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5. Diskussion

5.4 Änderungen der Thiamingehalte in Schweinefleisch

5.4.1 Änderungen des Thiamingehaltes vor der ersten Extraktion

Bereits am Schlachtband in der Zeit unmittelbar nach der Schlachtung bis zur Entnahme der Probe sind wahrscheinlich schon geringe Verluste des Thiamingesamtgehaltes im Schweinefleisch zu verzeichnen.

Das Schweinefleisch bot keine optimalen Bedingungen zur Erhaltung des Thiamins, da es weder tiefgekühlt, noch angesäuert, oder in Dunkelheit weiterverarbeitet wurde. Somit war von einem Verlust des durch 4 %ige TCA extrahierbaren Thiamingesamtgehaltes auszugehen.

Der nachfolgende eisgekühlte Transport führte zu weiteren Verlusten, da die Probe bei Verbringung in die Kühlbox schlachtwarm war und bis zur Weiterverarbeitung im Institut nur auf eine Kerntemperatur von 25 °C heruntergekühlt werden konnte.

Die nachfolgende Zerkleinerung führte vermutlich ebenfalls zur Abnahme des Gehaltes, da sie in einer Vergrößerung der Oberfläche der Probe resultierte und Thiamin folglich während der Verarbeitung verstärkt dem Licht ausgesetzt war. Andererseits ermöglichte die Zerkleinerung anschließend eine schnellere Abkühlung der gesamten Probe auf 5 °C und konnte bei Bestimmung des Thiamingehalts in einer homogenen Probe nicht umgangen werden.

Bereits vor der ersten Extraktion war somit von einem Thiaminverlust im Schweinefleisch auszugehen. Dass diese Verluste vermutlich nur gering waren, ist durch die biologische Matrix Schweinefleisch zu begründen (siehe Kapitel 2.4). Bei einem Vergleich mit Thiamin in Lösung müssten bei gleicher Behandlung größere Verluste bedacht werden.

5.4.2 Änderungen des Thiamingehaltes nach der ersten Extraktion

Der weitere Verlust des extrahierbaren Thiamingehaltes fand seine dokumentierte Fortsetzung in den analysierten Proben.

Während die erste Messung 30 Min post mortem durchschnittlich noch einen relativ hohen Thiamingesamtgehalt anzeigte (Abb. 85), sank der analysierbare Gehalt innerhalb von 24 Stunden kontinuierlich auf ungefähr ein Drittel der Anfangskonzentration. Die vermeintliche Abnahme des Gehaltes von der ersten zur zweiten Messung war signifikant, während ein Vergleich der weiteren Messzeitpunkte keine Signifikanz mehr ergab. Die analysierte Abnahme des Thiamingesamtgehaltes war also anfänglich schneller und stagnierte im Verlauf der Zeit.

Ein durch die neu entwickelte Methode zur Thiaminphosphatanalytik erstmalig vor-genommener Vergleich der Anteile von freiem Thiamin und Thiaminphosphaten, die zusammen den nicht proteingebundenen und daher extrahierbaren Thiamingesamtgehalt darstellten (siehe Abb. 85), lieferte eine mögliche Erklärung. So bildeten in der anfänglich aufgearbeiteten Probe die höher phosphorylierten Thiaminphosphate TP3 und TP4 den Großteil des messbaren Thiamingesamtgehaltes (siehe Kapitel 4.4.2, Abb. 55). Diese Bindungsformen waren instabiler als TP2, TP oder T und ihr analysierbarer Gehalt wurde durch die vorherrschenden nicht optimalen Lagerungsbedingungen innerhalb von 1,5 Stunden signifikant vermindert. Diese Abnahme zeigte sich zum einen in der Abnahme des messbaren Thiamingesamtgehaltes und zum anderen in der vermehrten Bindung von T, TP und TP2 als Folge einer Transformation durch Phosphatrestabspaltung (Abb. 84).

T

Abb. 84: Transformation der Thiaminphosphate in Schweinfleisch nach der Schlachtung

P: abgespaltene Thiaminphosphatreste

Der Anteil an T, TP und vor allem TP2 am Thiamingesamtgehalt wurde folglich erhöht, was dazu führte, dass sich der Thiamingesamtgehalt nun aus stabileren Thiaminbindungsformen zusammensetzte und folglich insgesamt stabiler gegenüber den Lagerungsbedingungen war. Dies zeigte sich in einer Verlangsamung der Verminderung des analysierbaren Thiamingesamtgehaltes.

Unter den stabileren Bindungsformen zeigte das TP2 die größte Instabiliät. Sein Gehalt nahm zunächst als Folge der Transfomation von TP3 und TP4 durch Phosphatabspaltung signifikant zu.

Nach 3 Stunden verminderte sich der TP2-Gehalt jedoch wieder, weil die Konzentrationen von TP3 und TP4 in der Probe zu diesem Zeitpunkt bereits soweit reduziert waren, dass TP2 als Spaltprodukt nicht mehr in ausreichender Menge gebildet wurde, um den Abbau zu überwiegen. Zeitgleich zur TP2-Abnahme erfolgte eine Zunahme des TP, das als Spaltprodukt des TP2 zu sehen war. Somit war auch TP2 wie TP3 und TP4 einem Abbau sowie einer Transformation unterworfen.

T und TP erfuhren während der gesamten Messdauer von 9 Stunden einen fortwährenden Anstieg. Sie waren am stabilsten und bildeten zusätzlich Spaltprodukte der höher phosphorylierten, instabileren Thiaminphosphate.

Die kontinuierliche Abnahme des analysierbaren Thiamingesamtgehaltes sowie die prozentuale Zunahme der stabileren Bindungsformen am Thiamingesamtgehalt war bis zu 24 Stunden nach der ersten Aufarbeitung der Probe nachweisbar (Abb. 85).

Nach 48 Stunden nahm vor allem die prozentuale Zunahme des freien Thiamins weiter zu, mit der Folge, dass der gesamte Thiamingehalt nur noch durch T, TP und TP2 bestimmt wurde.

Neben diesen erstmalig erforschten Transformationen der Thiaminphosphate in Schweinefleisch nach der Schlachtung, konnte auch ein Anstieg des Thiamingesamtgehaltes nach 48 Stunden nachgewiesen werden.

Dieser Anstieg war hauptsächlich auf den Anstieg des freien Thiamins im Schweinefleisch zurückzuführen (siehe Kapitel 4.4.3., Abb. 56).

Da eine völlig neue Synthese von Thiamin in totem biologischen Gewebe unwahrscheinlich war, musste das freie Thiamin aus einer vorher nicht analysierbaren Bindungsform im Verlauf der Fleischreifung freigesetzt worden sein. Bei dieser Bindungsform könnte es sich um ein Protein handeln, da Proteine vor allem freies Thiamin binden (siehe Kapitel 2.2). Die Theorie der Existenz einer TCA-resistenten Bindungsform wird durch momentan im Institut laufende Untersuchungen unterstützt, denen eine Thiaminextraktion durch Hitze- und Hochdruckbehandlung zugrunde liegt. Nach dieser Behandlung ist ebenfalls ein erhöhter Thiamingesamtgehalt nachweisbar, der ebenfalls durch eine Erhöhung des Anteils des freien Thiamins begründet ist. Die Behandlung scheint somit, ähnlich wie die Fleischreifung, eine Freisetzung des freien Thiamins aus der vorübergehenden Bindungsform zu bewirken.

Vermutlich ist es so, dass die vermeintlichen Thiaminverluste während der Fleischreifung gar keine absoluten Verluste sind. Die Thiaminphosphate werden zum Teil zu niedriger phosphorylierten Bindungsformen und zum Teil zur nicht extrahierbaren Bindungsform transformiert. Dies hätte zur Folge, dass 30 min p.m. der Anteil des an die vorübergehende Bindungsform gebundenen Thiamins noch gering wäre, im Verlauf der Fleischreifung aber ansteigen würde, um nach 48 Stunden wieder abzusinken und das Thiamin wieder freizusetzen, was eine erneuten Erhöhung des messbaren Thiamingesamtgehaltes erklären würde (Abb. 85).

0 10 20 30 40 50 60 70 80

0 1,5 3 4,5 6 7,5 9 24 48 120

4 M onate Zeit [h]

Gehalt [nmol/g Protein]

Thiamingesamtgehalte Anfangsgehalt des Thiamins

Abb. 85: Vergleich des analysierbaren Thiamingesamtgehaltes mit dem vermutlich tatsächlich vorhandenen Gehalt

Die Pfeile zeigen die Differenz zwischen dem nachweisbaren Gehalt und dem anfänglichen Gehalt an und zeigen somit den möglichen Anteil der nicht extrahierbaren Bindungsform am Thiamingesamtgehalt auf

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