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Pathogenese und Immunologie bei der Leptospirose

Die Infektion erfolgt hauptsächlich über den direkten oder indirekten Kontakt zu Harn infizierter Tiere, auch während des Deckaktes. Die Erreger gelangen dabei über Schleimhäute (z. B. Verdauungstrakt, Genitaltrakt, Auge) durch geschädigte oder aufgeweichte Haut oder durch Inhalation Leptospiren-haltigen Aerosols in ihren Wirt. Auch die intrauterine Infektion ist bei Säugetieren beschrieben (FAINE 1994). Eine galaktogene Infektion des Neugeborenen (Menschen) ist selten, aber dennoch möglich (BOLIN u. KOELLNER 1988). In Abhängigkeit von der Infektionsdosis beträgt die Inkubationszeit zwei bis 20 Tage. Über eine Bakteriämie gelangen die Bakterien in die Hauptzielorgane, die Niere (insbesondere die proximalen Tubuli contorti), da sie sich dort geschützt vor Antikörpern vermehren können und die Plazenta. Bei einigen Spezies gelangen die Erreger auch über die Plazenta in den Fetus. In diesen Organen können die Erreger persistieren. Weitere Zielorgane sind der Genitaltrakt (insbesondere beim Schwein), die vordere Augenkammer und das Gehirn (FAINE 1994).

Kennzeichnend für die akute Erkrankung ist der zweiphasige Verlauf. Die erste septikämische Phase dauert ungefähr eine Woche und ist von hohem Fieber begleitet. In der zweiten Phase treten die meisten Komplikationen der Leptospirose auf, da hier die Ausbreitung in die parenchymatösen Organe stattfindet und diese durch Endotoxine geschädigt werden können (2.9). Der Erreger wird in dieser Phase bereits mit dem Harn ausgeschieden und es werden Antikörper gebildet (BURNSTEIN u. BAKER 1954). In Abhängigkeit des Wirts und der beteiligten Serovaren verlaufen Leptospireninfektionen in vielen Fällen mit milden oder fehlenden Symptomen (LEVETT 2001). Insbesondere Nager und auch Schweine entwickeln chronische Infektionen, welche durch die Persistenz der Leptospiren teilweise mit jahrelanger Erregerausscheidung verbunden sind (ELLIS 2006).

Das pathologische Bild der Leptospirose ist bei Tier und Mensch weitgehend gleich (2.5 und 2.6). Der wichtigste Unterschied zur humanen Leptospirose ist der chronische Status der Trägertiere, bei denen die Leptospiren in den Nieren (BURNSTEIN u. BAKER 1954, LANGHAM et al. 1958, MICHNA u. CAMPBELL 1969) und im Genitaltrakt (sowohl des weiblichen (ELLIS u. THIERMANN 1986b, ELLIS et al. 1986e) als auch des männlichen (ELLIS et al. 1986d) Wirts) überleben und sich vermehren. Die Erreger werden so, insbesondere durch indirekten Kontakt zu Harn aber auch durch Sekrete des Genitaltrakts infizierter Tiere, an andere Individuen weitergeben (FAINE 1994).

Immunreaktionen des Wirts gegenüber Leptospirenantigen sind im Wesentlichen humoral.

Die unspezifische Abwehr durch polymorphkernige neutrophile Granulozyten (PMN) ist hingegen ein ineffizienter Abwehrmechanismus. Pathogene Leptospiren (L. interrogans Serovar Icterohaemorrhagiae) werden in Gegenwart von Serum ohne spezifische Antikörper gegen Leptospirenantigen von humanen PMN weder phagozytiert noch abgetötet (WANG et al. 1984). Erst durch den opsonisierenden Effekt Serovar-spezifischer Antikörper erfolgt die Phagozytose und die Abtötung der Leptospiren durch Phagozyten (Monozyten, Makrophagen, PMN) (WANG et al. 1984a). Die Virulenz der Leptospiren steht somit im Zusammenhang mit der Resistenz gegenüber Komplement und daraus folgender Phagozytose. Mechanismen, die dieser Eigenschaft zugrunde liegen, untersuchten VERMA et al. (2006). Sie wiesen ein Membranprotein (LfhA) der Leptospiren (L. interrogans Serovar Lai und Copenhageni) nach, welches ein Komplement-regulierendes Protein (Faktor H) bindet und somit die Leptospiren vor den Auswirkungen der Komplementaktivierung schützt (JANEWAY et al. 2002).

MÉRIEN et al. (1997) zeigten in Versuchen mit murinen Zelllinien von Makrophagen (J774A.1), dass pathogene Leptospiren (L. interrogans Serovar Icterohaemorrhagiae) nach Invasion den programmierten Zelltod (Apoptose) auslösen können.

Antikörper gegen Leptospiren werden in der zweiten Phase der Leptospirose gebildet, etwa gleichzeitig verlassen die Leptospiren den Blutkreislauf. Untersuchungen mit immunsupprimierten Mäusen bestätigen die überwiegend humoralen Immunreaktionen des Wirts gegenüber Leptospirenantigen (ADLER u. FAINE 1977). Der immunologische Schutz scheint v. a. durch Antikörper erzeugt zu werden, die gegen Serovar- (bzw. Serogruppen-) spezifische Lipopolysaccharide (LPS) gerichtet sind (CHAPMAN et al. 1988, FAINE 1994, SONRIER et al. 1999). Antikörper gegen Außenmembranproteine könnten aber auch eine wichtige protektive Funktion erfüllen. In Immunisierungsversuchen von Hamstern mit OmpL1- und LipL41-Fraktionen wurde ein synergistischer Effekt hinsichtlich eines immunologischen Schutzes gegenüber Leptospireninfektionen (L. kirschneri Serovar Grippotyphosa) nachgewiesen (HAAKE et al. 1999). Es gibt aber auch einzelne Untersuchungen, die für eine Bedeutung der zellvermittelten Immunität gegenüber Leptospiren sprechen. In einer Studie mit immunisierten Rindern (Totimpfstoff gegen L. borgpetersenii Serovar Hardjo) konnten spezifische CD4-positive T-Zellen und gamma-delta-positive T-Zellen nachgewiesen werden. Die Zellen zeigten nach einer Stimulation mit

Leptospirenantigen (L. borgpetersenii Serovar Hardjo) in vitro Proliferationen und Interferon-gammaproduktion (NAIMAN et al. 2001).

Analysen bezüglich der Beteiligung des Leptospiren-Glykolipoproteins (GLP) an dem Entzündungsgeschehen unternahmen DIAMENT et al. (2002). Diese Arbeitsgruppe wies nach Zugabe von extrahiertem GLP (L. interrogans Serovar Shernmani) auf eine Zellkultur (humane mononukleäre Zellen des peripheren Blutes) sowohl eine Steigerung der Zytokinproduktion (TNF alpha, IL10), als auch eine erhöhte Expression von CD69 und HLA-DR („human leucocyte antigen“) nach. Als Gegenprobe erfolgte dieses Experiment ebenso mit extrahiertem GLP von apathogenen Leptospiren (L. biflexa Serovar Patoc), dabei blieb die Expression von CD69 und HLA-DR aus. KLIMPEL et al. (2003) untersuchten die Reaktion von humanen mononukleären Zellen des peripheren Blutes auf pathogene Leptospiren (L. interrogans Serovar Copenhageni). Dabei wurde sowohl eine gesteigerte Interferon-gammaproduktion als auch eine gesteigerte Proliferation, insbesondere von gamma-delta-positven T-Zellen sowie von NK-Zellen nachgewiesen.

Leptospirenantigen spielt offenbar eine Rolle bei der Entstehung von interstitiellen Nephritiden und kann auch die Funktionsfähigkeit der Niere beeinträchtigen. Bestimmte Proteine der Außenmembran von Leptospiren sollen an der Entstehung einer renalen Dysfunktion beteiligt sein. Experimentelle Untersuchungen zeigten, dass extrahierte Außenmembranproteine eine reduzierte Aktivität des Na+-K+-Cl-Cotransporters in Zellkulturen von proximalen Tubuluszellen (Maus) bewirken (WU et al. 2004).

Eine Assoziation zwischen dem Auftreten von Leptospirenantigen und interstitiellen Nephritiden sowie Endothelschädigungen und Leberdegenerationen konnte in histopathologischen und immunhistopathologischen Untersuchungen an experimentell infizierten Meerschweinchen aufgezeigt werden (ALVES 1991, 1992). Die Ätiologie der interstitiellen Nephritis ist wenig erforscht. Obwohl die Lipopolysaccharide (LPS) der Leptospiren weniger endotoxisch sind als LPS gramnegativer Bakterien, wird LPS gemeinsam mit Proteinen der äußeren Membran (OmpL1, LipL32, LipL41) aber eine Schlüsselrolle bezüglich der Entstehung der interstitiellen Nephritis zugesprochen (FAINE 1994, BARNETT 1999, YANG 2000, 2002).

Zur Ermittlung der Beteiligung von Proteinen der Außenmembran an der Entstehung von Nephritiden wurden extrahierte Proteine zu einer Zellkultur gegeben (Protein: v. a.

LipL32 der pathogenen Serovar Shermani; Zellkultur: proximale Tubuli von Mäusenieren). In Abhängigkeit von der Dosis wurden Zytokine (iNOS, MCP-1, TNF alpha, RANTES) freigesetzt, die an einer entzündlichen Schädigung der Niere beteiligt sein könnten (YANG 2000, 2002).

Bei akuten Leptospirosen kann es zu hämorrhagischen Veränderungen kommen.

Beispielsweise sind pulmonale Hämorrhagien gefürchtete Komplikationen des Morbus Weil.

Auf der Grundlage von Tierexperimenten ist die Entstehung weitreichender Blutungen mit dem Auftreten einer DIC („disseminated intravascular coagulation“) in Verbindung gebracht worden (HIGGINS u. COUSINEAU 1977). Demgegenüber bringt laut YANG et al. (2006) die bei der Leptospirose auftretende Thrombozytopenie zwar die Gefahr von Hämorrhagien mit sich, ätiologisch ist sie aber nicht mit einer DIC assoziiert. Im Rahmen der Genomsequenzierung konnte eine Kollagenase von REN et al. (2003) identifiziert werden, die durch eine Schädigung des Endothels zur Entstehung von Blutungen beitragen könnte (2.9, Tabelle 5).