

Es ist sicher begrüßenswert, wenn chronische Schmerzen auch durch Beiträge im Deutschen Ärzteblatt im- mer wieder in den Blickpunkt gerückt werden. Die hohe Inzidenz verdanken chronische Schmerzen nicht einer rein somatischen Grundlage, sondern ei- nem Komplex an Rahmenbedingun- gen. Deswegen wird auch im Artikel richtig vom biopsychosozialen Modell gesprochen.

Die Autoren irren aber in dem Mo- ment, in dem sie versuchen, das Mo- dell in ihre offensichtlich doch mehr somatischen Vorstellungen zu inte- grieren. Aus psychiatrischer Sicht heißt psychosozial, dass diese Fakto- ren beim betroffenen Patienten schon vor den aufkommenden Schmerzen bestanden haben. Psychosozial heißt nicht wie in der Grafik 2 des Artikels, dass „. . . die Auswirkung des Schmer- zes auf emotionale und psychische Faktoren . . . miteinbezogen werden (muss) . . .“. Psychosoziale Faktoren verkämen in einem solchen Fall zu rein reaktiven Momenten.

Dies entspricht nicht psychiatri- schem Wissensstand. Die Chronifizie- rung schreitet im Gegenteil deswegen voran, weil die Patienten zu Beginn der Schmerzen bereits entsprechende

belastende Faktoren aufweisen. Des- halb muss bezweifelt werden, dass ei- ne Prophylaxe chronischer Schmerzen möglich ist: Das würde bedeuten, dass der behandelnde Arzt bei Beginn der Therapie immer auch Umfeld und Biographie des betroffenen Patienten kennt sowie um die Bedeutung der psychosozialen Faktoren bei dem Pati- enten weiß.

Dies dürfte in den seltensten Fällen so sein. Ziel einer Therapie chroni- scher Schmerzen ist daher nicht die Prophylaxe, sondern die Therapie und die Verhinderung von Therapieresi- stenz.

Eine Ausnahme bilden Patienten, deren Schmerzen rein somatischer Natur sind, die vordringlich Medika- mente aus dem Schema der Weltge- sundheitsorganisation benötigen (viele Tumor-Patienten, alle postoperativen Patienten) und bei denen deswegen der Schmerz nur so lange andauert, weil die verantwortlichen Ärzte keine Erfah- rung in der Schmerztherapie haben.

Dann würde sich Chronizität auch über das Unvermögen von Ärzten de- finieren. Von einer solchen Definiti- onsgrundlage sollten wir aber Abstand nehmen.

Dr. med. Michael Brinkers Schmerzambulanz der Klinik

für Anaesthesiologie und Intensivmedizin Medizinische Fakultät

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Leipziger Straße 44

39120 Magdeburg

Bedarf Ergänzung

Der Artikel weist mit Recht auf den Teufelskreis chronischer Rücken- schmerzen mit Inaktivität, Überla- stung von Muskeln und funktionellen Defiziten hin. Die Diagnostik und The- rapie chronischer Rückenschmerzen bedarf jedoch einer Ergänzung.

Wenn die Ursache der Rücken- schmerzen in 60 Prozent unklar bleibt, kann nur von unzureichender Dia- gnostik ausgegangen werden. Die Ur- sache der Beschwerden ist in der Re- gel durch eine kernspintomographi- sche Untersuchung einzugrenzen (Sy- rinx, Synovialiszysten, enger Rezessus, intraspinale Tumoren, lumbo-sakrale

Übergangsanomalien, reaktive Hyper- ämie der Meningen, Radikulitis, Spon- dylodiszitis, av-Malformation, okkulte Fraktur, leptomeningeale Metastasie- rung, Skelettmetastasen).

Die MRT ist ein schwieriges Ver- fahren. Wer die Bilder nicht in der Entstehung sieht, Artefakte zuordnen kann und die Bilder in unmittelbarem Bezug zum Patienten betrachtet, wird keine sinnvolle Diagnose stellen kön- nen. Radiologen, die lediglich Bilder beschreiben, führen die Diagnostik nicht weiter. Kliniker, die frustiert mit

„schmerzirrelevanten Veränderungen der Wirbelsäule, zum Beispiel Band- scheibenvorfällen“ zugeworfen wer- den, haben ein Problem. Dies berech- tigt aber nicht, den Eindruck zu ver- mitteln, die Magnetresonanztomogra- phie pauschal als wertlos zu betrach- ten.

Eine ausgezeichnete Möglichkeit, den Teufelskreis der Rückenschmerzen zu durchbrechen, ist die mithilfe der Computertomographie gesteuerte per- iradikuläre Infiltration oder Facetten- infiltration.

Schmerzrezeptoren sind am Periost und an der Dura lokalisiert. Eine aku- te Störung der dreisäuligen Statik der Bewegungssegmente (Wirbelge- lenke, Anulus fibrosus) führt zu ei- ner Reizung der Schmerzrezeptoren.

Chronische Veränderungen bewirken oft nicht mehr an der auslösenden Stelle (zum Beispiel Sinterung der Bandscheibe, enger Rezessus, Facet- tenhypertrophie, hypertrophierte Li- gamenta flava, Skoliose, Übergangsa- nomalie, Wirbelgleiten) Beschwerden, sondern an anderer Stelle. Die Verän- derungen im MRT müssen mit der Klinik in Übereinstimmung gebracht werden.

Zahllose Patienten, die jahrelang vergeblich behandelt wurden, wei- sen bei diesem Therapieverfahren bes- sere Ergebnisse auf als bei den zu- vor verwandten physikalischen, medi- kamentösen (Antidepressiva, NSA, Opioide) und psychotherapeutischen Maßnahmen. Ärzte, die diese Therapi- en mitgemacht haben, können verglei- chen.

Dr. med. Christian Kujat Josefstraße 33

49809 Lingen M E D I Z I N

A

A3596 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 51–52⏐⏐26. Dezember 2005

Referenzen

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