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Untersuchungen mittels Mikroagglutinationstest (MAT)

Da der MAT seit vielen Jahren der Goldstandard der serologischen Leptospirendiagnostik ist, wurde diese Methode auch für die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommenen serologischen Untersuchungen eingesetzt. Als Testantigene dienten die Serovaren Copenhageni, Canicola, Grippotyphosa, Pomona, Hardjo, Tarassovi, Saxkoebing, Icterohaemorrhagiae, Australis und

Bratislava. Ein Titer von 1:100 wurde gemäß des Handbuchs des Office International des Epizooties (OIE Manual 2004) als signifikant gewertet.

Die serologischen Ergebnisse zeigten bei den untersuchten niedersächsischen Wildschweinen eine Seroprävalenz von 85 %. Dies legt nahe, dass Wildschweine sich häufig mit Leptospiren infizieren. Die Serovaren Bratislava (83 %), Copenhageni (48 %) und Grippotyphosa (20 %) waren am häufigsten vertreten. Alle anderen Serovaren wiesen weitaus geringere Prävalenzen auf. 67 % der positiven Seren reagierten mit mehr als einer Serovar, wobei auch hier die Serovaren Bratislava, Copenhageni und Grippotyphosa stark dominierten (4.5). Kreuzreaktionen von Serovaren einer Serogruppe sind in anderen Untersuchungen häufig beobachtet worden und erschweren die Diagnose (HATHAWAY et al. 1983, VAN TIL u. DOHOO 1991, MASON et al. 1998). In vielen Fällen treten aber positive Antikörpertiter, die auf Kreuzreaktivität innerhalb einer Serogruppe beruhen, in niedrigeren Titerstufen auf und ermöglichen so die Unterscheidung zu der vermutlich für die Infektion ursächlichen Serovar (HATHAWAY et al. 1983, FAINE 1994). Die Kreuzreaktionen beruhen auf Antigenen (bzw. Epitopen), die bei unterschiedlichen Serovaren vorkommen und verantwortlich für eine Epitop-spezifische Antkörperbildung sind. Der Nachweis eines Epitops bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dieses für eine Serovar alleine charakteristisch ist. Die Spezifität ist zudem ebenso abhängig von der beteiligten Tierart und der vorhandenen Menge und Affinität der Immunglobuline. So sind während der akuten Infektion gebildete IgM-Antikörper (primäre Antwort) weniger affin als die in der Konvaleszenz gebildeten IgG-Antikörper (immunologische Reifung) (FAINE 1982, 1994).

Kreuzreaktionen innerhalb der Serogruppe Australis treten besonders häufig zwischen der Serovar Bratislava und Muenchen, jedoch nicht mit der Serovar Australis auf (HATHAWAY et al. 1983). Aufgrund von Kreuzreaktionen, die auf antigenetischen Verwandschaften beruhen, wird der MAT auch teilweise als eine Methode bezeichnet, die lediglich einen Hinweis auf die in einer bestimmten Population vorkommenden Serogruppen, nicht aber die Serovaren gibt (LEVETT 2003). In der vorliegenden Arbeit wurden Kreuzreaktionen innerhalb der Serogruppen (Serogruppe Australis = Serovar Bratislava und Australis, Serogruppe Icterohaemorrhagiae = Serovar Copenhageni und Icterohaemorrhagiae sowie Serogruppe Sejroe = Serovar Hardjo und Saxkoebing) nur in einem geringen Maß festgestellt, daher wird davon ausgegangen, dass Kreuzreaktionen innerhalb der Serogruppen hier

unbedeutend sind (4.5, Tabelle 18). Eine Reihe von positiven Reagenten wiesen jedoch Seroprävalenzen gegenüber mehreren Serovaren auf, die heterologen Serogruppen angehören.

Häufig zeigten positive Reagenten gegenüber Serovar Bratislava auch gleichzeitig positive Reaktionen gegenüber Serovar Copenhageni (insg. 31) und Grippotyphosa (insg. 12). Nach HATHAWAY et al. (1983) könnte dieses Ergebnis auf sog. paradoxen Reaktionen, also Mitreaktionen zwischen heterologen Serogruppen, insbesondere zwischen Serovar Bratislava und Copenhageni, beruhen. Diese Reaktionen sind typisch für akute Infektionen. Die höchsten Titerstufen werden mitunter bei den nicht an der Infektion beteiligten Serogruppen detektiert (MINETTE 1964, CHERNUKHA 1976, LEVETT 2001, PRESCOTT et al. 2002).

In serologischen Untersuchungen wiesen HATHAWAY et al. (1983) ausgeprägte paradoxe Reaktionen gegenüber der Serovar Bratislava bei Schweinen nach, die experimentell mit der Serovar Copenhageni infiziert worden waren. Dies legt die Vermutung nahe, dass es bei Infektionen mit Serovar Copenhageni zu positiven Antikörpertitern gegenüber Serovar Bratislava kommen kann. Dennoch sind mehrfache Infektionen mit unterschiedlichen Serogruppen bei den untersuchten Wildschweinen nicht ausgeschlossen. Diese Fragestellung hätte nur über erfolgreiche Isolierung der Erreger geklärt werden können.

Obwohl in Deutschland insgesamt eine geringe Prävalenz der Leptospirose beim Hausschwein ermittelt wurde, ist diese Erkrankung bedeutungsvoll, da sie mit wirtschaftlichen Verlusten verbunden ist und betroffende Bestände häufig weitgehend durchseucht sind (SCHÖNBERG et al. 1987, WALDMANN 1990). Leptospireninfektionen gehen in vielen Fällen mit Umrauschen, Aborten, mumifizierten Früchten und prä- und perinatalen Ferkelverlusten einher (2.5). Aufgrund der hier ermittelten hohen Seroprävalenz gegenüber der Serovar Bratislava stellt sich die Frage, ob das Wildschwein als Reservoir für das Infektionsgeschehen beim Hausschwein von Bedeutung sein könnte. In epidemiologischen Auswertungen (2003/2004) wurde festgestellt, dass der prozentuale Anteil der seropositiven Befunde (MAT) von Hausschweinen in Niedersachsen mit ca. 40 % gegenüber der Serovar Bratislava im Vergleich zu allen anderen getesten Serovaren am höchsten war (WISNIEWSKI 2005). Daraus kann geschlossen werden, dass die Serovar Bratislava sowohl beim Wildschwein als auch beim Hausschwein häufig zu Infektionen führt.

Zu direkten Kontakten zwischen Hausschwein und Wildschwein kann es aufgrund der selten gewordenen Freilanhaltungssysteme nur noch in wenigen Fällen kommen. Allerdings könnte

eine Infektionskette über Kleinsäuger bestehen, da die Serovar Bratislava auch bei Nagetieren (v. a. Ratte und Maus) und Igeln nachgewiesen wurde (HORSCH et al. 1970, SMITH et al.

1992) und Infektionen des Wildschweins durch direkten und indirekten Kontakt zu kleinen Säugetieren aufgrund der Lebens- und Ernährungsweise als Omnivor wahrscheinlich sind.

Ebenso erscheint eine derartige Infektionskette für Serovar Copenhageni plausibel, da diese oft mit Nagetieren (v. a. Ratten) assoziiert ist. Ratten und auch Mäuse sind darüber hinaus auch häufiger Wirt der Serovar Grippotyphosa. In Untersuchungen von ŠEBEK et al. (1983) kommt die Assoziation der Serovar Grippotyphosa mit Wildtieren (Ratten und Mäuse) zum Ausdruck und die damit verbundene Einschleppung in die Schweineställe, insbesondere in der kälteren Jahreshälfte. In Bezug auf eine mögliche Infektionskette zwischen Wildschweinen, Kleinsäugern und Hausschweinen ist es derzeit aber unklar, ob beim Kleinsäuger die Prävalenz der unterschiedlichen Leptospirenserovaren, deren Wirtsspezifität und Virulenz durch das Infektionsgeschehen beim Wildschwein beeinflusst werden.

Im Gegensatz zu der vorliegenden Arbeit wiesen bisherige Untersuchungen zur Seroprävalenz beim Wildschwein in Deutschland (18 %), Spanien (12 %), Italien (6 %) und Polen (25 %) eine sehr viel niedrigere Seroprävalenz auf (JANSEN et al. 2007, VICENTE et al. 2002, EBANI et al. 2003, KRAWCZYK 2005). Dennoch sprechen auch diese Untersuchungsergebnisse für häufige Infektionen von Wildschweinen mit Leptospiren.

Allerdings treten unterschiedliche Serovaren in den verschiedenen Ländern in Erscheinung.

Bei den oben genannten Untersuchungen in Deutschland ist neben Serovar Bratislava v. a.

Pomona vertreten, in Spanien tritt Pomona allein als häufigste Serovar auf. Wildschweine in Italien weisen eine Seroprävalenz gegenüber den Serovaren Bratislava und Icterohaemorrhagiae auf.