Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik
Thiamin und Thiaminphosphate in der Muskulatur von Schweinen und in Schweinefleischprodukten
- Beiträge zur Kinetik der Transformationsreaktionen von Thiamin -
INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer
Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae –
(Dr. med. vet.)
Vorgelegt von Cornelia Poel aus Göttingen
Hannover 2008
Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. Waldemar Ternes
1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Waldemar Ternes
2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Karl-Heinz Waldmann
Tag der mündlichen Prüfung: 28.05.2008
Diese Arbeit wurde gefördert durch die Fritz Ahrberg Stiftung, Hannover
Meiner Familie
und Sven
Teile dieser Arbeit sind in internationalen Fachzeitungen erschienen:
S. Bäckermann, C. Poel, W. Ternes (2008):
Thiamine Phosphates in Egg Yolk Granules and Plasma of Regular and Embryonated Eggs of Hens and in Five- and Seven-Day-Old Embryos.
Poult. Sci., 87, 108-115
C. Poel und W. Ternes
Degradation and conversion of thiamin and thiamin phosphate esters in pork during storage and in products made of pork.
-eingereicht bei Meat Science-
Teile dieser Arbeit wurden bereits in Form eines Posters präsentiert:
C. Poel und W. Ternes
Untersuchung der Abbauvorgänge von Thiamin in behandeltem und unbehandeltem Schweinefleisch.
IN: Abstracts der Arbeitstagung des Arbeitsgebietes Lebensmittelhygiene (25.09.- 28.09.2007) in Garmisch-Partenkirchen
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...1
2. Literaturübersicht...5
2.1 Eigenschaften des Thiaminhydrochlorids ...5
2.2 Bindungsformen des Thiamins ...5
2.3 Oxidation von Thiamin zu Thiochrom...7
2.4 Stabilität des Thiamin...8
2.5 Physiologische Chemie ...11
2.5.1 Bereitstellung der physiologisch wirksamen Thiaminverbindungen im Organismus...11
2.5.2 Funktionen der Thiaminverbindungen im Organismus ...16
2.6 Thiaminmangel ...27
2.7 Allithiamin und andere Thiaminderivate...30
2.8 Thiaminasen und andere Antithiamine...33
2.9 Thiamingehalt in Nahrungsmitteln...35
2.10 Thiaminphosphatgehalt in Nahrungsmitteln...36
2.11 Minimierung der Thiaminverluste bei der Verarbeitung von Nahrungsmitteln...38
2.12 Analytische Methoden zum Thiaminnachweis...42
2.12.1 Thiaminextraktion ...42
2.12.1.2 Dephosphorylierung...44
2.12.2 Probenaufreinigung ...45
2.12.3 Trennung der Analyten ...45
3. Material und Methoden ...57
3.1 Chemikalien ...57
3.2 Untersuchungsmaterial ...57
3.2.1 Frisches Schweinefleisch...57
3.2.2 Rohwurst...57
3.2.3 Schinken-Zwiebelmettwurst ...59
3.2.5 Kasseler...60
3.2.6 Frisches Schweinefleisch mit Zusatzstoffen ...60
3.3 Thiaminanalyse ...61
3.3.1 Probenmaterial ...61
3.3.2 Probenaufarbeitung ...61
3.3.2.1 Ansetzen der Lösungen ...61
3.3.2.2 Bereitstellung von Materialien...62
3.3.2.3 Thiaminextraktion mit Hilfe von Trichloressigsäure und Derivatisierung zu Thiochrom ...63
3.3.2.4 Thiaminextraktion mit Salzsäure und Hochdruck...65
3.3.2.5 Derivatisierung...65
3.3.2.6 Festphasenextraktion...66
3.3.3 Trennung und Analyse...68
3.3.3.1 Ansetzen der Kalibrationslösungen...68
3.3.3.2 HPLC ...74
3.4 Validierung und Bestimmung der Wiederfindungsrate ...78
3.5 Extrapolation zur Konzentration von Thiamintetraphosphat ...80
3.6 Bestimmung der Trockenmasse...83
3.6.1 Vorbereitungen ...83
3.6.2 Gravimetrische Analyse der Trockenmasse ...83
3.7 Bestimmung des Gesamtfettgehaltes ...84
3.7.1 Vorbereitungen ...84
3.7.2 Gravimetrische Analyse des Fettgehaltes...84
3.7.3 Statistische Auswertung...86
4. Ergebnisse ...87
4.1 Analyse der Kalibrierlösungen von T, TP, TP2 und TP3...87
4.2 Wiederfindungsrate, Nachweis–, Erfassungs–, und Bestimmungsgrenze ...89
4.3 Vergleich unterschiedlicher Extraktionswege...92
4.4 Thiamingehalt in frischem Schweinefleisch ...98
4.4.1 Thiamingesamtgehalt ...98
4.4.2 Gehalt an Thiamin und Thiaminphosphaten ...101
4.4.3 Prozentualer Anteil von Thiamin und den Thiaminphosphaten am Thiamingesamtgehalt...104
4.5 Thiamingehalt in schnittfesten Rohwürsten...106
4.5.1 Thiamingesamtgehalt ...106
4.5.2 Gehalt an Thiamin und Thiaminphosphaten ...109
4.6 Kombination der Versuchsreihen Schweinefleisch und Rohwurst ...110
4.7 Thiamingehalte in streichfähiger Rohwurst...112
4.8 Thiamingehalt in Kasseler...113
4.9 Thiamingehalt nach Zugabe von Zusatzstoffen ...115
4.9.1 Einfluss auf den Thiamingesamtgehalt ...115
4.9.1.1 Zusatzstoff NaCl ...115
4.9.1.2 Zusatzstoff Nitritpökelsalz ...116
4.9.1.3 Zusatzstoff Kaliumnitrat ...117
4.9.1.4 Zusatzstoff Natriumnitrit ...117
4.9.1.5 Zusatzstoff Ascorbinsäure ...118
4.9.2 Vergleichender Einfluss der Zusatzstoffe auf den Gehalt des freien Thiamins und der Thiaminphosphate...120
5. Diskussion ...122
5.1. Chromatographie ...122
5.1.1 Methodenentwicklung ...123
5.2 Kalibrierung von Thiamin und Thiaminphosphaten ...142
5.3 Vergleich unterschiedlicher Extraktionswege...144
5.4 Änderungen der Thiamingehalte in Schweinefleisch ...146
5.4.1 Änderungen des Thiamingehaltes vor der ersten Extraktion ...146
5.4.2 Änderungen des Thiamingehaltes nach der ersten Extraktion...147
5.5 Änderung des Thiamingehaltes in schnittfesten Rohwürsten...150
5.6. Thiamingehalt in streichfähiger Rohwurst und Kasseler ...152
5.7 Vergleich des Thiamingesamtgehaltes nach der Zugabe von Zusatzstoffen ...153
5.8 Vergleich der Thiaminphosphatgehalte nach der Zugabe von Zusatzstoffen ...154
5.9 Identifizierung der unbekannten 5. Substanz im Chromatogramm ...156
5.10 Vergleich der analysierten Thiamingesamtgehalte mit den aus der Literatur bekannten Daten ...157
6. Zusammenfassung...160
7. Summary ...163
8. Anhang ...166
8.1. Liste der publizierten Oxidations– und Extraktionsmittel ...166
8.2. Chemikalienverzeichnis ...168
8.3. Geräteliste...169
8.4. Tabellenwerte ...170
8.4.1 Tabellenwerte zu den Zusatzstoffversuchen...177
8.4.1.1 Einfluss der Zusatzstoffe auf den Thiamingesamtgehalt...177
8.4.1.2 Einfluss der Zusatzstoffe auf den T-Gehalt...182
8.4.1.3 Einfluss der Zusatzstoffe auf den TP-Gehalt ...187
8.4.1.4 Einfluss der Zusatzstoffe auf den TP2-Gehalt ...192
8.4.1.5 Einfluss der Zusatzstoffe auf den TP3-Gehalt ...197
8.4.1.6 Einfluss der Zusatzstoffe auf die TP4-Gehalte ...202
8.5 Berechnungsgrundlagen...207
9. Glossar ...208
10. Abkürzungsverzeichnis ...209
11. Abbildungsverzeichnis ...210
12. Tabellenverzeichnis ...214
13. Literaturverzeichnis ...219
14. Danksagung ... 233
1. Einleitung
Vitamine, wie das Thiamin, sind Verbindungen, die essentiell für die Gesundheit von Menschen und anderen Wirbeltieren sind, von diesen Lebewesen aber nicht oder nicht in ausreichender Menge selbst synthetisiert werden können.
So kann der Mensch zum Beispiel nur die fettlöslichen Vitamine A und D (Tab. 1) synthetisieren und diese nicht einmal in ausreichender Menge, um den Bedarf zu decken.
Die Eigenproduktion des Vitamin D aus einer Vorstufe in der Haut deckt nur 80 % des Bedarfs, während beim Vitamin A sogar nur 15 % der Tagesdosis aus Beta-Carotin (=Vorstufe des Vitamin A) selbst hergestellt werden können. Der Mensch ist somit auf eine externe Zufuhr von Vitaminen angewiesen, um unterschiedlichsten Mangelerscheinungen vorzubeugen (Tab.1 und 2).
Vitamin Funktion Folgen eines Mangels A wichtige Rolle in Bezug auf die
Sehfähigkeit, das Wachstum und die Reproduktion
Nachtblindheit Wachstumsstörungen Verhornungs- störungen der Haut Fruchtbarkeitsstörungen D Regulation des Kalzium-und
Phosphatstoffwechsels Racchitis (Kinder) oder Osteomalazie (Erwachsene) E Antioxidans Läsionen von Muskeln und Nerven Sterilität K Blutkoagulation gestörte Blutgerinnung
Tab. 1: Übersicht über die fettlöslichen Vitamine
Zum ersten Mal als essentielle Nahrungsmittel wahrgenommen wurden die Vitamine Ende des 19. Jahrhunderts (1897), obwohl die Geschichte der Vitamine bis 2500 vor Christi zurückreicht. Schon in der Antike behandelten Ärzte die Nachtblindheit mit Vitamin-A-haltigem Leberextrakt, ohne jedoch über ein entsprechendes Wissen über Ätiologie der Krankheit oder Ursache der Wirksamkeit des Leberextrakts zu verfügen.
Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge einer Beriberi-Epidemie in Südostasien, gewann der niederländische Arzt Christiaan Eijkmann jedoch die Erkenntnis, dass das Auftreten der Erkrankung mit dem damals üblicherweise polierten Reis zusammenhängen musste, den die Patienten als Nahrung zu sich nahmen. Er schlussfolgerte, dass ein Stoff in der Schale des Reiskorns vor der Erkrankung schützen musste und diese sogar heilen konnte.
Trotzdem dauerte es noch einige Jahre bis der polnische Chemiker Kazimirz Funk 1912 diese Substanz aus Reiskleie isolieren konnte. Er kann als Stammvater der Vitamine
angesehen werden, weil er das erste Vitamin, nämlich das Thiamin, isolierte, seine lebenswichtige Funktion erkannte und aus diesem Grund das Kunstwort „Vitamin“ vor- schlug („vita“ für „das Leben“ und „ Amin“ als Zeichen für die Stickstoffverbindung im Thiamin); eine Bezeichnung, die übernommen wurde und noch heute üblich ist.
Zunächst wurden die Vitamine nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung nummeriert, bis der amerikanische Forscher Elmer Vernon McCollum die Bezeichnung mit den großen Buchstaben des Alphabets einführte. Dabei ging er von zwei Lebensmittelfaktoren aus. Er unterschied das in unpolaren organischen Lösungsmitteln lösliche (fettlösliche) A und das aus Nahrungsmitteln mit wässrigen Lösungen extrahierbare (wasserlösliche) B. Thiamin als zuerst entdecktes, wasserlösliches Vitamin wurde folglich unter dem Namen Vitamin B1 eingeordnet.
Je genauer die Erkenntnisse wurden, desto genauer wurde die Untergruppierung, aber die zwei Hauptgruppen „fettlöslich“ sowie „wasserlöslich“ blieben bis heute bestehen. Sie ver- deutlichen die biologischen Eigenschaften der Vitamine, wo im Körper sie wirken und wie lange sie gespeichert werden können.
Die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K (Tab. 1) sind auf Zellmembranen und wenige Organe beschränkt. Ihr Transport erfolgt vor allem über die Lymphwege. Der Transport über die Blutbahnen kann nur mit Hilfe von Lipoproteinen oder speziellen Carrierproteinen erfolgen (ENGELKING, 2004).
Sie werden in der Leber oder in fetthaltigen Geweben in großer Menge gespeichert, was die Gefahr der Intoxikation vor allem bei Vitamin A und D in sich birgt. Vitamin E und K werden im allgemeinen als nicht toxisch angesehen (ENGELKING, 2004).
Die wasserlöslichen Vitamine B und C (Tab. 2) sind nahezu im gesamten Körper verteilt, da Zellen, Blut sowie Zellzwischenräume sehr wasserhaltig sind. Sie werden nur begrenzt gespeichert und hauptsächlich durch die Nieren ausgeschieden. Die Gefahr einer Intoxikation ist gering, da die Ausscheidung bei einer Überversorgung nahezu beliebig erhöht werden kann.
Vitamin Coenzym
typischer
Reaktionstyp Folgen eines Mangels Thiamin (B1) Thiamindiphosphat (TP2) Übertragung von
Aldehyden
Beriberi (Gewichtsverlust, Herzprobleme, neurologische Ausfallserscheinungen) Riboflavin (B2) Flavinmononukleotid (FMN) &
Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD) Oxidation-Reduktion Dermatitis Stomatitis Stagnation des Wachstums
Pyridoxin (B6) Pyridoxalphosphat Transamination Decarboxylierung Dehydratisierung
Krämpfe Depressionen Verwirrtheit Wachstumsverzögerungen Cobalamin (B12) 5' Desoxyadenosyl Cobalamin &
Methylcobalamin Methylierungsreaktionen Anämie
Biotin (H) Teil des Biotin-Lysin-Komplex Übertragung von Carboxylgruppen
Ekzeme Brüchigkeit von Haar und Fingernägeln Muskelschmerzen Lähmungserscheinungen
Cholin /
als Cholinphosphatid (Lecithin) Bestandteil von Zellmembranen und Lipoproteinen & als Acetylcholin unerlässlich für die neuromuskuläre Erregungsüberleitung
fettige Degeneration der Leber
Folsäure Tetrahydrofolsäure Übertragung von aktivierter Ameisensäure
makrozytäre Anämie
Niacin Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid
(NAD) Oxidation-Reduktion Pellagra (3-Krankheit, Dermatitis, Dementia,
Diarrhoe) Pantothensäure Teil des Coenzym A Übertragung von
Acylgruppen
Dermatitis Enteritis Bluthochdruck
Ascorbinsäure / Antioxidans Skorbut (Unterhautblutungen, geschwollener Gaumen)
Tab. 2: Übersicht über die wasserlöslichen Vitamine /: keine Coenzymform bekannt
Vitamine sind, trotz ihres gemeinsamen Oberbegriffs, weder in ihrem Aufbau noch in ihrer Funktion miteinander vergleichbar, und kein Vitamin ist durch ein anderes ersetzbar. Sie sind keine Bauelemente oder Energieträger des Körpers, sondern wirken als Katalysatoren oder Steuerelemente biochemischer, lebensnotwendiger Reaktionen. Dabei
fungieren sie als Coenzyme, als Enzymvorstufen oder als essentielle Bestandteile von Enzymen (Tab. 1 und 2).
Mittlerweile werden Vitamine nicht mehr mit Buchstaben, sondern nach ihrer Funktion oder chemischen Eigenschaft benannt (Tab. 2).
Der Name des dieser Forschungsarbeit zu Grunde liegenden Vitamins „Thiamin“ leitet sich dabei von „thio“ ab, was „schwefelhaltig“ bedeutet und ist als Oberbegriff über freies Thiamin und protein- sowie phosphatgebundenes Thiamin zu sehen.
Über tierische Nahrung nimmt der Mensch hauptsächlich Thiaminphosphate auf. Deutliche Unterschiede des Thiaminphosphatgehaltes im rohen Lebensmittel im Vergleich zum Lebensmittelprodukt waren die Grundlage für die Durchführung dieser Forschungsarbeit.
Da diese Thematik bei Tiermedizinern, aber auch bei Lebensmittelchemikern Interesse wecken könnte, wurden die verwendeten medizinischen Fachbegriffe im Glossar, Kapitel 9 übersetzt.
2. Literaturübersicht
2.1 Eigenschaften des Thiaminhydrochlorids
Thiamin wird als Thiaminhydrochlorid synthetisiert (Abb.1) da diese Form stabiler ist als die freie Form des Thiamins (ENSMINGER et al., 1993; Abb. 2).
Cl 2
N N
N H3C
S
OH H3C
NH2
H
2
Thiam inchlorid-hydrochlorid
Abb.1: Strukturformel des Thiaminhydrochlorids
Das weiße, kristalline Pulver löst sich leicht in Wasser und Methanol aber weniger gut in Ethanol. Unlöslich ist es in organischen Lösungsmitteln. Das Molekül besteht aus einem Pyrimidin- und einem Thiazolring, verbunden über eine Methylenbrücke (KAWASAKI und EGI, 2000). Es besitzt einen leichten hefeartigen Geruch und einen salzigen Geschmack (ENSMINGER et al., 1993) Der schwefelhaltige Thiazolring gibt dem Thiamin seinen Namen. Die Molmasse des Moleküls beträgt 337,28 g/mol, der Schmelzpunkt liegt bei 248°C.
2.2 Bindungsformen des Thiamins
Unter dem Oberbegriff „Thiamin“ werden das freie Thiamin, das phosphatgebundene und das proteingebundene Thiamin zusammengefasst. Wird der Oberbegriff nicht näher erläutert, ist der Thiamingesamtgehalt, also die Summe der Bindungsformen des Thiamin gemeint.
Definitionsgemäß wird vom freien Thiamin gesprochen, wenn es ungebunden, also nicht protein- oder phosphatgebunden vorliegt. Entsprechend ist in Abb. 2 das „R“ durch ein „H“
zu ersetzen. Das freie Thiamin ist vor allem in Pflanzen vorhanden.
Neben der freien Form liegt Thiamin gebunden an Phosphorsäurereste vor. Je nach Anzahl der Phosphorsäurereste definiert man freies Thiamin (T), Thiaminmonphosphat (TMP), Thiamindiphosphat (TDP) und Thiamintriphosphat (TTP; Abb. 2). Bisher nicht be- wiesen ist die Existenz des Thiamintetraphosphates, aber es wurde bereits von einigen Autoren auf die mögliche Existenz einer solchen Bindungsform hingewiesen (EGI et al., 1986, MACRAE et al., 1993).
Da in dieser Forschungsarbeit mit hoher Wahrscheinlichkeit Thiamintetraphosphat nachgewiesen wurde, musste die Nomenklatur der Abkürzungen aufgrund der Zwei- deutigkeit der Abkürzung „TTP“ (Thiamintri- und Thiamintetraphosphat) verändert werden.
Analog zu Habermehl et al., 2002, die das Adenosintriphosphat nicht „ATP“ sondern „AP3“ abkürzten, werden in dieser Forschungsarbeit folgende Abkürzungen verwendet: Thiamin (T), Thiaminmonophosphat (TP), Thiamindiphosphat (TP2), Thiamintriphosphat (TP3) und Thiamintetraphosphat (TP4).
Thiamin in seiner phosphatgebundenen Form ist vor allem in von Tieren stammenden Nahrungsmitteln präsent.
N
N
N
H3C
S
O H3C
NH3
R
R Thiamin H Thiaminmonophosphat (TMP)
P O
O O Thiamindiphosphat (TDP)
P O
O O
P OH O
O Thiamintriphosphat (TTP)
P O
O O
P O
O
OH P O
O OH
Thiamintetraphosphat (T-Tetra-P) ?
P O
O
OH
P O
O O
P O
O
OH
P O
O OH
Abb. 2: Freies Thiamin und an Phosphorsäurereste gebundenes Thiamin
Eine Proteinbindung des Thiamins ist vor allem in Planzen nachgewiesen.
Thiaminbindungsproteine (TBP) sind aus Reis, Weizen, Sesam und Sonnenblumenkernen isoliert worden, unterscheiden sich aber hinsichtlich molekularer Masse, Struktur der
TP
TP2
TP4
TP3
Untereinheiten sowie Aminosäuresequenz deutlich. Allen gemeinsam ist, dass aus- schließlich freies Thiamin und keine Thiaminphosphate gebunden werden. Die optimale Bindungsfähigkeit erlangen die Proteine bei pH 8 (ADACHI et. a., 2000).
Der Nachweis von TBP in tierischem Gewebe ist MUNIYAPPA und ADIGA, 1981 gelungen. Sie entwickelten eine schnelle und effiziente Methode zum Nachweis des Proteins aus Hühnereiweiß und -eigelb und kamen zu dem Schluss, dass die TBP sogar innerhalb der gleichen Spezies hinsichtlich Größe und Struktur variieren.
Weiterhin wurden TBP im Blut von Säugetieren nachgewiesen, wo es vor allem den Transport von nicht phosphoryliertem Thiamin übernimmt (DAVIS et al., 1984;
ENSMINGER et al., 1993).
2.3 Oxidation von Thiamin zu Thiochrom
Thiaminhydrochlorid sowie das phosphatgebundene Thiamin werden in alkalischen Lösungen bei Anwesenheit eines geeigneten Oxidationsmittels zu Thiochrom derivatisiert.
Am häufigsten werden BrCN (z.B. ISHII et al., 1979, RETTENMAIER et al., 1979; EGI et al., 1986; oder MIYOSHI et al, 1989), Hexacyanoferrat, (z.B. BURCH et al., 1952;
RATANAUBILCHAI und PANJIPAN, 1979; VANDERSLICE und HUANG 1986;
STEPURO, 2005) sowie Quecksilberchlorid (RATANAUBOLCHAI et al., 1981; LASCHI – LOQUERI et al., 1992) verwendet. Eine Liste der Autoren mit den von ihnen verwendeten Oxidationsmitteln ist im Anhang zu finden (siehe Kapitel 8.1).
Thiochrom ist durch Bildung eines substituierten Ringsystems (Abb. 3) bei pH Werten über 8 stark fluoreszierend und kann im Gegensatz zu Thiamin mittels eines Fluoreszenzdetektors bestimmt werden (ISHII et al., 1979).
Abb. 3: Thiochrom-Reaktion
Die Thiaminphosphatverbindungen werden unter den gleichen Bedingungen zu den entsprechenden Thiochromphosphatverbindungen derivatisiert, ohne dass die Phosphatbindungen beeinflusst werden. Alle Verbindungen haben ein Exzitations- maximum bei 375 nm und ein sehr ähnliches Fluoreszenzmaximum bei 432-435 nm (MACRAE et al., 1993).
Im Gegensatz zum nicht derivatisierten Thiamin sind Thiochrom und seine Phosphatester im alkalischen Milieu stabil. Diese Stabilität kann durch Lichtausschluss und niedrige Temperaturen noch verbessert werden, während eine Ansäuerung der Lösung zu einer Destabilisierung führt (KAWASAKI und EGI, 2000b).
2.4 Stabilität des Thiamin
Die Stabilität des Thiamins ist zum einen abhängig von seiner Bindungsform und zum anderen von der Tatsache, ob es in Lösung , in Pulverform oder in einer komplexen Matrix wie Schweinefleisch vorliegt.
Die Stabilität von Thiaminhydrochlorid (Abb. 1) in Lösung haben WILLIAMS und RUEHLE 1935 aufgeklärt, indem sie die Molekülumformungen des Thiaminhydrochlorids in saurer Lösung während der Titration mit einer Base untersuchten. So werden bei langsamer Titration im sauren Milieu (pH ca. 4,8) zunächst die Protonen der Amino-Pyrimidin-Gruppe abgespalten (Thiamin I, Thiamin II; Abb. 4). Im zweiten Titrationsschritt (pH ca. 9,2), wird OH- an die Thiazolgruppe gebunden (Thiamin III; Abb. 4), um bei weiterer Erhöhung des pH-Wertes in einer Öffnung des Thiazolringes zu enden (Thiamin IV; Abb. 4).
Die ursprüngliche, protonisierte Form des Thiamins bei pH 3,5 ist dabei so stabil, dass sie eine Temperaturerhöhung auf 248°F (120 °C) weit unbeschadeter übersteht als jede andere Thiaminform im alkalischeren Milieu (MOLITOR und SAMPSON, 1936).
N
N
N
H3C
S
OH H3C
NH2
H Thiamin I
N
N
N
H3C
S
OH H3C
NH2
Thiamin II
N
N
N
H3C
S
OH H3C
NH2 H
OH
Thiamin III Thiamin IV
N
N
N
H3C
S C
OH H3C
NH2
O H
Abb. 4: Veränderungen des Thiamins vom sauren zum alkalischen Bereich (WILLIAMS und RUEHLE, 1935)
Thiamin I: freies Thiaminmolekül in saurer Lösung bei pH 3,5 Thiamin II: freies Thiaminmolekül in saurer Lösung bei pH 4,8 Thiamin III: freies Thiaminmolekül in alkalischer Lösung bei pH 9,2 Thiamin IV freies Thiaminmolekül bei weiterer Erhöhung des pH-Wertes
Die Öffnung des Thiazolringes führt zum Wirkungsverlust des Thiamins.
Neben der Öffnung des Thiazolringes führt auch die Zerstörung der Methylenbrücke zu einem Wirkungsverlust des Moleküls. Die Verbindung der beiden Ringsysteme ist sehr empfindlich gegenüber alkalischem Milieu, Wärme sowie Lichteinwirkung (WILLIAMS und SPIES, 1938). Auch die Anwesenheit von schwefliger Säure und Sulfiten beeinträchtigt die Stabilität der Verbindung (MACRAE et al., 1993).
Wiederholtes Auftauen und Einfrieren beschleunigt außerdem den Zerfall (KAWASAKI und EGI, 2000a; EGI und KAWASAKI, 2003; BALL, 2004; LONSDALE, 2006).
PACHAPURKAR und BELL untersuchten 2005 unter welchen Bedingungen eine optimale Stabilität von Thiamin in Pufferlösungen bei 25 °C gewährleistet ist. Sie untersuchten Abhängigkeiten vom pH-Wert sowie von der Art und Konzentration des Puffers, in dem das Thiamin gelöst war. Verglichen wurden Phosphat- und Citratpuffer. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Thiaminstabilität abnahm, wenn der pH-Wert, sowie die
pH 3,5 pH 4,5
pH 9,2 pH > 9,2
Pufferkonzentration zunahmen. So verringerte sich die Zeit, in der 10 % des Thiamins in einem 0,1-molaren Puffer zerstört wurden von 79 Wochen bei pH 4 zu 3 Wochen bei pH 3.
Bei pH 6 und 7 war die Stabilität im Citratpuffer höher, während bei pH 4 und 5 im Phosphatpuffer weniger Thiamin zerstört wurde. Eine optimale Stabilität des Thiamins ist somit abhängig von pH-Wert und Pufferwahl (PACHAPURKAR und BELL, 2005).
Die Stabilität der Thiaminphosphate in Lösung in Form des TP2 haben KAWASKI und EGI im Jahr 2000 untersucht. Sie verglichen kristallines TP2, das bei Dunkelheit und tiefen Temperaturen stabil für mehrere Monate gelagert werden konnte, mit TP2 in saurer Lösung. Dazu wurde TP2 in eine Lösung mit dem pH-Wert 5 eingewogen und bei 38 °C gelagert. Bei der nachfolgenden Analyse nach mehreren Monaten war der TP2-Anteil der Lösung vermindert, zusätzlich waren jedoch TP und Thiamin in der Lösung nachweisbar.
Neben dem totalen Wirkverlust durch Zerstörung eines Ringsystems oder der Methylen- brücke beim freien Thiamin fand beim TP2 in Lösung bei 38°C zusätzlich ein Abbau durch Abspaltung von Phosphatgruppen statt, resultierend in einer Erhöhung der T- und TP-Konzentrationen in der Lösung (KAWASAKI und EGI, 2000).
Wird die Temperatur einer sauren Lösung im pH-Bereich von 2 bis 5 jedoch auf 0 °C gesenkt, ist das TP2 für sechs Monate stabil (MACRAE et al., 1993; KAWASAKI und EGI, 2000). Eine weitere Reduktion der Temperatur auf -20 °C führt zu einer noch längeren Stabilität (KAWASAKI und EGI, 2000).
MULLEY et al. untersuchten 1975 die Stabilität des TP2 im Vergleich zur Stabilität des Thiaminhydrochlorid in Lösung und fanden heraus, dass TP2 unter sonst gleichen Bedingungen durch Hitzeeinwirkung schneller zerstört wird. Diese Beobachtung führten sie auf die Existenz der Phosphorsäurereste im TP2 zurück. Die größere Instabilität des TP2 ist bereits früher publiziert worden (BOOTH, 1943; LINCOLN et al., 1944; FARRER 1945b), MULLEY et al. kombinierten jedoch zusätzlich Thiaminhydrochlorid und TP2 in einer Lösung. Eine Analyse nach Hitzeeinwirkung ergab, dass erst ein TP2-Gehalt von über 35 % zu einer sichtbar reduzierten Stabilität gegenüber der Lösung mit dem reinen Thiaminhydrochloridgehalt führte (MULLEY et al., 1975).
Noch empfindlicher als das TP2 ist das TP3. Um eine Stabilität in saurer Lösung für sechs Monate zu erzielen, sind Temperaturen von ca. -60 bis -80 °C notwendig (MACRAE et al., 1993; KAWASAKI und EGI, 2000).
Generell ist Thiamin in Lösung empfindlicher gegenüber Hitze als Thiamin in biologischen Matrices. Bestimmte Faktoren in der Matrix und die Kombination von Thiamin und Thiaminphosphaten bewirken eine höhere Stabilität (MULLEY et al., 1975; KILKAST, 1994). So führt das Kochen von Speisen für maximal eine Stunde nur zu geringen Thiaminverlusten (ENSMINGER et al., 1993).
Zur industriellen Zugabe von Thiamin zu Lebensmitteln, die anschließend mit Hitze be- handelt werden sollen, reicht die natürliche Stabilität des Thiamins in biologischen Matrices jedoch nicht aus. Für diese Zwecke wurde das Thiaminmononitrat vor allem für die Zugabe zu Getreideprodukten entwickelt (Abb. 5). Es zeichnet sich durch eine noch höhere Hitzestabilität als Thiaminhydrochlorid aus (ENSMINGER et al., 1993).
N N
N H3C
S
OH H3C
NH2
NO3
Thiaminnitrat
Abb. 5: Thiaminnitrat
Für das ebenfalls in biologischen Matrices vorkommende proteingebundene Thiamin sind keine Stabilitätsprüfungen bekannt.
2.5 Physiologische Chemie
2.5.1 Bereitstellung der physiologisch wirksamen Thiaminverbindungen im Organismus
Insgesamt ist ungefähr die Hälfte des Thiamingesamtgehaltes des Organismus in der Muskulatur zu finden (BALL, 2004).
Essentiell für die Stoffwechselfunktionen im Körper und mit Ausnahme des Hühner- und Schweinefleisches in tierischen Matrices am weitesten verbreitet, ist das TP2 mit 80 % des Thiamingesamtgehaltes. 10 % entfallen auf das TP3 während die restlichen 10 % sich auf
TP und freies sowie proteingebundenes Thiamin verteilen (MACRAE et al., 1993;
KAWASAKI und EGI, 2000; ZHAO et al., 2002; BALL, 2004; STEPURO, 2005).
Abweichungen finden sich in der Hühner- und Schweinemuskulatur, die einen TP3-Gehalt von bis zu 80 % des Thiamingesamtgehaltes aufweisen (EGI et al., 1986; KAWASAKI und EGI, 2000).
Der Körper kann das besonders in tierischen Lebensmitteln reichlich vorhandene TP2 nicht gesamthaft aufnehmen, sondern muss es zunächst im Darm mit Hilfe von Phosphatasen zu Thiaminhydrochlorid dephosphorylieren (ENSMINGER et al., 1993; BALL, 2004;
BATIFOULIER et al., 2005). Das Thiaminhydrochlorid kann nachfolgend über zwei ver- schiedene Transportmechanismen intestinal resorbiert werden. Die Wahl des Mechanismus hängt zum einen vom Thiaminangebot und zum anderen von der Thiamin- löslichkeit ab. Beiden Mechanismen ist gemein, dass sie hauptsächlich im Duodenum und im proximalen Jejunum lokalisiert sind (MACRAE et al., 1993; BALL, 2004).
Abb. 6: Duodenum
modifiziert nach: www.medizinfo.de/gastro/anatomie/zwölffingerdarm.shtml
Bei Konzentrationen von unter 2 µmol/L Thiamin im Nahrungsbrei kommt ein natrium- und energieabhängiger Carriermechanismus zum Einsatz, der entgegengesetzt zum
Entero- zyten
Blut- und Lymph- gefäße zum Abtransport des resobierten Thiamins in die Leber
Konzentrationsgefälle arbeitet und Thiamin aktiv in die Enterozyten (siehe Abb. 6) transportiert (LAFORENZA et al., 1997).
Anders ist es bei Gehalten oberhalb von 2 µmol/L, die eine Resorption durch Diffusion möglich machen (LAFORENZA et al., 1997).
Die passive Diffusion ist je nach Löslichkeit des Thiamins unterschiedlich effektiv. Beim klassischen hydrophilen Thiaminhydrochlorid (Abb. 1), ist die Effektivität gering, während lipophile Thiaminanaloga wie das Benfothiamin (Abb. 7) sehr gut und ausschließlich über passive Diffusion resorbiert werden können (BITSCH, 1997).
N N N
CH3 S
C O
CH3
NH2 P
O HO
OH
H O
O
Benfothiamin
Abb. 7: Benfothiamin
Es kann auf diesem Wege schnell eine große Menge an Thiamin enteral aufgenommen werden. SAID et al. untersuchten 1999 die Thiaminaufnahme hinsichtlich ihrer Ab- hängigkeit von definierten Bedingungen und fanden heraus, dass eine konzentrations- abhängige Sättigung der Carrier erreicht wird, die zu einer kompetitiven Inhibition und folgend einem Thiaminmangel führen kann, wenn die Sättigung durch nicht funktionelle Thiaminanaloga bewirkt wird (SAID et al., 1999).
Unabhängig von der Wahl des Transportweges finden beim lipophilen wie beim hydrophilen Thiamin während des Transports durch die Darmwand Phosphorylierungs- und Dephosphorylierungsreaktionen in den Enterozyten (Abb. 6) statt. Zunächst erfolgt eine Phosphorylierung des Thiaminhydrochlorids im Enterozyten, wodurch hauptsächlich TP2 entsteht. Durch diese Phosphorylierung kann der unkontrollierte Austritt des Vitamins aus der Zelle verhindert werden (RICCI und RINDI, 1992).
Die intrazellulären Thiaminphosphate werden anschließend durch mikrosomale Phosphatasen wieder dephosphoryliert und können so kontrolliert aus der Zelle in den Blutkreislauf transportiert werden (RINDI, 1984). Der Transport über die Pfortader zur
Leber findet hauptsächlich in den Blutzellen statt, dort liegen über 90 % des Thiamin- gesamtgehaltes der Zellen als TP2 vor, wobei die Erythrozyten den Großteil transportieren und die Leukozyten nur eine untergeordnete Rolle spielen. DUTTA et al. untersuchten 1999, dass Thiamin durch einen spezifischen, natriumunabhängigen Transporter in die Zellen gelangt und diese Aufnahme pH-Wert-abhängig ist. So war die Thiaminaufnahme bei pH 8 dreimal höher als bei pH 6. Weitere Steigerung des pH-Wertes führte erneut zur Reduktion der Aufnahme (DUTTA et al., 1999).
In einer Mangelsitutation verlieren die Erythrozyten genau so schnell Thiamin, wie das menschliche Gewebe mit Ausnahme des Gehirns. Aus diesem Grund wird in der Humanmedizin der Thiaminstatus eines Menschen anhand der TP2-Konzentration in den Erythrozyten beurteilt (WEBER und KEWITZ, 1985; TALWAR et al., 2000).
Außerhalb von Zellen zirkulieren im Blutstrom neben TP2 auch TP und nicht phosphoryliertes Thiamin, wobei letzteres vor allem proteingebunden vorliegt (ENSMINGER et al., 1993). 20 bis 30 % des Thiamingesamtgehaltes im Plasma ist beim durchschnittlichen Erwachsenen proteingebunden (DAVIS et al., 1984). Der Gesamtblutspiegel liegt bei 5-12 µg/dl (RÖMPP, 2004).
Thiamin und TP werden im Körper generell nicht aktiv synthetisiert (Abb. 8).
TP2 entsteht in der Leber durch die Thiaminpyrophosphokinase, die freies Thiamin zu TP2, auch Thiaminpyrophosphat oder gemäß seiner Coenzymfunktion Cocarboxylase genannt, metabolisiert (ZHAO et al., 2002). Diese Reaktion ist theoretisch unter ATP-Verbrauch in allen Geweben durch die Übertragung eines Pyrophosphatrestes auf freies Thiamin unter ATP-Verbrauch möglich (Abb.8).
Im Gehirn, sowie im Nervengewebe wird das TP3 metabolisiert Es entsteht durch die Thiaminpyrophosphat-ATP-Phosphoryltransferase aus TP2 (Abb. 8).
Thiamin(T) TP2 TP3
TP
ATP AMP ATP ADP
P
P
P
Enzym a Enzym b oder c
Enzym d
Enzym e
Enzym f
Thiamin(T) TP2 TP3
TP
ATP AMP ATP ADP
P P
P P
P P
Enzym a Enzym b oder c
Enzym d
Enzym e
Enzym f
Abb. 8: Thiaminkonversion
Enzym a: Thiaminpyrophosphokinase
Enzym b: Thiaminpyrophosphat-ATP-Phosphoryltranferase aktiv im Nervengewebe Enzym c: TP2-Kinase aktiv in der Muskulatur von Schwein und Geflügel
Enzym d: Thiamintriphosphatase Enzym e: Thiaminpyrophosphatase
Enzym f: Thiaminmonophosphatase P: anorganisches Phosphat
Außerdem wird in der Muskulatur von Schwein und Geflügel TP3 durch TP2-Kinasen ge- bildet. MIYOSHI et al. konnten 1989 nachweisen, dass in der Muskulatur von Geflügel die Adenylat-Kinase im Zytosol in vitro sowie in vivo für die TP3-Synthese verantwortlich ist.
Dabei enthält die weiße Muskulatur eine größere Menge des Enzyms und bildet so in den ersten 16 Tagen nach dem Schlüpfen des Kükens größere Mengen an TP3 als die rote Muskulatur, bei abfallendem TP2-Gehalt,.
Neben der Bildung von Thiaminphosphaten findet ein Abbau derselbigen statt. Die Thiamintriphosphatase spaltet TP3 zu TP2 und anorganischem Phosphat (ZHAO et al., 2002), während die Thiaminpyrophosphatase kleine Mengen TP2 zu TP und an- organischem Phosphat zerlegt. Gleichzeitig wird TP durch die Thiaminmonophosphatase zu Thiamin hydrolysiert (Abb. 8).
2.5.2 Funktionen der Thiaminverbindungen im Organismus
Das freie Thiamin erfüllt seine Aufgabe, indem es die einzige Form ist, die von der Darmwand aufgenommen und nach Phosphorylierung zum TDP und erneuter De- phosphorylierung aus den Enterozyten freigesetzt wird.
Für TP ist bisher keine spezielle physiologische Funktion nachgewiesen worden (ZHAO et al., 2002).
Das im Körper synthetisierte Thiamindiphosphat wird für verschiedene Reaktionen benötigt. Entscheidende Bedeutung hat seine Beteiligung am Pyruvat-Dehydrogenase- Komplex und an der Alpha-Ketoglutarat-Dehydrogenase (BALL, 2004).
Einige weitere Beispiele für Reaktionen mit Thiamindiphosphat als essentiellem Cofaktor sind:
a) Beteiligung an der Synthese von Kohlenhydraten in der Photosynthese (Kohlenstofffixierungsreaktionen der Photosynthese)
b) Beteiligung an der Biosynthese von Valin und Leucin durch die Acetolacetat- Synthetase
c) Beteiligung an der alkoholischen Gärung durch Pyruvat-Decarboxylase
P O O O
P O O
O N
N
N
H3C
S
C
O H3C
NH2
H
H
Abb. 9: TP2 mit Darstellung des aciden Protons an C2 (rot)
Der funktionelle Teil des TP2 ist der Thiazolring. Das Proton am C2 des Ringes (rot in Abb.
9) ist vergleichsweise acide. Bei seiner Abspaltung entsteht ein Carbanion (Abb 11 a), welches die aktive Spezies bei TP2-abhängigen Reaktionen darstellt, da es sich leicht an Carbonylgruppen addiert (Abb. 10).
P O O O
P O O
O N
N
N
H3C
S
C
O H3C
NH2
H3C CH OH
H
Abb. 10: Addierte Carbonylgruppe an das Carbanion
Bei der Reaktion der Pyruvat-Dehydrogenase fungiert das TP2 - Carbanion zunächst als Nucleophil, das sich an die Carbonylgruppe des Pyruvats addiert (Abb. 11a und b).
N H3C
S C
R' C H3C
H OH R
N H3C
S C
R' H3C C OH R
+ H
N H3C
S C
R' C H3C OH
R H3C C
H O
N H3C
S C
R' R
C C O CH3
O O N H3C
S C
R' R
H
C C OH
CH3 O
O N H3C
S C
R' R
CO2 a
b
c d
Abb. 11: Reaktionen des Thiazoliumringes des TP2 bei Pyruvatanlagerung
Abb. 9, 10, 11 modifiziert nach LEHNINGER et al., 1998
a) Funktion des Thiazoliumringes des TDP als Nucleophil für Pyruvat (rot) b) Addition des Pyruvats (rot)
c) Decarboxylierung des Pyruvat unter Freisetzung von CO2 und Bereitstellung einer Elektronen- senke zur Stabilisierung
d) Protonierung des Thiazoliumringes und Freisetzung von Acetaldehyd
Anschließend folgt eine Decarboxylierung des Pyruvats, die in der Bildung eines instabilen Carbanions resultiert (Abb. 11c). Der Thiazoliumring des TP2 fungiert nun durch Bereit- stellung einer elektrophilen (Elektronenmangel-) Situation als Elektronensenke, die zu einer Stabilisierung der Verbindung führt und so die Decarboxylierung erleichtert (Abb.
11c). Nach einer Protonierung (Abb. 11d) wird das Reaktionsprodukt Acetaldehyd frei- gesetzt.
Reaktionen wie die von der Pyruvat-Decarboxylase katalysierte Decarboxylierung werden somit durch die Funktion des TP2 stark vereinfacht.
Verallgemeinernd spielt TP2 also eine wichtige Rolle bei der Spaltung von Bindungen, die neben einer Carbonylgruppe liegen (z. B. bei der Decarboxylierung von Alpha-Ketosäuren) und bei chemischen Umlagerungen, bei denen eine aktivierte Aldehydgruppe von einem Kohlenstoffatom auf ein anderes übertragen wird (LEHNINGER et al., 1998).
Das TP2 nimmt seine Schlüsselfunktion als Coenzym hauptsächlich an zwei entscheidenden Stellen des Energiestoffwechels ein.
Zum einen ist seine Bedeutung im Kohlenhydratmechanismus hervorzuheben. Nach dem Abbau von Glucose zu Pyruvat im Rahmen der Glykolyse folgt die Bindung des Pyruvats mit Hilfe von TP2 an den mitochondrialen Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex, um einen Abbau zu Acetyl-Co-A und Kohlenstoffdioxid und somit die Einschleusung in den nachfolgenden Citronensäurezyklus zu ermöglichen.
Der Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex besteht aus mehreren Kopien der drei Enzyme Pyruvat-Dehydrogenase (E1), Dehydrolipoyl-Transacetylase (E2) und Dehydrolipoyl- Dehydrogenase (E3). Die Anzahl der Kopien und somit die Größe des Komplexes ist von Organismus zu Organismus verschieden (Abb. 12 und 13).
Abb. 12: Modell der Organisation des Pyruvatdehydrogenasekomplexes
(LEHNINGER et al., 1998)
Den Kern des Clusters bildet die Dihydrolipoyl-Transacetylase (E2), in 24 Kopien folgendermaßen dargestellt:
- an eine innere katalytische Domäne (grün) sind Verbindungssegmente (grau) gebunden - an die Verbindungssegmente ist eine E1 (orange)/E3 (gelb) – bindende Domäne (blau) und eine biegsame Lipoyllysyl – Domäne (rot) gebunden
- an den aus E2-Molekülen bestehenden Kern sind 12 Kopien der E1 und 6 Kopien der E3
gebunden
Die Dehydrolipoyl – Dehydrogenase (E3) bindet das Coenzym FAD (siehe Tab. 2 und Abb.
13), während das TP2 als Coenzym an die Pyruvat-Dehydrogenase (E1) gebunden ist (Abb. 13) und somit einen Teil der Zellatmungskette in den Mitochondrien (LEHNINGER et al., 1998) darstellt. Es bindet und decarboxyliert das Pyruvat, wie in Abb. 11 und Abb. 13 dargestellt unter Freisetzung von CO2, so dass nur noch ein Hydroxyethylderivat des Pyruvats am TP2 gebunden bleibt (siehe Abb. 11c).
Nun folgend wird die Hydroxyethylgruppe zur Carbonsäure (Acetat) oxidiert. Die beiden bei dieser Reaktion abgespaltenen Elektronen reduzieren die S-S-Einheit an E2 (siehe Abb. 13) zu zwei Thiolgruppen, von denen eine die Acetylgruppe des Pyruvats bindet. Die Elektronen- sowie die Übertragung des Acetats von E1 auf E2 werden von der Pyruvat- Dehydrogenase mit Hilfe des TP2 katalysiert. Nachfolgend bildet das an die Thiol-Gruppe
gebundene Acetat durch Umesterung mit Co-A und Abspaltung vom Komplex das Acetyl Co-A (Abb. 13).
CO2
E1 E2 E3
TPP CH3-C-H
OH S
S
FAD
E1 E2 E3
TPP CH3-C-H
OH S
S
FAD
E1 E2 E3
E1 E2 E3
TPP CH3-C-H
OH
TPP CH3-C-H
OH
TPP CH3-C-H
OH
OH S
S S S
FAD O
CH3-C-C-O- O O CH3-C-C-O-
O CH3-C-C-O- CH3-C-C-O- O
E1 E2 E3
TPP
S S
FAD H
H
E1 E2 E3
E1 E2 E3
TPP
S S S S
FAD H
H
E1 E2 E3
TPP
S S
FADH2
E1 E2 E3
TPP
S S
FADH2
E1 E2 E3
E1 E2 E3
TPP
S S S S
FADH2
E1 E2 E3
TPP
S S
FAD
E1 E2 E3
TPP
S S
FAD
E1 E2 E3
E1 E2 E3
TPP
S S S S
FAD
CH3-C-S-CoA O CH3-C-S-CoA
O CH3-C-S-CoA
O CoA-SH
Acetyl -CoA NAD+
NADH + H+
E1 E2 E3
TPP
S S
FAD H
CH3-C O
E1 E2 E3
E1 E2 E3
TPP
S S S S
FAD H
CH3-C O CH3-C O Pyruvat
Abb. 13: Oxidative Decarboxylierung von Pyruvat zu Acetyl-Co-A durch den Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex
(modifiziert nach LEHNINGER et al., 1998) E1: Pyruvat-Dehydrogenase
E2: Dehydrolipoyl-Transacetylase E3: Dehydrolipoyl-Dehydrogenase
Die restlichen vom Pyruvatdehydrogenasekomplex katalysierten Schritte werden ohne die Mithilfe von TP2 durch Elektronenübertragungen realisiert und resultieren in einer voll- ständigen Wiederherstellung des Enzymkomplexes, so dass ein neues Pyruvatmolekül aufgenommen werden kann (LEHNINGER et al., 1998).
Oxidiertes Lipoyllysin
Oxidiertes Lipoyllysin Oxidiertes
Lipoyllysin
reduziertes Lipoyllysin TP2
TP2
TP2
TP2
TP2
Ein zweites Schlüsselenzym für die Energiegewinnung mit Hilfe von TP2 ist ebenfalls ein Enzymkomplex, der Alpha-Ketoglutarat-Dehydrogenase-Komplex. Dieser Komplex ist Teil des Zitronensäurezyklus (Abb. 14) in dem das durch den Kohlenhydratstoffwechsel gewonnene Acetyl-Co-A vollständig zu Kohlenstoffdioxid abgebaut wird, wobei letztendlich ein Elektronenfluss entsteht, der in der Atmungskette benötigt wird, um Adenosintriphosphat zu bilden, welches der Energielieferant des gesamten Organismus ist.
Wie der schon erwähnte Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex ist der Alpha-Ketoglutarat- Dehydrogenase-Komplex ebenfalls in den Mitochondrien lokalisiert. Die Alpha- Ketoglutarat-Dehydrogenase speichert Energie über die Bildung reduzierter Cofaktoren und bildet wichtige Vorstufen für andere Reaktionen im Körper.
Sie kommt im vierten Schritt des Zitronensäurezyklus zum Einsatz, in dem Alpha- Ketoglutarat zu Succinyl-Co-A oxidiert wird. Hier findet ähnlich wie im vorher beschriebenen Mechanismus des Pyruvat-Dehydrogenase-Komplexes eine oxidative De- carboxylierung statt.
Die Enzymkomplexe sind einander sehr ähnlich. Wie beim schon beschriebenen Pyruvat- Dehydrogenase-Komplex (Abb. 13) besteht dieser ebenfalls aus drei Enzymen E1, E2, und E3, die denen aus der Pyruvatdehydrogenase analog sind. Das erste Enzym (E1) allerdings, an dem wieder das Thiamindiphosphat gebunden ist, unterscheidet sich be- züglich seiner Aminosäuresequenz vom E1 der Pyruvat-Dehydrogenase. Somit ist die Substratspezifität beider Enzyme gewährleistet. Die zweite und dritte Untereinheit sind dagegen in beiden Enzymkomplexen nahezu identisch.
Abb. 14: Zitronensäurezyklus (www.chempage.de/lexi/citratcylus.htm)
Das gebildete Succinyl-Co-A ist eine Vorstufe von Porphyrinen und des Häms, welches ein essentieller Bestandteil der Erythrozyten ist. Höchstwahrscheinlich haben beide Komplexe den gleichen Ursprung in der Evolution (LEHNINGER et al., 1998).
Neben der Pyruvat-Dehydrogenase und der Alpha-Ketoglutarat-Dehydrogenase benötigen die Enzyme, welche die aus den den verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und
Isoleucin gebildeten Ketosäuren oxidativ decarboxylieren, TP2 als Cofaktor. Eine Zu- sammenfassung aller drei bisher diskutierten Reaktionswege liefert Abb. 15.
N N
N H3C
S
OH H3C
NH2
Pyruvat
CoA.SH PD H
CO2
NAD+ N ADH O
C C C H3
O
O S
C C H3
O C oA Thiam in
O C O O C O C H2 C H2 C H2
α-Ketoglutarat (α-KG) Thiam in N ADH NAD+
α-K G-Dehydrogenase CoA.SH
CO2 O C O O C S C H2 C H2
C oA
Succinyl-CoA
O C C H C H
O H3N
H3C C H3
α-Keto- säure
α-Amino- säure
O C C C H
O
H3C C H3 O
α-Ketoisovalerat Valin
Thiam in NAD H N AD+
CO2 CoA.SH
α-Ketosäure- Dehydrogenase
Isobutyryl-CoA C
C H H3C C H3
O S C oA Um das Coenzym zu bilden wird Thiamin in Leber und
Hirn in die Diphosphatform überführt.
A cetyl-CoA
???
Abb. 15: Die Funktion von Thiamin als Coenzym in drei enyzmatisch katalysierten Reaktionen
Weiterhin übernimmt TP2 eine wichtige Funktion als Coenzym der Transketolase, unter deren Mitwirkung Pentosen und Hexosen reversibel ineinander umgewandelt werden können (Abb. 16).
Vor allem die Bildung von Ribose-5-phosphat aus Hexosen ist von Bedeutung, da Ribose-5-phosphat ein wichtiger Baustein für die Synthese von Nukleinsäuren ist.
CH2OH C O CH HO
HC OH HC OH
CH2 O P O
O O Fructose-6-phosphat
Glyderaldehyd-3-phosphat HC O
HC OH CH2 O P
O O O
HC O HC OH
CH2 O P O
O O
Glyderaldehyd-3-phosphat CH2OH
C O CH HO
HC OH CH2 O P
O O O Xylulose-5-phosphat
CH O
HC OH HC OH
CH2 O P O
O O Erythrose-4-phosphat Transketolase
(Thiamin)
Transketolase (Thiamin)
Ribose-5-phosphat HC OH
HC HC OH
CH2 O P O
O O OH HC O
HC OH HC HC OH
CH2 O P O
O O OH CH HO
C O CH2OH
Sodoheptulose-5-phosphat Abb. 16: Funktion des Thiamins als Coenzym der Transketolase
Die genaue Aufgabe und Physiologie des TP3 im Stoffwechsel ist nicht so weitgehend erforscht, wie die des TP2 (MIYOSHI et al., 1990). Bekannt ist, dass es nur zu etwa einem Prozent des Thiamingesamtgehaltes in Gehirn und Nervengewebe vorhanden ist (Tab. 3), dort aber wichtige spezifische Funktion übernimmt (EDER et al., 1976; COOPER und PINCUS, 1979; MATSUDA und COOPER, 1981a; BALL, 2004). Gesondert sind die Schweine- und Hühnermuskulatur zu betrachten. Dort macht es bis zu 80 % des Thiamin- gesamtgehaltes aus (EGI et al. , 1986; KAWASAKI und EGI, 2000).
Beide bisher bekannten Funktionsorte des TP3 werden getrennt voneinander besprochen.
Damit TP3 seine Aufgaben in Gehirn und Nervengewebe wahrnehmen kann, muss es zunächst synthetisiert werden (Abb. 8). Dazu muss das Thiamin aus dem Blut durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn, genauer in die Cerebrospinalflüssigkeit, gelangen. 1982 führten GREENWOOD et al. Untersuchungen zu diesem Thema durch. Sie erforschten an Ratten, dass die Menge des Thiamins, das die Blut-Hirn-Schranke passierte, immer ähnlich der Menge war, die das Gehirn verbrauchte. Es werden somit keine Reserven für den Fall einer Thiaminmangelsitutation angelegt, obwohl die Nervenzellen auf Thiamin zur
Erhaltung ihrer Funktion essentiell angewiesen sind, da sie ihre Energie ausschließlich durch die Glykolyse gewinnen können.
Bei einer Thiaminmangelsitutation ist das Gehirn dennoch das Gewebe, das am längsten seinen Thiaminstatus aufrecht erhalten kann (BALL, 2004). Bei Untersuchungen an Lämmern konnte gezeigt werden, dass auch nach 4-wöchiger Thiaminrestriktion besonders der TP3-Gehalt im Gehirn nur marginal fällt. Nach dieser Zeit waren beim Thiamingesamtgehalt des Gehirns Verluste von bis zu 20 % zu verzeichnen, die aber fast ausschließlich auf die Reduktion der T- , TP- und TP2-Gehalte zurückzuführen waren. Dies deutet auf eine besondere Bedeutung des TP3 im Gehirn trotz seiner niedrigen Konzentration hin, die möglicherweise unabhängig vom nicht phosphorylierten Thiamin sowie den anderen Thiaminphosphate zu sehen ist (THORNBER et al., 1980).
Den Hauptanteil der Thiaminphosphate im Gehirn nimmt das TP2 ein. Das ca. 1 % TP3
verteilt sich nicht gleichmäßig im Gehirn, sondern ist auffällig stark in den Zellmembranen konzentriert, was auf seinen Wirkungsort schließen lässt (MATSUDA und COOPER, 1981a; MATSUDA und COOPER, 1981b).
- -
- -
- +
+
+ +
+
- -
-
- -
+
+
+
+ +
Ionenkanal
Ionenkanal
Ionenkanal
Chlorid
Natrium
Organisches Anion
Kalium INNEN
AUSSEN
-- --
-- --
-- +
+ +
+
+ + +
+ +
+
-- --
--
-- --
+ +
+ +
+ +
+ + + +
Ionenkanal
Ionenkanal
Ionenkanal
Chlorid
Natrium
Organisches Anion
Kalium INNEN
AUSSEN
Abb. 17: Ionenkonzentrationen an der Nervenmembran – schematisch -
Kalium und Chloridionen können durch die Ionenkanäle diffundieren.
Die Membran ist für Natriumionen praktisch undurchlässig.
Wegen hoher Kaliumkonzentration im Zellinnern strömen Kaliumionen laufend durch die Membranporen in das Außenmedium.
Chloridionen, deren Konzentration außen höher ist, strömen in geringerem Umfang ein.
Außerhalb der Zelle entsteht ein Überschuss an positiv geladenen Ionen, innen ein Überschuss an negativ geladenen Ionen.
Diese Potentialdifferenz bremst den Kaliumausstrom.
Ein Gleichgewicht stellt sich ein, bei dem das Zellinnere gegenüber dem Zelläußeren negativ geladen ist.
Dieses Gleichgewicht wird als Ruhepotential bezeichnet und von TP3 laut BETTENDORF et al., 1990 durch Aktivierung der Chloridionenkanäle gefördert.
Zellmembran Zellmembran Zellmembran Zellmembran