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Bildung von Thiamin und seinen Thiaminphosphorsäureestern in Getreide während des Pflanzenwachstums, in diversen Hefen und der Abbau während der Fleischreifung

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Academic year: 2022

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Bildung von Thiamin und seinen

Thiaminphosphorsäureestern in Getreide während des Pflanzenwachstums, in diversen Hefen und der

Abbau während der Fleischreifung

INAUGURAL – DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer Doktorin

der Veterinärmedizin

- Doctor medicinae veterinariae - ( Dr. med. vet. )

vorgelegt von Buchholz, Martina

geb. Hacke Hannover

Hannover 2012

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: Univ.- Prof. Dr. Waldemar Ternes Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik

1. Gutachter: Univ.- Prof. Dr. Waldemar Ternes 2. Gutachter: Univ.- Prof. Dr. Bernd Schröder

Tag der mündlichen Prüfung: 15. Mai 2012

Diese Arbeit wurde zum Teil gefördert durch die Fritz-Ahrberg-Stiftung, Hannover

(3)

Meinem Vater

(4)

Teile dieser Arbeit sind in der internationalen Fachzeitschrift Journal of Cereal Science zur Zeit in Druck:

Buchholz, M., Drotleff, A. M., Ternes, W.

Thiamin (vitamin B1) and thiamin phosphate esters in five cereal grains during maturation -in Druck bei: Journal of Cereal Science-(2012), doi:10.1016/j.jcs.2011.11.009

Teile dieser Arbeit wurden bereits in Form eines Posters präsentiert:

M. Buchholz und W. Ternes

Vitamin B1 und seine Bindungsformen

In: Abstracts der Arbeitstagung des Arbeitsgebietes Lebensmittelhygiene (29.09.-01.10.2008) in Garmisch-Partenkirchen

(5)

I

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung……….. 1

2. Literaturübersicht………. 4

2.1. Thiamin / Historie……… 4

2.2. Thiamin / Allgemeines……… 5

2.3. Thiamin / Vorkommen……… 7

2.4. Chemisch-physikalische Eigenschaften von Thiamin und Thiaminphosphatestern ……… 10

2.4.1. Thiamintetraphospat oder Adenosinthiamintriphosphat (AThTP) ………… 14

2.4.2. Oxidation von Thiamin zu Thiochrom……… 16

2.4.3. Stabilität von Thiamin und Thiaminphosphaten………. 17

2.4.4. Biosynthese von Thiamin und seinen Phosphatestern………. 21

2.5. Physiologie……… 23

2.5.1. Biologische Bedeutung des Vitamin B1 für Mensch und Tier ……… 25

2.5.2. Thiamindiphosphat-abhängige Enzyme……….. 26

2.5.2.1.Pyruvat-Dehydrogenase……… 26

2.5.2.2.α-Ketoglutarat-Dehydrogenase……… 27

2.5.2.3.Transketolase……… 28

2.5.2.4.Neurophysiologische Bedeutung von Thiamin……… 29

2.6. Pharmakokinetik……….. 30

2.6.1. Hypervitaminose……….. 30

2.6.2. Hypovitaminose……… 30

2.6.3. Avitaminose………. 31

2.7. Thiaminmangel……….. 31

2.7.1. Vitaminantagonisten, Antivitamine………. 35

2.7.2. Nachweismethoden und Statusbestimmung………. 36

2.7.3. Therapie……… 37

2.7.4. Arzneilich verwendete synthetische Thiaminderivate……… 38

2.7.5. Toxikologie……….. 39

2.7.6. Vitamin B1-Bedarf beim Menschen………. 40

2.7.7. Vitamin B1-Bedarf bei verschiedenen Tierarten……….. 40

2.8. Getreide……… 41

2.8.1. Botanik des Getreides……….. 42

2.8.2. Aufbau der Getreidepflanze………. 42

2.8.3. Entwicklung des Getreidekorns……… 48

2.8.4. Aufbau des Getreidekorns………. 49

2.8.5. Stoffzusammensetzung eines Getreidekorns………. 50

2.8.6. Verteilung von Thiamin im Getreidekorn (Weizenkorn)………. 51

2.9. Getreidearten………. 53

(6)

II

2.9.1. Weizen……….. 53

2.9.2. Roggen……….. 54

2.9.3. Triticale………. 55

2.9.4. Hafer……….. 56

2.9.5. Gerste……… 57

2.10. Hefen……… 58

2.11. Analytische Methoden zur Bestimmung von Thiamin……… 63

2.11.1. Thiaminextraktion……… 64

2.11.2.Aufreinigung der Proben………. 66

2.11.3.Analytische Methoden mittels HPLC………. 66

3. Material und Methoden……… 71

3.1. Chemikalien………. 71

3.2. Untersuchungsmaterial………. 71

3.2.1. Getreide………. 71

3.2.2. Hefen………. 71

3.2.3. Frisches Schweinefleisch……….. 72

3.2.3.1.Zusammensetzung des Schweinefleisches……….. 72

3.3. Thiaminanalyse……… 73

3.3.1. Herstellen der Reagenzien……… 73

3.4. Probenaufarbeitung……….. 75

3.5. Thiaminextraktion mit TCA………. 75

3.5.1. Vorsäulenderivatisierung……….. 76

3.6. Bestimmung von Thiamin mit HPLC in Anlehnung an die DIN EN 14122/2004 (LMGB § 35; LFGB § 64) ……… 78

3.6.1. Thiaminextraktion……… 78

3.6.2. Derivatisierung zum Thiochrom mit Kaliumhexacyanoferrat………. 79

3.6.3. Derivatisierung zum Thiochrom mit Bromcyan………. 79

3.6.4. Festphasenextraktion (SPE, Solid Phase Extraction) ………. 81

3.7. Kalibrierung………. 82

3.7.1. Probenmessung und Berechnung………. 84

3.7.2. Reproduzierbarkeit und Wiederfindung……….. 85

3.8. Bestimmung von Thiamin……… 85

3.8.1. Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) ………. 86

3.8.2. Schematischer Aufbau der HPLC-Fluoreszenz-Anlage……….. 87

3.8.3. Gradientenverlauf des HPLC-Systems………. 88

3.8.4. Bestimmung der Trockenmasse……….. 88

3.8.5. Statistische Auswertung……… 89

4. Ergebnisse………. 90

4.1. Grundkalibrierung………. 90

4.2. Thiamingehalte in Getreide………. 91

4.2.1. Thiamingehalt in Triticale……… 95

(7)

III

4.2.2. Thiamingehalt in Hafer………. 98

4.2.3. Thiamingehalt in Gerste……… 100

4.2.4. Thiamingehalt in Weizen………. 101

4.2.5. Thiamingehalt in Roggen………. 103

4.3. Thiamingehalt in Hefen………. 106

4.3.1. Thiamingehalt in frischer Bäckerhefe………. 106

4.3.2. Thiamingehalt in Trockenbackhefe………. 108

4.3.3. Thiamingehalt in Bierhefeflocken……….. 109

4.3.4. Thiamingehalt in frischer Bierhefe………. 110

4.4. Thiamingehalt in frischem Schweinefleisch……… 112

4.4.1. Veränderungen der Gehalte von Thiamin und Thiaminphosphate im zeitlichen Verlauf von 0 bis 216 Stunden……… 114

4.4.2. Oxidationswirkung von Kaliumhexacyanoferrat im Vergleich zu Bromcyan 117 4.4.3. Gesamtthiamingehaltsbestimmung nach LFGB § 64 in Schweinefleisch im Vergleich zur Methode mit Trichloressigsäure……….. 118

4.5. Stabilität des derivatisierten Thiamins und Thiaminphosphaten inklusive Thiaminamintetraphosphat / Adenosinthiamintriphosphat (AThTP) ………. 121

4.6. Nachweis-, Erfassungs- und Bestimmungsgrenze, Wiederfindungsrate……. 121

5. Diskussion………. 123

5.1. Chromatographie………. 125

5.2. Methodenentwicklung………. 129

5.3. Modifizierung der LFGB § 64 Methode……….. 130

5.4. Thiamingehalt in Schweinefleisch……….. 140

5.5. Thiamingehalt in Hefen……… 144

5.6. Thiamingehalt in Getreide……… 145

6. Zusammenfassung………. 150

7. Summary……….. 154

8. Anhang ………. 157

8.1. Übersicht der wichtigsten Literaturstellen……… 157

8.2. Chemikalienverzeichnis……… 158

8.3. Geräteliste………. 159

8.4. Tabellenwerte ………. 160

8.5. Berechnungsgrundlagen ………. 175

8.6. Trockenwerte ……….. 176

9. Glossar………. 177

10. Abkürzungsverzeichnis……… 178

11. Tabellenverzeichnis……….. 179

12. Abbildungsverzeichnis……….. 183

13. Literaturverzeichnis……….. 188

14. Danksagung……….. 209

(8)
(9)

1 1. Einleitung

Thiamin (Vitamin B1) gehört zu den für den menschlichen und tierischen Organismus essen- tiellen organischen Nährstoffen, die er selbst nicht oder nicht in ausreichender Menge synthe- tisieren kann und auf deren Zufuhr über die Nahrung er angewiesen ist. Im Stoffwechsel übernehmen sie katalytische und steuernde Funktionen und gehören zu unterschiedlichen Stoffgruppen.

Vitamin B1 ist in phosphorylierter Form (Thiamindiphosphat, Thiaminpyrophosphat, Cocar- boxylase) als Coenzym bzw. als prosthetische Gruppe bei einer Vielzahl von Reaktionen im intermediären Stoffwechsel (Pyruvat-Dehydrogenase, α-Ketoglutarat-Dehydrogenase) und bei der Transketolasereaktion notwendig für die Abbauvorgänge im Kohlenhydratstoffwechsel.

Desweiteren wichtig für die Funktion von Nervengewebe und Herzmuskulatur und zum anderen notwendig für die Peristaltik im Magen-Darm-Trakt. Wiederkäuer können bei artgemäßer Fütterung Thiamin im Pansen synthetisieren, Pferde in geringen Mengen auch im Caecum. Im Darmkanal findet sowohl eine Synthese als auch ein Abbau statt.

Bei dem von CROSS und CALLAWAY (1984) beschriebenen Kurzdarm-Syndrom (Short- Bowel-Syndrome) wird neben einer D-Laktat-Azidose auch ein Thiaminmangel vermutet.

Nach Entfernung von größeren Dünndarmanteilen gelangt Substrat direkt in den Dickdarm und wird erst dort von Bakterien abgebaut. Es entwickelt sich eine metabolische D-Laktat- Azidose, die bei manchen Patienten mit Störungen des Zentralen Nervensystems einhergehen und zu Gleichgewichtsstörungen und Bewegungsinkoordinationen führen kann. Vermutet wird eine Dysfunktion im Pyruvat-Metabolismus. Desweiteren wird von KOBALL et al.

(2008) ein Thiaminmangel als Ursache für eine Laktat-Azidose diskutiert, wobei Resorptions- störungen prädisponierend sein können.

Thiaminmangel kann zu einer Vielzahl schwerwiegender neurologischer, kardiovaskulärer und gastrointestinalen Störungen führen. Auch Thiaminantagonisten können Mangelerschei- nungen verursachen, wie Thiaminasen im Pansen, die durch Pansenmikroben besonders bei stärkereicher, rohfaserarmer Fütterung gebildet werden, oder Thiaminasen in frischen Fi- schen, Krustentieren, Muscheln und Farnen, in Futter, das mit Bakterien oder Pilzen kontami- niert ist (PLITT, 1995; WIESNER u. RIBBECK, 2000). Amprolium als Kokzidiostatikum

(10)

2

wirkt ebenfalls thiaminantagonistisch, besonders bei hoher Dosierung. Ebenso können Phenolderivate und Schwermetalle wie Arsen und Quecksilber Thiamin inaktivieren (EISENBRAND u. SCHREIER, 2006).

Thiaminkommt in pflanzlichen und tierischen Geweben sowie als Stoffwechselprodukt vieler Bakterien vorwiegend als Thiamindiphosphat (TDP) vor. Wichtige Thiaminlieferanten sind Vollkornprodukte, da Keim und Aleuronschicht von Getreide, ebenso wie das Silberhäutchen von Reis, viel Thiamin enthalten. Unter den tierischen Produkten ist das Schweinefleisch der wichtigste Thiaminlieferant. Für die Bioverfügbarkeit ist es nicht entscheidend, in welcher Form Thiamin in der Nahrung vorliegt (GREGORY, 1997).

Thiamin (Vitamin B1) kommt in allen Futtermitteln in unterschiedlichen Konzentrationen vor.

Hohe Gehalte an Vitamin B1 sind in Bierhefe, Weizen- und Maiskeimen, Sojabohnen, Getreide und Reiskleie zu finden (KAMPHUES et al., 1999). Arm an Vitamin B1 sind diverse Kohlsorten und Obst (SOUCI et al., 2008). Das in Futtermitteln vorkommende Vitamin B1

wird vom Tier gut verwertet, kann allerdings nur in geringen Mengen gespeichert werden (KIRCHGESSNER, 2004). Lebensmittelchemisch und –technologisch von Bedeutung ist die Stabilität von Thiamin und seinen Phosphorsäureestern gegenüber pH-Wert-Änderungen, oxidativen Einflüssen, UV-Strahlung sowie Temperaturerhöhungen, da der Vitamingehalt so- wohl von biologischen Bedingungen als auch von der Konservierung, Lagerung und Zuberei- tung der Lebensmittel abhängig ist (GRAHAM et al., 1998; TERNES et al., 2007).

Die Intention zur Durchführung dieser Studie liegt in vorausgegangenen Untersuchungen an frischem Schweinefleisch begründet (POEL, 2008). Dort konnte gezeigt werden, dass Transformationsvorgänge von Thiamin und Thiaminphosphorsäureestern in frisch geschlachtetem Schweinefleisch nach unterschiedlichen Zeitintervallen stattfinden.

Ziel der vorliegenden Dissertationsarbeit war daher festzustellen, ob ebenfalls vergleichbare Transformationsvorgänge, wie im Schweinefleisch auch im sich bildenden Getreidekorn und in diversen Hefen beobachtet werden können. Dazu wurden die unterschiedlichen Gehalte an Thiamin und seinen Phosphatestern (Phosphorsäurederivaten) im Getreidewachstum während der Anbildung der Ähre bis zur Reife des Getreidekorns und in diversen Hefen sowohl quali- tativ als auch quantitativ erfasst und dargestellt. Diese Untersuchungen wurden mit einer neu-

(11)

3

en, in diesem Institut entwickelten, Thiaminanalytik durchgeführt. Diese Methode ermöglicht erstmalig eine schnelle Trennung und die Bestimmung, ohne Verunreinigungen und Interfe- renzen durch Störsubstanzen, aller Thiaminderivate gleichzeitig. In der Fachliteratur wird im Allgemeinen bei Getreide oder Getreideprodukten der Gesamtthiamingehalt bestimmt oder Thiaminbindungsproteine untersucht. Nur bei Getreidekeimlingen werden Thiamin und seine Thiaminphosphorsäureester beschrieben. Die Bestimmung des Gesamtthiamingehalts erfordert einen zeitintensiven enzymatischen Aufschluss. Daten über den Gehalt an Thiamin und deren Veränderungen der Zusammensetzung der verschiedenen Bindungsformen, während des Ähren-/Rispenschiebens bis hin zur Fruchtbildung und Reife, sind bisher in der Literatur für Triticale, Hafer, Gerste und Roggen noch nicht beschrieben.

Mit dieser Studie konnte neben den Bindungsformen des Thiamins im Schweinefleisch und in diversen Hefen auch für verschiedene Getreidesorten, mit der alle Phosphatbindungsformen erfassenden neuen Thiaminanalytik, erstmalig eine Bilanz der Thiamine im sich bildenden Getreidekorn ermittelt werden.

Desweiteren galt es, das Phänomen aufzuklären, weshalb der Thiamingehalt bei frischem Schweinefleisch anfangs hoch ist, dann im Laufe von 24 Stunden sinkt und nach 48 Stunden bis fast auf seinen Anfangsgehalt wieder ansteigt (POEL et al., 2009). Liegt das Thiamin in dem Zeitraum in anderen Bindungsformen vor, besteht die Möglichkeit, mit verschiedenen Enzymen das Thiamin während der Transformationsvorgänge freizusetzen und der Analyse zugänglich zu machen, oder ist dieses Verhalten auf autolytische Prozesse während der Fleischreifung zurückzuführen? Um diesen Sachverhalt zu klären, fand neben der Bestimmung von Thiamin und Thiaminphosphaten in Schweinefleisch parallel ein modifizierter enzymatischer Aufschluss der gleichen Schweinefleischprobe statt, der im Vergleich zur LFGB § 64 Methode verbesserte Ergebnisse liefert.

(12)

4 2. Literaturübersicht

2.1. Thiamin / Historie

Bereits um 2600 v. Chr. war das Krankheitsbild des Vitamin B1-Mangels in China bekannt und gegen Ende des 19. Jahrhunderts stieg die seit dem Altertum bekannte Beri-Beri- Erkrankung in Ostasien in besorgniserregendem Umfang an. Die Erkrankung breitete sich drastisch aus, als Reisschälmaschinen eingesetzt wurden, um die Hüllen (Silberhäutchen) von den Reiskörnern zu entfernen. Durch diesen Vorgang „Polieren des Reises“ wurden wichtige Vitamine und Spurenelemente entfernt. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine komplexe Avitaminose, die sich durch Muskelschwäche, Lähmungen und Schädigung des Herzmuskels äußert (FALBE u. REGITZ, 1992; EISENBRAND u. SCHREIER, 2006).

Der Japaner Kanehiro Takaki erkannte um 1882, dass die Erkrankung durch Vitamin-B-reiche Ernährung geheilt werden kann. 1897 erfasste der niederländische Arzt Christiaan Eijkman (Nobelpreis 1929 für Medizin/Physiologie) als erster den Zusammenhang zwischen den Symptomen der Erkrankung und der Ernährung mit poliertem Reis. Er wies Vitamin B1- Mangeleffekte durch Fütterungsversuche bei Hühnern mit poliertem Reis nach und zeigte, dass durch die Verfütterung der Silberhäutchen (Kleie) des Reises der Mangel behoben werden konnte. Wegen seiner Wirkung auf die Nerven wurde es zunächst Anti-Polyneuritis- Vitamin oder Aneurin (antineuritsches Vitamin) genannt (FALBE u. REGITZ, 1992).

1926 wurde Thiamin als erste Substanz, aus der Gruppe der B-Vitamine, von Jansen und Donath in kristalliner Form aus Reisschalen isoliert. 1932 erhielt es dann aber von Windaus aufgrund seines Schwefelgehaltes die Bezeichnung Thiamin, der heute der einzig zulässige Name ist. Die zweifelsfreie Strukturaufklärung des Vitamin B1 gelang 1936, etwa gleichzeitig, den Arbeitsgruppen um R.R. Williams und Grewe und die Synthese wurde 1936 von Williams und 1937 von Andersag und Westphal bewerkstelligt (BEYER u. WALTER, 1991; FALBE u. REGITZ, 1992; EISENBRAND u. SCHREIER, 2006).

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5 2.2. Thiamin / Allgemeines

Thiamin (Vitamin B1, Aneurin, antineuritsches Vitamin)

Thiamin (T, Vitamin B1, Mr 266) und die im Organismus nachweisbaren Phosphorsäureester Thiaminmono- (TMP, Mr 346), Thiamindi- (TDP, Mr 426) und Thiamintriphosphat (TTP, Mr

506) gehören zusammen mit Vitamin B2 (Riboflavin), Vitamin B6 (Pyridoxin), Vitamin B12

(Cobalamin), Folsäure, Nikotinamid (Niacin), Biotin (Vitamin H), Pantothensäure und Cholin (Vitamin B4) zu der Gruppe der wasserlöslichen Vitamine des B-Komplexes (Tab. 1) und werden unter dem Begriff Vitamin B1 oder der hierfür entsprechenden Bezeichnung Thiamin zusammengefasst. In der Literatur, als auch bei den eigenen Thiamin-Untersuchungen von frischem Schweinefleisch, wird regelmäßig eine fünfte Verbindung gefunden, bei der es sich möglicherweise um Thiamintetraphosphat handelt (COOPER u. PINCUS, 1979; EGI et al., 1986; KAWASAKI u. EGI, 2000; EGI u. KAWASAKI, 2003, TERNES et al., 2007).

BETTENDORFF et al. haben allerdings kürzlich eine Thiaminverbindung mit der Thiochrommethode entdeckt, bei der Thiamin kovalent an Adenosintriphosphat gebunden ist und im Chromatogramm ebenfalls nach Thiamintriphosphat retardiert wird, welches in Kapitel 2.4.1. nochmal dargestellt wird (BETTENDORFF et al., 2007).

Desweiteren kommt Thiamin in tierischen und pflanzlichen Matrizes auch in gebundener Form als Proteinkomplex vor. Die Bindung von Thiamin an Proteine stabilisiert dieses Vitamin in Lebens- und Futtermitteln und vermindert weitgehend Lagerungsverluste. Die Bindung von Thiamin an Protein ist vor allem in Pflanzen nachgewiesen. Thiaminbindungs- proteine (TBP) sind aus Reis-, Sesam-, Sonnenblumen- und Weizenkeimen mittels SDS- PAGE (Sodium-Dodecyl-Sulfat-Polyacrylamid-Gradientengel-Elektrophorese) isoliert worden. Die TBP´s unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Molekularmassen, chemischen Struktur, Aminosäurenzusammensetzung und in ihren biologischen und immunologischen Eigenschaften. Das pH-Optimum für die Thiamin-Bindungsaffinität liegt im Bereich pH 8.

Thiaminbindungsaktivität ist definiert als 1 Unit (Aktivität) bindet 1 nmol Thiamin. Es wird ausschließlich freies Thiamin gebunden und keine Thiaminphosphate (MUNIYAPPA u.

ADIGA, 1981; ADACHI et al., 2000; GOLDA et al., 2004; WATANABE et al., 2004).

(14)

6 Tab. 1: Wasserlösliche Vitamine des B-Komplexes

(nach BALTES, 1989; KOOLMAN u. RÖHM, 1994; LÖSCHER et al., 2006)

Buch- stabe

Nomenklatur nach IUPAC

Biologisch-physiologische Funktion

Mangelerscheinungen Bevorzugte Quelle

Tagesbedarf Mensch B1 Thiamin Regulation des Kohlenhydratstoffwechsels

und von Nervenfunktionen; Vorstufe der Cocarboxylase; Coenzym der Pyru- vatdecarboxylase,

2-Oxoglutaratdehydrogenase und der Transketolase

Beriberi, Polyneuritis, neuromuskuläre Blo- ckaden, kardiovaskuläre Störungen, Tremor, Konvulsionen, Ence- phalomalazien (Rind +Pferd)

Hefeprodukte, Weizenkeimlinge, Getreidekorn, Schweinefleisch

0,9 - 1,2 mg

B2 Riboflavin Wachstumsförderung; prosthetische Gruppe von Flavinenzymen bei der Was-

serstoffübertragung im Aminosäure- und Fettstoffwechsel

Schleimhautschäden, Dermatiden; Wach- stumsstörungen

Hefe, Leber, Milch, Eier

1,0 - 3,0 mg

B6 Pyridoxin Regulation des Aminosäurestoffwechsels;

Coenzym von Aminosäuredecarboxylasen, Aminotransferasen, Hydrolasen und Phosphorylasen; Beteiligung bei der Bereitstellung von biogenen Aminen im Gehirnstoffwechsel

Hautveränderungen;

Mikrozytäre, hypochrome Anämie; Leukopenie;

Konvulsionen

Hefe, Getreidekeim- linge, Fleisch

2,0 – 4,0 mg

B12 Cyanocoba-

lamin Reifung der roten Blutkörperchen; „extrinsic factor“ des antiperniziösen Prinzips;

prosthetische Gruppe der Methylmalonyl- CoA-Isomerase

Anämie, Blutarmut;

Ketose (Rd.); Diarrhöen;

Stomatitis; Inkoordination (Schwein)

Austern,

Muscheln 2 µg

(B2) Folsäure Reifung der roten Blutkörperchen; Über- tragung aktiver Methylgruppen bei der DNA- Synthese

Makrozytäre, hypochrome Anämie, verminderte Federqualität (Geflügel)

Grüne Blattge- müse, Leber

1,0 – 2,0 mg

(B2) Pantothen-

säure Bestandteil von Coenzym A; Übertragung von Acetyl-CoA auf Oxalacetat; Beteiligung bei der β-Oxidation und der Synthese von Fettsäuren, Steroiden und Phosphatiden

Fettige Leberdegenera- tion; retardiertes Wach- stum; exsudative Der- matitis (Geflügel)

Niere,

Hefe 3,0 – 5,0 mg

(B2) Nicotinamid Physiologischer Wasserstoffüberträger;

Bestandteil von NAD+ und NADP+; Coenzym von Dehydrogenasen

Pellagra; Ulzera und schwarze Verfärbung der Mundschleimhaut;

intestinale Nekrosen (Schwein)

Hefeprodukte, Fleisch, Leber, Reiskleie

15 – 20 mg

(B4) Cholin Bildung von Acethylcholin und Lecithin;

Methylgruppendonator Perosis (Geflügel), Inkoordination (Schwein) H (B7) Biotin Prosthetische Gruppe von Carboxylasen;

Bildung des Coenzyms Carboxybiotin, das zur Synthese in Pyrimidinnucleotiden führt

Dermatitis, Haarausfall;

embryonale Schäden;

spastische Lähmungen

Hefeprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse

0,1 mg

(15)

7 2.3. Thiamin / Vorkommen

Thiamin kommt in tierischen und pflanzlichen Lebens-, sowie Futtermitteln relativ weit verbreitet in unterschiedlichen Bindungsformen vor. Thiamin ist auch ein Stoffwechselprodukt vieler Bakterien und nimmt in Form seines Diphosphorsäureesters (Thiamindiphosphat) wichtige Stoffwechselfunktionen als prosthetische Gruppe bzw. als Coenzym wahr (EISENBRAND u. SCHREIER, 2006).

Wiederkäuer können durch ihre Pansenbakterien Vitamin B1 selbst synthetisieren, wenn eine adäquate Versorgung der Pansenmikroorganismen mit Substraten gewährleistet ist und sind weitestgehend von der exogenen Zufuhr an B-Vitaminen unabhängig (BREVES et al., 1980, BREVES et al., 1981; KIRCHGESSNER, 2004). Pflanzenfresser mit großem Caecum beziehen ebenfalls einen großen Teil der Vitamine aus der bakteriellen Eigensynthese (KIRCHGESSNER, 2004).

In Hefen, Leguminosen, Getreide und Schweinefleisch finden sich besonders hohe Konzentrationen (SOUCI et al., 2008). Getreidekeimlinge und Vollkornprodukte sind wichtige Thia-minlieferanten, da besonders die Randschichten des Getreidekorns, Keim- und Aleuron-schicht viel Thiamin enthalten (EISENBRAND u. SCHREIER, 2006). Dabei befinden sich ca. 62 % des Thiamingehaltes im Keim und ca. 32 % des Thiamins in der Aleuronschicht. Der geringste Anteil von ca. 6 % des Thiamingehaltes befindet sich in dem Endosperm (Abb. 28). Diese Angaben können je nach Art und Sorte stark variieren (MICHELA u. LORENZ, 1976). Für die praktische Ernährung spielt der Thiamingehalt in Getreide und Getreideprodukten eine wesentliche Rolle. Die besonders thiaminreiche Keim- und Aleuronschicht geht jedoch bei der Herstellung fein ausgemahlener Mehle verloren (COPPOCK et al., 1956; HERRMANN u. TUNGER, 1966; BATIFOULIER et al., 2006), so dass Weißmehle (Tab. 2) nicht ausreichend zur Deckung des Bedarfs beitragen. Dies gilt gleichermaßen für geschälten Reis, der gegenüber dem Vollkornreis nur noch einen geringen Anteil der anfänglichen Thiaminkonzentration enthält (BELITZ et al., 2001).

Unter den tierischen Produkten stellt das Schweinefleisch den wichtigsten Thiaminlieferanten dar. Auch Schweineleber hat eine hohe Konzentration (ca. 0,31 mg/100 g) an Thiamin. Im Vergleich zu Rind- und Kalbfleisch weist Schweinefleisch einen bis zu 10-fach höheren Vi-

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8

tamin B1-Gehalt auf. Relativ reich an Vitamin B1 sind Herzmuskel, Gehirn, Leber und Nieren (Tab. 3). Der höchste Thiamingehalt (ca. 0,90 mg/100 g) befindet sich beim Schwein in der Skelettmuskulatur. Bei der Rindermuskulatur ist der Thiaminanteil mit 0,08 mg/100 g im Vergleich zum Schwein sehr gering (Tab. 2). Im Nervensystem, wie auch in vielen pflanz- lichen und tierischen Zellen liegt Thiamin hauptsächlich in Form von Thiamindiphosphat (TDP) vor. Über 80 % des Thiamins im Nervengewebe liegt in phosphorylierter Form als TDP vor, ein geringer Teil als Thiaminmonophosphat (TMP) und ca. 5 – 15 % als Thiamintriphosphat (TTP) (COOPER u. PINCUS, 1979; RINDI et al., 1981). In der Muskula- tur von Schweinen und Hühnern befindet sich sogar ein Thiamintriphosphatanteil von bis zu 80 % des Thiamingesamtgehaltes (EGI et al., 1986; KAWASAKI u. EGI, 2000). Die Anwesenheit von Thiamintetraphosphat als fünfte Thiaminverbindung wird in der Literatur beschrieben, ist aber noch nicht überprüft und bestätigt (COOPER u. PINCUS, 1978; EGI et al., 1986; KAWASAKI u. EGI, 2000; EGI u. KAWASAKI, 2003; TERNES et al., 2007).

Untersuchungen von Tallaksen et al. (1993) haben gezeigt, dass nur unphosphoryliertes Thiamin mit dem Urin ausgeschieden wird. Im Plasma befindet sich hauptsächlich unphosphoryliertes Thiamin neben TMP und TDP, (TALLAKSEN et al., 1993) und in der Cerebrospinalflüssigkeit (Liquor) hauptsächlich TMP (RINDI et al., 1981). Liquor wird von den Plexus choroidei gebildet und füllt das gesamte Hohlraumsystem des Gehirns, den Zentralkanal des Rückenmarks sowie die Subarachnoidalräume der Meningen aus und kann mittels einer Okzipital- oder einer Lumbalpunktion gewonnen werden. Anatomisch geeignete Zugänge sind das Foramen lumbosacrale und die Cysterna magna in der atlantookzipitalen Region (NICKEL et al., 1992; WIESNER u. RIBBECK, 2000). Die höchsten Thiamingehalte werden beim Menschen in den ersten 4 Monaten nach der Geburt gefunden. Mit zunehmen- dem Alter nehmen die Gehalte ab (BETTENDORFF et al., 1996a). Da phosphorylierte Ver- bindungen nicht resorbiert werden können, muss der Phosphatrest an der Darmwand enzyma- tisch gespalten werden, bevor Thiamin aktiv resorbiert wird (RINDI u. LAFORENZA, 2000).

In Pflanzen kommt dagegen vor allem freies an Protein gebundenes, nicht phosphoryliertes Thiamin vor, welches somit direkt dem Organismus zur Verfügung steht (EGI u.

KAWASAKI, 2003). Die Gewinnung von Thiamin erfolgt heute fast ausschließlich auf synthetischem Weg, wobei Thiamintriphosphat zurzeit nicht mehr hergestellt wird.

(17)

9

Weiterhin wird in der Aromaforschung Thiamin als Vorläufermolekül mit berücksichtigt. Die Aromastoffe 2-Methyl-3-furanthiol (MFT) und Bis(2-methyl-3-furfuryl)-disulfid können im Fleisch durch Hydrolyse von Thiamin entstehen (BELITZ et al., 2001; TERNES, 2007). Auf diese Eigenschaft des Thiamins wird aber in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen.

Tab. 2: Vitamin-B1-Gehalte verschiedener Lebensmittel (nach SOUCI et al., 2008)

Lebensmittel

Vitamin-B1- Gehalt in [mg/100 g]

Lebensmittel

Vitamin-B1- Gehalt in [mg/100 g]

Kuhmilch, roh 0,04 Roggenmehl Typ 1370 0,30

Hühnereiweiß 0,29 Roggenschrot Typ 1800 0,30

Rindfleisch, Muskel 0,08 Triticale 0,36

Schweinefleisch, Muskel 0,90 Weizen, ganzes Korn 0,46

Kalbsleber 0,28 Weizenmehl Typ 405 0,06

Schweineleber 0,31 Weizenmehl Typ 550 0,11

Hühnerleber 0,32 Weizenmehl Typ 630 0,12

Schweineniere 0,34 Weizenmehl Typ 812 0,26

Gerste, entspelzt 0,43 Weizenmehl Typ 1050 0,43

Hafer, entspelzt 0,67 Weizenmehl Typ 1700 0,47

Mais, ganzes Korn 0,36 Weizenkeime 2,00

Roggen, ganzes Korn 0,35 Weizenkleie 0,65

Roggenmehl Typ 815 0,18 Bäckerhefe, trocken 1,43

Roggenmehl Typ 997 0,19 Bierhefe, getrocknet 12,0

Roggenmehl Typ 1150 0,22

Tab. 3: Thiamingehalte in verschiedenen Organen

Organ Tierart Thiamingehalt

[µg/g] Literaturstelle

Gehirn Ratte 4,55 Egi et al., 1986

Großhirnrinde Ratte 3,21

Iwata et al., 1988

Kleinhirn Ratte 3,83

Herz Ratte 8,18

Niere Ratte 8,14

Leber Ratte 15,36

Magen Lunge Meerschwein Schwein 4,10 1,71 Egi et al., 1986

#

(18)

10

2.4. Chemisch-physikalische Eigenschaften von Thiamin und Thiaminphosphatestern

Thiamin (Vitamin B1), früher auch als Aneurin (von Anti-Polyneuritis-Vitamin) oder Antiberiberifaktor bezeichnet, ist heute der zulässige internationale Frei- und Trivialname.

Seine Struktur wurde als 3-[(4-Amino-2-methyl-5-pyrimidinyl)-methyl]-5-(2-hydroxyethyl)- 4-methylthiazoliumchlorid, mit der Summenformel C12H17ClN4OS und einem Molekularge- wicht von 300,81 g/Mol 1936 von Williams aufgeklärt (WILLIAMS u. CLINE, 1936).

Das Thiaminchlorid-Hydrochlorid (Abb. 1) mit der Summenformel C12H18Cl2N4OS und einem Molekulargewicht von 337,27 g/Mol bildet farblose, rosettenförmige, monokline Kris- talle mit geringem hefeartigem fauligem Geruch und bitterem Geschmack. Der Schmelzpunkt liegt bei 248 °C und darüber hinaus findet eine Zersetzung statt. Das Absorptionsmaximum liegt im UV-Bereich bei 235 nm. Es ist löslich in Wasser, Methanol und Glycerin, schwerlös- lich in Ethanol und Aceton, und praktisch unlöslich in Ether, Benzol, Hexan, Chloroform und im alkalischen Medium unbeständig (FALBE u. REGITZ, 1992).

OH CH3

NH3+

C

H3 N

N

S

N+ 2 Cl-

Pyrimidin Thiazol

Abb. 1: Strukturformel von Thiaminchlorid-Hydrochlorid

Es besteht aus einem Pyrimidinring, und einem Thiazolkern, die über eine Methylenbrücke miteinander verbunden sind. Bei der Einwirkung von schwefliger Säure oder Sulfiten auf Thiamin erfolgt eine Spaltung der benzyklischen Bindung in 5-(4-Amino-2-methyl)- pyrimidinyl-methansulfonsäure (Abb. 2) und 5-(2-Hydroxyethyl)-4-methyl-thiazol (Abb. 3).

Thiaminverbindungen liegen durch den quaternären Stickstoff im Thiazolring als positiv geladene, kationische Salze vor und sind in wässriger Lösung relativ instabil und werden zur Thiolform (Abb. 9) gespalten (BEYER u. WALTER, 1991).

(19)

11

In trockener Form ist Thiamin bis 100 °C stabil. Wässrige Thiaminlösungen sind bei pH < 5,5 am stabilsten, nicht aber in neutralem oder alkalischem Milieu (EGI u. KAWASAKI, 2003).

Auch Lagerungsversuche in verschiedenen Puffersystemen zeigen deutliche Unterschiede in den verschiedenen pH-Bereichen. Die Lagerung von Thiamin bei einem pH-Wert 4 – 5 ist stabiler in Phosphatpuffer als in Citratpuffer (PACHAPURKAR u. BELL, 2005). Desweite- ren sind diese Lösungen thermolabil und oxidieren bei Lichteinwirkung. Das Thiamin- Molekül besitzt eine hohe Struktur- und Konstitutionsspezifität, so dass bereits geringe Ver- änderungen am Molekül die Vitaminwirkung herabsetzen bzw. zu Unwirksamkeit (Antivita- mine, s. Kap. 2.7.1.) führen können (EGI u. KAWASAKI, 2003).

H3C

NH2

N

N S

O O

O H

OH CH3

S N

Abb. 2: 5-(4-Amino-2-methyl) - Abb. 3: 5-(2-Hydroxyethyl)- pyrimidinyl-methansulfonsäure 4-methylthiazol

Thiaminmonophosphat (TMP, Mr 380,78 g/Mol) ist das Reaktionsprodukt aus 2-Methyl-4- amino-5-hydroxymethylpyrimidin und 4-Methyl-5-(-hydroxyethyl)-thiazol, katalysiert durch die Pyrimidinkinase, Thiazolkinase und der Thiazolphosphatsynthase unter Verbrauch von Adenosintriphosphat (ATP) und Magnesium-Ionen und damit das Vorläufermolekül für Thiamin (T) und Thiamindiphosphat (TDP) und Thiamintriphosphat (TTP) (Abb. 13) (HAAS, 1988). TMP kann im Organismus nicht direkt zu TDP phosphoryliert werden. RINDI et al.

fanden bereits (1981) durch elektrophoretisch-fluorimetrische Untersuchung der Cere- brospinalflüssigkeit (CSF) von Ratten und Menschen heraus, dass in der CSF nur freies Thiamin und TMP vorkommt. TMP scheint ein extrazellulär zirkulierendes Produkt des intrazellulären Katabolismus der Thiaminphosphate zu sein, da nach elektrischer Stimulation von Nervengewebe auch nur eine Freisetzung von freiem Thiamin und TMP erfolgt (ITOKAWA u. COOPER, 1970; COOPER u. PINCUS, 1979). TMP kommt in den meisten Geweben vor und ist die Hauptkomponente in Blut, Plasma und Serum (BETTENDORFF et al., 1996a, ZHAO et al., 2002).

(20)

12

Thiamindiphosphat (TDP, Thiaminpyrophosphat, Cocarboxylase) ist mit der Sum- menformel C12H18N4O7P2S und einem Molekulargewicht von 424,31 g/Mol die aktive Form des Vitamin B1 und liegt größtenteils in dieser Form im Organismus vor (Abb. 4), welches als Coenzym im Zitronensäurezyklus bei der Übertragung von Hydroxy-Alkylresten (aktive Aldehydgruppen) im Stoffwechsel bei der α-Ketoglutarat-Decarboxylase und der Pyruvat- Dehydrogenase mitwirkt (FALBE u. REGITZ, 1992).

NH2

O CH3

C

H3 N

N

S N+

P O O OH

P O OH

OH

Abb. 4: Strukturformel von Thiamindiphosphat „Cocarboxylase”

Das Hydrochlorid mit der Summenformel C12H19ClN4O7P2S und einem Molekulargewicht von 460,79 g/Mol bildet wasserlösliche Kristalle. Der Schmelzpunkt liegt bei 240 – 244 °C und bei höherer Temperatur findet eine Zersetzung statt. TDP ist als Coenzym bzw.

prosthetische Gruppe bei einer Vielzahl von Reaktionen beteiligt, bei denen C-C-Bindungen gespalten werden, z. B. bei der oxidativen Decarboxylierung von Pyruvat zu Acetyl-CoA (Abb. 14, Kap. 2.5.2.1.), von α-Ketoglutarat zu Succinyl-CoA (Zitronensäurezyklus, Abb. 15, Kap. 2.5.2.2.) und bei der Transketolasereaktion (Abb. 16, Kap. 2.5.2.3.) (FALBE u.

REGITZ, 1992).

Thiamintriphosphat (TTP) hat vermutlich wichtige spezifische Funktionen im Nervenstoff- wechsel (ITOKAWA u. COOPER, 1968; COOPER u. PINCUS, 1979; BETTENDORFF et al., 1996a). TTP spielt auch wahrscheinlich eine Rolle bei der Aktivierung des Chlorid- Kanals und damit der Membranpermeabilität (BETTENDORFF et al., 1993a, 1993b und 1996a, 1996b; BENDER, 1999). Die elektrische Stimulation von Nervengewebe führt zu ei- ner Freisetzung von T und TMP. Diese Freisetzung scheint die Folge einer Hydrolyse von

(21)

13

TTP und TDP zu sein. Dieses Phänomen macht es schwierig, die Funktion in Nervenleitun- gen zu interpretieren (LONDSDALE, 2006).

BETTENDORFF et al. (1987) diskutierten die physiologische Signifikanz von TTP im elektrischen Organ von Electrophorus electricus, welches 87 % TTP in dem Gewebe aufweist sowie die Anwesenheit einer membranassoziierten Thiaminphosphatase. Inkubationsversuche von BETTENDORFF et al. (1993a) an homogenisierten Rattenhirnen mit Thiamin und TDP haben gezeigt, dass TTP synthetisiert wird.

NISHINO et al. beschreiben bereits (1983) für die Synthese von TTP eine „protein-bound thiamin diphosphate-ATP phosphoryl-transferase“, die sie aus Rattenleber isoliert haben.

Durch weitere Untersuchungen scheint TTP die Funktion eines Aktivators für die Permeabili- tät der Chlorid-Kanäle zu besitzen (BETTENDORF et al., 1993b; KAWASAKI u. EGI, 2000). TTP ist nach Studien zufolge wahrscheinlich auch mit dem Protein des Natrium- Kanals verbunden (ITOKAWA u. COOPER, 1970; HAAS, 1988). Es könnte sein, dass die durch Auslösung von Nervenimpulsen aktivierte Dephosphorylierung von Thiaminphospha- ten eine Veränderung der Membrandurchlässigkeit auch für Natrium-Ionen zur Folge hat (ITOKAWA u. COOPER, 1970).

Einen besonderen Hinweis auf TTP, als die neurophysiologisch aktive Form, liefert das Leigh-Syndrom, eine genetisch bedingte subakut-nekrotisierende mitochondriale Enzephalopathie (MCBURNEY et al., 1980, RIEDE et al., 2004). Bei dieser Erkrankung findet man einen TTP-Mangel im Gehirn und einen Hemmstoff der Synthese von TTP aus TDP in vielen Geweben und Körperflüssigkeiten (MURPHY u. CRAIG, 1973; COOPER u.

PINCUS, 1979). Das Leigh-Syndrom ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Enzephalopathie im Säuglingsalter. Die betroffenen Patienten zeigen neurologische Symptome, die durch nekrotisierende Prozesse im Hirnstamm, Kleinhirn und Rückenmark verursacht werden. Der Tod tritt relativ schnell ein. Vermutlich basiert der Defekt auf einer Störung der TTP-Synthese (RIEDE et al., 2004). Die genaue Funktion von TTP ist bis heute noch nicht eindeutig aufgeklärt (LONDSDALE, 2006).

(22)

14

2.4.1. Thiamintetraphoshat oder Adenosinthiamintriphosphat (AThTP)

KAWASAKI und EGI (2000) beobachteten bei ihren Untersuchungen von Schweine- muskulatur ein regelmäßiges Auftreten einer fünften Verbindung nach der Retention von TTP, so dass sie daraus schlossen, dass es sich bei dieser Verbindung mit großer Wahrschein- lichkeit um Thiamintetraphosphat handeln könnte (Abb. 5). Die Derivatisierung zu Thio- chrom und Thiochromphosphaten erfolgte mittels alkalischer Bromcyan-Lösung und wurde anschließend mit HPLC analysiert. Die Komponenten wurden auf einer LiChrosorb-NH2- Säule absorbiert und mit Acetonitril / 90 mM Phosphatpuffer (pH 8,4) eluiert und spektralfo- tometrisch bestimmt.

Abb. 5: Typisches Chromatogramm von Thiaminphosphaten in Schweinemuskulatur A) Schweinemuskelextrakt; B) Schweinemuskelextrakt aus A plus 1 pmol TTP umgesetzt zu Thiochromtriphophat (Standardaddition)

Peak 1= Thiamin, 2= TMP, 3= TDP, 4= TTP, 5= unbekannt (KAWASAKI u. EGI, 2000)

BETTENDORFF et al. veröffentlichten (2007) die Entdeckung einer bis dahin unbekannten Thiaminverbindung, die ebenfalls nach Thiochromtriphosphat retardiert wird (Abb. 6). Die Bestimmung der Thiaminkomponenten und der Adenosinnukleotide erfolgte mittels HPLC- FD. Die Analyse erfolgte nach Derivatisierung in fluoreszierende Thiochromderivate mittels einer Hamilton-PRP®-1-Säule. Die mobile Phase setzt sich aus 25 mM Tetra-n- butylammoniumhydrogensulfat, 50 mM NaH2PO4 (pH 7) und 15 % Methanol zusammen. Die Flußrate beträgt 1 mL/min.

(23)

15

Abb. 6: Chromatogramm von TTP (3) und einer zusätzlichen Verbindung (4) 1= TMP, 2= TDP, 3= TTP, 4= AThTP

a) Inkubation (1h, 37 °C) mit Glukose b) Inkubation (1h, 37 °C) ohne Glukose

(BETTENDORFF et al., 2007)

Sie isolierten diese Verbindung aus Escherichia coli und reinigten den Extrakt mittels HPLC auf, sammelten mehrere Fraktionen und lyophilisierten die gewonnene Fraktion. Dieses Lyophilisat wurde massenspektrometrisch (High-resolution ESI-FT-ICR-MS) und mittels magnetischer Kernresonanz (1H-NMR) untersucht. Sie ermittelten eine Massenzahl von 754,097, welche mit der Formel C22H31N9O13P3S+ übereinstimmt. Die Massenzahl von 348,1 ließ sich dem Adenosinmonophosphat-Molekül zuordnen. Sie kamen durch weitere Untersuchungen zu dem Schluss, dass es sich bei dieser isolierten Verbindung um Adenosinthiamintriphosphat (AThTP) handelt (Abb. 7).

Abb. 7: Struktur von AThTP (BETTENDORFF et al., 2007)

(24)

16

Desweiteren waren sie in der Lage durch Inkubationsversuche des Bakteriums Escherichia coli ohne Zusatz einer Glukoselösung (Abb. 6 b) und unter Ausschluss einer Kohlenstoffquel- le diese Verbindung zu synthetisieren und ebenfalls durch MS und NMR nachzuweisen. Mit Zusatz von Glukose (Abb. 6 a) bildete sich mehr TTP. Neben dem Vorkommen in Escheri- chia coli gelang auch der Nachweis von AThTP in pflanzlichen und tierischen Geweben.

Außerdem zeigten sie für Escherichia coli die Anreicherung von AThTP bei Hungerstress in Abwesenheit von Kohlenstoff und vermuten deshalb eher eine Signalfunktion als die Funktion als Cofaktor (BETTENDORFF et al., 2007).

Auch bei der Aufbereitung des frischen Schweinefleisches zeigt sich regelmäßig ein fünfter Peak (Abb. 68) nach der Retention von TTP. Auch hier liegt der Verdacht nahe, dass es sich um Thiamintetraphosphat, auf Grund seines Abbauverhaltens, handeln könnte. Dieser Peak wird derzeit ebenfalls im hiesigen Institut fraktioniert, lyophilisiert und anschließend massenspektrometrisch untersucht.

2.4.2. Oxidation von Thiamin zu Thiochrom

Für die chemische Bestimmung von Thiamin ist Thiochrom (Abb. 8) die wichtigste Verbin- dung. Thiamin wird im alkalischen Medium durch Bromcyan (ISHII et al., 1979; RATA- NOUBOLCHAI u. PANIJPAN, 1979; RATANOUBOLCHAI et al., 1980; RATA- NOUBOLCHAI et al., 1981; RETTENMAIER et al., 1979; EGI et al., 1986; IWATA et al., 1988; MIYOSHI et al., 1990), Kaliumhexacyanoferrat (KIMURA et al., 1982; BONTEMPS et al., 1984; VANDERSLICE u. HUANG, 1986; BETTENDORFF et al., 1991; SANDER et al., 1991; GAUCH et al., 1992; ALYABIS u. SIMPSON, 1993; TALWAR et al., 2000;

VINAS et al., 2003a, 2003b; BATIFOULIER et al., 2005a; STEPURO, 2005) oder Quecksil- berchlorid (WEBER u. KEWITZ, 1985) zu Thiochrom oxidiert. Es entsteht eine stark fluo- reszierende Verbindung.

Thiaminphosphatester werden ebenfalls zu den entsprechenden Thiochromphosphaten (Thiochrom – mono-, di (pyro)- und triphosphat) umgesetzt. Thiochrom und Thiochromphos- phate zeigen eine starke Fluoreszenz bei einem pH-Wert > 8 und besitzen ein identisches An- regungsmaximum bei einer Wellenlänge von 375 nm und ein sehr ähnliches Fluoreszenzma-

(25)

17

ximum in der Nähe von 432 bis 435 nm. Alkalische Thiochrom- und Thiochromphosphat- Lösungen von einem pH-Wert > 9 sind bei Raumtemperatur weniger als drei Tage stabil. Bei einer Temperatur von ca. 95 °C und einer Reaktionszeit von ungefähr 10 Minuten wird Thiochromdiphosphat und Thiochromtriphosphat in einer 0,1 molaren Salzsäurelösung quan- titativ zu Thiochrommonophosphat umgesetzt.

Ein weiteres Thiaminderivat ist Hydroxyethyl-TDP, welches in alkalischem Medium durch Kaliumhexacyanoferrat zu der entsprechenden Thiochromverbindung oxidiert wird. Diese Umsetzung zu Thiochrom findet jedoch mit Bromcyan als Oxidationsmittel nicht statt. Dieses unterschiedliche Reaktionsvermögen ist für die Thiaminbestimmung nützlich (KAWASAKI u. EGI, 2000; EGI u. KAWASAKI, 2003).

CH2CH2OH C

H3 N NH2 N

CH3

S N+

CH2CH2OH CH3

C H3 N

N N

N S

Thiamin Thiochrom

alkalische Oxidation OH-

Abb. 8: Thiochrom-Reaktion

2.4.3. Stabilität von Thiamin und Thiaminphosphaten

Eine Besonderheit zeigt das Verhalten der Moleküle in neutraler (Abb. 9), wässrig saurer (Abb. 10) und alkalischer (Abb. 11) Lösung. In wässrig, neutraler Lösung besteht ein Gleich- gewicht zwischen der geschlossenen Thiazol- und der offenen Thiolform (Abb. 9).

O H C

H3

NH2

N N

CH2CH2OH CH3

S H N C

H3

NH2

N N

CH2CH2OH CH3

S

N+ H20

Thiazol-Form Thiol-Form

Abb. 9: Gleichgewicht von Thiamin in neutraler, wässriger Lösung

(26)

18

Das Gleichgewicht liegt im sauren pH-Bereich (Abb. 10) auf der Seite der geschlossenen Thiazol-Form, im alkalischen pH-Bereich (Abb. 11) auf der Seite der offenen Thiol-Form.

Beide Formen zeigen biologische Wirksamkeit (DANNHARDT u. EGER, 1985).

Oxythiamin (Abb. 10) besitzt keine Vitaminwirkung mehr und gilt als Antivitamin, durch das versuchsweise Vitamin B1-Mangelerscheinungen erzeugt werden können (DANNHARDT u.

EGER, 1985). Oxythiamin soll Studien zur Folge eine inhibitierende Wirkung auf die Prolife- ration von Ehrlich-Tumorzellen besitzen (BOROS et al., 1997; RAIS et al., 1999).

Die geschlossene Thiazol-Form (Abb. 10) zerfällt in verdünnten Säuren an der Methylen- brücke in Pyramin und in das entquarternisiertes Thiazol (Abb. 10). (MULLEY et al., 1975;

BEYER u. WALTER, 1991).

C H3

NH2

N N

CH2CH2OH CH3

S N+

O

CH2CH2OH CH3

C

H3 N

N H

S N+

Oxythiamin

CH2OH

C H3

NH2

N N

CH2CH2OH CH3

S N

Pyramin

+

konz. Säure verd. Säure

entquarternisiertes Thiazol

Abb. 10: Reaktion von Thiamin in saurer Lösung

In schwach alkalischem Medium (Abb. 11) erfolgt die Bildung der ringoffenen Thiol-Form (DANNHARDT u. EGER, 1985). Ebenso können sich zwei offene Thiol-Moleküle unter Anwesenheit von Sauerstoff zu Thiamindisulfid verbinden (STEPURO, 2005).

In stark alkalischen Lösungen fungiert die 4-Aminogruppe als Nucleophil, wobei spontan das gelbe Thiolatsalz gebildet wird (Abb. 11). Durch Zugabe von Säure ist die Reaktion rever- sibel, bzw. hydrolisiert nach längerem Stehenlassen in die Thiol-Form. Bei Anwesenheit von

(27)

19

Oxidationsmitteln reagiert das Thiolatsalz irreversibel zu Thiochrom (DANNHARDT u.

EGER, 1985).

C H3

N H2

N N

CH2CH2OH CH3

S N+

O

H CH2CH2OH CH3

C H3

N H2

N N

S N

C H3

N H2

N N

O

H CH2CH2OH CH3

S H N

S C

H3

CH2CH2OH CH3

N

N N

N -

CH2CH2OH C

H3

CH3

N

N N

N S

Oxidationsmittel Hydrolyse

Thiochrom

gelbes Thiolatsalz Thiol-Form

Thiamin

OH-

alkalisches Medium

Abb. 11: Reaktion von Thiamin in alkalischer Lösung (nach DANNHARDT u. EGER, 1985)

TDP ist in trockenem Zustand für mehrere Monate bei Lagerung in der Kälte und unter Licht- ausschluss stabil. In wässriger Lösung ist TDP instabil und zerfällt teilweise in TMP und/oder in T bei einer Lagerung bei einem pH-Wert von 5 und einer Temperatur von 38 °C. TDP- Lösungen sind bei einem pH-Wert von 2 - 6 und bei einer Temperatur von 0 °C für ungefähr 6 Monate stabil. In wässriger Lösung ist TTP bei einer Lagertemperatur von minus 80 °C für ungefähr 6 Monate stabil. Wässrige TDP-Lösungen weisen bei minus 20 °C eine ähnliche Lagerungsstabilität auf (KAWASAKI u. EGI, 2000).

(28)

20

Die Bindung von Thiamin an ein Protein soll dieses Vitamin stabilisieren und weitgehend Lagerungsverluste verhindern (WITTE, 1998; GOLDA et al., 2004).

Thiaminverluste (Abb. 12) liegen bei sachgemäßer Lagerung und Zubereitung von Lebens- mitteln bei pflanzlichen Lebensmitteln zwischen 10 und 30 % und bei tierischen Lebensmit- teln zwischen 10 und 70 %, die durch thermische Abbauverluste bedingt sind (BATI- FOULIER et al., 2006).

Abb. 12: Thiaminverlust in Schweinefleisch (nach SCHWEDT, 2005)

Lebensmittel können zur Konservierung und Keimabtötung radioaktiv bestrahlt werden.

Thiamin (Vitamin B1) gilt als das auf radioaktive Strahlung und auf Hitzeeinfluß am empfindlichsten reagierende Vitamin aller wasserlöslichen Vitamine. Aus diesem Grund wird Thiamin wird als guter Indikator für den generellen Vitaminverlust in der Lebens- mittelindustrie in Betracht gezogen (KHATTAK u. KLOPFENSTEIN, 1989; GRAHAM et al., 1998).

Zur besseren Übersicht sind im Anhang 8.5. die verschiedenen Thiaminderivate mit ihren zugehörigen Summenformeln und molekularen Massen in Tabelle 65 nochmals aufgeführt.

(29)

21

2.4.4. Biosynthese von Thiamin und seinen Phosphatestern

CH2OH

C H3

NH2

N N

CH2OPO3H2

C H3

NH2

N N

CH2OP2O6H3

C H3

NH2

N N

CH2CH2OH CH3

S

N CH2CH2OPO3H2

CH3

S N

ATP ADP

Mg2+

ATP ADP

Mg2+

ATP ADP

Mg2+

CH2CH2OPO3H2 CH2

N H2

C

H3 N

N

C H3

S N+

CH2 C

H3

N H2

N

N CH2CH2OH

C H3

S N+

CH2CH2OP2O6H3 CH2

N H2

C H3 N

N

C H3

S N+

CH2CH2OP3O9H4 CH2

N H2

C H3 N

N

CH3

S N+

ATP

ADP Mg2+

ATP

ADP Mg2+

Phosphatase

Thiaminmonophosphat (TMP)

Thiamin (T)

Diphosphokinase

Thiamindiphosphat (TDP)

Triphosphat-phosphoryltransferase

Thiamintriphosphat (TTP)

2-Methyl-4-amino-5-hydroxymethylpyrimidin

4-Methyl-5-(2-hydroxyethyl)-thiazol

anorg. Diphosphat

Abb. 13: Biosynthese von Thiamin und Thiaminphosphatestern(nach HAAS, 1988)

(30)

22

Pflanzen und die meisten Mikroorganismen (z. B. Saccharomyces cerevisiae, Staphylococcus aureus) können Thiamin leicht aus den Vorstufen 2-Methyl-4-Amino-5-Hydroxymethyl- pyrimidin und 4-Methyl-5-(2-Hydroxyethyl)-thiazol synthetisieren (Abb. 13) (BELANGER et al., 1995; NOSAKA, 2006; SPENSER u. WHITE, 2006). Durch Versuche mit Enzympräpa- raten wurden folgende Reaktionsschritte der Thiaminsynthese nachgewiesen. Die Pyrimidin- und Thiazolkomponente (Abb. 13) werden durch ATP und Mg2+ zunächst phosphoryliert und dann in einer Mg2+-katalysierten Reaktion durch die Thiaminmonophosphatsynthetase zu TMP vereinigt, das durch Hydrolyse zu Thiamin umgebaut wird (HAAS, 1988).

Zur Thiaminsynthese ist eine Reihe von Mikroorganismen befähigt (SPENSER u. WHITE, 1997). Viele Mikroorganismen synthetisieren Thiamin selbständig (z. B. Escherischia coli, Bacillus subtilis), während andere nur die Pyrimidin- (Mucor ramminanus) oder die Thiazol- Komponente (Brucella sp.) selbst produzieren können und somit die entsprechend andere Vorstufe im Nährmedium benötigen (MAKARCHIKOV et al., 2003). Einige Mikroorganismen können weder die eine noch die andere Vorstufe selbst bereitstellen und sind somit auf beide angewiesen. Die weitere Reaktion zum TDP kann somit auf zwei unterschiedlichen Wegen stattfinden (SPENSER u. WHITE, 1997).

Aerobe Bakterien und Hefen sind nicht in der Lage aus TMP direkt durch Phosphorylierung TDP zu synthetisieren. Bei diesem Weg muss TMP erst zu Thiamin dephosphoryliert werden, um anschließend mit Pyrophosphat (PP) zu TDP umgesetzt zu werden. Vergleichend dazu sind Enterobakterien in der Lage direkt aus TMP TDP zu synthetisieren (SPENSER u.

WHITE, 1997).

ABDERHALDEN und ABDERHALDEN haben bereits (1938) gezeigt, dass eine B1- Avitaminose bei Tauben durch die gleichzeitige Verabreichung der Thiazol- und der Pyrimidinkomponente geheilt werden kann. Daraus wurde geschlossen, dass auch der Taubenorganismus zur Vitamin-B1-Synthese befähigt ist.

(31)

23 2.5. Physiologie

Die Resorption von Thiamin kann aktiv und passiv erfolgen. Dies hängt von der aufgenom- menen Thiaminkonzentration ab. Bei niedrigen Konzentrationen im Lebens- bzw. Futtermittel wird das Thiamin über einen Na+- abhängigen aktiven Transportmechanismus aufgenommen.

Bei hohen Konzentrationen von Thiamin wird es durch passive Diffusion aufgenommen (RINDI u. LAFORENZA, 2000; EGI u. KAWASAKI, 2003; HOFFMAN, 2006).

Die gastrointestinale Resorption von alimentärem Vitamin B1 findet nach vorausgegangener Dephosphorylierung durch unspezifische Phosphatasen hauptsächlich im proximalen Jejunum statt (SAID, 2003). Für das mit der Nahrung aufgenommene Vitamin B1 wird ein dosis- abhängiger dualer Transportmechanismus angenommen. Es erfolgt eine aktive Energie- und natriumabhängige Resorption bei Konzentrationen unterhalb 2 µmol/L durch einen aktiven Carriermechanismus entgegen des Konzentrationsgefälles und oberhalb von 2 µmol/L durch passive Diffusion, d. h. natriumunabhängig (RINDI u. VENTURA, 1972; RINDI u.

LAFORENZA, 2000; EGI u. KAWASAKI, 2003).

Lipidlösliche Formen wie die Allithiamine, die sich unter physiologischen Bedingungen spontan aus Allicin, dem Wirkstoff aus Knoblauch und Zwiebeln, und Thiamin bilden können (TERNES et al., 2007), werden sehr gut und ausschließlich über passive Diffusion nahezu vollständig aus dem Darmtrakt resorbiert (BAKER u. FRANK, 1976).

Während des mukosalen Transports finden Phosphorylierungs- und Dephosphorylierungs- reaktionen unter ATP-Verbrauch statt. Dabei gelangt das Thiamin über die Pfortader in die Leber und über den enterohepatischen Kreislauf in tiefere Darmregionen, in denen es kaum rückresorbiert wird. Die nachfolgende natriumunabhängige intrazelluläre Phosphorylierung ist der geschwindigkeitslimitierende Schritt im aktiven Transport in und durch die Mukosa- zelle (RINDI u. VENTURA, 1972; RINDI u. LAFORENZA, 2000; SAID, 2003). Nach Passage durch die Bürstensaummembran der Darmmukosa akkumuliert Thiamin im Zytoplasma durch die Aktivität der Thiaminpyrophosphokinase als TDP und kann nur nach Dephos-phorylierung über TMP zum freien Thiamin die Zelle wieder verlassen (RINDI u.

LAFORENZA, 2000). Der prozentuale Anteil an resorbiertem Thiamin ist hierbei umso größer, je niedriger die applizierte Dosis ist (HOFFMAN, 2006).

(32)

24

Durch Versuche an Ratten mit radioaktiv markiertem Thiamin wurde die Verteilung von freiem Thiamin und Thiaminphosphorsäureestern im Dünndarminhalt und an der Darmwand, Pfortader- und peripherem Blut sowie in der Leber bestimmt. Mit diesem Versuch konnte nachgewiesen werden, dass Thiamin schon überwiegend im Dünndarmlumen nahezu restlos in der Dünndarmwand phosphoryliert wird (SANDER u. GASSMANN, 1967).

Im Pfortaderblut findet auf Grund der Einwirkung von Phosphatase eine teilweise Hydrolyse und in der Leber schließlich erneut eine Veresterung mit Phosphorsäure statt. Aus der charak- teristischen Radioaktivität von Darminhalt, Darmwand und Pfortaderblut geht hervor, dass die Resorption von Thiamin gegen ein Konzentrationsgefälle stattfindet. Durch Ligatur des Gal- len- und Pankreasganges wird die Resorption von Thiamin gehemmt. Die gleichfalls eintre- tende Beeinträchtigung der Thiaminphosphorylierung im Darmlumen ist auf die Ausschaltung einer im Pankreassaft anwesenden Thiaminpyrophosphokinase zurückzuführen, deren Nach- weis in Inkubationsversuchen mit isolierten Dünndarmschleifen erbracht wurde (SANDNER u. GASSMANN, 1967).

Der Transport des Thiamins in den Pfortaderkreislauf der Leber findet vorwiegend durch die Erythrozyten statt, dort liegen über 90 % des Gesamtthiamins als TDP vor. Nur ca. 10 % des Thiamins wird im Plasma, in freier Form und auch an Albumin gebunden, transportiert (LEE et al., 1991; TALLAKSEN et al., 1992; BETTENDORF et al., 1996b). Das Pfortadersystem ermöglicht eine schnelle Metabolisierung des von der Darmschleimhaut resorbierten Thia- mins zu TDP durch die Thiamindiphosphokinase. Während die Leber nur freies Thiamin auf- nimmt, können Herz, Niere und Gehirn auch TMP aufnehmen. Hier finden sich auch, neben der Muskulatur, die höchsten Thiaminkonzentrationen aufgrund der hohen Stoffwechselakti- vität. Vorwiegend in der Leber und teilweise in der Muskulatur findet erneut eine fast vollständige Phosphorylierung des Thiamins zu TDP, mitunter bis zum TTP statt (HAAS, 1988).

Im Vollblut ist Thiamin ungleichmäßig verteilt, und zwar zu 15 % in den Leukozyten, 75 % in den Erythrozyten und 10 % im Plasma, wo es hauptsächlich an Albumin gebunden ist (COOPER u. PINCUS, 1979). Nach der Aufnahme von hohen Thiamindosen ist die Bindungskapazität überschritten, so dass überschüssiges Thiamin über die Nieren ausgeschieden wird (RINDI u. LAFORENZA, 2000; HOFFMAN, 2006).

Referenzen

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