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Vorkommen von Leptospiren beim Wildschwein (Sus scrofa) in Niedersachsen

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Vorkommen von

Leptospiren beim Wildschwein (Sus scrofa) in Niedersachsen

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von Benthe Paysen aus Henstedt-Ulzburg

Hannover 2008

(2)

1. Gutachter: Prof. Dr. P. Valentin-Weigand 2. Gutachter: Prof. Dr. K.-H. Waldmann

Tag der mündlichen Prüfung: 04.12.2008

Gefördert aus Jagdforschungsmitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung

(3)

meiner Familie

(4)

Folgende Teile der vorliegenden Arbeit wurden bereits publiziert:

PAYSEN, B., K. DOHMANN, K. STRUTZBERG-MINDER, P. VALENTIN-WEIGAND u.

C. G. BAUMS (2008):

Untersuchung zum Vorkommen von Leptospiren im Harn- und Geschlechtstrakt von Wildschweinen in Niedersachsen.

Poster auf der Tagung der Fachgruppe „Bakteriologie und Mykologie“ der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG)

Braunschweig, 25.06.-27.06.2008

(5)

2 Schrifttum... 13

2.1 Das Wildschwein – Verbreitung und Lebensweise ... 13

2.2 Bejagung des Wildschweins ... 14

2.3 Die Gattung Leptospira... 15

2.3.1 Historische Entwicklung... 15

2.3.2 Allgemeine Eigenschaften und Taxonomie der Leptospiren... 15

2.4 Epidemiologie ... 17

2.5 Klinik und Pathologie der Leptospirose bei Haustieren ... 21

2.5.1 Leptospirose beim Hausschwein ... 21

2.5.2 Leptospirose beim Wiederkäuer, Hund und Pferd ... 25

2.6 Die Leptospirose als Zoonose ... 26

2.7 Leptospirose bei Wildtieren ... 29

2.8 Pathogenese und Immunologie bei der Leptospirose... 37

2.9 Virulenzmechanismen... 40

2.10 Lipoproteine von Leptospiren ... 45

2.11 Leptospirendiagnostik ... 47

2.11.1 Direkter Nachweis von Leptospiren ... 47

2.11.2 Serologische Leptospirendiagnostik... 53

3 Material und Methoden ... 55

3.1 Geräte und Materialien... 55

3.1.1 Geräte und Gebrauchsmaterialien... 55

3.1.2 Puffer, Lösungen, Medien ... 56

3.1.3 Probenmaterial... 61

3.1.4 Material für die Polymerasekettenreaktion (PCR) ... 62

3.1.5 Material für den Mikroagglutinationstest (MAT)... 65

3.2 Methoden... 66

3.2.1 Gewinnung und Auswahl des Probenmaterials ... 66

3.2.2 Aufbereitung des Probenmaterials für die PCR... 69

3.2.3 DNA-Extraktion aus dem Probenmaterial... 70

(6)

3.2.6 Sequenzierung... 74

3.2.7 Kultivierung von Leptospiren... 75

3.2.8 Mikroagglutinationstest (MAT)... 76

3.2.9 Statistische Auswertung... 77

4 Ergebnisse... 78

4.1 Etablierung der lipL45-nested PCR ... 78

4.1.1 Erstellung eines „Alignments“ und Auswahl geeigneter Bindungsstellen für die Oligonukleotidprimer... 78

4.2 Bestimmung der Sensitivität der lipL41-PCR sowie der lipL32- und der lipL45-nested PCR ... 80

4.3 PCR-gestützte Ermittlung der Prävalenz von Leptospiren bei Wildschweinen anhand von Gewebe- und Harnproben... 83

4.3.1 Nachweis mit der lipL41-PCR... 83

4.3.2 Nachweis mit der lipL32-nested PCR ... 84

4.3.3 Nachweis mit der lipL45-nested PCR ... 85

4.4 Kulturelle Untersuchung von Gewebe- und Harnproben... 87

4.5 Bestimmung der Seroprävalenz mittels Mikroagglutinationstest (MAT)... 88

5 Diskussion ... 94

5.1 Molekularbiologische Untersuchungen (PCR) ... 95

5.2 Kulturelle Untersuchungen ... 97

5.3 Untersuchungen mittels Mikroagglutinationstest (MAT)... 98

5.4 Vergleich der PCR- und MAT-Ergebnisse ... 101

5.5 Bewertung der Bedeutung der Habitatstruktur für die Seroprävalenz von Leptospiren beim Wildschwein in Niedersachsen ... 103

5.6 Schlussfolgerungen ... 104

6 Zusammenfassung ... 105

7 Summary... 107

8 Literatur... 109

(7)

9.2 Abbildungsverzeichnis... 137

(8)

ABC engl.: ATP-binding cassette

bp Basenpaare

BSA Bovines Serumalbumin

bzw. beziehungsweise ca. circa

CD engl.: cluster of differentiation

d. h. das heisst

DIC engl.: disseminated intravascular coagulation DNA engl.: deoxyribonucleic acid

dNTP 2’-Desoxy-Nukleotid-5’-Triphosphat EDTA Ethylendiamintetraacetat

ELISA engl.: enzyme linked immunosorbent assay

EMJH Ellinghausen-McCullough-Johnson-Harris (Nährmedium)

engl. englisch et al. lat.: et alii

Fur engl.: ferric uptake regulator

g Erdbeschleunigungskonstante g Gramm

ggf. gegebenenfalls GLP Glykolipoprotein h Stunde(n) HLA engl.: human leucocyte antigen Hrsg. Herausgeber i. d. R. in der Regel

IL Interleukin iNOS engl.: nitrite oxide synthetase insg. insgesamt

kb Kilobasenpaare

KBR Komplementbindungsreaktion

kDa kilo dalton

l Liter L. Leptospira lat. latein

Lhbp engl.: leptospiral iron-regulated hemin-binding protein Lig engl.: leptospiral immunglobuline-like protein

Lip Lipoprotein LPS Lipopolysaccharid Lsa engl.: leptospiral surface adhesin

µ Mikro (x 10-6)

µl Mikroliter

m Milli (x 10-3)

M Molar (mol/l)

MAT Mikroagglutinationstest MCP engl.: monocyte chemoattractant protein ml Milliliter

(9)

NCBI engl: National Center for Biotechnology Information

NK Natürliche Killer (-Zellen)

o. g. oben genannt

OIE franz.: Office International des Epizooties PAF engl.: platelet activating factor

PCR engl.: Polymerase chain reaction PMN engl.: polymorphonuclear neutrophils

RANTES engl.: regulated upon activation normal t-cell expressed and secreted

RNA engl.: ribonucleic acid

s. siehe sog. sogenannt

Taq Thermus aquaticus

TBE Trishydroxymethylaminomethan-Borsäure Ethylendiamintetraacetat

TE Tris-Ethylendiamintetraacetat TES N-tris (Hydromethyl) Methyl-2-Aminoethan Sulfonsäure TNF engl.: tumor necrosis factor

Tris Trishydroxymethylaminomethan

u. und

u. a. unter anderem

V Volt Vit Vitamin

z. T. zum Teil

(10)
(11)

1 Einleitung

Die Leptospirose ist eine weltweit bedeutende Infektionskrankheit bei vielen Haus- und Wildtieren sowie dem Menschen. Sie wird durch pathogene Arten der Bakteriengattung Leptospira verursacht. In ländlicher Umwelt ist die Leptospirose ebenso von Bedeutung wie in städtischen Regionen von industrialisierten Gebieten. Hohe Prävalenzen bestehen in tropischen Regionen und in Entwicklungsländern. Ein wichtiges Erregerreservoir stellen Kleinsäuger, insbesondere Nagetiere, aber auch andere Wildtiere dar. Die Infektion erfolgt in den meisten Fällen durch den Kontakt zu Harn infizierter Tiere oder zu entsprechend kontaminierter Umwelt. Einem erhöhten Risiko, an einer Leptospirose zu erkranken, sind Personen ausgesetzt, die häufigen Kontakt zu potentiell infizierten Tieren oder einer kontaminierten Umwelt haben, wie Landwirte, Schlachter, Tierärzte und Reisbauern in tropischen Regionen, aber auch Jäger und Freizeitaktivisten (v. a. Wassersportler). Das Krankheitsbild ist vielgestaltig und reicht von milden, unspezifischen Symptomen bis zu schwerwiegenden Erkrankungen, v. a. der Niere, Leber und Lunge, die tödlich enden können.

Leptospirosen bei landwirtschaftlichen Nutztieren, insbesondere den Hausschweinen sind häufig mit großen wirtschaftlichen Verlusten verbunden.

Eine Vielzahl von Wildtieren prägen chronische Infektionen mit milder oder fehlender Symptomatik aus, welche mit der Persistenz der Erreger überwiegend in der Niere und der Ausscheidung mit dem Harn über einen langen Zeitraum verbunden sind. Wildschweine könnten sich aufgrund Ihrer Lebensweise und insbesondere durch die Vorliebe für Wasserstellen und Suhlen, in denen auch ausgeschiedene Leptospiren überleben können, häufig mit Leptospiren infizieren. Sie sind Allesfresser, daher gehören mitunter auch kleine Säugetiere zur ihrer Nahrung, welches einen weiteren Risikofaktor darstellt. Hohe Seroprävalenzen unter Wildschweinen, die in früheren Untersuchungen in Berlin und Österreich ermittelt wurden, weisen auf eine hohe Infektionsrate mit Leptospiren hin.

In dieser Arbeit sollte durch den direkten Erregernachweis mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) und Kultur das Vorkommen der Leptospiren-tragenden Wildschweine in Niedersachsen ermittelt werden. Die Ergebnisse des direkten Erregernachweises wurden mit serologischen Untersuchungsergebnissen der Wildschweine im Mikroagglutinationstest (MAT) verglichen. Auf der Grundlage der MAT-Ergebnisse

(12)

erfolgte eine Abschätzung der Bedeutung der unterschiedlichen Serogruppen bzw. Serovaren beim Wildschwein in Niedersachsen.

(13)

2 Schrifttum

2.1 Das Wildschwein – Verbreitung und Lebensweise

Das Wildschwein, welches in der Jägersprache auch als Schwarzwild bezeichnet wird, trägt den wissenschaftlichen Namen Sus scrofa. Die Gattung Sus gehört zur Familie der echten Schweine (Suidae), die gemeinsam mit den Nabelschweinen (Dicotylidae) die Gruppe der Schweineartigen bildet. Diese Gruppe wiederum gehört zusammen mit den Flusspferden (Hippopotamidae) zu den nicht wiederkäuenden Paarhufern (FRÄDRICH 1967). Das heutige Hausschwein stammt ursprünglich vom Wildschwein ab. Die Verbreitung des Wildschweins erstreckt sich über Europa, Asien und Nordafrika. In Großbritannien und Skandinavien kommt es in freier Wildbahn hingegen nicht vor.

Wildschweine leben in großen Familienverbänden zusammen, den Rotten. Lediglich die erwachsenen Keiler leben als Einzelgänger, die nur bei Vorhandensein rauschiger Bachen die Rotten aufsuchen. Innerhalb der Rotte herrscht eine strenge Rangordnung, in die sich die Frischlinge ab einem Alter von vier Monaten einordnen müssen (HENNIG 2007). In einem Alter von 18 Monaten werden die Keiler von den Bachen aus der Rotte vertrieben. Die Stellung in der Rotte bezieht sich immer auf Stücke gleichen Alters, da grundsätzlich eine Altersrangordnung herrscht. Die Leitbache ist meistens die älteste und verfügt über die meiste Erfahrung. Sie erfüllt nicht nur die Leitfunktion des Verhaltens der Rotte hinsichtlich Bestimmung des Tagesablaufs und der Ortswechsel, sondern ist auch für die Synchronisation der Rausche verantwortlich (HENNIG 2007).

Dem Gebiss und dem Verdauungstrakt nach gehört das Schwarzwild zu den Allesfressern. Zur bevorzugten Nahrung gehören Eicheln und Bucheckern, Klee, Gräser und Kräuter, aber auch Mais, Kartoffeln und Getreide von Wald-nahen Feldern (BUBENIK 1984, HENNIG 2007). In der Erde brechen die Wildschweine vor allem nach Insektenlarven und Würmern. Sie fressen aber auch häufig Kleinsäuger und Aas, gegebenenfalls sogar Fischreste und Muscheln (HENNIG 2007). Ein geeigneter Lebensraum für die Wildschweine bietet das gesamte Jahr über ausreichend Nahrung und genügend Schutz für Schlafplätze und Wurfkessel (Nest der Bache zum Gebären der Frischlinge) vor Wind und Witterung.

Besonders im Winter werden häufig Fichtenwälder aufgesucht, die durch junges Gehölz

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Seitendeckung erhalten. Die Frischlinge kommen im Allgemeinen zwischen Februar und Mai zur Welt, seltener von Juli bis September (HENNIG 2007). Auch Ufer von Binnenseen oder Flüssen mit breiten Schilfgürteln bieten gute Lebensbedingungen für das Schwarzwild.

Wälder mit Kleingewässern und Feuchtgebieten sind für Wildschweine ebenfalls attraktiv, da hier auch in Dürreperioden Wasserstellen und Schlammlöcher zum Suhlen erhalten bleiben.

Das Suhlen oder auch Schlammbaden ist wichtig für das Wohlbefinden der Tiere und dient bei warmen Witterungsverhältnissen zur Temperaturregulation und zur Abwehr von Insekten (HENNIG 2007).

2.2 Bejagung des Wildschweins

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde das Schwarzwild nach Zeiten hoher Wilddichte radikal vermindert und in einigen Gebieten sogar ausgerottet. Eine Wiederbesiedlung der Lebensräume begann sich etwa von der vorletzten Jahrhundertwende an abzuzeichnen. Dies war auf die beiden Weltkriege aber auch auf den Wandel der Forst- und Landwirtschaft sowie den in zunehmendem Maß betriebenen Tier- und Naturschutz zurückzuführen (HENNIG 2007, OLOFF 1951). In den 1930er Jahren wurden erste Schutzbestimmungen für führende Bachen erlassen, was ebenfalls zu einer höheren Bestandsdichte beitrug. Gegen Ende des zweiten Weltkriegs hatten sich die Schwarzwildbestände soweit erholt, dass nun durch die hohen Vermehrungsraten wiederum Wildschäden auftraten und eine „Schadwildbekämpfung“

vorgenommen werden musste (HENNIG 2007). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wuchs der Schwarzwildbestand in Europa deutlich. So kam es in den 1960er Jahren in Deutschland zu einem Wildbretaufkommen von etwa 3.900 Wildschweinen, während im Jagdjahr 2006/07 eine Zahl von 275.600 Wildschweinen, davon in Niedersachsen 26.514, zur Strecke kamen (HENNIG 2007, www.jagd-online.de).

Zu den Zielen des Abschusses gehört es, den Bestand in Grenzen zu halten, um übermäßige Schäden in der Landwirtschaft zu vermeiden und das Risiko eines Schweinepestausbruches zu minimieren. Die Bejagung des Schwarzwildes in Deutschland hat sich in der Vergangenheit vor allem an den Empfehlungen des Lüneburger Modells orientiert, nach dem 90 % des Gesamtabschusses in der Jugendklasse liegen sollen (75 % Frischlinge, 15 % Überläufer) und nur je 5 % der Bachen und Keiler erlegt werden sollen (TEUWSEN 1980, www.dbj-2001.jaegerschaft-burgdorf.de).

(15)

Die Schwarzwildjagd wird als Einzeljagd oder Gesellschaftsjagd betrieben. Zu den häufigsten Arten der Einzeljagd gehört die Ansitz- und die Pirschjagd. Weit verbreitet ist die zu den Gesellschaftsjagden gehörende Drückjagd. Bei dieser werden die Wildschweine durch Hunde und/oder Treiber dazu veranlasst, ihre Einstände zu verlassen und Wildwechsel anzunehmen. Die Schützen werden zuvor an entsprechenden Wildwechseln positioniert. Zur effektiven Bestandsregulation des Schwarzwildes werden seit einigen Jahren in der Zeit zwischen Oktober und Januar vermehrt Revier-übergreifende Drückjagden durchgeführt, an denen zum Teil 50 oder mehr Jäger teilnehmen.

Nach dem Erlegen wird das Wild vom Jäger aufgebrochen, d. h. nach dem Eröffnen der Bauch- und Brusthöhle werden die inneren Organe entnommen. Im Zuge der neuen Hygienebestimmungen findet heute bei großen Drückjagden meist ein zentraler Aufbruch statt, bei dem das Wild von den Schützen oder auch von Schlachtern versorgt wird. Für die Verarbeitung sind weitere gesetzliche Bestimmungen einzuhalten, wie die Beurteilung der Verkehrs- und Verzehrsfähigkeit sowie die Entnahme der Proben für die amtliche Trichinenuntersuchung.

2.3 Die Gattung Leptospira 2.3.1 Historische Entwicklung

Im Jahre 1886 beschrieb WEIL eine Infektionskrankheit beim Menschen, die mit Ikterus, Fieber und Nierenentzündung einher ging. IDO und INADA (1915) gelang die Isolierung des verantwortlichen Erregers aus Blut von Patienten, die unter Morbus Weil litten. Der Erreger bekam von den beiden Japanern den Namen Spirochaeta icterohaemorrhagiae. Im gleichen Jahr gelang es FROMME und UHLENHUT die Isolierung des Erregers in Deutschland. Sie bezeichneten ihn als Spirochaeta icterogenes. Nach eingehender Betrachtung der Morphologie dieser Bakterien wurden sie der Ordnung der Spirochaetales zugeordnet und erhielten den Namen Leptospira (NOGUCHI 1918).

2.3.2 Allgemeine Eigenschaften und Taxonomie der Leptospiren

Die Leptospiren sind 0,1 x 6 bis 30 µm große Schraubenbakterien. Die Bakterienzelle wird begrenzt von einer Zytoplasmamembran, einer Zellwand aus Peptidoglykan und einer

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oberflächlichen mehrschichtigen Hülle. Zwischen der Zellwand und der äußeren Hülle befinden sich zwei zentrale Axialfilamente. Das kleiderbügelartige Aussehen der Leptospiren wird ihnen durch ein spiraliges Mittelstück und die hakenförmigen oder knopfartig verdickten Endstücke verliehen. Leptospiren sind aktiv bewegliche Bakterien, sie rotieren um ihre eigene Achse und bewegen sich vorwärts und rückwärts (LEVETT 2001, ROLLE u. MAYR 2007).

In der äußeren Hülle der Leptospiren befinden sich u. a. Proteine und Lipopolysaccharide.

Leptospiren wachsen bei 11 bis 42°C, sie sind aerob oder mikroaerophil.

Die Klassifizierung der Leptospiren hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Zunächst wurden zwei Gruppen (L. interrogans und L. biflexa) unterschieden (DIKKEN u. KMETY 1978). L. interrogans umfasste alle pathogenen und L. biflexa alle saprophytären, apathogenen Leptospirenserovaren. Unterschieden werden konnten die beiden Arten dadurch, dass L. biflexa im Gegensatz zu L. interrogans zu einem Wachstum bei 13°C fähig war und eine Resistenz gegenüber 8-Azaguanin (225 µg/ml) zeigte (FAINE u. STALLMAN 1982).

Die Unterteilung der Serovaren konnte durch unterschiedliches Agglutinationsverhalten aufgrund verschiedenartiger Oberflächenantigene mit homologen Antikörpern erfolgen (DIKKEN u. KMETY 1978). Auf der Basis antigenetischer Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb einzelner Serovaren kam es zur Einteilung in Serogruppen. Obwohl Serogruppen keine offizielle taxonomische Bedeutung haben, erwies sich eine solche Einteilung für das Verständnis der Epidemiologie als sinnvoll (LEVETT 2001). Serovaren einer Serogruppe kreuzreagieren mit dem jeweiligen Serovar-spezifischen Antiserum untereinander aufgrund Gruppen-spezifischer, Serovar-übergreifender Antigene. Gehören hingegen Serovaren unterschiedlichen Serogruppen an, zeigen sie keine Kreuzreaktionen (FAINE 1994). Die Spezies L. interrogans umfasste über 200 Serovaren in 23 Serogruppen (ROLLE u. MAYR 2007). Genetische Untersuchungen zeigten aber, dass die Artenfülle viel größer ist als es aufgrund phänotypischer Merkmale bisher angenommen wurde (LEVETT 2001). An der Einteilung in nur zwei Arten konnte nicht mehr festgehalten werden. Die aktuelle molekulargenetische Klassifizierung der Gattung Leptospira basiert auf phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnissen der DNA und 16S- und 23S-rRNA. Mittlerweile wird die Gattung Leptospira in 17 unterschiedliche Arten unterteilt, und es ist mit der Entdeckung weiterer zu rechnen (FAINE 1994, LEVETT 2001).

(17)

Obwohl gemäß der molekulargenetischen Klassifizierung die Einteilung in Serovaren nicht mehr sinnvoll erscheint (denn einige Serovaren gehören nach dieser Klassifizierung mehreren Spezies an), ist in klinischen und epidemiologischen Untersuchungen die Einteilung in Serovaren in vielen Fällen noch immer üblich (BRENNER et al. 1999, FAINE 1994, ROLLE u. MAYR 2007). Aus praktischen Gründen erfolgte auch im Rahmen dieser Arbeit die Klassifizierung in Serovaren.

2.4 Epidemiologie

Die Leptospirose ist eine weltweit vorkommende Infektionskrankheit, die durch pathogene Bakterien der Gattung Leptospira verursacht wird. Die Erkrankung ist die geographisch am weitesten verbreitete Zoonose. In den letzten Jahren haben Infektionen durch Leptospiren immer mehr Bedeutung erlangt und wurden daher beim Menschen, speziell in tropischen und subtropischen Regionen, eingeordnet als „reemerging infectious disease“ (wieder aufkommende Infektionskrankheit) (MESLIN 1997, LEVETT 2001). Untersuchungen von JANSEN et al. (2005) deuten aber auch auf ein gesteigertes Leptospiroseinzidenz beim Menschen in Deutschland hin. Von 1962 bis 2003 wurde von 2694 Leptospirosefällen berichtet, wobei die Zahl der Neuerkrankungen insbesondere in den Jahren 1998 bis 2003 anstieg und Männer häufiger betroffen waren als Frauen. Früher trat beim Menschen die Leptospirose häufig in ländlichen Regionen, hervorgerufen durch die Serovar Grippotyphosa, auf, da diese insbesondere durch die Feldmaus (Microtus apodemus) und den Feldhamster (Cricetus cricetus) übertragen wurde (MOCHMANN 1957). Inzwischen gewinnt aber auch die Serovar Icterohaemorrhagiae, welche häufig mit Ratten assoziiert ist, an Bedeutsamkeit.

Allerdings traten hohe Inzidenzen von Leptospirosen durch Serovar Icterohaemorrhagiae schon in den 1950er Jahren in Mecklenburg-Vorpommern auf. Als Grund wird ein erhöhtes Auftreten von Ratten in und um Fischereien diskutiert (KATHE u. MOCHMANN 1967, JANSEN et al. 2005). Durch Freizeitaktivitäten, die mit Gewässern assoziiert sind, erhöht sich das Risiko einer Leptospiroseinfektion. Auch aus diesem Grund könnte Mecklenburg- Vorpommern mit seinen zahlreichen Seenplatten, Flüssen und Kanälen ein erhöhtes Leptospirosevorkommen aufweisen. Ein weiterer Risikofaktor für Leptospirosen stellt das veränderte Reiseverhalten sowohl in tropische Regionen als auch in europäische Länder, wie z. B. Frankreich, in der heutigen Zeit dar (JANSEN et al. 2005).

(18)

In Deutschland besteht die Meldepflicht gegenüber der Leptospirose für Mensch und Tier. Im Zeitraum 1997 bis 2004 gingen bei den Veterinärämtern in Deutschland jährlich etwa zwischen 60 und 260 Leptospirosemeldungen ein (OIE 2004) (Tabelle 1). Allerdings lassen eine Vielzahl von Untersuchungen der letzten Jahre zur Prävalenz der Leptospiren bei Haustieren eine sehr viel stärkere Verbreitung der Erreger vermuten, welches nicht zuletzt mit dem häufigen Vorkommen von klinisch unauffälligen Infektionen oder dem Versäumnis einer Meldung erklärt werden kann (SCHÖNBERG et al. 1987, 1999, DEUTZ et al. 1996, 2003, JANSEN et al. 2005). In einer bundesweiten seroepidemiologischen Studie wurden 31.000 unterschiedliche Haustiere untersucht. Bei 14,4 % der untersuchten Schafe und 1,6 % der Rinder konnten positive Antikörpertiter im MAT, insbesondere gegen Serovar Hardjo, detektiert werden. 1,2 % der Schweine waren seropositiv, v. a. gegenüber den Serovaren Saxkoebing und Grippotyphosa. Ebenso dominierten positive Antikörpertiter gegenüber Serovar Grippotyphosa bei den Pferden, die insgesamt eine Seroprävalenz von 4,5 % aufwiesen. Von den untersuchten Hunden reagierten im MAT 8,4 % positiv gegenüber mehreren Serovaren (SCHÖNBERG et al. 1987).

Tabelle 1: Gemeldete Leptospirosefälle bei Mensch und Tier in Deutschland (1997 bis 2004) (OIE 2004)

Jahr Anzahl gemeldeter Leptospirosefälle

Mensch Rind Hund Pferd Schaf Schwein

2004 58 20 25 1 1 231 2003 38 20 18 0 1 225 2002 58 13 0 1 1 185 2001 47 14 0 0 0 120

2000 45 12 0 1 1 61

1999 45 18 0 2 1 52

1998 40 33 0 1 1 29

1997 24 24 0 0 0 66

Summe 355 154 43 6 6 969

(19)

Leptospireninfektionen konnten inzwischen bei fast allen warmblütigen Tieren nachgewiesen werden. Sogar bei marinen Säugern kommen diese Erreger vor (COLEGROVE et al. 2005).

Zudem beschränkt sich das Vorkommen von Leptospiren nicht nur auf Säugetiere, auch bei Amphibien, z. B. Fröschen (Rana pipiens) und Kröten (Bufo marinus), sind bereits Nachweise von Leptospiren erbracht worden (DIESCH et al. 1970, EVERARD et al. 1988).

Prinzipiell hat die Leptospirose eine höhere Prävalenz in feucht-warmen als in kühleren Regionen und Jahreszeiten (LEVETT 2001). Zahlreiche, insbesondere serologische Untersuchungen (2.7) zeigen aber, dass die Infektion mit Leptospiren in gemäßigten Klimazonen keine Seltenheit mehr ist. Sogar in Alaska wurden aus Nieren der Nordischen Wühlmaus (Microtus oeconomus) Leptospiren isoliert (WOODS 1974). Die Inzidenz der Leptospirose steht jedoch in Abhängigkeit zur Temperatur. Die Relevanz der Jahreszeiten wurde in einer Studie in Indien bestätigt, bei der gehäuft Leptospirosen in der Zeit des Monsuns auftraten. Außerdem erkrankten Männer (besonders Bauern) häufiger als Frauen (ITTYACHEN et al. 2007) (2.6). Die Seroprävalenz gegenüber Leptospiren weist auch bei einigen Tierarten eine Alters- und Geschlechtsabhängigkeit auf. Bei Seelöwen (Zalophus californiatus) in Kalifornien konnte eine erhöhte Seroprävalenz bei männlichen Tieren aufgezeigt werden (COLAGROSS-SCHOUTEN 2002). Zwei Studien, die die Seroprävalenz beim Wildschwein (Sus scrofa) untersuchten (in Deutschland und Australien), konnten jedoch keine signifikante Abhängigkeit der Seroprävalenz vom Geschlecht nachweisen (JANSEN et al. 2007, MASON et al. 1998). Die australische Forschungsgruppe von SMITHY (2002) wies eine signifikant höhere Seroprävalenz gegenüber Leptospiren bei adulten als bei juvenilen Flughunden (Pteropus conspicillatus) nach. Ebenso waren in Peru keine Trägertiere bei juvenilen Fledermäusen (v. a. Genera Artibeus und Carollina) mittels PCR nachzuweisen, sondern nur bei adulten Tieren (MATTHIAS et al. 2005). Bei dem neuseeländischen Fuchskusu (Trichosurus vulpecula) konnten nur bei adulten Tieren Leptospiren kulturell nachgewiesen werden.

Obwohl die Leptospiren u. a. mit der Milch, dem Fruchtwasser, der Nachgeburt, mit dem Sperma und dem Speichel ausgeschieden werden, ist die Ausscheidung infektiöser Erreger mit dem Harn und der daraus folgenden Kontamination der Umwelt die epidemiologisch bedeutendste (FAINE 1994). Leptospiren besitzen die Fähigkeit, auch außerhalb des Wirts zu überleben. Bei einem neutralen bis leicht alkalischem pH-Wert,

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ausreichend Feuchtigkeit und milden Temperaturen können sie in der Erde oder im Wasser bis zu mehreren Wochen infektionsfähig bleiben (FAINE 1994, ROLLE u. MAYR 2007).

Dies ist z. B. bei der Freilandhaltung von Schweinen oder Rindern zu berücksichtigen, da eine u. a. durch Wildtiere kontaminierte Umwelt eine Infektionsquelle darstellt.

Viele wildlebende Tiere stellen wichtige Erregerreservoire dar (2.7). Unter ihnen wird den Muriden (Ratte, Maus) eine herausragende Rolle für die Übertragung zugesprochen. Dies gilt insbesondere für die Übertragung auf den Menschen in städtischen Regionen (BHARTI et al. 2003) oder bei der Stallhaltung unserer Haustiere. Die Leptospirose wird durch Haupt- oder Reservoirwirte aufrechterhalten. Diese sind chronisch infizierte Individuen, bei denen die Leptospiren überwiegend in den Nieren persistieren (2.8). Hauptwirte zeichnen sich durch das endemische Vorkommen der Infektion und die direkte Übertragung innerhalb einer Spezies aus. Sie sind für bestimmte Serovaren besonders empfänglich und entwickeln chronische Infektionen der Niere, die mit wenig ausgeprägten oder fehlenden Symptomen und einer lang anhaltenden Erregerausscheidung, v. a. mit dem Harn, verbunden sind. Nebenwirte werden zufällig durch indirekte Übertragung infiziert, scheiden den Erreger nur über einen kurzen Zeitraum aus, sind weniger empfänglich für die entsprechende Serovar und entwickeln daher meistens vorübergehende, aber z. T. sehr schwerwiegende Infektionen. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Serovar Icterohaemorrhagiae, die beim Hauptwirt Nagetier, wie der Ratte, v. a. chronische, mild verlaufende Infektionen hervorruft, während sie beim Menschen als Nebenwirt zu dem akuten und schwerwiegenden Symptomen des Morbus Weil führt.

Insgesamt stellt der Mensch einen typischen Nebenwirt für die meisten Serovaren dar. Der Mensch zeigt häufig vorübergehende Infektionen und infiziert folglich nur selten weitere Individuen (ELLIS 2006, FAINE 1994, LEVETT 2001). Obwohl Wechselbeziehungen zwischen Wirt und Leptospirenserovaren nicht immer konstant sind (LITTLE 1986), bestehen dennoch einige häufig auftretende Serovar-Wirts-Beziehungen (2.6, Tabelle 3), wie z. B. das vermehrte Auftreten der Serovar Icterohaemorrhagiae und Grippotyphosa bei Nagetieren, insbesondere bei Ratten und Feldmäusen. Beim Schwein hat Serovar Pomona weltweit die größte Bedeutung und auch Serovar Bratislava ist in den letzten Jahren sehr bedeutungsvoll geworden (ELLIS 2006). Leptospireninfektionen des Hausschweins spielen eine große wirtschaftliche Rolle, da diese beim Schwein häufig mit Aborten, Totgeburten, Geburten lebensschwacher Ferkel und Unfruchtbarkeit assoziiert ist (2.5.1). Für Serovar Tarassovi stellt

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das Schwein selten ein Reservoir dar (ELLIS 2006, FAINE 1994). Beim Rind ist in den meisten Fällen Serovar Hardjo nachzuweisen. Der Hund ist Hauptwirt für Serovar Canicola (FAINE 1994), in jüngster Zeit verursachen aber auch die Serovaren Saxkoebing, Bratislava und Pomona immer häufiger Infektionen. Dies ist problematisch, da die in Europa erhältliche Vakzine nur sicher gegen die Serovaren Icterohaemorrhagiae und Canicola schützt (HARTMANN 2006, ROLLE u. MAYR 2007).

2.5 Klinik und Pathologie der Leptospirose bei Haustieren

Obwohl chronische Infektionen, die in vielen Fällen mit fehlender oder milder Symptomatik einhergehen, häufiger auftreten als akute Infektionen, ist besonders das klinische Bild der akuten Leptospirose gut erforscht, da dieses deutlicher in Erscheinung tritt. Häufig auftretende Symptome sind biphasische Fieberphase, Anämie, Hämoglobinurie und teilweise Ikterus. Weitere klinische Erscheinungen sind Reproduktionsstörungen und Mastitis sowie die rezidivierende Augenentzündung des Pferdes.

2.5.1 Leptospirose beim Hausschwein

Leptospirosen können beim Hausschwein sowohl mit akutem als auch mit chronischem Verlauf auftreten. Von der perakuten oder akuten Verlaufsform sind – sofern sie überhaupt auftritt - junge Schweine betroffen. Diese Form ist durch Fieber, hochgradige hämolytische Anämie, Hämoglobinurie und Ikterus, sowie Lungenödem und hämorrhagischer Diathese gekennzeichnet und endet oft tödlich (BASKERVILLE 1986, DAHME u. WEISS 2007).

Häufig ist eine latente Infektion bei Leptospireninfektionen des Hausschweins. Dies wurde in der Vergangenheit von mehreren Forschungsgruppen bestätigt (BURNSTEIN u. BAKER 1954, LANGHAM et al. 1958, SLEIGHT et al. 1960). In experimentellen Untersuchungen von SLEIGHT et. al. (1960) wurden 30 Schweine mit der Serovar Pomona infiziert, um in den ersten 14 Tagen den Verlauf der Leptospireninfektion zu analysieren. Als einziges klinisches Symptom war eine leichte transiente Temperaturerhöhung erkennbar. Bei der pathologischen Untersuchung der Versuchstiere stellten sich jedoch neben ödematisierten Lymphknoten und einer multifokalen interstitiellen Nephritis auch Läsionen des Gehirns (Meningoenzephalitis) bei den Tieren heraus, die elf Tage nach der experimentellen Infektion getötet worden waren. Weitere Untersuchungen bestätigten das Auftreten eines milden

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klinischen Bildes, die aber mit einem schweren pathologischen Bild verbunden sein können.

Bei experimentell infizierten Schweinen in den USA (Serovar Pomona) konnten u. a.

petechiale und ekchymatöse Hämorrhagien der Lunge sowie fokale Nieren- und Leberdegenerationen und in einigen Fällen auch Ikterus (BURNSTEIN u. BAKER 1954) festgestellt werden. Eine ähnliche Studie von LANGHAM et al. (1958) zeigte makroskopische und mikroskopische entzündliche Veränderungen an sämtlichen Lokalisationen der Niere und den renalen Lymphknoten. BAKER et al. (1989) untersuchten 197 Nieren von Schlachtschweinen in Kanada und fanden bei elf Nieren eine multifokale interstitielle Nephritis. Zudem konnte eine hohe Korrelation zwischen der multifokalen interstitiellen Nephritis und dem positiven kulturellen Nachweis von Leptospiren aus diesen Nieren ermittelt werden. Bei Untersuchungen je einer Niere von 32 Schlachtschweinen in Vietnam wurden bei 22 Nieren Leptospiren mittels Immunfluoreszenz nachgewiesen und bei 24 Nieren trat eine multifokale interstitielle Nephritis auf. Allerdings konnte in dieser Untersuchung kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer multifokalen interstitiellen Nephritis und dem Nachweis von Leptospiren gezeigt werden (p = 0,19) (BOQVIST et al. 2003).

Klinisch manifestiert sich die Leptospirose aufgrund der Fetotropie des Erregers auch häufig in Form von Aborten, Totgeburten und Geburten mumifizierter oder lebensschwacher Ferkel, es können aber auch gesunde Ferkel von infizierten Sauen geworfen werden (FENNESTAD u. BORG-PETERSEN 1966, WALDMANN u. WENDT 2004). Die Aborte finden in den meisten Fällen im letzten Drittel der Trächtigkeit statt und können durch unterschiedliche Serovaren hervorgerufen werden. Experimentelle Untersuchungen von FENNESTAD u. BORG-PETERSEN (1966) an trächtigen Sauen, die mit Leptospiren unterschiedlicher Serovaren (Pomona, Sejroe, Icterohaemorrhagiae und Saxkoebing) infiziert worden waren, zeigten 19 bis 33 Tage nach der Inokulation mit den Serovaren Pomona und Sejroe Aborte. Sauen, die mit Icterohaemorrhagiae und Saxkoebing infiziert waren, blieben hingegen symptomfrei. Die abortierten Feten wiesen als charakteristisches Zeichen fokale Lebernekrosen auf. Häufig zeigten die Früchte auch ödematisiertes Gewebe und seröse oder blutige Flüssigkeit in den Körperhöhlen, die aber auch auf einer intrauterinen Autolyse beruhen könnte. Gelegentlich wurde bei Ferkeln, die nach der Geburt verendeten, ein Ikterus festgestellt (FENNESTAD u. BORG-PETERSEN 1966). In Kanada konnte seuchenhaftes

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Abortieren in einem Bestand (40 Aborte in einem Sauenbestand von 250 Tieren) von REHMTULLA (1992) mittels Fluoreszenz-Antikörper-Technik auf Leptospiren zurückgeführt werden (Serovar Bratislava). Ferner scheint das Auftreten von lebensschwachen neugeborenen Ferkeln häufig durch Leptospireninfektionen (Serovar Icterohaemorrhagiae) bedingt zu sein. Dies legen serologische Untersuchungen von NETO et al. (1997) nahe. Eine sehr hohe Prävalenz von Totgeburten und auch Aborten konnte in Nordirland festgestellt werden. ELLIS et al. (1986c) isolierten Leptospiren aus fetalem Gewebe bei 55 von 78 Ferkelwürfen (71 %) (91 % davon: Serovar Bratislava und Muenchen).

Ebenso konnten in den USA BOLIN und CASSELLS (1991) bei der Untersuchung von insgesamt 17 Schweinebeständen mit vermehrtem Auftreten von lebensschwach geborenen Ferkeln, Totgeburten und Aborten in fünf Fällen Leptospiren kulturell nachweisen (Serovar Bratislava). Auf der Grundlage serologischer Untersuchungen wurden in Japan die Leptospirenserovaren Copenhageni, Icterohaemorrhagiae und Canicola mit einer Geburtsproblematik bei Sauen (Früh- und Totgeburten) in Zusammenhang gebracht (KAZAMI et al. 2002). Dagegen wurde bei Untersuchungen von VAN TIL u. DOHOO (1991) in Kanada kein Zusammenhang von Totgeburten und positiven Antkörpertitern festgestellt. Dieselbe Forschergruppe konnte aber ein vermehrtes Auftreten von Unfruchtbarkeit mit positiven Antikörpertitern gegen Leptospiren (v. a. Serovar Bratislava) assoziieren (VAN TIL u. DOHOO 1991). Besonders beim Hausschwein ist die Persistenz der Leptospiren im Genitaltrakt von großer Bedeutung, da Konzeptionsstörungen, Aborte und Totgeburten zu großen wirtschaftlichen Verlusten führen können. Dies ist in o. g.

Untersuchungen sowohl an experimentell infizierten Schweinen (FENNESTAD u. BORG- PETERSEN 1964), als auch in landwirtschaftlichen Schweinebeständen mit Reproduktionsstörungen (ELLIS et al. 1986c, NETO et al. 1996) nachgewiesen worden. Eine Sonderrolle scheinen die Serovaren Bratislava und Muenchen zu spielen. Infektionen durch diese, welche v. a. zu Konzeptionsstörungen, aber auch zu Aborten und Totgeburten führen können, zeichnen sich durch Persistenz der Erreger im weiblichen und männlichen Genitaltrakt aus. Hierbei scheint es sich um lokale Infektionen zu handeln, bei denen es zum Ausbleiben einer serologischen Reaktion kommen kann (ELLIS et al. 1986e, WALDMANN u. WENDT 2001). Demgegenüber sind aber auch Fälle mit positiven Antikörpertitern bzw.

Isolaten aus der Niere und dem Genitaltrakt beschrieben worden, die auf eine Infektion mit

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der Serovar Bratislava hinweisen, bei denen jedoch keine Fruchtbarkeitsstörungen oder andere klinische Symptome auftraten (WEBER u. FENSKE 1978, HATHAWAY et al. 1983, 1983a, ELLIS u. THIERMANN 1986b). Dies legt nahe, das Serovar Bratislava bzw.

bestimmte Genotypen dieser Serovar, als gering virulent anzusehen und Serumtiter in klinischer Hinsicht vorsichtig zu bewerten sind (ROLLE u. MAYR 2007, WALDMANN u.

WENDT 2001).

Tabelle 2: Klinik und Pathologie der Leptospirose beim Hausschwein

klinisches Bild beteiligte Serovaren Referenz

Aborte Pomona, Sejroe, Bratislava,

Muenchen 1, 3, 4, 5, 6, 9

Frühgeburten Copenhageni, Canicola,

Icterohaemorrhagiae

7 Totgeburten Pomona, Sejroe, Bratislava,

Muenchen, Hardjo, Copenhageni, Canicola, Icterohaemorrhagiae

1, 3, 4, 5, 7, 15

Geburten mumifizierter Ferkel Pomona, Sejroe 1, 4, 9 lebensschwache Ferkel Pomona, Sejroe, Bratislava,

Icterohaemorrhagiae, Hardjo

1, 2, 5, 4, 15

Unfruchtbarkeit Bratislava 8

Fieber Pomona, Sejroe,

Icterohaemorrhagiae

1, 10, 15, 18

Ikterus Pomona, Sejroe,

Icterohaemorrhagiae 1, 4, 10, 14, 18

Hämaturie Pomona 15

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pathologisches Bild beteiligte Serovaren Referenz petechiale und ekchymatöse

Hämorrhagien der Lunge Pomona 10, 18

multifokale interstitielle Nephritis Pomona, Sejroe, Canicola, Icterohaemorrhagiae

1, 4, 11, 14, 16, 17

fokale Nierendegenerationen Pomona 10

ödematisierte renale Lymphknoten

Pomona 11, 14, 17

fokale Leberdegenerationen Pomona 1, 10

Leberdegeneration abortierter Feten

Pomona, Sejroe 1

seröse bis blutige Flüssigkeit in den Körperhöhlen abortierter Feten

Pomona, Sejroe 1, 4

Meningitis (Meningoenzephalitis) Pomona 12, 13, 17

Perikarderguss Pomona 10

Hämorrhagien (Darmwand,

retroperitoneales Gewebe)

Icterohaemorrhagiae 18

(1) FENNESTAD u. BORG-PETERSEN 1966, (2) NETO et al. 1997, (3) ELLIS et al. 1986c, (4) HATHAWAY et al. 1983, 1983a, (5) BOLIN u. CASSELLS 1991, (6) REHMTULLA 1992, (7) KAZAMI et al. 2002, (8) VAN TIL u. DOHOO 1991, (9) WALDMANN 1990, (10) BURNSTEIN u.

BAKER 1954, (11) BAKER et al. 1989, (12) ELLIS 1986a, (13) WALDMANN u. WENDT 2001, (14) LANGHAM et al. 1958, (15) RYLEY u. SIMMONS 1954, (16) MICHNA u. CAMPBELL 1969, (17) SLEIGHT 1960, (18) NISBET 1951

2.5.2 Leptospirose beim Wiederkäuer, Hund und Pferd

Die pathologischen Veränderungen bei der akuten Form der Leptospirose beim Wiederkäuer entsprechen weitgehend denen des Schweins (DAHME u. WEISS 2007). Subakute Formen sind assoziiert mit schwächeren Symptomen. Häufig treten auch Mastitiden klinisch in Erscheinung. Bei akuten Verlausformen bestimmen Fieber, Ikterus, Hämoglobinurie und Anämie, Durchfall, Aborte sowie Mastitiden, die häufig mit einer Agalaktie verbunden sind, das klinische Bild (ELLIS 2006, ROLLE u. MAYR 2007).

Leptospirosen beim Hund manifestieren sich perakut bis chronisch mit nephritischer, ikterischer, gastrointestinaler oder nervaler Symptomatik. Chronische Verlaufsformen mit unspezifischer Leber- und Nierensymptomatik sind sehr häufig (ROLLE u. MAYR 2007).

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Bei jungen Hunden tritt in vielen Fällen ein perakutes bis akutes Krankheitsbild auf mit Ikterus durch Leberdystrophie, hämolytischer Anämie, hämorrhagischer Diathese und nekrotisierender Tubulonephrose und interstitieller Nephritis (u. a. durch Icterohaemorrhagiae, Saxkoebing, Bratislava, Pomona) (ROLLE u. MAYR 2007, DAHME u.

WEISS 2007). Verursacher der heute nur noch selten auftretenden „Stuttgarter Hundeseuche“

ist die Serovar Canicola. Diese schädigt v. a. die Nieren. Die Hunde entwickeln eine diffuse nichteitrige Nephritis und sterben meist an einer Urämie. Das klinische Bild wird häufig durch gastrointestinale Symptome bestimmt. Kausal soll die Serovar Canicola auch an der u.

a. durch urämische Prozesse entstehenden Endocarditis parietalis ulcerosa des Hundes beteiligt sein (DAHME u. WEISS 2007).

Beim Pferd kommt es selten zur Leptospirose. Die Krankheitserscheinungen entsprechen weitgehend denen von Schwein und Wiederkäuer. In den meisten Fällen bleiben die Leptospireninfektionen des Pferdes latent. Aufgrund von Nachweisen der Erreger aus dem Glaskörper in einigen Fallberichten (SANDEMEYER et al. 2007) wird eine Beteiligung von Leptospiren an der periodischen Augenentzündung (Equine Rezidivierende Uveitis) diskutiert.

2.6 Die Leptospirose als Zoonose

Die Leptospirose des Menschen ist auch unter den Namen Morbus Weil, Schlamm-, Ernte-, Reis- und Rohrzuckerfieber sowie Schweinehüterkrankheit bekannt. Die Bezeichnungen sind historisch bedingt oder beziehen sich auf die Übertragungswege. Genau wie beim Tier zeigen sich auch beim Menschen die Manifestationen der Erkrankung in sehr unterschiedlicher Ausprägung. Die Bezeichnung Morbus Weil bezieht sich auf die schwere, lebensbedrohliche, mit Ikterus, Azotämie, sowie Hämorrhagien und Anämien einhergehende, teilweise auch durch Bewusstseinstrübungen gekennzeichnete Leptospirose. In einigen Fällen treten respiratorische Symptome und sogar hochgradige pulmonale Hämorrhagien auf (DARAI et al. 2003, LIN et al. 2008, GOUVEIA et al. 2008). Die Letalität liegt heute bei etwa 5 % (DARAI et al. 2003). Schwere Verlaufsformen sind vor allem mit den Serovaren Icterohaemorrhagiae, Copenhageni, Australis und Bataviae assoziiert (FAINE 1994, DARAI et al. 2003). Häufig tritt jedoch eine anikterische, teilweise lediglich mit leichten Grippe- ähnlichen Symptomen einhergehende und selbstlimitierende Erkrankung auf, die z. B. durch

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die Serovaren Pomona, Grippotyphosa und Canicola ausgelöst werden kann (FAINE 1994, BOVET et al. 1999, ASHFORD et al. 2000) (Tabelle 3 ).

Tabelle 3: Ätiologische Differenzierung von Leptospirosen des Menschen

Bezeichnung der Erkrankung beim

Menschen

Schweregrad der

Erkrankung Serovar Reservoirwirt

Melkerkrankheit mild Hardjo Rind

Schweinehirten-

krankheit mild Pomona Schwein, Rind,

Nagetiere

Feldfieber mild Grippotyphosa Feldmaus,

Feldhamster

Canicolafieber mild Canicola Hund, Ratte,

Schwein Morbus Weil schwer Icterohaemorrhagiae Nagetiere, v. a. Ratte ohne spezifische

Bezeichnung schwer Copenhageni Nagetiere

Erntefieber schwer Bataviae Nagetiere (MOCHMANN 1957, SCHÖNBERG et al. 1984, FAINE 1994)

Die Pathogenese der menschlichen Erkrankung entspricht im Wesentlichen der des Tieres (2.8). Die erste Phase der Erkrankung tritt nach einer Inkubationszeit von zwei bis 20 Tagen ein. Typisch für diese Phase ist das Auftreten unspezifischer Symptome, wie Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Muskelschmerzen. In der zweiten Phase treten die meisten Komplikationen der Leptospirose auf, wenn sich die Leptospiren in den Organen ausbreiten.

Prinzipiell kann sich die Leptospirose in jedem Organ manifestieren. Allerdings sind die Niere und die Leber am häufigsten betroffen. Typische Symptome sind daher Ikterus und Oligurie (ANGNANI et al. 1999, COVIC et al. 2003, LIN et al. 2008). Es können sich auch pulmonale und gastrointestinale Symptome einstellen (ANGNANI et al. 1999, COVIC et al.

2003, LIN et al. 2008). Als ein weiteres Symptom sind Blutungen der Konjunktiven beschrieben worden (KATZ et al. 1998, KARANDE et al. 2003).

(28)

Infolge einer Leptospirose sind interstitielle Nephritiden, intra-alveolare Hämorrhagien und Myocarditiden häufige Obduktionsbefunde (SALKADE et al. 2005). Seltener treten Spleno-, Hepatomegalie, Lymphadenopathie oder Exantheme auf (DARAI et al. 2003, KARANDE et al. 2003). Einige der Patienten weisen eine aseptische Meningitis auf (DE SOUZA et al. 2006, MATHEW et al. 2006).

Als Risikogruppen gelten Personen mit vermehrter beruflicher Exposition gegenüber potentiell kontaminiertem Wasser oder durch Kontakt zu Trägertieren und deren Harn und Sekreten, z. B. Bauern, Viehzüchter, Kanalarbeiter, Bergleute, Reisfeld- und Zuckerrohrplantagenarbeiter, Schlachthofarbeiter, Tierpfleger und Tierärzte. Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko bei Jägern, Campern, Sportlern und Badenden sowie durch Aktivitäten an Gewässern (BHARTI et al. 2003, JANSEN et al. 2005, ITTYACHEN et al. 2007). Bei einer Untersuchung von DEUTZ et al. (1996) wurden 137 Tierärzte serologisch auf Antikörper gegen Leptospiren untersucht. 3 % der Tierärzte zeigten dabei positive Antikörpertiter (DEUTZ et al. 1996). Studien über die Seroprävalenz von Zoonosen bei Jägern zeigten mit einer 10 %igen Antikörperprävalenz gegenüber Leptospiren die erhöhte Exposition dieser Gruppe auf (DEUTZ et al. 2003). Immer wieder wird von einer höheren Infektionsrate bei Männern berichtet (SALKADE et al. 2005, ITTYACHEN et al. 2007, LIN et al. 2008). In Untersuchungen im Zeitraum von 1997 bis 2005 in Deutschland wurden Leptospirosefälle insbesondere auf diese Fragestellung hin untersucht. Es stellte sich eine Korrelation zwischen männlichen Patienten und dem Auftreten von schwereren Erkrankungen im Vergleich zu den weiblichen Patienten heraus (JANSEN et al. 2007). Untersuchungen auf einer Intensivstation in Indien bei 104 Patienten mit Leptospiroseverdacht, die serologisch auf Antikörper gegen Leptospirenserovaren getestet wurden, verdeutlichten das vermehrte Auftreten von Leptospirosen bei Männern (76 % der Seropositiven), die vorrangig in der Landwirtschaft tätig waren (v. a. auf Reisfeldern oder Ananas- und Kautschukplantagen) (ITTYACHEN et al. 2007). Zudem ist häufig eine höhere Inzidenz in feuchten Jahreszeiten (Monsun) erkennbar (SALKADE 2005, ITTYACHEN et al. 2007). Ebenfalls verdeutlichen Fallberichte über die humane Leptospirose den Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Auftreten von Überflutungen oder Kontakt zu Abwässern (KARANDE et al. 2003, PAPPACHAN et al. 2007). Weitere Untersuchungen zeigen eine Häufung von Leptospirosen, wenn Kontakte zu Gewässern bestanden haben und gleichzeitig von einem vermehrten

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Vorkommen von Nagetieren (PERRA et al. 2002) oder Wildschweinen (JANSEN et al. 2006) in unmittelbarer Umgebung berichtet wurde. Zunehmend wird die Leptospirose auch zum Problem in Armenvierteln („Slums“), bedingt durch inadäquate Hygiene- und Abwasserbedingungen sowie durch ein vermehrtes Auftreten von Ratten (REIS et al. 2008).

Eine wichtige Infektionsprävention ist die Expositionsvermeidung, beispielsweise durch die allgemeine Aufklärung der Bevölkerung, insbesondere aber der Risikogruppen in Bezug auf die Bedeutung schützender Kleidung, wie dem Tragen von Handschuhen, Gummistiefeln und einer Schürze bei Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit Tieren, Tierkörpern und Fleisch, aber auch Gartenarbeit oder Kontakt zu Gewässern stehen. Auch die frühzeitige Erkennung kontaminierter Gewässer, Schadnagerbekämpfung in Wohngebieten und die Isolierung infizierter Haustiere sollten für die Kontrolle der Leptospirose im Vordergrund stehen. Ebenso sind Impfungen von Haustieren (Hunden) möglich, sie schützen allerdings nur vor den im Impfstoff enthaltenen Serovaren (inaktivierte Ganzzellvakzine) und schließen daher nicht die Infektion und Ausscheidung anderer Serovaren aus. Derzeit wird aufgrund der bisherigen unbefriedigenden Ergebnisse an der Entwicklung von wirksamen Impfstoffen für Mensch und Tier geforscht (WANG et al. 2007).

2.7 Leptospirose bei Wildtieren

Für die Beurteilung der von Wildtieren ausgehenden Gefahr von Leptospireninfektionen der Haustiere und Menschen ist die Kenntnis der Verbreitung von Leptospiren in der wildlebenden Fauna von großer Bedeutung. In der Literatur werden die Nagetiere häufig als ein entscheidendes Erregerreservoir insbesondere auch für den Menschen dargestellt (MOCHMANN 1957, SÉBEK et al. 1983, FAINE 1994, LEVETT et al. 2001). Die Feldmaus (Microtus apodemus) und der Feldhamster (Cricetus cricetus) wurden bereits 1957 von MOCHMANN als bedeutungsvolle Überträger des Feldfiebers beschrieben. Er stellte erhöhte Inzidenzen in den Spätsommermonaten heraus. Allerdings gehört der Feldhamster inzwischen in weiten Teilen Deutschlands zu den bedrohten Tierarten (www.iucnredlist.org) und hat daher für die Verbreitung der Leptospirose an Bedeutung verloren. Durch indirekte und direkte Erregernachweise wurde in den letzten Jahren bei unterschiedlichen Tierarten das Vorkommen von Leptospiren ermittelt (2.7). Um die Bedeutung von Nagetieren als Trägertiere zu bestimmen, wurden zahlreiche Studien mit diesen Tieren durchgeführt.

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Verschiedene Ratten- und Mausarten wurden in den USA auf Hawaii serologisch und kulturell untersucht (HIGA u. FUJINAKA 1976). Kulturell konnten aus dem Nierengewebe bei 206 (24 %) Individuen (von 845) Leptospiren isoliert werden. Demgegenüber wurde eine geringere Seroprävalenz festgestellt (103/647 = 16 %), welches auf ein Absinken der Antikörpertiter durch die Besiedlung der renalen Tubuli nach der akuten Infektion zurückgeführt wurde. Tschechische Untersuchungen bei unterschiedlichen Kleinsäugern wiesen Seroprävalenzen von 4 %, 9 % und 21 % bei drei Mausarten nach (SÉBEK et al.

1983). Weitere Studien an Ratten und Mäusen stellten ebenfalls eine hohe Verbreitung von unterschiedlichen Leptospirenserovaren (Grippotyphosa, Bratislava) in Ländern wie Iran, Korea und Indien und den USA fest (HOOSHMAND-RAD u. MAGHAMI 1976, RIM et al.

1993, PRIYA et al. 2007). Bei der Testung von Bisamratten, die als seltene Trägertiere galten, wurden positive Nachweise mittels Kultur und MAT erbracht (serologisch: 6/14, Kultur: 2/7) (PAUL et al. 1972). In den USA stellt auch die Familie der Beutelratten ein Reservoir für Leptospiren dar. Eine Isolierung von Leptospiren gelang bei drei Südopossums (DIESCH et al. 1970). In Neuseeland erfolgten kulturelle und serologische Untersuchungen beim Fuchskusu („Commom Brushtail Possum”) (HATHAWAY et al. 1978). Leptospiren der Hebdomadis Serogruppe wurden bei 38 % der untersuchten Tiere isoliert. Bei acht Isolaten erfolgte eine Serovarbestimmung mittels „cross agglutination absorption test“ (CAAT), welcher, die Serovar Balcanica ergab.

Eine besondere Rolle als Überträger von Leptospiren auf den Menschen könnte der Waschbär aufgrund seines häufigen Vorkommens in oder nahe zu städtischen Siedlungen spielen. Dies bestätigen Untersuchungen von DIESCH (1970), der in den USA Leptospiren aus Nierengewebe von Waschbären isolierte (3/5). Ebenso wies eine kanadische Arbeitsgruppe (MIKAELIAN et al. 1997) mikroskopisch interstitielle Nephritiden nach (8/27), bei denen in 2 Fällen zusätzlich Spirochäten-ähnliche Bakterien detektiert wurden. Mit der Serovar-spezifischen Immunfluoreszenz wurden in einer dieser Nieren die Serovaren Bratislava und Pomona und in der zweiten Niere nur die Serovar Bratislava detektiert. Eine zweite Studie dieser Arbeitsgruppe beinhaltete serologische Untersuchungen von 25 Seren von Waschbären. Hier dominierten Reaktionen gegenüber der Serovar Bratislava bei sieben Tieren (28 %), wobei fünf davon gleichzeitig Titer gegen Serovar Pomona aufwiesen.

(31)

Ein beträchtliches Risiko einer Leptospireninfektion könnte auch von Igeln ausgehen, insbesondere wenn sie sich in menschlicher Obhut befinden. Eine Seroprävalenz von 92 % ergab eine deutsche Studie bei 26 untersuchten Igeln (HORSCH et al. 1970). In dänischen Untersuchungen wurden ebenfalls hohe Leptospirenprävalenzen festgestellt (22 % mit kulturellem Nachweis) (FENNESTAD u. BORG-PETERSEN 1972).

Bei Untersuchungen des Infektionsgeschehens bei jagdbaren Wildtieren in Deutschland wurden Seroprävalenzen von etwa 3 % bei Rehen und 24 % bei Hasen detektiert (HÜBNER u. HORSCH 1977). Auch beim Rehwild in den USA und Brasilien konnten Antikörper gegen Leptospiren nachgewiesen werden (GOYAL et al. 1992, MATHIAS et al. 1999). Sogar Braunbären in Kroatien zeigten Seroprävalenzen gegen Leptospiren auf. (MODRIĆ u.

HUBER 1993).

Als ein weiteres Wirtstier von Leptospiren wurde in Dänemark die Fledermaus postuliert. Die Vermutung stützte sich auf mikroskopische Untersuchungen im Dunkelfeld, bei denen eine Reihe von Spirochäten-ähnlichen Formen auffielen (FENNESTAD u. BORG- PETERSEN 1972). Bestätigend zeigten sich Seroprävalenzen von 28 % bei australischen Flughunden (SMYTHE et al. 2002). MATTHIAS et al. (2005) führten Untersuchungen an Fledermäusen in Peru durch. Es gelangen Speziesbestimmungen der Leptospiren mittels PCR bei 3 % der Proben (20 von 589), die Entdeckung von zwei putativ neuen Leptospirenarten und auch die kulturelle Isolierung von Leptospiren bei 1 % (3 von 589) der untersuchten Tiere. Außerdem stellte diese Arbeitsgruppe Unterschiede zum Vorkommen von Leptospiren unter den verschiedenen Fledermausarten sowie in der regionalen Verteilung fest.

Fledermäuse aus unberührten Wäldern zeigten ein signifikant erhöhtes Vorkommen von Leptospiren gegenüber Fledermäusen aus Wäldern, in denen menschliche Einflüsse deutlich waren.

Leptospirosen treten auch bei Meeressäugern auf. Für einen Ausbruch von renalen Erkrankungen bei hunderten von gestrandeten Seelöwen in Kalifornien konnte L. interrogans Serovar Pomona verantwortlich gemacht werden. Dies verdeutlichten serologische und kulturelle Untersuchungen der Arbeitsgruppe von GULLAND et al. (1996) und COLAGROSS-SCHOUTEN et al. (2002). Vermehrte Seroprävalenzen zeigten adulte und männliche Tiere. Bestätigende Untersuchungen für die Relevanz der marinen Säuger als

(32)

Träger von Leptospiren unternahmen zusätzlich COLEGROVE et al. (2005) an See- Elefanten.

Neben den Säugetieren können auch wechselwarme Tiere Reservoire für Leptospiren darstellen (MINETTE 1983). DIESCH et al. (1979) isolierten Leptospiren aus Nierengewebe von Fröschen. Arbeiten von EVERARD et al. (1988) in Barbados ergaben, dass Kröten ebenfalls ein Wirtstier für Leptospiren sind. Aus 211 kulturell untersuchten Nieren dieser Tiere gelang es der Arbeitsgruppe zweimal Leptospiren der Serovar Bim und zwei vermutlich neue Serovaren der Australis Serogruppe zu isolieren. Mittels MAT detektierten sie 21 % als seropositiv insbesondere gegenüber der Serovaren Australis, Autumnalis und Panama.

Unter den heimischen Wildtierarten finden sich auch beim Wildschwein serologisch positive Reagenten gegenüber Leptospirenserovaren. Dies wird häufig mit der Lebensweise des Schwarzwildes in Verbindung gebracht (HÜBNER u. HORSCH 1977, PARNAS u. WEBER 1989). Wildschweine haben eine Vorliebe für Lebensräume, in denen genügend Wasserstellen und Schlammlöcher zum Trinken und Suhlen vorhanden sind. Bei der Futtersuche durchwühlen sie häufig die Erde nach Larven oder Samen. Da das Wildschwein zu den Allesfressern gehört, beinhaltet ihre Ernährung mitunter auch kleine Säugetiere (z. B. Ratten und Mäuse) (2.1). Da in die Umwelt ausgeschiedene Leptospiren die Fähigkeit besitzen, auch in der Außenwelt infektionsfähig zu bleiben, besteht für das Wildschwein aufgrund der typischen Verhaltensweisen ein hohes Infektionsrisiko.

In Deutschland wurden von HORSCH et al. (1970) Seroprävalenzen von 3 % festgestellt, HÜBNER u. HORSCH (1977) und SCHÖNBERG et al. (1999) bestimmten hingegen 13 % und 24 % serologisch positive Reagenten. In Berlin wurden bei 25 von 141 Wildschweinen (18 %) positive Antikörpertiter ermittelt. Zehn Tiere reagierten mit mehr als einer Serovar (JANSEN et al. 2007). Insgesamt waren die Serovaren Bratislava und Pomona am häufigsten vertreten. Zusätzlich konnte bei dieser Untersuchung eine Assoziation zwischen positiven Antikörpertitern und dem Auftreten einer interstitiellen Nephritis durch histologische Untersuchungen festgestellt werden (p = 0,01). Von 29 histologisch untersuchten Nieren wiesen 15 eine interstitielle Nephritis, verbunden mit positiven Antikörpertitern gegen Leptospiren auf. Zwei Tiere mit interstitieller Nephritis waren allerdings serologisch negativ. In drei von zehn Nieren mit interstitieller Nephritis konnten

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mittels Silberfärbung (Warthin-Starry) Leptospiren-verdächtige Formen im Nierengewebe nachgewiesen werden. Von diesen drei Proben wurden zwei mittels lipL32-PCR (LEVETT et al. 2005) als positiv für das Vorkommen von Leptospiren-DNA befunden (JANSEN et al.

2007). Positive Antikörpertiter gegenüber Leptospirenserovaren bei Wildschweinen wurden ebenfalls bei Untersuchungen mittels MAT (nur Serovar Pomona eingesetzt) in Spanien mit 12 % festgestellt (VICENTE et al. 2002). In Italien ergab der MAT eine Seroprävalenz von 6 % mit Bratislava und Icterohaemorrhagiae als häufigste Serovaren (EBANI et al. 2003).

Ähnliche Studien beim Schwarzwild erfolgten in Polen, bei denen zu 25 % positive Antikörpertiter ermittelt wurden, v. a. gegen die Serovaren Sejroe und Poi (KRAWCZYK 2005). Die Leptospirose der Wildschweine beschränkt sich aber nicht nur auf Europa, auch in Australien ergaben serologische Untersuchungen eine Seroprävalenz von 20 % mit überwiegenden Antikörpertitern gegen die Serovar Pomona. Von den ermittelten positiven Reagenten zeigten 26 % Reaktionen mit mindestens einer weiteren Serovar (u. a. Canicola und Grippotyphosa). Es konnten keine Häufungen von positiven Antiköpertitern in Abhängigkeit von Geschlecht, Region oder Niederschlagmenge festgestellt werden (MASON et al. 1998).

Die oben genannten vorwiegend serologischen Untersuchungen zeigen, dass vor allem Nagetiere (insbesondere Mäuse und Ratten), aber auch weitere wildlebende Tiere, wie Igel, Südopossums, Fuchskusus, Waschbären, Fledermäuse bzw. Flughunde, marine Säugetiere und Kröten, sogar der Braunbär, Rehe, Hasen und das Wildschwein, als Wildtierreservoire von Leptospiren einzustufen sind.

(34)

Tabelle 4: Häufigkeiten von Nachweisen unterschiedlicher Serovaren bzw.

Serogruppen bei Wildtieren in verschiedenen Ländern Häufigkeiten in %

Nachweisverfahren Wildtier Land

MAT kulturell PCR

häufigste Serovaren/

Serogruppen

Referenz

Nagetiere

(Rattus rattus, Rattus norvegicus, Rattus exulans, Mus musculus)

USA

(Hawaii) 24

Ictero- haemorrhagiae,

Ballum

HIGA u.

FUJINAKA 1976 Waldmaus

(Apodemus

sylvaticus) Tschechien 9 Grippotyphosa SÉBEK et al.

1983 Hausmaus

(Mus musculus) Tschechien 4 Grippotyphosa SÉBEK et al.

1983 Hausmaus,

Hirschmaus

(Mus musculus, Peromyscus)

USA

(Iowa) 14

Bratislava, Ictero- haemorrhagiae

SMITH et al.

1992 Feldmaus

(Microtus

arvalis) Tschechien 21 Grippotyphosa SÉBEK et al.

1983 Waldmaus

(Apodemus

sylvaticus) Iran 1/30b Hebdomadisc

HOOSHMAND- RAD u.

MAGHAMI 1976 Hausratte

(Rattus rattus) Korea 8 Canicola RIM et al. 1993

Hausratte

(Rattus rattus) Indien 7/12b 8/13b Akiyami Af PRIYA et al.

2007 Bisamratte

(Ondatra zibethicus)

USA

(Illinois) 6/14b 2/7b Grippotyphosa,

Ballumc PAUL et al. 1972 Südopossum

(Didelphis marsupialis)

USA

(Iowa) 2/12b Ballum DIESCH et al.

1970 Fuchskusu

(Trichosurus vulpecula)

Neuseeland 67e 38 Hebdomadisc, Hardjo, Balcanica

HATHAWAY et al. 1978

(35)

Häufigkeiten in % Nachweisverfahren Wildtier Land

MAT kulturell PCR

häufigste Serovaren/

Serogruppen Referenz Waschbär

(Procyon lotor)

USA

(Iowa) 3/5b Grippotyphosa DIESCH et al.

1970 Waschbär

(Procyon lotor) Kanada 28 Bratislava,

Pomona MIKAELIAN et al. 1997 Igel

(Erinaceus europaeus)

Deutschland 92 Bratislava HORSCH et al.

1970 Igel

(Erinaceus

europaeus) Dänemark 22 Bratislava

FENNESTAD u.

BORG- PETERSEN 1972 Reh

(Capreolus

capreolus) Deutschland 3 Grippotyphosa HÜBNER u.

HORSCH 1977 Reh

(Odocoileus

virginiatus) USA 43 Pomona,

Bratislava

GOYAL et al.

1992 Reh

(Ozotocerus bezoarticus)

Brasilien 43 Hardjo, Wolffi MATHIAS et al.

1999

Hase

(Lepus

europaeus) Deutschland 24

Grippotyphosa, Pomona,

Javania, Saxkoebing,

Javania, Bratislava

HÜBNER u.

HORSCH 1977

Braunbär

(Ursus arctos) Kroatien 40 Australis, Sejroe MODRIĆ u.

HUBER 1993 Flughunde

(Pteropus

conspicillatus) Australien 28 Australis SMYTHE et al.

2002 Fledermaus

(häufigster Genus: Artibeus

und Carollia)

Südamerika

(Peru) 1 3

Grippotyphosa, Ictero- haemorrhagiae

MATTHIAS et al.

2005 Seelöwe

(Zalophus californiatus)

USA

(Kalifornien) 38 Pomonad

COLAGROSS- SCHOUTEN et

al. 2002

(36)

Häufigkeiten in % Nachweisverfahren Wildtier Land

MAT kulturell PCR

häufigste Serovaren/

Serogruppen Referenz See-Elefant

(Mirounga angustirostris)

USA

(Kalifornien) 1/6 b Pomona COLEGROVE et

al. 2005 Frosch

(Rana pipiens)

USA

(Iowa) 1/6bg nicht bestimmt DIESCH et al.

1970 Kröte

(Bufo marinus) Barbados 21 4

Australisc, Panamac, Bim

Autumnalisc,

EVERARD et al.

1988 Wildschwein

(Sus scrofa) Deutschland 3

Grippotyphosa, Pomona, Bratislava

HORSCH et al.

1970 Wildschwein

(Sus scrofa) Deutschland 13

Grippotyphosa, Javanica, Sejroe,

Ictero- haemorrhagiae

HÜBNER u.

HORSCH 1977 Wildschwein

(Sus scrofa) Deutschland 18 Bratislava,

Pomona

JANSEN et al.

2007 Wildschwein

(Sus scrofa) Spanien 12 Pomona d VICENTE et al.

2002 Wildschwein

(Sus scrofa) Italien 6 Bratislava,

Ictero- haemorrhagiae

EBANI et al.

2003 Wildschwein

(Sus scrofa) Polen 25 Sejroe, Poi KRAWCZYK

2005

a A = serologisch, B = kulturell, C = PCR

b keine Prozentangaben aufgrund der geringen Anzahl der Nachweise

c Angabe der Serogruppe

d für den MAT wurde nur die Serovar Pomona eingesetzt

e Gesamtpositive aus Serologie und Kultur

f Serovar ermittelt durch MAT aus Leptospirenisolat

h „gepoolte“ Probe aus insgesamt sechs Froschnieren

(37)

2.8 Pathogenese und Immunologie bei der Leptospirose

Die Infektion erfolgt hauptsächlich über den direkten oder indirekten Kontakt zu Harn infizierter Tiere, auch während des Deckaktes. Die Erreger gelangen dabei über Schleimhäute (z. B. Verdauungstrakt, Genitaltrakt, Auge) durch geschädigte oder aufgeweichte Haut oder durch Inhalation Leptospiren-haltigen Aerosols in ihren Wirt. Auch die intrauterine Infektion ist bei Säugetieren beschrieben (FAINE 1994). Eine galaktogene Infektion des Neugeborenen (Menschen) ist selten, aber dennoch möglich (BOLIN u. KOELLNER 1988). In Abhängigkeit von der Infektionsdosis beträgt die Inkubationszeit zwei bis 20 Tage. Über eine Bakteriämie gelangen die Bakterien in die Hauptzielorgane, die Niere (insbesondere die proximalen Tubuli contorti), da sie sich dort geschützt vor Antikörpern vermehren können und die Plazenta. Bei einigen Spezies gelangen die Erreger auch über die Plazenta in den Fetus. In diesen Organen können die Erreger persistieren. Weitere Zielorgane sind der Genitaltrakt (insbesondere beim Schwein), die vordere Augenkammer und das Gehirn (FAINE 1994).

Kennzeichnend für die akute Erkrankung ist der zweiphasige Verlauf. Die erste septikämische Phase dauert ungefähr eine Woche und ist von hohem Fieber begleitet. In der zweiten Phase treten die meisten Komplikationen der Leptospirose auf, da hier die Ausbreitung in die parenchymatösen Organe stattfindet und diese durch Endotoxine geschädigt werden können (2.9). Der Erreger wird in dieser Phase bereits mit dem Harn ausgeschieden und es werden Antikörper gebildet (BURNSTEIN u. BAKER 1954). In Abhängigkeit des Wirts und der beteiligten Serovaren verlaufen Leptospireninfektionen in vielen Fällen mit milden oder fehlenden Symptomen (LEVETT 2001). Insbesondere Nager und auch Schweine entwickeln chronische Infektionen, welche durch die Persistenz der Leptospiren teilweise mit jahrelanger Erregerausscheidung verbunden sind (ELLIS 2006).

Das pathologische Bild der Leptospirose ist bei Tier und Mensch weitgehend gleich (2.5 und 2.6). Der wichtigste Unterschied zur humanen Leptospirose ist der chronische Status der Trägertiere, bei denen die Leptospiren in den Nieren (BURNSTEIN u. BAKER 1954, LANGHAM et al. 1958, MICHNA u. CAMPBELL 1969) und im Genitaltrakt (sowohl des weiblichen (ELLIS u. THIERMANN 1986b, ELLIS et al. 1986e) als auch des männlichen (ELLIS et al. 1986d) Wirts) überleben und sich vermehren. Die Erreger werden so, insbesondere durch indirekten Kontakt zu Harn aber auch durch Sekrete des Genitaltrakts infizierter Tiere, an andere Individuen weitergeben (FAINE 1994).

(38)

Immunreaktionen des Wirts gegenüber Leptospirenantigen sind im Wesentlichen humoral.

Die unspezifische Abwehr durch polymorphkernige neutrophile Granulozyten (PMN) ist hingegen ein ineffizienter Abwehrmechanismus. Pathogene Leptospiren (L. interrogans Serovar Icterohaemorrhagiae) werden in Gegenwart von Serum ohne spezifische Antikörper gegen Leptospirenantigen von humanen PMN weder phagozytiert noch abgetötet (WANG et al. 1984). Erst durch den opsonisierenden Effekt Serovar-spezifischer Antikörper erfolgt die Phagozytose und die Abtötung der Leptospiren durch Phagozyten (Monozyten, Makrophagen, PMN) (WANG et al. 1984a). Die Virulenz der Leptospiren steht somit im Zusammenhang mit der Resistenz gegenüber Komplement und daraus folgender Phagozytose. Mechanismen, die dieser Eigenschaft zugrunde liegen, untersuchten VERMA et al. (2006). Sie wiesen ein Membranprotein (LfhA) der Leptospiren (L. interrogans Serovar Lai und Copenhageni) nach, welches ein Komplement-regulierendes Protein (Faktor H) bindet und somit die Leptospiren vor den Auswirkungen der Komplementaktivierung schützt (JANEWAY et al. 2002).

MÉRIEN et al. (1997) zeigten in Versuchen mit murinen Zelllinien von Makrophagen (J774A.1), dass pathogene Leptospiren (L. interrogans Serovar Icterohaemorrhagiae) nach Invasion den programmierten Zelltod (Apoptose) auslösen können.

Antikörper gegen Leptospiren werden in der zweiten Phase der Leptospirose gebildet, etwa gleichzeitig verlassen die Leptospiren den Blutkreislauf. Untersuchungen mit immunsupprimierten Mäusen bestätigen die überwiegend humoralen Immunreaktionen des Wirts gegenüber Leptospirenantigen (ADLER u. FAINE 1977). Der immunologische Schutz scheint v. a. durch Antikörper erzeugt zu werden, die gegen Serovar- (bzw. Serogruppen-) spezifische Lipopolysaccharide (LPS) gerichtet sind (CHAPMAN et al. 1988, FAINE 1994, SONRIER et al. 1999). Antikörper gegen Außenmembranproteine könnten aber auch eine wichtige protektive Funktion erfüllen. In Immunisierungsversuchen von Hamstern mit OmpL1- und LipL41-Fraktionen wurde ein synergistischer Effekt hinsichtlich eines immunologischen Schutzes gegenüber Leptospireninfektionen (L. kirschneri Serovar Grippotyphosa) nachgewiesen (HAAKE et al. 1999). Es gibt aber auch einzelne Untersuchungen, die für eine Bedeutung der zellvermittelten Immunität gegenüber Leptospiren sprechen. In einer Studie mit immunisierten Rindern (Totimpfstoff gegen L. borgpetersenii Serovar Hardjo) konnten spezifische CD4-positive T-Zellen und gamma- delta-positive T-Zellen nachgewiesen werden. Die Zellen zeigten nach einer Stimulation mit

(39)

Leptospirenantigen (L. borgpetersenii Serovar Hardjo) in vitro Proliferationen und Interferon- gammaproduktion (NAIMAN et al. 2001).

Analysen bezüglich der Beteiligung des Leptospiren-Glykolipoproteins (GLP) an dem Entzündungsgeschehen unternahmen DIAMENT et al. (2002). Diese Arbeitsgruppe wies nach Zugabe von extrahiertem GLP (L. interrogans Serovar Shernmani) auf eine Zellkultur (humane mononukleäre Zellen des peripheren Blutes) sowohl eine Steigerung der Zytokinproduktion (TNF alpha, IL10), als auch eine erhöhte Expression von CD69 und HLA- DR („human leucocyte antigen“) nach. Als Gegenprobe erfolgte dieses Experiment ebenso mit extrahiertem GLP von apathogenen Leptospiren (L. biflexa Serovar Patoc), dabei blieb die Expression von CD69 und HLA-DR aus. KLIMPEL et al. (2003) untersuchten die Reaktion von humanen mononukleären Zellen des peripheren Blutes auf pathogene Leptospiren (L. interrogans Serovar Copenhageni). Dabei wurde sowohl eine gesteigerte Interferon- gammaproduktion als auch eine gesteigerte Proliferation, insbesondere von gamma-delta- positven T-Zellen sowie von NK-Zellen nachgewiesen.

Leptospirenantigen spielt offenbar eine Rolle bei der Entstehung von interstitiellen Nephritiden und kann auch die Funktionsfähigkeit der Niere beeinträchtigen. Bestimmte Proteine der Außenmembran von Leptospiren sollen an der Entstehung einer renalen Dysfunktion beteiligt sein. Experimentelle Untersuchungen zeigten, dass extrahierte Außenmembranproteine eine reduzierte Aktivität des Na+-K+-Cl-Cotransporters in Zellkulturen von proximalen Tubuluszellen (Maus) bewirken (WU et al. 2004).

Eine Assoziation zwischen dem Auftreten von Leptospirenantigen und interstitiellen Nephritiden sowie Endothelschädigungen und Leberdegenerationen konnte in histopathologischen und immunhistopathologischen Untersuchungen an experimentell infizierten Meerschweinchen aufgezeigt werden (ALVES 1991, 1992). Die Ätiologie der interstitiellen Nephritis ist wenig erforscht. Obwohl die Lipopolysaccharide (LPS) der Leptospiren weniger endotoxisch sind als LPS gramnegativer Bakterien, wird LPS gemeinsam mit Proteinen der äußeren Membran (OmpL1, LipL32, LipL41) aber eine Schlüsselrolle bezüglich der Entstehung der interstitiellen Nephritis zugesprochen (FAINE 1994, BARNETT 1999, YANG 2000, 2002).

Zur Ermittlung der Beteiligung von Proteinen der Außenmembran an der Entstehung von Nephritiden wurden extrahierte Proteine zu einer Zellkultur gegeben (Protein: v. a.

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