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Vitamine, wie das Thiamin, sind Verbindungen, die essentiell für die Gesundheit von Menschen und anderen Wirbeltieren sind, von diesen Lebewesen aber nicht oder nicht in ausreichender Menge selbst synthetisiert werden können.

So kann der Mensch zum Beispiel nur die fettlöslichen Vitamine A und D (Tab. 1) synthetisieren und diese nicht einmal in ausreichender Menge, um den Bedarf zu decken.

Die Eigenproduktion des Vitamin D aus einer Vorstufe in der Haut deckt nur 80 % des Bedarfs, während beim Vitamin A sogar nur 15 % der Tagesdosis aus Beta-Carotin (=Vorstufe des Vitamin A) selbst hergestellt werden können. Der Mensch ist somit auf eine externe Zufuhr von Vitaminen angewiesen, um unterschiedlichsten Mangelerscheinungen vorzubeugen (Tab.1 und 2).

Vitamin Funktion Folgen eines Mangels A wichtige Rolle in Bezug auf die

Sehfähigkeit, das Wachstum und die Reproduktion

Nachtblindheit Wachstumsstörungen Verhornungs-störungen der Haut FruchtbarkeitsVerhornungs-störungen D Regulation des Kalzium-und

Phosphatstoffwechsels Racchitis (Kinder) oder Osteomalazie (Erwachsene) E Antioxidans Läsionen von Muskeln und Nerven Sterilität K Blutkoagulation gestörte Blutgerinnung

Tab. 1: Übersicht über die fettlöslichen Vitamine

Zum ersten Mal als essentielle Nahrungsmittel wahrgenommen wurden die Vitamine Ende des 19. Jahrhunderts (1897), obwohl die Geschichte der Vitamine bis 2500 vor Christi zurückreicht. Schon in der Antike behandelten Ärzte die Nachtblindheit mit Vitamin-A-haltigem Leberextrakt, ohne jedoch über ein entsprechendes Wissen über Ätiologie der Krankheit oder Ursache der Wirksamkeit des Leberextrakts zu verfügen.

Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge einer Beriberi-Epidemie in Südostasien, gewann der niederländische Arzt Christiaan Eijkmann jedoch die Erkenntnis, dass das Auftreten der Erkrankung mit dem damals üblicherweise polierten Reis zusammenhängen musste, den die Patienten als Nahrung zu sich nahmen. Er schlussfolgerte, dass ein Stoff in der Schale des Reiskorns vor der Erkrankung schützen musste und diese sogar heilen konnte.

Trotzdem dauerte es noch einige Jahre bis der polnische Chemiker Kazimirz Funk 1912 diese Substanz aus Reiskleie isolieren konnte. Er kann als Stammvater der Vitamine

angesehen werden, weil er das erste Vitamin, nämlich das Thiamin, isolierte, seine lebenswichtige Funktion erkannte und aus diesem Grund das Kunstwort „Vitamin“ vor-schlug („vita“ für „das Leben“ und „ Amin“ als Zeichen für die Stickstoffverbindung im Thiamin); eine Bezeichnung, die übernommen wurde und noch heute üblich ist.

Zunächst wurden die Vitamine nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung nummeriert, bis der amerikanische Forscher Elmer Vernon McCollum die Bezeichnung mit den großen Buchstaben des Alphabets einführte. Dabei ging er von zwei Lebensmittelfaktoren aus. Er unterschied das in unpolaren organischen Lösungsmitteln lösliche (fettlösliche) A und das aus Nahrungsmitteln mit wässrigen Lösungen extrahierbare (wasserlösliche) B. Thiamin als zuerst entdecktes, wasserlösliches Vitamin wurde folglich unter dem Namen Vitamin B1 eingeordnet.

Je genauer die Erkenntnisse wurden, desto genauer wurde die Untergruppierung, aber die zwei Hauptgruppen „fettlöslich“ sowie „wasserlöslich“ blieben bis heute bestehen. Sie ver-deutlichen die biologischen Eigenschaften der Vitamine, wo im Körper sie wirken und wie lange sie gespeichert werden können.

Die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K (Tab. 1) sind auf Zellmembranen und wenige Organe beschränkt. Ihr Transport erfolgt vor allem über die Lymphwege. Der Transport über die Blutbahnen kann nur mit Hilfe von Lipoproteinen oder speziellen Carrierproteinen erfolgen (ENGELKING, 2004).

Sie werden in der Leber oder in fetthaltigen Geweben in großer Menge gespeichert, was die Gefahr der Intoxikation vor allem bei Vitamin A und D in sich birgt. Vitamin E und K werden im allgemeinen als nicht toxisch angesehen (ENGELKING, 2004).

Die wasserlöslichen Vitamine B und C (Tab. 2) sind nahezu im gesamten Körper verteilt, da Zellen, Blut sowie Zellzwischenräume sehr wasserhaltig sind. Sie werden nur begrenzt gespeichert und hauptsächlich durch die Nieren ausgeschieden. Die Gefahr einer Intoxikation ist gering, da die Ausscheidung bei einer Überversorgung nahezu beliebig erhöht werden kann.

Vitamin Coenzym

typischer

Reaktionstyp Folgen eines Mangels Thiamin (B1) Thiamindiphosphat (TP2) Übertragung von

Aldehyden

Beriberi (Gewichtsverlust, Herzprobleme, neurologische Ausfallserscheinungen) Riboflavin (B2) Flavinmononukleotid (FMN) &

Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD) Oxidation-Reduktion Dermatitis Cobalamin (B12) 5' Desoxyadenosyl Cobalamin &

Methylcobalamin Methylierungsreaktionen Anämie

Biotin (H) Teil des Biotin-Lysin-Komplex Übertragung von Carboxylgruppen

Ekzeme Brüchigkeit von Haar und Fingernägeln

Folsäure Tetrahydrofolsäure Übertragung von aktivierter Ameisensäure

makrozytäre Anämie

Niacin Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid

(NAD) Oxidation-Reduktion Pellagra (3-Krankheit, Dermatitis, Dementia,

Diarrhoe) Pantothensäure Teil des Coenzym A Übertragung von

Acylgruppen

Dermatitis Enteritis Bluthochdruck

Ascorbinsäure / Antioxidans Skorbut (Unterhautblutungen, geschwollener Gaumen)

Tab. 2: Übersicht über die wasserlöslichen Vitamine /: keine Coenzymform bekannt

Vitamine sind, trotz ihres gemeinsamen Oberbegriffs, weder in ihrem Aufbau noch in ihrer Funktion miteinander vergleichbar, und kein Vitamin ist durch ein anderes ersetzbar. Sie sind keine Bauelemente oder Energieträger des Körpers, sondern wirken als Katalysatoren oder Steuerelemente biochemischer, lebensnotwendiger Reaktionen. Dabei

fungieren sie als Coenzyme, als Enzymvorstufen oder als essentielle Bestandteile von Enzymen (Tab. 1 und 2).

Mittlerweile werden Vitamine nicht mehr mit Buchstaben, sondern nach ihrer Funktion oder chemischen Eigenschaft benannt (Tab. 2).

Der Name des dieser Forschungsarbeit zu Grunde liegenden Vitamins „Thiamin“ leitet sich dabei von „thio“ ab, was „schwefelhaltig“ bedeutet und ist als Oberbegriff über freies Thiamin und protein- sowie phosphatgebundenes Thiamin zu sehen.

Über tierische Nahrung nimmt der Mensch hauptsächlich Thiaminphosphate auf. Deutliche Unterschiede des Thiaminphosphatgehaltes im rohen Lebensmittel im Vergleich zum Lebensmittelprodukt waren die Grundlage für die Durchführung dieser Forschungsarbeit.

Da diese Thematik bei Tiermedizinern, aber auch bei Lebensmittelchemikern Interesse wecken könnte, wurden die verwendeten medizinischen Fachbegriffe im Glossar, Kapitel 9 übersetzt.