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Die Leptospirose ist eine weltweit vorkommende Infektionskrankheit, die durch pathogene Bakterien der Gattung Leptospira verursacht wird. Die Erkrankung ist die geographisch am weitesten verbreitete Zoonose. In den letzten Jahren haben Infektionen durch Leptospiren immer mehr Bedeutung erlangt und wurden daher beim Menschen, speziell in tropischen und subtropischen Regionen, eingeordnet als „reemerging infectious disease“ (wieder aufkommende Infektionskrankheit) (MESLIN 1997, LEVETT 2001). Untersuchungen von JANSEN et al. (2005) deuten aber auch auf ein gesteigertes Leptospiroseinzidenz beim Menschen in Deutschland hin. Von 1962 bis 2003 wurde von 2694 Leptospirosefällen berichtet, wobei die Zahl der Neuerkrankungen insbesondere in den Jahren 1998 bis 2003 anstieg und Männer häufiger betroffen waren als Frauen. Früher trat beim Menschen die Leptospirose häufig in ländlichen Regionen, hervorgerufen durch die Serovar Grippotyphosa, auf, da diese insbesondere durch die Feldmaus (Microtus apodemus) und den Feldhamster (Cricetus cricetus) übertragen wurde (MOCHMANN 1957). Inzwischen gewinnt aber auch die Serovar Icterohaemorrhagiae, welche häufig mit Ratten assoziiert ist, an Bedeutsamkeit.

Allerdings traten hohe Inzidenzen von Leptospirosen durch Serovar Icterohaemorrhagiae schon in den 1950er Jahren in Mecklenburg-Vorpommern auf. Als Grund wird ein erhöhtes Auftreten von Ratten in und um Fischereien diskutiert (KATHE u. MOCHMANN 1967, JANSEN et al. 2005). Durch Freizeitaktivitäten, die mit Gewässern assoziiert sind, erhöht sich das Risiko einer Leptospiroseinfektion. Auch aus diesem Grund könnte Mecklenburg-Vorpommern mit seinen zahlreichen Seenplatten, Flüssen und Kanälen ein erhöhtes Leptospirosevorkommen aufweisen. Ein weiterer Risikofaktor für Leptospirosen stellt das veränderte Reiseverhalten sowohl in tropische Regionen als auch in europäische Länder, wie z. B. Frankreich, in der heutigen Zeit dar (JANSEN et al. 2005).

In Deutschland besteht die Meldepflicht gegenüber der Leptospirose für Mensch und Tier. Im Zeitraum 1997 bis 2004 gingen bei den Veterinärämtern in Deutschland jährlich etwa zwischen 60 und 260 Leptospirosemeldungen ein (OIE 2004) (Tabelle 1). Allerdings lassen eine Vielzahl von Untersuchungen der letzten Jahre zur Prävalenz der Leptospiren bei Haustieren eine sehr viel stärkere Verbreitung der Erreger vermuten, welches nicht zuletzt mit dem häufigen Vorkommen von klinisch unauffälligen Infektionen oder dem Versäumnis einer Meldung erklärt werden kann (SCHÖNBERG et al. 1987, 1999, DEUTZ et al. 1996, 2003, JANSEN et al. 2005). In einer bundesweiten seroepidemiologischen Studie wurden 31.000 unterschiedliche Haustiere untersucht. Bei 14,4 % der untersuchten Schafe und 1,6 % der Rinder konnten positive Antikörpertiter im MAT, insbesondere gegen Serovar Hardjo, detektiert werden. 1,2 % der Schweine waren seropositiv, v. a. gegenüber den Serovaren Saxkoebing und Grippotyphosa. Ebenso dominierten positive Antikörpertiter gegenüber Serovar Grippotyphosa bei den Pferden, die insgesamt eine Seroprävalenz von 4,5 % aufwiesen. Von den untersuchten Hunden reagierten im MAT 8,4 % positiv gegenüber mehreren Serovaren (SCHÖNBERG et al. 1987).

Tabelle 1: Gemeldete Leptospirosefälle bei Mensch und Tier in Deutschland (1997 bis 2004) (OIE 2004)

Jahr Anzahl gemeldeter Leptospirosefälle

Mensch Rind Hund Pferd Schaf Schwein

2004 58 20 25 1 1 231 2003 38 20 18 0 1 225 2002 58 13 0 1 1 185 2001 47 14 0 0 0 120

2000 45 12 0 1 1 61

1999 45 18 0 2 1 52

1998 40 33 0 1 1 29

1997 24 24 0 0 0 66

Summe 355 154 43 6 6 969

Leptospireninfektionen konnten inzwischen bei fast allen warmblütigen Tieren nachgewiesen werden. Sogar bei marinen Säugern kommen diese Erreger vor (COLEGROVE et al. 2005).

Zudem beschränkt sich das Vorkommen von Leptospiren nicht nur auf Säugetiere, auch bei Amphibien, z. B. Fröschen (Rana pipiens) und Kröten (Bufo marinus), sind bereits Nachweise von Leptospiren erbracht worden (DIESCH et al. 1970, EVERARD et al. 1988).

Prinzipiell hat die Leptospirose eine höhere Prävalenz in feucht-warmen als in kühleren Regionen und Jahreszeiten (LEVETT 2001). Zahlreiche, insbesondere serologische Untersuchungen (2.7) zeigen aber, dass die Infektion mit Leptospiren in gemäßigten Klimazonen keine Seltenheit mehr ist. Sogar in Alaska wurden aus Nieren der Nordischen Wühlmaus (Microtus oeconomus) Leptospiren isoliert (WOODS 1974). Die Inzidenz der Leptospirose steht jedoch in Abhängigkeit zur Temperatur. Die Relevanz der Jahreszeiten wurde in einer Studie in Indien bestätigt, bei der gehäuft Leptospirosen in der Zeit des Monsuns auftraten. Außerdem erkrankten Männer (besonders Bauern) häufiger als Frauen (ITTYACHEN et al. 2007) (2.6). Die Seroprävalenz gegenüber Leptospiren weist auch bei einigen Tierarten eine Alters- und Geschlechtsabhängigkeit auf. Bei Seelöwen (Zalophus californiatus) in Kalifornien konnte eine erhöhte Seroprävalenz bei männlichen Tieren aufgezeigt werden (COLAGROSS-SCHOUTEN 2002). Zwei Studien, die die Seroprävalenz beim Wildschwein (Sus scrofa) untersuchten (in Deutschland und Australien), konnten jedoch keine signifikante Abhängigkeit der Seroprävalenz vom Geschlecht nachweisen (JANSEN et al. 2007, MASON et al. 1998). Die australische Forschungsgruppe von SMITHY (2002) wies eine signifikant höhere Seroprävalenz gegenüber Leptospiren bei adulten als bei juvenilen Flughunden (Pteropus conspicillatus) nach. Ebenso waren in Peru keine Trägertiere bei juvenilen Fledermäusen (v. a. Genera Artibeus und Carollina) mittels PCR nachzuweisen, sondern nur bei adulten Tieren (MATTHIAS et al. 2005). Bei dem neuseeländischen Fuchskusu (Trichosurus vulpecula) konnten nur bei adulten Tieren Leptospiren kulturell nachgewiesen werden.

Obwohl die Leptospiren u. a. mit der Milch, dem Fruchtwasser, der Nachgeburt, mit dem Sperma und dem Speichel ausgeschieden werden, ist die Ausscheidung infektiöser Erreger mit dem Harn und der daraus folgenden Kontamination der Umwelt die epidemiologisch bedeutendste (FAINE 1994). Leptospiren besitzen die Fähigkeit, auch außerhalb des Wirts zu überleben. Bei einem neutralen bis leicht alkalischem pH-Wert,

ausreichend Feuchtigkeit und milden Temperaturen können sie in der Erde oder im Wasser bis zu mehreren Wochen infektionsfähig bleiben (FAINE 1994, ROLLE u. MAYR 2007).

Dies ist z. B. bei der Freilandhaltung von Schweinen oder Rindern zu berücksichtigen, da eine u. a. durch Wildtiere kontaminierte Umwelt eine Infektionsquelle darstellt.

Viele wildlebende Tiere stellen wichtige Erregerreservoire dar (2.7). Unter ihnen wird den Muriden (Ratte, Maus) eine herausragende Rolle für die Übertragung zugesprochen. Dies gilt insbesondere für die Übertragung auf den Menschen in städtischen Regionen (BHARTI et al. 2003) oder bei der Stallhaltung unserer Haustiere. Die Leptospirose wird durch Haupt- oder Reservoirwirte aufrechterhalten. Diese sind chronisch infizierte Individuen, bei denen die Leptospiren überwiegend in den Nieren persistieren (2.8). Hauptwirte zeichnen sich durch das endemische Vorkommen der Infektion und die direkte Übertragung innerhalb einer Spezies aus. Sie sind für bestimmte Serovaren besonders empfänglich und entwickeln chronische Infektionen der Niere, die mit wenig ausgeprägten oder fehlenden Symptomen und einer lang anhaltenden Erregerausscheidung, v. a. mit dem Harn, verbunden sind. Nebenwirte werden zufällig durch indirekte Übertragung infiziert, scheiden den Erreger nur über einen kurzen Zeitraum aus, sind weniger empfänglich für die entsprechende Serovar und entwickeln daher meistens vorübergehende, aber z. T. sehr schwerwiegende Infektionen. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Serovar Icterohaemorrhagiae, die beim Hauptwirt Nagetier, wie der Ratte, v. a. chronische, mild verlaufende Infektionen hervorruft, während sie beim Menschen als Nebenwirt zu dem akuten und schwerwiegenden Symptomen des Morbus Weil führt.

Insgesamt stellt der Mensch einen typischen Nebenwirt für die meisten Serovaren dar. Der Mensch zeigt häufig vorübergehende Infektionen und infiziert folglich nur selten weitere Individuen (ELLIS 2006, FAINE 1994, LEVETT 2001). Obwohl Wechselbeziehungen zwischen Wirt und Leptospirenserovaren nicht immer konstant sind (LITTLE 1986), bestehen dennoch einige häufig auftretende Serovar-Wirts-Beziehungen (2.6, Tabelle 3), wie z. B. das vermehrte Auftreten der Serovar Icterohaemorrhagiae und Grippotyphosa bei Nagetieren, insbesondere bei Ratten und Feldmäusen. Beim Schwein hat Serovar Pomona weltweit die größte Bedeutung und auch Serovar Bratislava ist in den letzten Jahren sehr bedeutungsvoll geworden (ELLIS 2006). Leptospireninfektionen des Hausschweins spielen eine große wirtschaftliche Rolle, da diese beim Schwein häufig mit Aborten, Totgeburten, Geburten lebensschwacher Ferkel und Unfruchtbarkeit assoziiert ist (2.5.1). Für Serovar Tarassovi stellt

das Schwein selten ein Reservoir dar (ELLIS 2006, FAINE 1994). Beim Rind ist in den meisten Fällen Serovar Hardjo nachzuweisen. Der Hund ist Hauptwirt für Serovar Canicola (FAINE 1994), in jüngster Zeit verursachen aber auch die Serovaren Saxkoebing, Bratislava und Pomona immer häufiger Infektionen. Dies ist problematisch, da die in Europa erhältliche Vakzine nur sicher gegen die Serovaren Icterohaemorrhagiae und Canicola schützt (HARTMANN 2006, ROLLE u. MAYR 2007).